Benutzer
Benutzername: 
SternchenBlau

Bewertungen

Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2023
Malerba, Giulia;Sillani, Febe

So isst die Welt


gut

Nett, aber…

Leckeres Essen, gerade länderspezifisch, ist einfach wundervoll. Wir könnten zwar als Familie durchaus NOCH experimentierfreudiger sein. Aber generell geht allein beim Klang der Namen unser Herz auf und auf Reisen (auch innerhalb Deutschlands) probieren wir dann auch gerne mal Hawaiianisch oder Indonesisch aus, was jetzt nicht so in den Standard-Restaurants zu finden ist. Dieses Buch aus dem Riva-Verlag mit dem witzigen, farbenfrohen Cover wanderte daher schnell in der Bibliothek in unserer Tasche.

Leider lag es dann eine ganze Zeitlang rum. Wir hatten es zwei-, dreimal angeblättert, aber irgendwie landete es dann schnell wieder auf dem Stapel. Gut passiert manchmal, auch bei sehr guten Büchern. Kürzlich haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und es uns ganz bewusst vorgenommen – aber auch da konnte es uns nicht wirklich begeistern.

Das liegt sicher an dem Format des „Atlas“: Wir haben anhand des Covers und des Klappentextes eben keinen reinen Atlas erwartet. Es gibt hier wirklich ausschließlich Karten auf Doppelseiten, die mit Grafiken und Texten ergänzt sind. Das Buch ist daher wirklich auch eher nicht zum eigentlichen Lesen, sondern zum Durchblättern gedacht. Trotzdem stellen wir uns beim „Entdecke fremde Länder“ irgendwie eine andere Erfahrung vor.

Die Redundanz, dass immer erst die Kontinente grob vorgestellt werden, viele besondere Gegenstände aber nicht erklärt werden, sondern erst in den Ländern, na gut. Aber der Platz hätte eher für eine allgemeine Einführung genutzt werden können. Die fallen doch recht dünn aus. Dann gibt es so - nennen wir sie mal - Allgemeinplätze wie Trauben. Warum tauchen die gerade in Kanada auf? Erklärt wird das nicht. Und dass immer mal wieder Rind oder Kuh rumsteht, naja, muss das sein, wo ist da das spezifische.

Und bei aller Lust am Entdecken, sind uns dann die Texte oft einfach auch zu kurz und auch zu unspezifisch. Ein Beispiel aus Norwegen mit einem der eher langen Texte:
„Stockfisch aus Møre og Romsdal: Die Stockfischproduktion beruht in Norwegen auf einer langen Tradition. An der Westküste wird er noch wie früher verarbeitet.“
Aha, aber wie wird den nun Stockfisch zubereitet? Und wie wird er dort (bzw. früher) zubereitet. Wissen wir halt weiterhin nicht und irgendwie erwartet ich halt doch, nach so einem Buch etwas mehr Gefühl dafür zu kriegen.

Was uns allerdings schon am Anfang die Lust am Weiterblättern ziemlich verhagelt hat, war, dass in Nordamerika gleich zwei mal die indigene Bevölkerung (First Nations) mit dem I-Wort bezeichnet wurden. Die Übersetzung ist von 2018, muss das denn sein. Wir haben dann noch mehr quergelesen, wie dieses Buch eh schon angelegt ist.

Nett, vor allem die niedlichen Illustrationen, aber dieser Atlas konnte uns nicht wirklich abholen. Wir vergeben immer noch 3 von 5 Sternen, weil vielleicht liegt es ja doch in erster Linie am Format.

Bewertung vom 02.12.2023
Pearson, Luke

Hilda und der Troll


ausgezeichnet

Hilda wohnt in einem abgeschiedenen Häuschen irgendwo in den skandinavischen Bergen. Wer hat noch nie von so einem wundervollen Leben geträumt? (Nach zwei Wochen wäre es mir persönlich ja zu einsam, aber darum gibt es ja Literatur, die uns schwupp-die-Wupp dort hin versetzen kann!)

Über diese Kinder-Comic-Reihe hatte ich immer wieder Gutes gelesen und so musste sie irgendwann zu meinem 11jährigen Sohn und mir. Und wir waren von den Bildern und Geschichten total angetan. Hilda lässt sich sich ohne Probleme ab etwa 8 Jahren lesen und mit Hilda haben auch erwachsene Lesende noch viel Spaß.

Rein textlich und von den farbigen Bildern her ginge das Buch vermutlich schon ab 6, aber es gibt auch schon immer mal wieder so Spannungsmomente, die zum alleine lesen vielleicht dann etwas gruselig sein könnten. Mir hat der Look besonders gut gefallen. Ich wollte erst „bunt“ schreiben, aber die Panels haben einen ganz eigenen Look, farbig, aber doch etwas gedeckt, was gut zu Skandinavien passt. Und gleichzeitig nicht so ein Pseudo-Beige, das gerade im Kinderzimmer-Design so gehypt wird. Schlicht und passend, gerade auch für Kinder.

Viele Bilder kommen – klassisch GraficNovel – auch komplett ohne Sprechblasen aus. Es gibt ganzseitige Bilder und generell ganz viel zu entdecken. Daher eignet sich Hilda auch super dafür, die Kunstform Comic sehen und lesen zu lernen.

Hilda liest in der Einöde sehr viel und die Realität sieht dann doch manchmal etwas anders aus. Und selbst gruselige Wesen stellen sich in echt dann doch nochmal anders heraus.

Es gibt seit einigen Jahren auch eine Netflix-Serie über Hilda und all die magischen Wesen, die sie trifft. Die haben wir allerdings noch nicht gesehen. Kennt die Serie eine*r von euch? Und könnt ihr sie empfehlen?

Diesen ersten Band der Hilda-Comic-Reihe empfehlen wir auf alle Fälle. Der Nachfolgeband liegt schon hier. 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Ilisch, Maja

Unten


ausgezeichnet

Sogwirkung!

Bei diesem Buch hat mir schon der Klappentext solch ein Unbehagen verursacht, dass ich es gleich wieder ins Regal stellen musste.

Bitte beachtet, auch die CN am Ende dieser Rezi

„Nevo muss sich an die Regeln halten, sonst verliert ihre Mutter noch die Wohnung und sie müssten im Häuserblock nach unten ziehen, und dorthin will man nicht. Nevos Kosmos ist der Block, hier spielt ihr Leben. Seit Generationen hat niemand das Gebäude verlassen.“

Wie gruselig ist denn bitte, wenn seit Generationen das Gebäude niemensch mehr verlassen hat?!? Aber genau dieses Buch fand mein 11jähriger Sohn megaspannend, erst recht, als ich von meinem tiefen Unbehagen erzählte. Also hat er mich überredet, dass wir es gemeinsam lesen.

Und trotz – oder vielleicht genau wegen – meines Unbehagens hat uns dieses Buch richtig tief reingezogen. Aber die Warnung vorneweg: Es ist an vielen Stellen wirklich düster und gruselig. Bei dem Entwurf ihrer Dystopie spielt Maja Ilisch geschickt mit unseren Erwartungen, aber auch mit unseren Emotionen: Angst, Ekel, Freundschaft, fehlendes Selbstvertrauen, Gefahren, Absurditäten. Ja, vor allem immer wieder Absurditäten, die einen ganz eigenen Grusel vermitteln.

„»Aber..«, fing Nevo an. »Heißt das, Sie sind hier ein-geschlossen? Die ganze Nacht lang?« »Die Tür ist versperrt«, sagte sie. »Aber eingeschlossen wäre ich ja nur, wenn ich gehen wollte. Ich gehe erst am Morgen. Und dann ist die Tür wieder auf.« Nevo runzelte die Stirn und versuchte, das zu verstehen - es ergab irgendwie keinen Sinn. Aber dann musste sie daran denken, dass die Klassenräume ja auch abgeschlossen waren während des Unterrichts. Und eingesperrt fühlte man sich auch nur dann, wenn man an der Tür rüttelte, und warum sollte man das während des Unterrichts tun?“

Das Buch entwickelt einen starken Sog, wenn wir gemeinsam mit der Protagonistin Nevo im Gebäude immer weiter nach unten gehen. Dennoch schafft die Autorin das geniale Kunststück, dass sie die doch noch recht junge Zielgruppe immer wieder mit leichteren Teilen der Geschichte nicht zu sehr in der Verzweiflung zurücklässt. Gerade die Absurditäten und die Menschen, auf die Nevo trifft, tragen dazu bei. Je weiter es nach unten geht, umso mehr wird auch deutlich, wie perfide das Reglement im Haus ist. Die große Frage bleibt: Schaffen wir es wieder nach oben?

Mehr möchte ich gar nicht verraten. Tolles Buch, ganz ängstliche Kinder und Jugendliche sollten besser die Finger davon lassen. Trotzdem: 5 von 5 Sternen.



CN:
emotionale Kindesmisshandlung, Schusswaffen, Entzug von den Eltern, Unterdrückung Meinungsfreiheit, Ratten, Hunger, große Dunkelheit, schlimme hygienische Zustände

Bewertung vom 02.12.2023
Kuang, R. F.

Babel


ausgezeichnet

"Babel" war eines der Bücher, bei denen mich das Cover fasziniert hat. Ich habe zwar mitbekommen, dass einige das Buch liebten und einige so gar nicht mochten, wusste aber nicht viel darüber, bevor ich mit dem Lesen angefangen habe. Und dann habe ich das Buch in wenigen Tagen verschlungen! Denn diese Welt, die so realistisch in vieler Hinsicht ist, hat mich einfach gepackt.

Ich wollte einfach wissen, wie es weitergeht, weil der Kampf, der allem zugrunde liegt, einfach so wichtig ist. Sorry, dass das so kryptisch ist, aber ich will nicht zu viel konkret verraten, weil mir selbst das beim Lesen so einen Genuss bereitet hat.

„In der Mitte des fünften Stocks standen Glasschaukästen, in denen sich auf einem roten Tuch eine Reihe rot gebundener Bücher befand. Der Schein der Lampen auf ihren weichen Ledereinbänden ließ sie magisch aussehen - eher wie die Grimoires eines Zauberers"
Als Leserin bin ich Fan von Worten. Es gibt allerdings Gründe, warum ich Literaturwissenschaften und nicht Linguistik studiert habe. Und dennoch: Dieses Buch führt einen so tief in die Bedeutung von einzelnen Worten ein, dass es mir ein Fest war. Ich habe während der Lektüre des Buches etwas in einigen schlechten Rezensionen quergelesen. Langatmig und trocken war ein Vorwurf. Schon bei der Länge mit knapp 750 Seiten ist das Buch nichts für all diejenigen, die ausschließlich Action wollen. Und generell sollte man schon etwas Spaß an der Analyse von Sprache haben. Aber für mich kam die immer total faszinierend rüber, trotz meiner geringen Neigung zu Linguistik. Wo Worte herkommen und was das ausmacht, das ist einfach so spannend geschildert. Ich habe mich in diese Beschreibungen fallen lassen.

„Es war eine zusammengeflickte Frankenstein-Sprache. Robin schien es unglaublich, dass dieses Land, dessen Bewohner sich dem Rest der Welt für so überlegen hielten, nicht mal einen Nachmittagstee ohne etwas Geborgtes trinken konnten.“
Ja, und dann ist das Buch einfach auch absolut gelungene und spannende Schilderung, was Rassismus ist und was Kolonialismus und welche Auswirkungen beide haben. Wenn man sich als weiße Person zum ersten Mal damit auseinandersetzt, ist das vielleicht schmerzhaft. Aber liebe weißen Mitpersonen, es geht nicht immer um uns! "Babel" zeigt, wie wichtig Repräsentation von BIPoC in der Literatur ist. Denn eine weiße Person hätte eine so spannende, emotionale Geschichte mit so einer eigenen magischen Welt gar nicht schreiben können.

Einen halben Stern ziehe ich ab, weil ich eine schmerzliche Sache schon recht früh habe kommen sehen. Da funktionierte das Vermeiden von Klischees auch nicht ganz.

Eine herzliche Leseempfehlung für alle, die sich gerne in einer ganz anderen magischen Welt fallen lassen möchte und gleichzeitig darüber auch noch die harte Realität dabei nicht ausblenden möchten. 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Kling, Marc-Uwe

Das Klugscheißerchen


gut

Kling begeistert uns sonst viiiiiel mehr!

Wir sind hier in der Familie ja große Fans von Marc-Uwe Kling – das heißt, wir kennen neben den Känguru-Büchern, auch mehrere Kinderbücher und Brett-/Kartenspiele von ihm. Vom. „Klugscheißerchen“ fanden wir Klings Mini-Lesungen auf Instagram schon wieder sehr charmant und das Buch musste sofort mit, als es mein 11jähriger Sohn in der Buchhandlung liegen sah.

So, und nun haben wir es gelesen (in 3 Generationen), haben geschmunzelt und manchmal auch gelacht – und nun sitze ich hier und weiß nicht so recht, wie ich dieses Buch bewerten soll. Mein Dilemma auf den Punkt gebracht: Wäre es kein Kling, dann wäre es nette Unterhaltung mit 3,5 bis 4 Sternen. Irgendwie. Denn ja, es ist ein Kling. Und was wir an Kling lieben, sind seine pointierten, bissigen Subtexte, seine treffende Referenz auf Pop- und Hochkultur. Und auch, wenn in der „Der Tag als…“-Reihe das immer etwas weniger wurde, hier ist da gefühlt ganz wenig vorhanden. Ja, es ist ganz witzig, dass Familien (Kinder wie Eltern) gerne mal zur Klugscheißerei neigen. Aber irgendwie trägt das in der Redundanz dann nicht so wirklich.

„Das Klugscheißerchen“ ist wirklich ganz nett, aber auch so ein Buch, dass eigentlich nicht im Regal rumstehen brauche. Da hören wir lieber mal wieder in einen der Känguru-Bände rein oder spielen eine Runde „Abrakadabrien“. Also vergebe ich3 von 5 Sternen. Und mein Sohn reißt mir vermutlich den Kopf dafür ab, wenn er von der Schule nach Hause kommt 😅

Update: Mein Sohn hat mir NICHT den Kopf abgerissen und ging mit meiner Sternbewertung vollständig mit: Nett gelesen zu haben, aber nicht mehr. Da wir aber nun mehrfach den Hinweis bekommen haben und wir die Mini-Lesungen von Marc-Uwe Kling auf Instagram ja sehr charmant fanden, werden wir der Hörbuchvariante noch eine Chance geben, wenn sie uns demnächst sicherlich in der Bibliothek über den Weg laufen wird.

Bewertung vom 02.12.2023
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


gut

Eine skurrile Geschichte über eine Frauenfreundschaft. Die ernsten, düsteren Themen darin passten aber für mich nicht zur Geschichte.

Vorneweg eine Bemerkung: Der Gesamteindruck, den ich von „Miss Bensons Reise“ habe, hängt sehr von der Erwartung ab, die ich bei diesem Buch hatte. Und der war leider eine ganz andere als das, war mir dann das Buch geliefert hat. Bitte die Content Note beachten!
Anhand des Klappentextes hatte ich eine beschwingt leichte und skurrile Geschichte erwartet, bei der zwei sehr unterschiedliche Frauen Freundinnen werden. Skurril stimmte, und der Teil mit der Freundschaft irgendwie auch. Aber die Geschichte war weit weniger beschwingt und leicht, als ich erwartet hatte. An einigen Stellen gab es dann doch eine sehr düstere Grundstimmung, die mich ziemlich nach unten zog. Nicht falsch verstehen: Ich mag ernste Themen und eigentlich mag ich es besonders, wenn vermeintlich Ernstes leicht vermittelt wird. Hier war es mir aber nicht ausgewogen genug.
CN: Fehlgeburt, gewaltsamer Tod, Stalking, PTBS, Flashbacks, körperliche Gewalt
Besonders den Aspekt des Stalkings fand ich irritierend, weil das ja alles dann doch in die Grundgeschichte eingebettet war, die immer noch auf die Beschwingheit abzielte.
Ich hatte aber beim Einstieg ins Buch schon so leichte Probleme. Miss Bensons wurde mir immer ein wenig zu naiv und lebensfremd vorgestellt. Das machte mir das Buch etwas unsympathisch. Und nach dreißig, vierzig Seiten blieb das Buch dann erstmal in der Ecke liegen. Und es dauerte weit über ein Jahr bevor ich dem Buch dann doch noch eine Chance gegeben habe.
Ich mochte, dass die beiden Protagonist*innen nicht aufgeben und sie sich einen selbstbestimmten Weg in einer schwierigen Zeit suchen. Auch die Käfersuche hat mir sehr gut gefallen. Zwischendrin habe ich mich auch immer ganz gut unterhalten gefühlt.
Aber in Kombination mit den düsteren Aspekten blieb ein sehr schaler Leseeindruck zurück.
Ich vergebe 2,5 von 5 Sternen und empfehle bei der Entscheidung für das Buch meine CN zu beachten.

Bewertung vom 26.10.2022
Lyons, Jenn

Der Name aller Dinge / Drachengesänge Bd.2


ausgezeichnet

Facettenreich, vielschichtig, komplex und eine wirklich eigene Welt:
Ein großes Fantasy-Vergnügen, das allerdings Konzentration erfordert.

Wow, ich bin wirklich geflasht von dieser Reihe und möchte sie euch wirklich ans Herz legen, schon allein, weil sie althergebrachte Held*innen-Bilder und Rollenvorstellungen hinterfragt. Eine Warnung muss ich allerdings aussprechen: So viel Vergnügen sie mir bereitet hat, so viel Konzentration erfordert sie auch.
Wie schon im 1. Band baut Jenn Lyons wieder eine sehr komplexe Erzählstruktur mit mehreren Erzähler*innen auf, auf deren Verlässlichkeit wir uns nicht immer ganz verlassen können. Die Hauptrollen werden diesmal von anderen Charakteren eingenommen, und Khirin, der Hauptprotagonist aus dem 1. Band, darf deren Erzählungen lauschen. Schon durch die vielen Facetten wird deutlich DIE eine Geschichte gibt es nicht. Besonders präsent beim Erzählen ist diesmal Janel, die nicht nur schnell Khirins Herz eroberte, sondern auch meines. Mit Janel schafft Lyons einen schimmernden, vielschichtigen Charakter, der zwischen trans- und nonbinärer Identität die Geschlechterrollen unserer Gesellschaft hinterfragt. Alles ist im Fluss, aber nich nur bei Janel, sondern auch bei der Geschichte selbst. Tote können wiederauferstehen oder wiedergeboren werden. So wechseln auch häufig die Namen und Völker, alte Loyalitäten oder Feindschaften bleiben allerdings bestehen – und manchmal dann wieder nicht. Das macht das Lesen zu einer intellektuellen Herausforderung, was aber einen ganz eigenen Reiz erzeugt.
Zugegeben, bei dieser Reihe ist es durchaus von Vorteil, wenn die Bände schon alle zum Hintereinanderweglesen vorliegen. Ich hatte doch wirklich gebraucht, bis ich wieder völlig in der sehr eigenen komplexen Welt eingetaucht war. Der Folgeband, 3. Band der Reihe, ist dann auch noch nicht das Finale, sondern es kommen zwei weitere Bände, die aber noch nicht auf deutsch erschienen sind.
Ich hoffe, die Übersetzungen kommt noch. Sonst werde ich auf alle Fälle die Reihe für mich auf Englisch zum Abschluss bringen.

Fazit: Wow, eine ganz tolle Welt mit wunderbaren Charakteren, die auch unsere reale Welt hinterfragen – und die Vorstellung, was gut und böse ausmachen. Die Komplexität ist jedes Kopfzerbrechen wert, nur seichte Unterhaltung dürft ihr hier nicht suchen. 4,5 von 5 Sternen und große Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.09.2022
Pannen, Kai

Rabatz in Wabe 13 (2 Audio-CDs)


ausgezeichnet

So toll! Witzige Bienengeschichte, mit ganz viel tollen Ideen, dazu ein Plädoyer für Nonkonformität!

Eine ganz besondere unter 1.567 zukünftigen Bienen

Nachdem mein Sohn die Adventskalendergeschichte „Du spinnst wohl!“ um Spinne Karl-Heinz die Fliege Bisy sehr genossen hat, waren wir auch auf die das „Geburtstags-Vorfreude-Herunterzähl-Buch“ Sprecherin Cathlen Gawlich liest das Buch mit so viel Begeisterung, szenischer Interpretation und einem großen unterschiedlichen Stimminventar, dass die Lesung eigentlich schon zum Hörspiel wird. Die Musik liefert einen tollen Übergang zwischen den Kapiteln und eine klasse Atmosphäre für die Geschichte.
Die kleine Made Maxi kann es kaum erwarten: Sie fiebert dem Tag entgegen, an dem sie endlich eine Biene werden wird. Und Maxi hat so allerhand Ideen, die besonders Oberamme Zora völlig aus der Ruhe bringen, besonders wünscht sich Maxi eine Geburtstagsfeier. Aber das hat es bei den Bienen noch nie gegeben! Zum Glück hat Maxi Unterstützung von ihren 1.566 Geschwistern und von Unteramme Anne.
Kai Pannens (Hör)Buch um Made Maxi ist so zauberhaft. Pannen schafft die Meisterleistung zwischen Wiederholung gleicher Elementen (wie der Nennung der 1.566 Geschwister) und immer neuer Ideen. Schnell wird deutlich, dass Maxi eine Ausnahme-Made ist, ihre Geschwister zeichnen sich durch großen Gruppendruck aus. So entsteht ein tolles Plädoyer für Nonkonformität, Individualität und Selbstbestimmung. Die Bedeutung von Gemeinsinn, den die Bienen ausstrahlen, kommt aber auch nicht zu kurz. Und so wird auch einiges an Fakten über Bienen und ihre Lebensweise in die Geschichte eingewoben. Dazu gibt es auch immer wieder politische Sidekicks, wie die Funktion des Imkers (die Maxi zurecht kritisiert), und dass die Oberamme von „alternative Fakten“ spricht, ist so witzig wie für Erwachsene und ältere Kinder amüsant.
Dass Kinder mit dem Buch die Wartezeit zu ihrem Geburtstag herunterzählen können, ist ein hübscher Nebeneffekt. Wir haben das aber nicht gebraucht.
Mein Sohn und ich haben das Hörbuch total genossen. Die Geschichte und die szenische Lesung sind rundum gelungen, dass wir nach dem Hören immer gute Laune hatten. Und so haben wir das Hörbuch sogar schon mehrfach gehört. 5 von 5 Sternen.



(Wir haben uns übrigens mittlerweile auch das Buch gegenseitig vorlesen. Die Illustrationen des Autors sind total witzig und wir haben auch die Lektüre sehr genossen.)

Bewertung vom 11.09.2022
Roig, Emilia

Why We Matter


ausgezeichnet

Dieses Buch ist eine Offenbarung!
Eindringlich und faktenreich argumentiert, mit persönlichen Erfahrungen bereichert. Bitte lesen!

Dieses Buch ist eine Offenbarung. Mindblowing, gerade weil ich viele Aspekte schon kannte. Aber Emilia Roig bringt sie einfach auf den Punkt und zeigt, wie sehr Diskrimierungserfahrungen für die Betroffenen alle Lebensbereiche durchziehen. So wirkt sich Rassismus oder Sexismus auf eine Psychotherapie aus, weil die Behandelnden viele unbewusste Vorurteile hegen – Ärzt*innen können dadurch sogar einen Herzinfarkt ignorieren, weil sie durch Vorurteile die Symptome der Kranken nicht erst nehmen oder erkennen. Roig gelingt es viele verschiedene Aspekte von Diskriminierung aufzufächern, in Bezug zu setzen und damit ganz tiefe Einsichten zu geben: Mit Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Ableismus, Klassismus, Antiziganismus, LGBTI-Feindlichkeit etc. wird hier Intersektionalität (d.h. Überschneidung und Gleichzeitigkeit verschiedener Diskriminierungskategorien) verortet und für mich entstand so eine Art Kompass der Intersektionalität, also ein Gefühl, wie wir da durch navigieren können.
Ich habe mich ja schon länger mit intersektionalem Feminismus beschäftigt, der sich zum Ziel setzt, nicht nur Sexismus zu bekämpfen, sondern eben auch andere Diskriminierungsformen. Denn, es mag wie eine Binsenweisheit klingen: So lange Menschen unterdrückt werden, können wir nicht frei sein. Weil die selben Strukturen, die gegen Frauen eingesetzt werden, wirken auch gegen Schwarze und jüdische Menschen und weitere Marginalisierte – und meist sind es die selben Menschen, die gegen "uns" hetzen. Darum finde ich das "We" des Titels auch so wirkungsmächtig.
Roigs Buch bringt so unglaublich viele Aspekte zusammen. Als Schwarze, queere, jüdische Frau, die früher von Armut betroffen war, kann sind ihre persönlichen Eindrücke unglaublich bereichernd schildern. Dazu zitiert sie wertschätzend viele jeweils Betroffene. Sie ist von dem tiefen Wunsch beseelt, die jeweils anderen Lebenserfahrungen zu verstehen, so dass ich selbst vieles auch besser verstanden habe. Als versierte Wissenschaftlerin unterfüttert Roig ihren Text mit Fakten und Belegen. Ich habe bei der Lektüre auch einige Sachen über mich selbst gelernt, gerade, weil Roig auch ihre eigenen Erfahrungen so nahbar schildert und uns teilhaben lässt.
Es ist jetzt schon wieder eine Zeitlang her, dass ich „Why We Matter“ gelesen (und parallel die grandiose Autorinnen-Lesung gehört habe), für eine Rezension zu meiner Leseerfahrung fehlten mir allerdings immer die passenden Worte – gerade, WEIL mich das Buch so beeindruckt und bewegt hat. Dabei finde ich es so wichtig, „Why we matter“ breit zu empfehlen und ich habe das Buch auch schon mehrfach an Freund*innen verschenkt.
Vor nur wenigen Tagen erlag aufgrund eines schrecklichen Hassverbrechens Malte, ein trans Mann, seinen Verletzungen. Am Rande des CSDs in Münster hatte Malte ein homo- und transfeindlicher Mann so verprügelt, dass Malte die schweren Verletzungen nicht überlebt hat. Seit einiger Zeit macht sich, angefeuert von rechtsradikalen Strukturen, eine Transfeindlichkeit breit, auch unter Menschen, die sich eigentlich „Feministinnen“ nennen. Aber Feminismus muss IMMER intersektional sein, das zeigt nicht zuletzt dieses Buch.
Beim Lesen habe ich so viele wundervolle Stellen und Zitate angestrichen. Und am wundervollsten war, wie wertschätzend Roig über viele andere kluge Menschen schreibt, in deren Denktradition sie steht. (Achtung: Diese Buch weckt die Wünsche nach vielen anderen wichtigen Büchern, die Leseliste wird danach ächtzen.) "Why We Matter" habe ich. schon mehrfach an Freund*innen verschenkt.
Fazit: Eine Offenbarung. Auf jeder Seite hatte ich das Gefühl: „Why We Matter!“, wir, die Marginalisierungen ausgesetzt sind. Das Empowerment von Roigs Buch ist so motivierend, dass wir uns zusammentun, damit wir nicht nur wissen, warum wir zählen, sondern, damit wir auch alle endlich tatsächlich zählen.