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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
Über mich: 
Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 140 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


ausgezeichnet

Grandioser Genremix

Im Dezember 1941 wird der in Honolulu ansässige Polizist Joe McGrady mit der Aufklärung eines Doppelmords betraut, die Opfer sind ein junger Mann - der Neffe des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte - und dessen Freundin, eine junge Japanerin.
Ein gewisser John Smith gerät ins Visier der Ermittler, jedoch ist er gerade nach Hongkong abgereist und McGrady folgt ihm dorthin. Durch eine Intrige landet er dort im Gefängnis und wird dann nach dem Angriff Japans auf Pearl Harbour von den Japanern, die auch Hongkong besetzt haben, nach Japan deportiert, dort aber von einem japanischen Diplomaten gerettet, der ihn bei sich versteckt. Dort verlässt er jahrelang nicht das Haus und freundet sich mit der Tochter seines Retters an, die ihm Japanischunterricht gibt.
Der Roman ist nicht nur ein Krimi, er ist auch historischer Roman, Abenteuerroman, Anti-Kriegs-Roman und berührende Liebesgeschichte, er ist nicht einfach ein Thriller, sondern überraschend anders! Interessant auch die exotischen Schauplätze, und die kulturellen Einblicke die dem Leser gewährt werden. Der Autor schlägt ganz unterschiedliche Tonarten an und sein Joe McGrady ist ein sympathischer Protagonist, mit dem man mitfiebert. Ein tolles Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Bewertung vom 16.04.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


sehr gut

Ein römischer Commissario in Ligurien

Schön, ein Autor hat für seinen italienischen Regionalkrimi mal einen Schauplatz gefunden, der krimitechnisch meines Wissens noch nicht beackert wurde.
Vito Grassi aus Rom hat nach dem Tod seines Vaters beschlossen, sich nach Ligurien versetzen zu lassen, wo er ein Rustico von seinem Vater geerbt hat. Denn die Kinder sind mehr oder weniger aus dem Haus und er und seine Ehefrau leben nebeneinander her … da könnte ein Neuanfang guttun!
Die erste Überraschung: im Haus lebt Toni – wer ist sie: die Lebensgefährtin seines Vaters, ein Tochterersatz?
Dann auf der Arbeit: eine weibliche Vorgesetzte und eine aufgeweckte junge Kollegin. Grossi ist kein sehr umgänglicher Zeitgenosse; er braust schnell auf, sagt oft Dinge, die ihm schon während des Aussprechens leid tun, platzt mit Bemerkungen heraus, die er lieber hätte lassen sollen … kurz gesagt, die Zusammenarbeit gestaltet sich nicht unkompliziert, klappt aber schlussendlich dann doch. Gleich zu Beginn gibt es zwei Morde, die, wie sich herausstellt, zusammenhängen. Zunächst folgen die Polizisten zahlreichen falschen Fährten.
Ich habe gehört, dass die Cinque Terre sehr schön sind, und die Landschaftsbeschreibungen des Autors illustrieren das sehr schön. Er lässt sich Zeit, seine Protagonisten und die Örtlichkeiten vorzustellen und sorgt auch immer für genügend Spannung.
Ein gut lesbarer Schreibstil, gute, zum Teil humorvolle Dialoge, Lokalkolorit, spannende Kriminalfälle, interessante Charaktere, schöne Landschaft, gutes Essen – was will man mehr von einem Regionalkrimi?
Mich hat dieser kurzweilige Cosy sehr gut unterhalten, und ich freue mich auf den nächsten Band.

Bewertung vom 24.02.2023
Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3


ausgezeichnet

Ein Mordsvergnügen!

Der dritte Fall für den Donnerstagsmordclub und noch keine Abnutzungserscheinungen, im Gegenteil, die amüsanten und warmherzigen Geschichten werden immer besser! Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim sind allesamt Bewohner der edlen Seniorenresidenz Coopers Chase und haben sich zusammengefunden, um Cold Cases zu lösen: Ibrahim ist/war Psychoanalytiker, Ron Gewerkschafter, Elizabeth ehemalige MI5-Mitarbeiterin und Joyce ist eine nette alte Dame, die es aber faustdick hinter den Ohren hat. Um die vier herum gibt es einen Kreis von Freunden und Helfern, der bei jedem Band noch erweitert wird, und alle diese Figuren sind einem als Leser ans Herz gewachsen und bekommen auch genug Raum, um sich weiter zu entwickeln. In diesem Band kommen ein Ex-KGB-Chef (aus Elizabeths Bekanntenkreis), ein Fernsehmoderator, eine Maskenbildnerin und ein hünenhafter Wikinger hinzu, der sich perfekt auf Geldwäsche per Kryptowährungen versteht.
Der Mordclub hat sich auf den Fall einer Fernsehjournalistin verlegt, die vor etwa zehn Jahren im Zuge der Recherche zu einem ungeheuren Mehrwertsteuerbetrug ums Leben kam. Man ermittelt also im Fernsehmilieu, und dann wird Elizabeth entführt und mit der Drohung, dass ihre beste Freundin Joyce sonst umgebracht wird, dazu erpresst, ihren alten Freund Victor zu töten ...
Es geht also hoch her, Autor Osman hat sich wieder trickreiche Wendungen einfallen lassen, die vielleicht nicht ganz realistisch sind, dafür aber höchst unterhaltsam, und bietet dann eine völlig unerwartete Lösung. Dazu kommen noch ein paar neue Paarbildungen, auch diese äußerst vergnüglich. Spannung, Einfallsreichtum und Humor - was will der geneigte Cosy-Leser mehr? Ein rundum gelungenes Lesevergnügen! Jetzt heißt es wieder ein Jahr auf den nächsten Band warten ...

Bewertung vom 15.02.2023
Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


sehr gut

Faszinierendes Debut
Dieser ungewöhnliche Roman lässt sich schwer einem Genre zuordnen, als Thriller würde ich ihn jedenfalls nicht bezeichnen! Es ist ein Western, eine Liebesgeschichte, ein Rachedrama, das 1869 spielt, in der Zeit als das amerikanische Eisenbahnnetz gebaut wurde, größtenteils von chinesischen Arbeitssklaven. Es geht dem jungen Autor, der in Beijing geboren wurde und dann in den USA aufgewachsen ist, auch um die Kränkungen, die Misshandlung und die Ausbeutung seiner chinesischen Landsleute. Es ist ein Western, der nicht aus der weißen Perspektive geschrieben wurde.
Ming Tsu ist vom Schicksal in die Rolle des Auftragskillers verschlagen worden. Als Waisenkind aufgewachsen bei einem Amerikaner, den er als Vater anerkannte, der auch meistens gut zu ihm war und ihm aber eine ganz spezielle Ausbildung angedeihen ließ: als Hit-Man. Im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute spricht er fließend Englisch und gar kein Chinesisch. Zu seinem Pech verliebt er sich in ein weißes Mädchen, sie sich auch in ihn, sie brennen durch und heiraten: Das kann der Vater des Mädchens keinesfalls akzeptieren, seine Mannen brechen in die Idylle des Paares ein und bringen Ming fast dabei um. Dann wird er als Arbeitssklave an die Eisenbahngesellschaft verkauft. Nach einigen Jahren gelingt es ihm, zu fliehen, und zu diesem Zeitpunkt beginnt der Roman. Ming hat einen greisen, blinden Chinesen mitgenommen, der gewisse seherische Fähigkeiten hat. Und er hat sich geschworen, Rache zu üben an allen, die sein Glück zerstört haben und dann sein Mädchen wieder in die Arme zu schließen. Eine ziemlich naive und romantische Sichtweise für einen so harten Kerl. Ein Wanderzirkus heuert ihn als Begleitschutz an und mit dieser schrägen Truppe geht es auf die Reise nach Westen, Richtung Kalifornien.
Unterwegs verschwindet Ming immer mal wieder, um einen Kandidaten von seiner Todesliste zu eliminieren. Aber er ist kein schlechter Mensch, er entwickelt durchaus fürsorgliche, warme, einfühlsame Beziehungen zu einigen aus der Gruppe, er ist geduldig und friedfertig im Umgang mit seinen Reisegefährten. Es gibt immer wieder Kämpfe mit gegnerischen Gruppen, das sind die Stellen, die so sind, wie man sich einen Western vorstellt. In diesen Szenen geht es brutal zur Sache, aber trotzdem schafft der Autor es, dass man als Leser mit dem Protagonisten sympathisiert. Dann gibt es eindrückliche Landschaftsbeschreibungen und viele Szenen im Zusammenhang mit dem Propheten und der Gauklertruppe mit einem surrealen, irgendwie esoterischen, fast fellininesken Einschlag.
In meiner Jugend habe ich jede Menge Karl May gelesen, danach aber eigentlich mit dem Thema „Western“ abgeschlossen, Aber dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen, es ist eben viel mehr als nur ein Western, es ist Literatur!

Bewertung vom 10.01.2023
Mord im Kurhotel
Grue, Anna

Mord im Kurhotel


weniger gut

Der Klappentext hat falsche Erwartungen geweckt!

Ein Hygge Krimi, also wohl so etwas wie ein dänischer Cosy – das klang erst einmal verlockend!

Die Heldin, Anne–Maj Mortensen, eine Rentnerin in ihren frühen Siebzigern (auch schon Protagonistin eines ersten Bandes, den ich nicht gelesen habe) beschließt nach einer Knie-OP in ein Kurhotel zu gehen, weil sie mit dem operierten Knie in Ihrem Haus noch nicht allein klarkommen würde. Das Hotel ist nicht allzu weit entfernt von ihrem Heimatort, so dass sie dort auch mit Besuch von ihrer Tochter und ihrer Enkelin rechnen kann., Bald kommt es zu einem Mord in einem Schlammbad! Und die zweite Leiche lässt dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Anne-Maj, die sich schon einmal als Schnüfflerin betätigt hat, tut sich mit einigen anderen Langzeitgästen zusammen, um selbst zu ermitteln.

So weit, so gut. Der Krimiplot ist eigentlich ganz gut durchdacht, eine Geschichte mit unerwarteten Wendungen, aber die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen. Vor allem, weil die Protagonistin so gar nicht sympathisch ist: Sie ist sehr egozentrisch, zeitweise verantwortungslos, unbedacht, tablettenabhängig, leichtsinnig und auch ziemlich unreif, ihre inneren Monologe sind manchmal zum Fremdschämen. Die Autorin scheint diese Macken ja als harmlos und amüsant anzusehen, ich konnte jedoch in ihren Beschreibungen kaum Humor entdecken. Ja, der Humor kam mir zu kurz, und besonders hygge/cosy fand ich es auch nicht, dazu war es zu krankheitszentriert. Dass das Thema Corona thematisiert wird, finde ich allerdings ganz okay, schließlich gehörte das nun mal in den letzten 3 Jahren zu unserem Alltag, Zeitgeschichte sozusagen!

Mir fehlte auch die Spannung, von der erst gegen Ende ein wenig aufkam, die Lektüre zog sich fade dahin. Ich habe mich regelrecht durch diese rund 450 Seiten gequält. Es ist zwar erfreulich, dass nun auch aus Skandinavien nicht mehr nur so ganz düstere und gewalttätige Krimis kommen, doch diesen Versuch finde ich misslungen und werde der Autorin keine weitere Chance mehr geben. Da hat mich der schwedische "Der Tod macht Urlaub in Schweden" (auch ein skandinavischer Cosy) erheblich besser unterhalten.

Bewertung vom 09.01.2023
Shorty
Maurer, Jörg

Shorty


gut

Satirische Science Fiction

Jörg Maurer hat sich auf das Wagnis eines Genrewechsels eingelassen: Vom Alpenkrimi zum Sci-Fi!
Ich bin seit den Anfängen ein Fan von Hubertus Jennerwein und seiner Truppe und immer wieder begeistert von Maurers skurrilen Ideen und Exkursen, seiner satirischen Herangehensweise an das Krimi-Genre. Auch seine Sci-Fi -Geschichte ist voller überbordender Fantasie und verrückter Einfälle, sein Scheibstil gewohnt elegant und amüsant. Und doch hat dieser Roman bei mir nicht so recht gezündet, ich bin nur sehr langsam mit der Lektüre vorangekommen, richtig gepackt hat mich der Roman nicht. Vielleicht liegt es daran, dass die Handlung etwas zu irrwitzig ist.
Es gibt reichlich Stellen zum Schmunzeln, Gesellschaftskritik, fantasievolle Theorien über das Universum und seine Bevölkerung, bzw. Nicht-Bevölkerung, aber ich blieb als Leserin immer etwas auf Distanz.
Shorty ist Anfang Vierzig und hat seine Bestimmung noch immer nicht gefunden, ein ewiger Job-Hopper, der in seiner "geselligen Runde" als liebenswerter Loser geduldet wird. Eines Tages - er macht Elektriker-Arbeiten für ein Architektur-Büro und hört dabei mit Kopfhörern ein Hörbuch - spricht ihn plötzlich der Hörbuchsprecher persönlich an. Ein Angehöriger eines anderen, nichtmenschlichen Volkes bedient sich dieser Stimme um Shortys Dienste anzuheuern Er soll nichts weniger als die Welt retten ...
Für Sci-Fi-Fans sicher interessanter als für mich; ich fand den Roman schon auch ganz interessant und unterhaltsam, sehne mich aber doch nach Jennerwein & Co zurück!

Bewertung vom 22.11.2022
Frau mit Messer
Byeong-mo, Gu

Frau mit Messer


sehr gut

Von takabayashi
Ein Krimi ist das eigentlich nicht!

Von koreanischen Filmen bin ich schon lange begeistert, deshalb freue ich mich, wenn ich hin und wieder auch mal ein koreanisches Buch in die Hände bekomme. Dieser Roman erschien mir sehr vielversprechend. Was für eine Idee: eine Auftragsmörderin, die das Rentenalter erreicht hat und ihr unauffälliges Aussehen nutzt, um z.B. in der U-Bahn dicht an ihr Opfer heranzukommen. Sie leidet unter der Altersdiskriminierung einiger jüngerer Kollegen in der Agentur, will aber noch nicht aufhören, obwohl der Chef von ihr zu erwarten scheint, dass sie von sich aus kündigt ...

Hornclaw (so ihr Deckname) hat ihr ganzes Leben lang schon als sogenannte "Schädlingsbekämpferin" gearbeitet. Im Laufe des Romans erfahren wir, wie es dazu kam. Sie hält sich immer noch fit, trainiert regelmäßig und ist definitiv erheblich besser in Form als die meisten ihrer Altersgenossen. Aber dennoch muss sie sich eingestehen, dass sie allmählich etwas nachlässt, sowohl körperlich als auch geistig, insofern, dass sie eine gewisse Altersmilde an sich feststellt, dass Gefühle, die sie früher immer verdrängt und unterdrückt hat, an die Oberfläche drängen und ihr in die Quere kommen, ja sogar dazu führen, dass sie Fehler macht. Eigentlich geht es mehr um ihre Lebensgeschichte, um ihre Erfahrungen des Alterns, um gesellschaftliche Probleme in Korea - für mich passt dieses Buch nicht ins Krimi-Genre, die Bezeichnung ist eher irreführend. Es kommt zwar gegen Ende zu einer Art Show-down, aber ein wirklicher Krimi-Plot ist für mich nicht erkennbar.

Der Schreib- und Erzählstil ist ungewöhnlich, teilweise getränkt von schwarzem Humor, allerdings ist alles etwas vage und es bleiben viele Fragen offen. Ich fand fie Geschichte durchaus interessant, konnte aber keine wirkliche Verbindung zu den handelnden Personen aufbauen, was ich schade finde. Folglich entwickelte sich auch kein Sog beim Lesen und ich kam ziemlich langsam voran. Das Buch hat mir stellenweise sehr gut gefallen, konnte mich aber insgesamt doch nicht so recht überzeugen, obwohl ich es mögen wollte. Daher aufgerundete dreieinhalb Sterne!

Bewertung vom 05.10.2022
Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens / Monsieur le Comte Bd.1
Martin, Pierre

Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens / Monsieur le Comte Bd.1


ausgezeichnet

Auftragsmord statt Dolce Vita

Als langjähriger Fan von Madame le Commissaire (die in diesem Buch zur Freude ihrer Fans einen augenzwinkernden klitzekleinen Gastauftritt hat) war ich sehr gespannt auf Monsieur le Comte. Dieser junge Mann hat bisher sein entspanntes Leben als Wirt eines kleinen aber feinen Bistros genossen, doch all das ändert sich durch den plötzlichen Tod seines Vaters. Die Familie derer von Chacarasse betreibt nämlich seit vielen Generationen die Kunst des Tötens, d.h. sie sind Auftragsmörder für die höchsten Kreise von den Medici bis zu den Bourbonen. Auch Lucien de Chacarasse ist während seiner ganzen Kindheit und Jugend für diese Tätigkeit ausgebildet und trainiert worden. Das Problem ist: er ist grundsätzlich nicht gewillt, jemanden zu töten. Das ging auch eine Weile gut, denn sein älterer Bruder sollte und wollte in die Fußstapfen des Vaters treten. Doch dann hatte er enen tödlichen Motorradunfall und als dann auch sein Vater in Ausführung eines Auftrags tödlich verletzt wird, weiß Lucien, dass nun seine Stunde gekommen ist, zumal ihm der Vater auf dem Sterbebett das Versprechen abgerungen hat, die Tradition der Familie weiterzuführen ... Wie Lucien seine friedliebende Einstellung mit der neuen Situation zu vereinbaren schafft, darum geht es in diesem Buch.
Das wird sehr witzig und auch spannend geschildert, unterhaltsam wie immer bei dem Autor: mit viel Lokalkolorit und südfranzösischem Flair, gutem Essen (na klar, Lucien hat schließlich ein Restaurant mit einer sehr guten Küchenmannschaft), anschaulichen Ortsbeschreibungen und vielen sympathischen Figuren in Luciens Umfeld. Lucien vermeidet das aktive Töten immer wieder auf andere Weise und klärt in der spannenden Klimax des Romans die genaueren Umstände auf, unter denen sein Vater zu Tode kam. Ich habe das Buch mit großem Vergnügen ziemlich schnell durchgelesen, das ist immer ein gutes Zeichen dafür, dass ein Buch mich ganz in seinen Bann zieht. Es ist wohl der erste Band einer neuen Reihe. Ich kann mir allerdings noch nicht so recht vorstellen, ob diese Prämisse "Auftragsmörder weigert sich zu töten" eine ganze Reihe von Büchern tragen kann, denn wie viele Varianten dieser Situation kann es geben? Aber ich bin sicher, dass der Autor dafür ein Konzept hat, bin gespannt, wie es weitergeht und werde die Reihe weiter verfolgen. Der erste Band liefert jedenfalls eine sehr amüsante und originelle Lektüre!

Bewertung vom 21.09.2022
Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Kunstgeschichte, Beutekunst und Familiendrama

Dieser (kunst)historische Krimi beschäftigt sich mit der von den Nazis durchgeführten Kunstverbrennung in Paris, mit speziell einem Bild (dem titelgebenden neunten Gemälde) im Zusammenhang mit dem Kubismus und den Malern Picasso, Braque und Derain, die oft zusammen arbeiteten.
Der Autor verbindet Fakten mit Fiktion und erzählt unter anderem die Geschichte eines SS-Mannes, der rechtzeitig vor Ende der Nazizeit abtaucht und vorher noch durch einen raffiniert geplanten Betrug sein Schäfchen ins Trockene bringt, in der Bundesrepublik als Lichtgestalt wieder auftaucht und eine steile Karriere hinlegt - wie so viele ehemalige Nazis. Eng verbunden ist seine Geschichte u.a. mit dem Vater des Protagonisten Lennard Lomberg. Dieser ist ein renommierter Kunsthistoriker, der häufig als Gutachter tätig ist. Ein ihm unbekannter Franzose bittet ihn telefonisch um die Begutachtung eines Gemäldes, das von einer ominösen Stiftung einem Museum übergeben werden soll. Bevor es jedoch zu einem Treffen zwischen ihm und Lomberg kommt, wird er ermordet. Lomberg erkennt allmählich die Verbindung zwischen der Geschichte dieses Gemäldes und seinem Vater und beginnt zu ermitteln.
Dieser Roman bietet viel: interessante historische und kunsthistorische Informationen, Zeitgeschichte der frühen BRD, eine spannende Geschichte um ein geraubtes Bild und ein Familiendrama; denn Lomberg erfährt viel Neues über seinen Vater und seine Familie. Die Zeitbenen wechseln, die Hauptteile der Handlung spielen 1943, 1966 und 2016.
Ich fand den Schreibstil gut lesbar, die Hauptcharaktere gut beschrieben und die Geschichte sehr spannend, und werde ganz gewiss auch den nächsten Band um Lennard Lomberg lesen. Kein ganz typischer Whodunnit und gerade deshalb durch den Genremix eine sehr interessante und auch unterhaltsame Lektüre.

Bewertung vom 14.09.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

20er Jahre-Flair auf dem (Alb-)Traumschiff

Bis jetzt kannte ich nur die Südfrankreichkrimis von Cay Rademacher, die mir immer sehr gefallen haben. Nun also ein historischer Krimi vor der Kulisse einer abenteurlichen, romantischen Reise von Marseille nach Maskat auf einem Luxusliner. Ein Hauch von Agatha Christie, ein wenig Babylon Berlin, so wirkt die Atmosphäre.
Es ist das Jahr 1929 und auf dem Schiff ist ein elegantes internationales Publikum versammelt. Jedenfalls in der Ersten Klasse ... In der Dritten sieht das alles schon etwas anders aus, weit weniger romantisch.
An Bord ist als Hauptfigur der Kriegsveteran und Fotograf Theodor Jung. Er begleitet seine Frau Dora und deren Gewürzhändlerfamilie, die aus geschäftlichen Gründen nach Maskat wollen. Jung selbst konnte seinen Chefredakteur bei der Berliner Illustrierten dazu bringen, ihn mit einer Fotoreportage über diese Reise zu beauftragen.
Jungs Ehe läuft nicht so gut, sie wird u.a. durch seine Posttraumatische Belastungsstörung beeinträchtigt, die auf seine Erlebnisse als Mitglied einer U-Bootbesatzung im ersten Weltkrieg zurückgeht. Er hofft, dass diese Reise zu einer Annäherung zwischen ihm und seiner Frau führt. Doch dann verschwindet seine Frau plötzlich und alle anderen Passagiere - inklusive ihrer Familie - behaupten, sie sei nie an Bord gewesen. Jung zweifelt vorübergehend an seinem Verstand und beginnt sie zu suchen. Die Stewardess Fanny hilft ihm bei seiner Suche.
Der Autor versteht es, eine authentische Atmosphäre zu schaffen und beschreibt anschaulich diese Reise und ihre Schauplätze, z.B. die Fahrt durch den Suezkanal.
Bei der Beschreibung der anderen Passagiere geht es vielleicht etwas klischeehaft zu, aber dennoch stimmig. Rademacher baut auch ein paar reale Personen ein, wie z.B. die Burlesque -Tänzerin Anita Berber.
Zu Beginn lässt der Autor sich viel Zeit für die Vorgeschichte und die Skizzierung der handelnden Personen, erst relativ spät setzt die Spannung ein, die sich dann zum Ende hin immer mehr steigert.
Ich bin gerne in diese Welt eingetaucht, habe die Reisebeschreibungen genossen und kann diesen gelungenen Krimi sehr empfehlen.