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Benutzername: 
Jo
Wohnort: 
Hagen

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2024
Kantika
Graver, Elizabeth

Kantika


ausgezeichnet

Ein Frauenleben

Elizabeth Graver hat in Romanform das Leben ihrer Großmutter Rebecca Cohen aufgeschrieben, die als Jüdin in der Istanbuler Oberschicht aufwuchs und dann über Spanien und Kuba in die USA floh. Das Schicksal meinte es nicht immer gut mit ihr, sie verliert ihren Mann, muss ihre Kinder und ihre Eltern zurücklassen und heiratet schließlich den Witwer ihrer Jugendfreundin mit einer behinderten Tochter. Doch Rebecca ist erstaunlich stark und setzt sich immer wieder durch, trotz aller Trauer um die verlorene Vergangenheit.
Das Buch hat mich von Anfang an gefesselt. Elizabeth Graver versteht es die Leserinnen mitzunehmen und tief in das Schicksal der Frau eintauchen zu lassen. Ihre Nöte, ihre Einsamkeit, aber auch ihre innere Stärke werden sehr deutlich. Man bekommt einen Einblick in die unterschiedlichen Kulturen, an die sich Rebecca anpassen muss, und welche Kraft diese Anpassung kostet.
Ein sehr schönes Buch, das Hoffnung ausstrahlt und sehr gut zu lesen ist!

Bewertung vom 28.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


sehr gut

Einsamkeit in der Familie

Ich gebe zu, dass mir die Rezension dieses Buches schwer fällt.
Einerseits ist da diese wunderbare, präzise und unsentimentale Sprache, in der Julja Linhof Vorgänge und Emotionen beschreibt, dann aber auch wieder diese deprimierende, manchmal wirre Handlung, die es schwer macht, das Buch durchzulesen.
Jirka ist mit seiner Familie auf einem großen Bauernhof am Rande der Soester Börde aufgewachsen. Mit 14 Jahren kam er in ein Internat und hat seitdem sein Elternhaus nicht wiedergesehen. Obwohl seiner Schwester Malene das Leben auf dem Hof zu schwer wird und sie sich um die demente Großmutter und den gewalttätigen Vater kümmern muss, hat Jirka ihr nicht beigestanden. Mit 19 wagt er endlich den Schritt zurück und muss sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Dabei trifft er auch auf Leander, in den er damals heimlich verliebt war.
Das Buch ist so düster und manchmal erschütternd, dass ich manchmal kaum weiterlesen wollte. Es ist heiß, es ist trocken, aber die Herzen der Beteiligten sind kalt und verhärtet und sie bleiben stumm, wo sie dringend reden müssten. Und immer wieder fragt man sich, wo der Vater geblieben ist.
Einerseits hat mich das Buch fasziniert wegen der wunderschönen Sätze, dann aber auch wieder abgestoßen, weil es so hoffnungslos war.
Also ein sehr zwiespältiges Fazit!

Bewertung vom 17.02.2024
Die Spiele
Schmidt, Stephan

Die Spiele


sehr gut

Zwischen den Welten

Zwischen Mosambik und China pendelt dieser Politkrimi und damit auch zwischen zwei völlig unterschiedlichen Kulturen.
In Shanghai sollen die Olympischen Sommerspiele für das Jahr 2032 vergeben werden, beworben haben sich drei Städte in Europa und drei Städte in Afrika. Es wird ein hartes Rennen erwartet und die Bundeskanzlerin reist persönlich an, um für den europäischen Standort zu werben.
Doch dann liegt der mosambikanische IOC-Funktionär Charles Murandi tot in seinem Hotelzimmer. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden, der deutsche Journalist Thomas Gärtner. Das deutsche Konsulat muss sich einschalten und schickt die junge Lena Hechfellner, um dem Mann beizustehen. Schon bald erfährt der Leser, dass sich die drei kannten und es entwickelt sich ein spannender Wettlauf zwischen den chinesischen Behörden und dem deutschen Konsulat, den die Deutschen nicht gewinnen können.
Man muss beim Lesen dieses Buches sehr aufmerksam bleiben, denn immer wieder wechseln Zeiten und Orte. Schon bald ahnt man, dass hinter dem Fall mehr steckt als die Suche nach Dokumenten, der Fall ist sehr raffiniert aufgebaut und spannend bis zum Schluss.
Man taucht tief in die chinesische Kultur ein, die sich zu einem für uns fast unerträglichen Überwachungsstaat entwickelt hat. Schnell merkt man, dass Stephan Schmidt diese Kultur gut kennt und dass er hervorragend recherchiert hat. Reale Personen wie Thomas Bach, Angela Merkel und andere machen das Buch zusätzlich interessant.
Insgesamt hat mich das Buch gefesselt und es ist sehr gut aufgebaut, aber anstrengend und nicht einfach "wegzulesen". Darauf muss man sich einlassen.

Bewertung vom 10.02.2024
Das Lächeln der Königin
Gerhold, Stefanie

Das Lächeln der Königin


sehr gut

Unbekannte Zeitgeschichte

Die Büste der Nofretete steht in Berlin, ja klar! Aber wie kam die ägyptische Königin ausgerechnet nach Deutschland? Und warum blieb sie nicht an ihrem Fundort in Ägypten? Dieses Buch liefert in Romanform Antworten auf diese Fragen.
James Simon ist ein sehr reicher Berliner Textilunternehmer, das Geld hat die jüdische Familie mit Baumwolle verdient. James wäre viel lieber Forscher geworden, aber der Vater erwartete von ihm, dass er in die Firma einstieg. Daher fördert James neben seinem Beruf Kunst und Kultur, baut aber auch Heime für Waisen und arme Menschen. Er unterstützt Ludwig Borchardt bei seinen Ausgrabungen in Ägypten und als Teil eines Fundes gelangt Nofretete in seinen Besitz.
Der Roman beruht auf Tatsachen, allerdings wird James Simon sehr idealisiert beschrieben. Sein Vermögen beruhte ja zu großen Teilen auf der Ausbeutung von Sklaven in den USA und auch in Ägypten wurden die Arbeiter kaum besser behandelt. Man fragt sich, ob er mit seinem sozialen und kulturellen Engagement auch sein Gewissen beruhigen wollte.
Trotz aller Vorbehalte ist das Buch gut geschrieben und einfach zu lesen. es vermittelt einen Eindruck vom Leben am Anfang des 20. Jahrhunderts und der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Es empfiehlt sich auch das Sachbuch "Die Königin" von Sebastian Conrad zu lesen, denn dann kann man die Ereignisse besser einordnen.

Bewertung vom 02.01.2024
White Zero
Falk, Thilo

White Zero


sehr gut

Spannend und manchmal lustig

Anfangs hatte ich Probleme mit diesem Buch, denn es beginnt sehr gemächlich und kommt gar nicht richtig in die Gänge. Dann aber hat es mich gepackt bis zum Ende.
Deutschland wird von einer kleinen Eiszeit heimgesucht, die Temperaturen fallen dauerhaft unter -20 Grad. Das bringt viele Dinge zum Erliegen, der ÖPNV hat Probleme, Lieferketten können nicht eingehalten werden und die Menschen verkriechen sich in ihren Wohnungen. Die Regierung richtet einen Krisenstab ein, dem auch die Geologin Dr. Jana Hollmer angehört. Es kommt zum üblichen Kompetenzgerangel und den üblichen Eifersüchteleien, man kennt das ja. Dann macht Hollmer eine unglaubliche Entdeckung, aber ein Weg aus der Krise scheint nicht möglich, alles dauert viel zu lange...
In den ersten Kapiteln wird eine Vielzahl von Personen vorgestellt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Erst im Laufe des Buches ergibt sich ein Zusammenhang und das Buch wird richtig spannend.
Gut gefallen haben mir die kleinen witzigen Ideen des Autors, eine Rechtsanwaltskanzlei "Merz, Warburg & Scholz" und ähnliche Einfälle. Bei manchen fiktiven Figuren sieht man real existierende Menschen vor sich, so zum Beispiel einen etwas zu langhaarigen "Philosophen". Überhaupt hat mir die Anlage der Figuren sehr gut gefallen.
Weniger gefallen hat mir der langatmige Beginn, da hat man zu kämpfen. Die wissenschaftlichen Tatsachen kann ich nicht überprüfen, da glaube ich einfach mal der Fantasie des Autors. Auch fand ich einige Schreibfehler im Text. Das kann passieren, aber ohne ist es schöner. Leider wird am Schluss nicht aufgelöst, wer die Mordanschläge begangen hat, da fehlt mir etwas.
Insgesamt aber ein lesenswerter Thriller mit einem aktuellen Thema!

Bewertung vom 02.01.2024
Kaltblütige Lügen / Die San-Diego-Reihe Bd.1
Rose, Karen

Kaltblütige Lügen / Die San-Diego-Reihe Bd.1


sehr gut

Etwas langatmig

Kit McKittrick hatte es nicht leicht im Leben, doch mit Hilfe ihrer Adoptiveltern konnte sie sich ihren Lebenstraum erfüllen und Polizistin bei der Mordkommission werden.
Als in einem Park die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, deutet alles auf einen Serienmörder hin, der schon mehrfach gemordet hat. Auffällig verhält sich der Psychiater Sam Reeves, hat er mit den Morden zu tun? Kit glaubt nicht daran und entwickelt Gefühle für ihn, die sie bisher nicht kannte. Als ein anderer Verdächtiger tot aufgefunden wird, macht das die Ermittlungen nicht leichter.
An und für sich ist das Buch sehr spannend bis zum Schluss, allerdings hat mich das ständige Kreisen um die Liebesgeschichte etwas genervt. Alles muss bis ins Kleinste durchgehechelt und analysiert werden und das fand ich störend.
Insgesamt ist aber der Auftakt für die neue Reihe von Karen Rose vielversprechend und gut geschrieben.

Bewertung vom 25.11.2023
Der flüsternde Abgrund
Lando, Veronica

Der flüsternde Abgrund


sehr gut

Im Regenwald

Das Buch spielt im australischen Regenwald und es regnet wirklich die ganze Zeit über.
Callum ist dort in dem kleinen Ort Granite Creek aufgewachsen und kehrt nach dreißig Jahren zurück, weil ein junger Mann in den Felsen verschwunden ist, den er für seinen Sohn hält. Pip, dessen Mutter, war mit Callum liiert, hat aber nach Callums Weggang einen anderen Mann geheiratet. Vor diesem Hintergrund stößt Callum überall im Ort auf Misstrauen oder offene Feindseligkeit. Immer wieder sind Menschen in den Felsen verschwunden, weil sie ein geheimnisvolles Flüstern gehört haben, das sie in das gefährliche Gebiet gelockt hat.
Nach dem etwas zähen Anfang nimmt das Buch erheblich an Fahrt auf und wird nach etwa hundert Seiten sehr spannend. In kurzen Rückblicken erfährt man, warum Callum sein Bein verloren hat und wie die Beziehungen vor dreißig Jahren waren. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint und immer wieder ergeben sich neue Perspektiven. Das hat mir sehr gut gefallen.
Insgesamt ein Buch, das mir eine fremde Welt erschlossen hat und das ich wirklich empfehlen kann.

Bewertung vom 18.11.2023
Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte
Hacke, Axel

Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte


sehr gut

Tiefsinnige Betrachtungen

Von Axel Hacke kannte ich bisher nur seine Kolumnen im SZ-Magazin und einige sehr lustige Bücher wie "Der weiße Neger Wumbaba". Dass er auch ein Thema ernsthaft betrachten kann, habe ich erst in diesem Buch gelernt.
Dürfen wir in diesen schweren und oft traurigen Zeiten noch lachen? Heiter sein? Wir müssen es! Das ist das Fazit aus diesem kleinen Buch, in dem uns Hacke etwa 2500 Jahre zurück führt zu den philosophischen Betrachtungen der alten Griechen und Römer, aber auch aktuelle Themen unter dem Aspekt der Heiterkeit betrachtet.
Ein Fazit ist, dass Faschisten nicht lachen können, es sei denn höhnisch oder verächtlich. Da fallen mir viele aktuelle Beispiele ein, wie Donald Trump oder Beatrix von Storch.
Zum Glück findet Hacke auch viele positive Beispiele, sei es Friedrich Schiller, Thomas Mann oder Werner Finck, Menschen die Mut machen zu einer gelassenen, heiteren Betrachtung des Lebens und auch des Todes.
Mir hat das Buch gut gefallen, es gibt viele Denkanstöße und man sieht manche Dinge klarer. Manchmal rennt er im Schweinsgalopp durch die Geschichte und bleibt dabei etwas oberflächlich, aber anders kann man vermutlich so ein kleines Buch nicht schreiben.
Also bleiben wir heiter!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.11.2023
Wie Sterben geht
Pflüger, Andreas

Wie Sterben geht


sehr gut

Schwierig

Ich hatte von Andreas Pflüger schon "Ritchie Girl" und die Bücher um die blinde Jenny Aaron gelesen und fand sie sehr gut. Bei diesem Buch fällt es mir allerdings schwer eine sehr gute Rezension zu schreiben.
Das Buch führt uns zurück in die Hochzeit des Kalten Krieges. 1980 wird die junge Nina Winter nach Moskau geschickt, um einen Überläufer als Agentenführerin zu betreuen. Der Mann, Rem Kukura, ist ein hochrangiger KGB-Offizier und sehr wertvoll für die westlichen Geheimdienste. Obwohl Nina kaum Erfahrung hat, schlägt sie sich geschickt durch alle Gefahren. Als sie Kukuras Sohn Leo kennenlernt, verliebt sie sich allerdings in ihn und geht damit ein sehr hohes Risiko ein. Drei Jahre später soll auf der Glienicker Brücke ein Gefangenenaustausch stattfinden, bei dem Rem Kukura in den Westen gebracht werden soll. Doch alles geht schief und die Welt gerät an den Rand eines Atomkrieges.
Die Geschichte ist manchmal langatmig und oft verwirrend, denn die Interessen der einzelnen Geheimdienste widersprechen sich und dahinter lauern auch noch die Einzelinteressen mächtiger Männer, die ihr eigenes Spiel spielen. Das ist nicht einfach zu lesen. Wirklich spannend wird das Buch erst auf den letzten 150 Seiten, es tauchen einige neue Zusammenhänge auf und manche Fragen klären sich. Aber bis dahin hat man als Leser ziemlich zu kämpfen.

Bewertung vom 10.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Zwischen Leben und Überleben

Die Qualität des Buches beginnt schon beim schlichten Cover. Wie durch einen schwarzen Vorhang sieht man den Schriftzug "Lichtspiel", der Name des Autors sticht rot hervor. Die Farben der deutschen Flagge während der Nazidiktatur?
Kehlmann erzählt die Geschichte des berühmten Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst, der seine Karriere in den 1920er Jahren mit Stummfilmen begann und später hoch gelobte Tonfilme drehe, die zum Stil der Neuen Sachlichkeit gezählt werden. Er war bekannt als der "Rote Pabst" und fürchtete Probleme nach der Machtergreifung der Nazis. Deshalb blieb er zuerst in Frankreich, dann zog es ihn in die "Traumfabrik Hollywood", wo er allerdings nicht erfolgreich war. In dieser Zeit seines Lebens setzt Kehlmanns Roman ein.
Aus verschiedenen Gründen kehrt Pabst mit seiner Familie nach Österreich zurück, das jetzt Ostmark genannt wird. Schon in Hollywood hatte er verlockende Angebote der Nazis bekommen und nun versucht er das Überleben seiner Familie zu sichern, indem er sich auf das Angebot von Goebbels einlässt und Filme für die Bavaria in München dreht. Im Grunde verkauft er seine Seele und beugt sich den Zwängen der Zeit. Das ist nicht mutig, aber nachvollziehbar.
Kehlmann spricht in seinem Buch wichtige Fragen an, die nicht nur Cineasten interessieren. Wie kann man in einer Diktatur überleben? Kann man seine Hände in Unschuld waschen, wenn man mit dem Regime - aus welchen Gründen auch immer - kooperiert hat? Auch wenn Pabst keine Propagandafilme gedreht hat und auch in seinen Werken immer wieder Anspielungen gegen das Regime versteckte, so leiden er und seine Frau Trude doch unter der Situation, aber nach außen spielen beide mit. Sie lassen sich benutzen. Tragisch ist, dass ihr Sohn ein begeisterter Anhänger Hitlers ist und noch spät in den Krieg ziehen muss, aus dem er schwer verletzt zurückkehrt.
Ich habe keinen Film von Pabst gesehen, aber trotzdem ist die Figur sehr nahe und ich konnte die Zerrissenheit nachvollziehen. Kehlmann schreibt so, dass das Buch fast süchtig macht und man einfach immer weiterlesen muss. Dabei bleibt er eher auf der Sachebene, aber auch das weckt beim Leser starke Emotionen. Seine Recherchearbeit war sehr intensiv, man fühlt sich in die Zeit und die Figuren hineinversetzt.
Das Buch ist eines der besten, die ich in diesem Jahr gelesen habe und ich kann es allen empfehlen, die sich für Kino und Zeitgeschichte interessieren. Unbedingte Leseempfehlung!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.