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Pharo72
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Büchersüchtige, introvertierte Leseratte!

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Insgesamt 480 Bewertungen
Bewertung vom 19.07.2012
Langer, Siegfried

Sterbenswort


ausgezeichnet

Mit ihrer vierjährigen Tochter Mia lebt die Ärztin Kathrin Voss ein zufriedenes Leben. Vergessen ist der schreckliche Vorfall während ihrer Studienzeit in ihrer WG, über den sie und ihre Mitbewohner nie ein Sterbenswort verloren haben. Doch nun scheint die Vergangenheit sie einzuholen. Winzige Veränderungen in ihrer Wohnung, für die sie erst ihre Tochter verantwortlich macht, bringen die sonst so nervenstarke Kathrin an den Rand der Verzweiflung. Auch ihre ehemaligen Mitbewohner bleiben von ungewöhnlichen Erlebnissen nicht verschont. Dann jedoch wird Mia aus dem Garten der Großeltern entführt und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Meine Meinung:

Nach „Vater, Mutter, Tod“, dem hochgelobten Debütroman von Siegfried Langer, erscheint nunmehr im Juli 2012 sein neuer Roman, dem ich schon länger entgegengefiebert habe. Und meine Erwartungen wurden sogar übertroffen. Wieder gelingt dem Autor ein Psychogramm des Schreckens, welches erstaunlicherweise fast ganz ohne Blut auskommt, und dennoch spannend wie selten ein Buch für mich war.

Die flüssige Schreibweise und die kurzen Kapitel, die nicht selten mit einem Cliffhanger enden, verleiten geradezu, das Buch in einem Rutsch durchzulesen. Ganz habe ich das nicht geschafft, aber zwei Tage sind auch schon fast rekordverdächtig für mich. Anders als in den meisten Thrillern, und das waren in letzter Zeit nicht wenige, kommt hier nicht ein traumatisierter Serienkiller zum Zuge, sondern die eigene Vergangenheit streckt ihre Klauen nach den Protagonisten aus. Ein perfekt inszeniertes Schuld und Sühne-Szenario nimmt seinen Lauf.

Der Leser wird abwechselnd mit der wenig rühmlichen Vergangenheit und den aktuellen Erlebnissen der Figuren konfrontiert. Etwas später gibt es auch noch eine mit „Neulich“ betitelte Zeitebene, die die jüngere Vergangenheit beleuchtet. So fällt nach und nach ein Puzzleteil nach dem nächsten an die richtige Stelle. Dabei gelingt es Siegfried Langer ausgezeichnet eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Die Angst sitzt permanent im Nacken und der Drang weiterlesen zu müssen, steigert sich von Seite zu Seite. Erst wenn man das packende Finale dann hinter sich gebracht hat, ist man in der Lage, wieder normal durchzuatmen und sich bereits auf eine neue Veröffentlichung des Berliner Autors zu freuen.

Bewertung vom 12.07.2012
Asher, Jay; Mackler, Carolyn

Wir beide, irgendwann


ausgezeichnet

Nach seinem Welterfolg mit „Tote Mädchen lügen nicht“ hat sich der Autor Jay Asher für seinen neuen Roman Verstärkung in Person von Carolyn Mackler geholt. Vielleicht wollte er ja die weibliche Sichtweise seiner Protagonistin etwas stärker absichern.

Obwohl das Cover von „Wir beide, irgendwann“ mit peppigen Farben punktet, hätte es mich im Laden jetzt eher nicht dazu verleitet, das Buch überhaupt in die Hand zu nehmen. Es deutet eher auf einen Beziehungsroman a la „Sie lieben sich, sie lieben sich nicht“ hin, wie man ihn schon hundertmal gelesen hat. Zum Glück stieß ich aber durch Zufall auf eine begeisterte Rezension zu dem Roman, die mich inspiriert hat, mir den Inhalt näher anzuschauen.

Das Tollste an der Geschichte ist nämlich die Idee, die dahinter steckt. Was wäre, wenn ich einen Einblick in die eigene Zukunft erhalten könnte, und bin ich in der Lage, diese zu ändern? Das alles riecht sehr nach Zeitreise, eines meiner Lieblingsthemen überhaupt in Büchern. Auch wenn es keine wirkliche Zeitreise gibt, so befindet sich der Leser doch im Jahr 1996 und blickt in eine fünfzehn Jahre entfernte Zukunft. Empfohlen ist das Buch eigentlich für Leser zwischen 12 und 15, aber ich denke, dass auch gerade Leser zwischen 30 und 40 (so wie ich) sich angesprochen fühlen werden. Ich selbst habe auch 1996 meine ersten Schritte in die Welt des Internets unternommen und die Reise in diese Zeit mittels des Lesestoffes hatte durchaus Nostalgiecharakter. Genauso bin ich heute vor allem auf Facebook sehr aktiv und mag es in meinem Leben nicht mehr missen.

Die Story wird jeweils in der Ich-Form abwechselnd aus der Sicht von Emma und Josh erzählt. Ab und an habe ich mich dabei ertappt, zurückzublättern, wer jetzt eigentlich wortführend ist, da es manchmal nicht ganz eindeutig war. Josh findet es zwar auch aufregend, von seiner Zukunft zu erfahren, entscheidet aber relativ schnell, dass er lieber selbst seines Glückes Schmied sein will. Emma dagegen lässt sich von der ihr dargebotenen Zukunft komplett runterziehen. Was sie auch unternimmt, welche Änderung sie schließlich auslöst, nichts passt ihr. Auf ihrem verzweifelten Weg das Morgen zu beeinflussen, merkt sie erst spät, wie sie ihre Mitmenschen verletzt. Dennoch kann ich ihr Bemühen gut nachvollziehen, denn wer will schon in der Zukunft unglücklich sein?

Die Seiten fliegen nur so dahin, während man unbedingt wissen will, worauf das Ganze hinzielt. Viel Aktion oder gar Spannung und Unvorhergesehenes sollte nicht erwartet werden, dennoch ist dieses Drehen am Schicksalsrad unheimlich amüsant zu lesen und es wird einem mal wieder vor Augen geführt, wie wahnsinnig viel doch in den letzten 15 Jahren an technischer Entwicklung stattgefunden hat.

Ich habe mich zwei Tage lang wunderbar unterhalten gefühlt und die unterschwellige Botschaft, die dem Buch zugrunde liegt, nämlich im Hier und Jetzt zu leben und das Beste draus zu machen, ist auch angekommen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.06.2012
Shaw, Ali

Das Mädchen mit den gläsernen Füßen


gut

Ein halbes Jahr nach ihrem Sommerurlaub auf St. Hauda's Land kehrt die junge Ida Maclaird zurück auf die Insel, um Henry Fuwa zu suchen. Der kautzige Einsiedler, den sie damals kennenlernte, erscheint ihr als Einziger in der Lage, ihr zu helfen. Denn Ida beginnt von den Füßen angefangen zu Glas zu werden. Bevor sie eine Spur von ihm entdeckt, begegnet ihr im Sumpf der schüchterne Midas Crook, der seiner größten Leidenschaft, der Fotografie, nachgeht. Beide spüren sofort eine Verbindung und begeben sich gemeinsam auf die Suche nach einer Lösung für Idas Problem, wobei sie sich unweigerlich näher kommen.

Meine Meinung:

Rein von der Aufmachung her würde dieses Buch von mir volle 5 Sterne erhalten. Schon der Schutzumschlag mit Spotlack drückt die winterlich kühle, aber auch geheimnisvolle Stimmung, in welcher der Roman spielt, sehr gut aus. Ein besonderes Highlight ist aber der silberne Rundumschnitt, der wunderschön glitzert und an das ganze Eis, den Schnee und das Glas im Buch erinnert.

Nun aber zum Inhalt. Leider konnte mich der Roman letzten Endes dann doch nicht vollständig überzeugen. Unbestritten hat der Autor eine große Begabung für Beschreibungen und das Schaffen von Atmosphäre. Fast schon poetisch wirken einige Metaphern, sehr bildhaft die ganze Darstellung der Natur, aber auch die Einblicke ins Wesen der Protagonisten, die auch eine glaubhafte Entwicklung durchmachen.

Ein großer Minuspunkt ist für mich allein schon die ganze Tragik der Geschichte, eine durchweg melancholische bis deprimierende Grundstimmung. Jedes kleine Aufflackern von Hoffnung auf ein glückliches Ende wurde schnellstens abgetötet. Überhaupt hat jede der Figuren auf tragische Weise eine Liebe verloren. Das passt zwar zur Jahreszeit, aber gerade in einer Liebesgeschichte, die zusätzlich noch extrem langsam in Fahrt kommt, brauche ich ein wenig Zuversicht. An manchen Stellen, als eine Lösung oder wenigstens Erklärung so nahe war, hätte ich vor Frustration aufschreien mögen, als diese dann doch nicht genutzt wurde.

Die Rückblenden in die Vergangenheit einiger Nebenfiguren machen zwar teilweise Sinn, was die Motivation der Hauptfiguren, speziell im Fall von Midas, angeht, bremsen aber die Handlung auch sehr aus.

Schlussendlich hinterlässt das Buch viel zu viele offene Fragen, was es für mich noch unbefriedigender macht, weil es ein in sich abgeschlossener Roman ist. Die geflügelten Rinder sind zwar eine nette Idee, aber warum das Ganze? Ebenso das geheimnisvolle Wesen, das alles in weiß verwandelt. Es wird kurz erwähnt, hat aber eigentlich keine Bewandtnis. Die alles entscheidende Frage aber, warum Ida überhaupt anfällig für diese „Krankheit“ war, bleibt ebenso unbeantwortet. Da hätte es auch jeden x-beliebigen Touristen treffen können.

Wer eine leise, das Gemüt anrührende Liebestragödie mit einem Schuss Magie lesen mag, ist sicher mit diesem Buch gut bedient. Bei mir hat es nach dem Zuklappen kein gutes Gefühl hinterlassen, eher Enttäuschung und Desillusioniertheit, weswegen ich auch nur 3,5 Sterne vergeben kann.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.06.2012
Riggs, Ransom

Die Insel der besonderen Kinder / Die besonderen Kinder Bd.1


ausgezeichnet

Der fast 16jährige Jacob Portman, Sohn wohlhabender Eltern, war schon immer ein Einzelgänger, auch als er bereits nicht mehr an die fantastischen Geschichten seines Großvaters Abraham Portman glaubte, die dieser ihm über eine Insel mit besonderen Kindern, die von bösen Monstern verfolgt werden, erzählt hatte. Der Tag jedoch, als er Zeuge des grausamen Mordes an seinem Großvater wird, und dabei tatsächlich einem der beschriebenen Monster begegnet, stellt seine Welt komplett auf den Kopf.

Alle halten Jacob für verrückt, als er versucht, den Geschichten seiner Kindheit auf den Grund zu gehen. Um endlich Ruhe zu bekommen und auf Zuraten seines Psychiaters, erklärt sich sein Vater schlussendlich bereit, diese abgelegene Insel in Wales aufzusuchen. Kaum angekommen wird Jacob in ein mysteriöses Abenteuer verwickelt, was er sich nie hätte erträumen können, denn die Märchen seines Großvaters scheinen tatsächlich der Wahrheit zu entsprechen.

Meine Meinung:

Bei dieser Rezension muss ich dieses Mal mit der Ausstattung beginnen. Bereits das mysteriös gehaltene Cover mit dem scheinbar schwebenden Mädchen verspricht eine ausgefallene Lektüre. Das Besondere an dem Buch sind jedoch mehr als vierzig altertümlich wirkende Fotografien, die jedes für sich eine eigene Geschichte erzählen. Laut Angabe des Autors sind alle Bilder authentisch und haben ihn wohl zu der Geschichte inspiriert, denn sie sind absolut stimmig mit dem Inhalt. Teils bringen sie nur Stimmungen rüber, teils absolut unglaubliche Phänomene, die bereits beim Betrachten einen Film im Kopf des Lesers ablaufen lassen.

Ich bin kein großer Freund von reinen Fantasieromanen, weshalb die im Roman vorkommenden fantastischen Elemente genau das richtige Maß einnehmen. Sie wirken auch eher gruselig und geheimnisvoll. Der Autor entspinnt um die Fotografien eine ganz eigene Geschichte, die einen nicht mehr loslässt. Da ich nicht zuviel verraten möchte, kann ich nur versichern, dass die hauptsächliche Idee, die hinter allem steckt, wirklich genial ist und sogar manch unerwartete Erklärung für Rätsel der Vergangenheit gibt.
Das Ende gipfelt in einem richtigen Showdown und obwohl abgeschlossen, hinterlässt es doch viel Raum für weitere zu bestehende Abenteuer für Jacob und die besonderen Kinder.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.06.2012
Flinn, Alex

Kissed


sehr gut

Während der Ferien hilft der 17jährige Johnny Marco im Schuhreparaturgeschäft seiner Familie aus, welches sich in einem Hotel in Miami befindet. Aufregung in seinem ereignislosen Leben verspricht die Ankündigung, dass Prinzessin Victoriana von Aloria, eine wunderschöne reiche Erbin, im Hotel absteigen wird. Diese steigert sich zu einem Abenteuer, als die Prinzessin Johnny bittet, ihr bei der Suche nach ihrem Bruder Philippe zu helfen, der angeblich von einer Hexe in einen Frosch verwandelt wurde. Johnny zweifelt zunächst am Verstand von Victoriana, doch zwei magische Gegenstände belehren ihn eines Besseren. Plötzlich ist seine Welt voller Magie und er nimmt den Kampf auf, um die Liebe der Prinzessin und großen Reichtum zu gewinnen. Immer an seiner Seite ist dabei seine beste Freundin Meg.

Meine Meinung:

Nach „Beastly“ hat sich Alex Flinn erneut aufgemacht, einem altbekannten Märchen einen neuen Anstrich zu verpassen. Vom Titelbild ausgehend, hatte ich eigentlich angenommen, dass es sich um eine andere Sichtweise des „Froschkönig“ handelt. Teile dieser Geschichte kommen zwar vor, aber es sind noch viele andere Märchen mehr, die hier zu einem völlig neuen Abenteuer verknüpft werden. Am Ende des Buches findet sich darüber auch eine Übersicht, die man jedoch wirklich erst nach der Lektüre lesen sollte, da sie den Handlungsverlauf vorwegnehmen könnte. Märchenliebhaber kommen mit dem Buch auf jeden Fall voll auf ihre Kosten.

Johnny ist ein sehr angenehmer Protagonist, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und als er sich seinen wahren Gefühlen stellt, wird es auch noch richtig romantisch. Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und es gibt keine Längen, da Johnny von einer schwierigen Aufgabe zur nächsten getrieben wird. Auch wenn es durch Hexen, Riesen, sprechende Tiere und Zaubergegenstände jede Menge Magie gibt, ist gerade das auch das größte Manko des Buches für mich. Es ist einfach ein wenig viel, was hier verwoben wird. Eine Konzentration auf das eine Märchen hätte mir besser gefallen, weshalb „Beastly“ auch klar mein bisheriger Favorit bleiben wird.

Aber vielleicht ändert sich das auch, denn im Juli erscheint mit „Magical“ ein weiteres Buch der Autorin, dass vom Cover her ein wenig auf „Cinderella“ hindeutet und vor allem, es gibt ein Wiedersehen mit der Hexe Kendra, worauf ich mich schon sehr freue.

Bewertung vom 19.06.2012
Löffler, Rainer

Blutsommer / Martin Abel Bd.1


ausgezeichnet

In Köln hat ein Serienmörder bereits zum fünften Mal zugeschlagen und das mit äußerster Brutalität. Nicht umsonst wird er der „Metzger“ genannt. Ausgesprochen unwillig bittet die Polizei vor Ort um Unterstützung durch einen Profiler, oder besser Fallanalytiker, wie es in Deutschland heißt. Martin Abel ist einer der Besten seines Fachs, aber auch eine äußerst schwierige Person und ein Einzelgänger. Daher ist er auch wenig begeistert, als er die junge Hannah Christ an seine Seite gestellt bekommt, die von ihm lernen soll. Mittels eines Radiointerviews provoziert Abel den Killer und dieser bezieht die Ermittler daraufhin in seine abartigen Pläne mit ein.

Meine Meinung:

Dass es sich bei „Blutsommer“ um einen Debütroman handelt, ist dem Buch wirklich nicht anzumerken. Es startet mit einem Knallerprolog, der den Leser sofort ins Geschehen zieht. Die anschließende Einführung und Charakterisierung der Hauptfiguren ist ein wenig ausführlich geraten, doch spätestens ab der Mitte nimmt das Buch an Fahrt auf und steigert sich zu einem mörderischen Finale, welches es unmöglich macht, vor der Auflösung aufzuhören.

Natürlich ist der geniale Ermittler, welcher im Privatleben gescheitert ist, eine häufig auftreffende Figur im Genre, dennoch schafft es Rainer Löffler, seinem Martin Abel eine besondere Note zu verleihen. Trotz seiner oft ruppigen Art und ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden, zeigt er an anderer Stelle viel Einfühlungsvermögen. Hannah Christ steht von Beginn an ihre Frau, musste sie sich doch schon immer in der von Männern dominierten Welt ihres Berufsstandes durchsetzen. Dass sie romantische Gefühle für Abel entwickelt, konnte ich nicht so ganz nachvollziehen, allerdings wurde dies, wenn man bedenkt, dass es sich hier um einen männlichen Autor handelt, sehr gefühlvoll beschrieben. Als besonders witzige Nebenfigur sticht der forensische Entomologe Professor Schwartz heraus.

Einige Details der Metzgermorde erfordern einen stabilen Magen und erinnern stark an Hannibal Lecter. Durch Rückblenden in die Kindheit des Mörders bekommt der Leser auch hinsichtlich seiner Motivation einen guten Einblick. Obwohl der Name des Täters schon relativ früh bekannt ist, schafft es der Autor auf geniale Weise falsche Fährten zu legen, sodass mehrere Lösungen möglich sind.

Zusammenfassend kann ich das Thriller-Debüt von Rainer Löffler jedem Fan des Genres empfehlen, der etwas härtere Kost vertragen kann, und packende Spannung sucht.

13 von 18 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2012
Raabe, Marc

Schnitt


ausgezeichnet

Erst elf Jahre ist Gabriel Naumann alt, als seine Neugier siegt und er in den Keller geht, dessen Betreten ihm sein Vater stets streng verboten hat. Er wird Zeuge eines grausamen Mordes und entkommt mit seinem kleinen Bruder David nur knapp aus dem brennenden Elternhaus. Seine schlimmen Erlebnisse verdrängt er komplett aus seinem Gedächtnis. Nunmehr 40 Jahre alt, lebt er glücklich mit der erfolgreichen Journalistin Liz Anders, die ein Baby von ihm erwartet. Dann wird Liz von einem Psychopathen entführt und die Erinnerung an jene verhängnisvolle Nacht ist seine einzige Chance, sie zu retten.

Meine Meinung:

Der in Köln lebende Marc Raabe legt hier mit „Schnitt“ seinen ersten Psychothriller vor und ihm gelingt damit ein sensationelles Debüt. Seine Erfahrungen im Bereich der Fernsehproduktion kann er dabei gekonnt einbringen. Überhaupt läuft der ganze Roman sehr bildhaft wie ein wahnsinnig spannender Film vor dem Auge des Lesers ab und es ist unmöglich das Buch wegzulegen, ist man einmal in der Handlung gefangen. Mit Berlin ist auch ein Schauplatz gewählt, der viel Wiedererkennungswert hat.

Relativ kurze Kapitel, die abwechselnd Einblick in die Situation von Gabriel, Daniel oder Liz bieten und oft mit einem Cliffhanger enden, verschaffen dem Roman ein gehöriges Tempo. Besonders gefallen hat mir, dass der Leser anfangs völlig im Dunklen tappt, was genau Gabriel nun eigentlich gesehen und erlebt hat. Diese Frage löst sich erst ganz zum Schluss. Auch bleibt lange ungewiss, inwieweit Gabriel, der ständig mit einer inneren Stimme in Person von Luke Skywalker, seinem Kindheitsheld, Zwiesprache hält, überhaupt zurechnungsfähig ist.

Polizeiarbeit wird im Roman allenfalls als stümperhaft beschrieben, was aber nicht schlimm ist, denn die Hauptfiguren, vor allem Liz, sind taff genug, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Die Grausamkeiten sind teilweise recht anschaulich beschrieben, weshalb der Leser hier nicht gar zu empfindsam sein sollte.

Insgesamt kann ich diesen Psychothriller nur wärmstens empfehlen. Endlich hatte ich mal wieder ein Buch in der Hand, dass mich von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.05.2012
Ludwig, Stephan

Zorn - Tod und Regen / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.1


sehr gut

Ein beschauliches Städtchen in Sachsen-Anhalt, welches nicht genauer definiert wird, bekommt es mit einem brutalen Mord zu tun. Außergewöhnlich dabei ist, dass der Täter sein Opfer offenbar mit Schmerzmitteln betäubt hat. Hauptkommissar Claudius Zorn und sein Partner Schröder werden mit den Ermittlungen beauftragt. Bald stellt sich heraus, dass auch der zuständige Staatsanwalt Sauer etwas zu verbergen hat. Ein zweites Opfer lässt nicht lange auf sich warten und die Polizei tappt komplett im Dunkeln. Oder sollte doch ein mysteriöser Selbstmord mit den Morden zu tun haben?

Meine Meinung:

Bei „Zorn – Tod und Regen“ handelt es sich um den Debüt-Roman des Hallenser Autors Stephan Ludwig. Der Verlag ist von dieser neuen Krimi-Reihe um Hauptkommissar Claudius Zorn offenbar so überzeugt, dass bereits die Fortsetzung „Zorn - Vom Lieben und Sterben“ für Oktober 2012 angekündigt und mit einer Leseprobe am Ende des Buches, die es wirklich in sich hat, belegt ist. Ich kann diese Entscheidung gut nachvollziehen, denn bei Zorn und Schröder handelt es sich wirklich um ein außergewöhnliches Ermittlerduo.

Zorn ist dabei ein Antagonist wie er im Buche steht. Selten hat man erlebt, wie jemand so unerträglich faul, stur, überheblich, von sich eingenommen und überhaupt mit der Welt im Unreinen ist. Nicht nur einmal kam mir der Gedanke, dass ich im Ernstfall hoffentlich nicht an so einen Ermittler gerate. Zwar unmerklich, aber er macht dann doch eine Entwicklung durch und könnte in den nächsten Bänden Sympathiepunkte gewinnen.

Das genaue Gegenteil und aus welchen Gründen auch immer Claudius Zorn total ergeben, ist der dicke Schröder. Er ist nicht so ein Schönling wie Zorn, kleidet sich unvorteilhaft, ist dafür aber hart im Nehmen, übermäßig intelligent und hat einen tollen Sinn für Humor. Die beiden so gegensätzlichen Charaktere sorgen dann in ihren Dialogen auch für das eine oder andere Schmunzeln.

Der Kriminalfall selber ist gut durchdacht und sorgt bis kurz vor Schluss für Überraschungen. Was mich allerdings gestört hat und zu einem Punkt Abzug verleitet ist, dass mal wieder die Ermittler nichts zur Aufklärung beitragen. Und das ist bei all der Genialität von Schröder und einer doch sehr offensichtlichen Verbindung schon verwunderlich. Auch muss ich dem Autor die Sache mit der Katze übelnehmen, weil sie schlicht unnötig ist und mir als Katzenliebhaber einen bösen Stich versetzt hat.

Zusammenfassend betrachtet kann ich aber das Buch guten Gewissens weiterempfehlen. Wenn man von den Marotten des Claudius Zorn absieht, bekommt der Leser hier einen in sich stimmigen Krimi, der sich kontinuierlich in der Spannung steigert und nicht zu viel Detailreichtum bei den Morden bietet, präsentiert.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.04.2012
Rother, Stephan M.

Ich bin der Herr deiner Angst / Albrecht & Friedrichs Bd.1


sehr gut

Die Ermittler Jörg Albrecht und Hannah Friedrichs werden zu einem Tatort im Hamburger Rotlichtviertel beordert. Das Opfer ist ein brutal zugerichteter Kollege, der verdeckt ermittelt hat. Kurz darauf wird die Leiche einer im Mutterschutz befindlichen Kollegin gefunden, die ebenfalls grausame Qualen vor ihrem Tod erlitten hat. Hat es ein Serienmörder auf das PK Königstraße abgesehen? Fieberhaft beginnt die Suche nach der Wahrheit. Unterstützung soll Prof. Dr. Hartmut Möllhaus vom Institut für Rechtspsychologie in Braunschweig bieten. Doch er ist das nächste Opfer. Endlich werden Parallelen zu dem 24 Jahre zurückliegenden „Traumfänger“-Fall deutlich. Doch der Täter befindet sich in Sicherheitsverwahrung und kann unmöglich die aktuellen Morde begangen haben. Um den Fall zu lösen, müssen sich die Ermittler auch ihren eigenen Ängsten stellen.

Meine Meinung:

Nach Ausflügen ins Fantasy-, Mystery- und Kirchen-Thriller-Genre legt Stephan M. Rother nun mit „Ich bin der Herr deiner Angst“ seinen ersten reinen Thriller vor. Das Buch ist mit knapp 600 Seiten nicht gerade dünn, aber es kommt beim Lesen keine Minute Langeweile auf. Durch äußerst brutale Morde, aber auch einem glänzend inszenierten Psychospiel a la Hannibal Lecter vs. Clarice Starling werden verschiedene Geschmacksrichtungen bedient. Wer ein wenig empfindlich ist, könnte sich an der Gewalttätigkeit stören, aber ich habe da relativ wenig Probleme, solange es ein Roman ist.

Hauptkommissar Albrecht entspricht natürlich in vollem Maße dem Klischee des überarbeiteten Ermittlers, der von seiner Frau verlassen wird und reflektiert diese Tatsache für meinen Geschmack etwas zu oft. Von ihm wird in der dritten Person erzählt. Selbst zu Wort kommt dagegen Hannah Friedrichs, was dem Roman durch die verschiedenen Sichtweisen erfrischende Abwechslung beschert. Dabei findet der Autor auch für beide Ermittler eine ganz individuelle Sprache, die die Unterscheidung erleichtert. Etwas sauer ist mir aufgestoßen, dass Albrecht sehr häufig als „Herr und Meister“ bezeichnet wird. Dies deutet auf einen Gotteskomplex, welcher noch nicht mal von ihm selbst ausgeht, der seinen beruflichen Leistungen widerspricht. Beide begehen schwerwiegende Fehler in ihren Handlungen, aber das macht sie auch menschlich.

Der „Traumfänger“ selbst, der sich für einen reinen Wissenschaftler hält, alsbald tief in die Ermittlungen mit einbezogen wird und dies für sein Psychospiel auf geniale Weise auszunutzen weiß, ist natürlich eine perfide, aber auch faszinierende Persönlichkeit. Ich mag solche intelligenten Täter ja und habe mich auf die oft ins philosophische abgleitende Reise gern mitnehmen lassen.

Überhaupt hat der Autor einen sehr schönen, bildhaften Schreibstil sowie einen außerordentlich großen Wortschatz, der das Lesen zu einem Vergnügen macht. Durch geschickt eingebaute Cliffhanger und vage Andeutungen an den Kapitelenden, bleibt die Spannung durchweg auf hohem Niveau.

Wem meine Darstellung Lust auf das Buch gemacht hat, dem würde ich empfehlen, vorab auch noch die Lesung des sehr sympathischen Autors auf Lovelybooks.de anzusehen, denn er verleiht seinen Protagonisten dort eine ganz eigene Stimme und lässt das Geschehen noch unheimlicher wirken.

Mich hat der vorliegende Thriller auf jeden Fall außerordentlich gut unterhalten und ich freue mich bereits auf weitere knifflige Fälle, die das PK Königstraße zu lösen hat.

4 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.04.2012
Efaw, Amy

Eine Tat wie diese


sehr gut

Niemand hätte der 15-jährigen Musterschülerin Devon Davenport, die auch noch ein vielversprechendes Fußballtalent ist, so etwas zugetraut. Sie verheimlicht vor ihrer ganzen Umwelt eine Schwangerschaft und entsorgt ihr neu geborenes Baby in ihrer Verzweiflung in der Mülltonne vor ihrem Haus. Wie kam es zu dieser schrecklichen Tat? Erst in der Untersuchungshaft mit Aussicht auf eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes besinnt sich Devon langsam und lässt in Gesprächen mit ihrer Anwältin und einer Psychologin die Mauern bröckeln, die sie um sich errichtet hat. Aufgedeckt wird dabei die Geschichte eines Mädchens, das nur eines wollte, nie so werden wie ihre Mutter.

Meine Meinung:

Amy Efaw, die selbst fünf Kinder hat, nimmt sich mit „Eine Tat wie diese“ eines schwierigen Themas an. Es ist absolut keine Seltenheit, dass Teenager die Mütter werden, zu Kurzschlusshandlungen neigen und im schlimmsten Fall verliert dabei das Kind sein Leben. Wenn man von solchen Taten hört, ist man schlicht nur geschockt und kann keinerlei Verständnis dafür aufbringen. Aber man steckt nicht drin in so einem Mädchen und nur selten erfährt man Näheres über die Hintergründe. Aber genau dies ist in diesem Buch der Fall, weswegen ich es gerade jungen Mädchen zwischen 13 und 17 sehr ans Herz legen möchte.

Sehr feinfühlig begleitet die Autorin die junge Devon vom erschreckenden Tag der Tat, über ihren Aufenthalt im Jugendgefängnis bis zur Gerichtsverhandlung, die darüber entscheiden soll, ob das Mädchen nach Jugend- oder Erwachsenenrecht verurteilt wird. Auch wenn man aufgrund der Erlebnisse von Devon mit ihrer Mutter ein gewisses Verständnis für ihre Tat aufbringen kann, so ist sie doch nicht von der Schuld freizusprechen und sie kommt schlussendlich selbst zu dieser Einsicht, was mir sehr gefallen hat. Sie will die Verantwortung übernehmen und sich nicht aufgrund eventueller Verfahrensfehler durchmogeln. Im Endeffekt zeigt dies, wie sehr Devon in den wenigen Wochen seit der Geburt gereift ist. Eine Entwicklung, die ich ihrer Mutter komplett abspreche. Diese hat bis zum Schluss nichts begriffen und ich kann Devons Wunsch, nie so wie sie werden zu wollen nur zu gut verstehen.

Der Schreibstil der Autorin ist fesselnd, die Geschichte berührt und lässt wohl niemanden kalt. Dabei ist der Aufbau sehr geschickt gewählt, indem nach und nach immer mehr Puzzleteile an die richtige Stelle fallen und in Form von Flashbacks, die Devon hat, die Wahrheit schließlich ans Licht kommt.

Insgesamt ein emotional sehr betroffen machendes Buch, was noch lange nachwirkt.