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Top-Rezensenten Übersicht

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Frau M. aus M.
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 91 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2023
Büchermenschen
Vernet, Stéphanie;de Cussac, Camille

Büchermenschen


ausgezeichnet

Ein Buch über Bücher
"Büchermenschen" ist ein großes Bilderbuch, in dem die Leser erfahren, welcher Aufwand nötig ist, um Bücher herzustellen. Auf je einer Doppelseite werden die Arbeitsschritte und Berufe vorgestellt. Auch das Buch selbst wird als Beispiel genutzt. Gleich zu Beginn werden Einband, Schriftart und Papiersorte bezeichnet. Die ganzflächigen Illustrationen, die ein wenig an Wimmelbilder erinnern, sind sehr farbenfroh und ausdrucksstark. Man befindet sich in der jeweiligen Situtation gleich mittendrin. Zu jeder Etappe gibt es kurze Texte, die sehr informativ und unterhaltsam sind. Leider ist die Schriftgröße mit 9pt etwas zu klein. Genug Platz für mindestens 10 pt wäre auf jeden Fall vorhanden gewesen.

Auch die Menschen, die mit den Büchern nach ihrer Fertigstellung zu tun haben, werden vorgestellt. Literaturkritiker, Buchhändler, Bibliothekare und natürlich auch Leserinen und Leser bekommen viel Raum.

Dieses Buch ist für Menschen ab 8 Jahren vorgesehen und kann auch für Erwachsene sehr interessant sein.

Bewertung vom 20.10.2023
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


ausgezeichnet

Frida ist nicht aufzuhalten
Diese Romanbiografie beleuchet das Jahr 1938/39, in dem die mexikanische Malerin Frida Kahlo ihren Durchbruch als Künstlerin erlebte. Sie tritt aus dem Schatten ihres sehr berühmten Ehemannes Diego Rivera heraus und erobert sich ihr Publikum und ein freies Leben für sich selbst. Die beiden Maler haben eine einzigartige Beziehung, die von starkem Temperament, großer Leidenschaft und tiefer Liebe getragen wird. Sehr gut sind die Besonderheiten der Zeit und die Rolle der Frauen, insbesondere der Künstlerinnen, herausgearbeitet. Frida wird in all ihren Widersprüchen und Verwicklungen in Amouretten gezeigt. Ihr unbändiger Lebens- und Freiheitswille ist beschränkt durch ihre gesundheitliche Situation, die auf eine Erkrankung im Kindesalter und auf einen schweren Busunfall zurückgehen. Frida will sich nicht in ihre Grenzen fügen und lebt, als gäbe es kein Morgen. Mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung und ihrer ungewöhnlichen Schönheit kann sie andere Menschen sehr schnell für sich einnehmen. Das Buch ist ein wunderbarer Schmöker, den ich geradezu verschlungen habe. Die Sprache ist eindringlich und sehr bildhaft, so dass man tatsächlich mitten dabei ist im Getümmel. Auch die Beschreibung der Gemälde von Frida ist so plastisch, dass es gar kein Defizit ist, dass dieses Buch ohne Illustrationen ist.
Ich hatte sehr viel Freude beim Lesen und gebe gern eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 19.10.2023
Haltestellenprosa
Behmann, Jan C.

Haltestellenprosa


ausgezeichnet

Lauter tolle Gedanken, die mitten auf der Zwölf landen
In "Haltestellenprosa" sind viele kurze Texte verschiedener Genres enthalten. Jan C. Behmann schreibt, dass er Geschichten auf wenigen Seiten erzählen möchte. Er liebt die Verdichtung und damit Aufladung eines Textes, die eine Verkürzung auf wenige Zeilen oder Seiten möglich macht. Das gelingt ihm in grandioser Weise. Man sollte dieses Buch vielleicht nicht hintereinander weg lesen. Die Haltestellen zwischen den Texten geben Raum für einen sehr angenehmen Nachhall im Innern des Lesers. Der vorher verdichtete Inhalt kann sich dann nämlich wieder entpacken und ausbreiten. Die Geschichten der etwas depressiv-sarkastischen Romanfigur Reuter und der in ein anderes Romanuniversum gehörende imaginäre Reitmayr machen Appetit auf mehr. Sehr lustig finde ich auch die Musiktipps, die gelegentlich für das Lesen des einen oder anderen Textes angeboten werden. Die meisten Texte sind allerdings weniger humorig, weil allzunah an der Realität. Ich hatte große Freude beim Lesen!

Bewertung vom 12.10.2023
Das Glück liegt im Darm
Polster, Elisabeth

Das Glück liegt im Darm


ausgezeichnet

Der Darm - eine Innenschau
In diesem Buch geht es um den Weg, den das, was wir essen und trinken, durch uns durch nimmt. Der Darm mit seinen verschiedenen Abschnitten, die entsprechende Spezialaufgaben haben, wurde lange nicht in seiner Komplexität wahrgenommen. In diesem Buch wird auf sehr anschauliche Weise, illustriert mit vielen Fotos und Zeichnungen, leicht und locker dargestellt, was sich in unserem Innern so abspielt. Vor allem die Wichtigkeit der Arbeit der vielen in uns wohnenden Bakterien, die das Mikrobiom bilden, wird erklärt. Daraus leitet sich sehr gut nachvollziehbar die Bedeutung einer gesunden Ernährung ab. Die Autorin erläutert, was den Bakterien gut tut und was ihnen schadet. Dieses Buch ist sehr wichtig, um ein richtiges Grundverständnis für die Bedeutung eines gesunden Darmes zu entwickeln, denn sehr viele Krankheiten haben einen Bezug zu den Vorgängen bei der Verdauung.
Sehr gut finde ich auch das Kapitel mit den Rezepten für Darmschmeichler.
Ich gebe gern eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.10.2023
Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?
Heim, Gabriel

Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?


ausgezeichnet

Eine Spurensuche
Schon das Cover ist sehr markant gestaltet. Der Titel rund um ein seitenfüllendes Foto, auf dem Felix Gasbarra mit abgewandtem Gesicht zu sehen ist, gibt einen treffenden ersten Eindruck.
Gabriel Heim wusste lange nichts über seinen Vater. Die Mutter verheimlichte ihm viele Jahre dessen Identität. Zehn Jahre nach dem Tod der Mutter und damit selbst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter machte sich Heim auf die Suche nach diesem Mann, der sich nie zu ihm bekennen wollte. Er stößt auf eine spannende und ungewöhnliche Persönlichkeit. Felix Gasbarra ist selbst ein vom Vater nicht anerkanntes Kind. Er ist ein starker Charakter, hochintelligent, sehr kultiviert, mit besonderer Anziehungskraft auf Frauen. Aber er ist schwer fassbar, denn Felix Gasbarra hat es verstanden, sich in vielen verschiedenen Masken zu zeigen, seine Spuren zu verwischen oder ganz und gar unsichtbar zu sein. Gabriel Heim nimmt die Tagebuchaufzeichnungen von Gasbarras Frau, der Malerin Doris Homann, mit hinzu. Daraus ergeben sich zusätzliche sehr aussagekräftige Anhaltspunkte. Auch die Kontaktaufnahme zu einer seiner in Südamerika lebenden Halbschwestern trägt zur Ergänzung des Bildes von Gasbarra bei.
War Gasbarra zunächst ein glühender Kommunist und engagierter Theatermann an der Seite Piscators, so mutiert er nach Machtergreifung der Nazis zu einem ebenso fleißigen Agitator im faschistischen Propagandaministerium Italiens. Er brennt darauf, Doris Homann zu heiraten, stellt sich einem Familienleben aber langezeit gar nicht und später auch nur widerwillig. Am Ende des Buches bleiben viele Fragen offen, was dem Lesevergnügen aber keineswegs entgegensteht.
Dieses Buch gefällt mir sehr. Die zahlreichen Fotos und auch die Bilder von Doris Homann illustrieren den Text auf beste Weise.

Bewertung vom 30.09.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


ausgezeichnet

Was von Menachems Erbe übrig blieb

Der jüdische Autor wurde 1985 in Toronto geboren. Das ist sowohl räumlich als auch zeitlich sehr weit weg vom Unheil, das an den Juden Europas im Zweiten Weltkrieg verübt wurde. Das weit verbreitete Schweigen hat die emigrierten Familien oft abgetrennt von dieser Vergangenheit. Dennoch kommt der Autor mit ihr in Kontakt, als er vom vergeblichen Bemühen seines bereits vor seiner Geburt verstorbenen Großvaters erfährt, eine Entschädigung für das enteignete Wohnhaus der Familie im ehemaligen Schlesien zu erhalten. Er erforscht die Hintergründe, erkundet die jetzige Lage dort und bemüht sich um die Rückübertragung des Gebäudes. Während sich der juristische Prozess in Polen über mehrere Jahre hinzieht, sieht sich Menachem Kaiser im Lande um. Er findet neue Spuren seiner Familie. Auch trifft er auf viele interessante Menschen, die mit den Erinnerungen und Überlieferungen an den 2. Weltkrieg sehr unterschiedlich umgehen. Er nennt diese Sichtweisen Narrative. Menachem wägt diese Narrative gegeneinander ab, lässt sie alle gelten, ohne sich unbedingt eines davon zu eigen zu machen. Er zeigt, dass es keine absolute Wahrheit gibt und dass es zuweilen sogar richtig sein kann, falsche Dinge zu glauben. „Was machen wir mit dem Unwissbaren? Was können wir tun, außer es anzunehmen?“
Mich hat der Verlauf dieser Geschichte sehr beeindruckt. Es hat mir sehr gefallen, wie Menachem Kaiser die Dinge von allen möglichen Seiten betrachtet. Es werden auch jede Menge Fragen aufgeworfen. Dieser besondere Blickwinkel auf den Zweiten Weltkrieg führt zur Annahme der Gegenwart, wo sich die Dinge weiterentwickelt haben und sich ein neuer Kontext gebildet hat.
„Kaiser“ ist eine sehr spannende Lektüre. Es ist mein persönliches Buch des Jahres.

Bewertung vom 28.09.2023
Die illegale Pflanzung eines Baumes bei Nacht - Ein dialogreiches Zwiegespräch über romantische Verwicklungen in verschiedenen Beziehungen (eBook, ePUB)
Stamm, Torben

Die illegale Pflanzung eines Baumes bei Nacht - Ein dialogreiches Zwiegespräch über romantische Verwicklungen in verschiedenen Beziehungen (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine Detektivgeschichte der besonderen Art

Xaver und Remus sind zwei junge Männer, die eine Detektei mit speziellem Profil betreiben. Fälle, die untreue Männer oder Frauen, entlaufene Teenager oder Kapitalverbrechen betreffen, nehmen sie nicht an. Die beiden sind schon ewig lang befreundet und kennen sich dementsprechend gut. Ihre Freundschaft wird durch ihre verschiedenen Temperamente immer wieder mal auf die Probe gestellt. Die Detektei wird mit Aufträgen nicht gerade überhäuft. Nun aber kommt ein Fall für sie daher: jemand hat auf einer abgeholzten Fläche im Tierpark illegal einen Baum gepflanzt. Zwar ist niemand zu Schaden gekommen, aber es wurde jedenfalls eingebrochen. Sie folgen ihrer Intuition und so ergibt sich Schritt für Schritt ein spannendes Gesellschaftsbild. Die beiden begegnen einigen sehr interessanten Personen. Auch in ihren jeweiligen Privatleben passieren aufregende Dinge, denen sie sich stellen müssen.

Die Geschichte wird aus Xavers Sicht erzählt. Alle Figuren sind sehr ausdrucksstark gestaltet. Man kann typische Zeitgenossen mit ihren typischen Problemen gut erkennen.

Zum Ende hin verdichtet sich die Handlung. Alles scheint sich richtig hin zu ruckeln. Es werden Wahrheiten ausgesprochen. Die Protagonisten kommen sich näher. Alle wissen plötzlich, was das Richtige ist. Am Ende siegt tatsächlich die Liebe.

Das Buch ist eine heitere und unterhaltsame Lektüre.

Bewertung vom 21.09.2023
Die Anatomie des Blumenkörbchens
Marmulla, Rüdiger

Die Anatomie des Blumenkörbchens


weniger gut

Origenelles Cover, weniger origeller Text
Titel und Cover haben bei mir hohe Erwartungen geweckt. Diese passten dann leider nicht sehr gut zu den Tatsachen. Die Idee der Geschichte ist originell und hätte das Zeug für richtig guten Lesestoff. Auf 78 Seiten erzählt der Roman dann aber ziemlich nüchtern, teilweise nerdig und ohne nennenswerte Dramatik die tragische Liebesgeschichte eines Medizinstudenten und einer Abiturientin im Jahr 1985. Man merkt, dass der Autor wohl auch Mediziner ist, denn die anatomischen Beschreibungen wirken ziemlich leidenschaftlich. Dies ist auch der interessante Teil der Geschichte. Die Beschreibungen rund um das Bochdalek-Blumenkörbchen und das Klinik-Millieu sind gut gelungen. Besondere Spannung kam bei mir jedoch nicht auf. Auch emotional hat mich das Buch nicht berührt.

Das beigelegte Lesezeichen gefällt mir sehr. Im ebenfalls beigefügten Katalog ist ersichtlich, dass Rüdiger Marmulla schon mehr als 20 weitere Bücher geschrieben hat. Er hat auf jeden Fall eine/n guten PR-Manager/in.

Bewertung vom 12.09.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


ausgezeichnet

Eine eigensinnige Tochter
"Die Wahrheiten meiner Mutter" erzählt eine sehr spannende Geschichte. Eine Tochter hat vor 30 Jahren alles hinter sich lassen müssen, um weit weg von ihrer norwegischen Heimat in den USA ein selbstbestimmtes unangepasstes Leben zu leben. Klar, dass Ehemann, Eltern und Schwester nicht fassen konnten, was passiert ist. Sie waren zunächst empört, ließen aber die Tür noch eine Weile einen Spalt breit offfen, damit die Tochter reuevoll zurückkehren könnte. Als sich jedoch zeigt, dass sie glücklich und auch als Malerin beruflich erfolgreich lebt, wird sie von der Familie ausgeschlossen. Aus der Sicht der Tochter, die jetzt nahe der 60 ist, wird erzählt, wie hoch der Preis der Freiheit für die abtrünnige Tochter ist. Zurück in ihrer Heimatstadt versucht sie vergeblich, Kontakt zu Mutter und Schwester zu bekommen. Sie muss allein fertig werden mit der Riesenwunde, die der Verlust der Familie auch in ihr Herz gerissen hat. Mutig, kompromisslos, ehrlich und sehr gründlich setzt sie sich mit allen denkbaren Fragen, Erinnerungen und Themen auseinander, die eine Geschichte ergeben, mit der die Tochter abschließend leben kann. Der große Abstand zu den Ereignissen und ihre umfangreiche Lebenserfahrung machen das möglich. Es kommt sicher häufiger vor, dass jemand in eine Familie geboren wird, deren Muster für sie bzw. ihn nicht lebbar sind. Dies ist eine Geschichte von einer, die sich nicht beirren lässt. Ich finde das Buch großartig.

Bewertung vom 04.09.2023
Zeiten der Langeweile
Becker, Jenifer

Zeiten der Langeweile


ausgezeichnet

Was weiß Google über dich!
Das Cover des Buches ist wunderschön. Das ist also Mila, die mit Mitte dreißig zwar einen Doktortitel hat, aber keine/n Partner/in, keine Kinder, keine echten Freunde und irgendwie auch keinen Plan. Immerhin erkennt sie, dass es ihr nicht guttut, von morgens bis abends auf den sozialen Netzen unterwegs zu sein. Sie fühlt sich ausgeliefert und kann die Unkontrollierbarkeit ihrer Daten nicht mehr ertragen. Sie steigt aus und bekommt erwartungsgemäß heftige Entzugserscheinungen. Mit Facebook und Co war sie maximal abgelenkt von den wirklich relevanten Dingen in der Welt. Zurückgeworfen auf sich selbst hat Mila jetzt Zeit, ihr Leben zu gestalten. Leider ist sie nicht in der Lage, die Möglichkeiten, die es da um sie herum gibt, zu erkennen und nutzen. Mit ihrer Freiheit, nach der sie sich so stark gesehnt hat, kann sie nichts anfangen. Immer verbissener ist sie damit beschäftigt, ihre alten Spuren in der digitalen Welt auszulöschen, keine neuen Spuren zu erzeugen und dann auch immer mehr im richtigen Leben unsichtbar zu werden. Sie zieht sich von allem zurück, geht kaum noch aus dem Haus. Das in Ich-Form geschriebene Buch hat mich in Milas Gefühlswelt eingeladen und eingebunden. Es ist eine große Taurigkeit zu spüren, die Mila nicht mitteilen kann und die von der Umwelt nicht bemerkt bzw. falsch interpretiert wird.
Der Roman zeigt sehr direkt, wie stark uns die digitalen Medien vereinnahmen, manipulieren, beschäftigen und bevormunden können. Er zeigt auch, dass es kaum ein Entkommen gibt. Am Ende drängen sich zwei große Fragen auf: 1. Wohin führt uns die totale Durchdigitalisierung des Lebens? 2. Wie kann man daraus den besten Nutzen ziehen und sich gleichzeitig den Zugang zu den wichtigen Themen des echten Lebens erhalten?
Ich gebe gern eine Leseempfehlung.