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Lu
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 220 Bewertungen
Bewertung vom 21.03.2025
Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


ausgezeichnet

Für mich ist „Mit dir möchte ich im Himmel Kaffee trinken“ bisher das Lesehighlight dieses Jahres – nicht zuletzt, weil ich Mascha Kaléko als Dichterin, um die es im Roman auch geht, ohnehin sehr liebe. Im Zentrum des Romans steht jedoch Elisa, die der Dichterin ihre eigene bewegende Lebensgeschichte erzählt.

Elisa fühlt sich von Kalékos Gedichten verstanden, seit sie sie mit Anfang 20 entdeckt hat, und vertraut ihr ihre Gedanken an – über ihre schwierige Kindheit, ihre Zeit im Heim, ihre Liebesbeziehungen, immer auf der Suche nach Geborgenheit, die sie lange nur in Büchern fand. Und trotzdem ist der Roman nicht düster, sondern voller Sehnsucht, Hoffnung und Poesie. Mit großer Leichtigkeit wird von den schweren Dingen erzählt, beim Erzählen über Freundschaft, der Liebe zu Büchern und der großen Liebe wird es aber auch schon auch mal ein bisschen pathetisch. Diese Mischung hat mir einfach richtig gut gefallen und ich habe mir Vieles angestrichen.

Besonders gelungen fand ich auch die Struktur des Romans: Jedes Kapitel beginnt mit einem passenden Gedicht von Mascha Kaléko, das Elisas Erlebnisse und Gedanken spiegelt. Das hat mir die Gedichte noch einmal anders näher gebracht und ich habe jetzt richtig Lust auf mehr. Insgesamt ist der Roman damit eine literarische Liebeserklärung – an Kaléko, an die Kraft der Worte und daran, dass wir selbst in den dunkelsten Momenten Trost finden können.

Bewertung vom 19.03.2025
Bella Famiglia (eBook, ePUB)
Mahler, Nico

Bella Famiglia (eBook, ePUB)


sehr gut

Mit Bella Famiglia reist man als Leser:in ins München der 1960er Jahre, wo die Geschichte der jungen Kindergärtnerin Sofia spielt. Sie taucht in einem Eiscafé gemeinsam mit dem Eisverkäufer Lorenzo in die Welt des Eismachens und in die Geschichte seiner italienischen Familie ein. Während sie den schweigsamen Lorenzo kennenlernt, entfaltet sich die Vergangenheit der Familie Battaglia – von einem kleinen Dorf in den Dolomiten bis zu ihrem Neuanfang in Deutschland.

Was mir besonders gefallen hat, war die Mischung aus historischen Rückblicken und der Handlung in den 1960ern. Die Schilderungen der alten Handwerkskunst des Eismachens machen auf jeden Fall Lust, die Eismaschine wieder hervorzuholen. Gleichzeitig fand ich es spannend, mehr über die italienischen Einwanderer zu erfahren, die mit harter Arbeit ihr Glück in Deutschland suchten. Die wechselnden Zeitebenen fügen sich stimmig zusammen. Die flüssige Erzählweise und die liebevoll gezeichneten Figuren haben mir ebenfalls gut gefallen. Besonders die melancholische Grundstimmung und die Sehnsucht nach Heimat und Zugehörigkeit fand ich sehr gelungen.

Insgesamt ein bewegender, atmosphärischer Roman über Familie, Tradition und die Kunst des Eismachens. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen – eine klare Empfehlung für alle, die Familiengeschichten mit historischem Hintergrund lieben!

Bewertung vom 18.03.2025
Schwebende Lasten
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


sehr gut

In „Schwebende Lasten“ erzählt Annett Gröschner die fiktive Lebensgeschichte von Hanna aus Magdeburg – eine Geschichte, die zugleich die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive einer ostdeutschen Arbeiterin ist. Der Roman zeichnet Hannas Weg von der Floristin zur Kranfahrerin nach und verknüpft ihr Schicksal mit den politischen Umbrüchen und sozialen Verwerfungen ihrer Zeit.

Die klare Sprache und die Art, historische Zusammenhänge anhand einer weiblichen Figur greifbar zu machen, haben mich stellenweise an Klaus Kordons „Trilogie der Wendepunkte“ erinnert – eine Reihe von historischen Romanen, die ich früher sehr gerne gelesen habe. Allerdings geht Gröschner in „Schwebende Lasten“ oft noch drastischer in die historisch authentischen und furchtbaren Details. Durch das hohe Erzähltempo hatte ich aber nie das Gefühl, von der Schwere der Ereignisse erdrückt zu werden. Bloß am Ende des Romans wurde es etwas langsamer, das war aber passend zum Ende von Hannas Leben.

Besonders gefallen hat mir Hannas Haltung: Trotz der vielen verzweifelten Situationen, in die sie und ihre Familie geraten, verliert sie nie ihren moralischen Kompass. Sie bleibt anständig, verbreitet weder Hass noch Missgunst. Diese Perspektive fand ich sehr wohltuend, denn sie zeigt, dass es möglich war, trotz widrigster Umstände eine Haltung zu bewahren. Gleichzeitig hebt der Roman hervor, was für unglaubliche Härten gewöhnliche Frauen im 20. Jahrhundert überlebt haben.

Insgesamt ist „Schwebende Lasten“ ein kluger, temporeicher und historisch fundierter Roman. Eine Empfehlung für alle, die sich für deutsche Geschichte interessieren!

Bewertung vom 18.03.2025
Schweben
Ben Saoud, Amira

Schweben


gut

„Schweben“ von Amira Ben Saoud hat mich mit seinem dystopischen (oder doch realistischen?) Setting sofort in den Bann gezogen. Die namenlose Protagonistin des Romans wohnt in Zeiten des voranschreitenden Klimawandels in einer abgeschotteten, autokratisch reagierten Siedlung – all das wird mit einer faszinierenden, fast unheimlichen Gelassenheit beschrieben. Die Protagonistin arbeitet als Ersatz für abwesende Partnerinnen, Töchter und Schwestern, indem sie in die Rolle der Frauen schlüpft und ihre Identitäten nachahmt. Bald nimmt sie jedoch einen Auftrag an, der ihr bisheriges Leben infrage stellt und sie aus ihren Routinen reißt.

Die Idee des Settings des Romans, dass die Menschheit sich nach einem großen Klimacrash insgesamt mit weniger Luxus arrangieren muss, während die Regierungsstrukturen autokratisch geworden sind, fand ich sehr passend und spannend erzählt, deshalb hat mir insbesondere der Anfang des Romans auch so gut gefallen. Dies stand als Thema aber gar nicht im Zentrum des Romans, denn es ging eigentlich um toxische Beziehungen und Identitätsverlust in diesen. Bei diesem Thema blieben mir allerdings am Ende des Romans zu viele Fragen offen. Trotz der starken Atmosphäre und des eindringlichen Schreibstils hat mich der Roman also letztlich nicht völlig überzeugt. Während ich offene Enden oft schätze, blieben mir hier zu viele lose Enden. Es fühlte sich an, als hätte das großartige Setting noch viel mehr hergegeben, als tatsächlich erzählt wurde. Trotzdem ein außergewöhnlicher Roman, der durchaus zum Nachdenken über die verschiedenen Leerstellen anregt.

Bewertung vom 15.03.2025
Unmöglicher Abschied
Kang, Han

Unmöglicher Abschied


sehr gut

„Unmöglicher Abschied“ war mein erster Roman von Nobelpreisträgerin Han Kang – und wird ganz sicher nicht mein letzter sein. Die Protagonistin Gyeongha soll für ihre Freundin Inseon, die im Krankenhaus liegt, auf die Insel Jeju fliegen und sich dort um den Vogel der Freundin kümmern. Auf der Insel tobt ein menschenfeindlicher Schneesturm, der schon die Reise herausfordernd macht. Endlich angekommen muss sich Gyeongha dann auch noch mit den Geistern der Vergangenheit auf der Insel auseinandersetzen: schrecklichen Massakern, die die Regierung in den 1950ern an der Bevölkerung verübt hatte.

Die Geschichte entwickelte für mich mit ihrem melancholischen, klaren Stil schnell einen Sog, obwohl sie durchweg düster und traurig bleibt. Die eisige, lebensfeindliche Natur der Insel Jeju spiegelt die innere Zerrissenheit der Figuren wider, und der Schneesturm wird fast schon zu einem eigenen Charakter, der Gyeonghas Reise ebenso bestimmt wie ihre Erinnerungen. Im zweiten Teil des Romans spielt auch magischer Realismus eine große Rolle, um die Freundschaft zwischen den beiden Frauen auf eine ganz besondere Weise erzählen.

Insgesamt werden die persönlichen Schicksale zweier Freundinnen poetisch mit einem lange verdrängten Kapitel koreanischer Geschichte verknüpft und der Roman zeigt eindringlich, wie Vergangenheit und Gegenwart untrennbar miteinander verwoben sind. Trotz der poetischen Sprache und der emotionalen Tiefe hatte der Roman für mich auch Längen. Dennoch überwiegt mein Eindruck, dass „Unmöglicher Abschied“ ein einfühlsames, eindrucksvolles Buch ist.

Bewertung vom 10.03.2025
In ihrem Haus
van der Wouden, Yael

In ihrem Haus


sehr gut

„In ihrem Haus“ von Yael van der Wouden ist ein Roman, der sich zwar langsam entfaltet, aber dabei für mich schnell eine Sogwirkung entwickelt hat. Anfangs begleiten wir die verschlossene Isabel in ihrem stillen, geordneten Leben, das von klaren Routinen geprägt ist. Nach dem Tod ihrer Mutter lebt sie allein im Haus der Familie und trifft sich nur ab und zu mit ihren beiden Brüdern. Als ihr älterer Bruder seine aktuelle Freundin Eva im Haus einquartiert, wird Isabels bisheriges Leben infrage gestellt.

Was mir besonders gefallen hat, ist die dichte, sinnliche Sprache, die die sommerliche Schwere und unterschwellige Spannung zwischen Eva und Isabel greifbar macht. Man spürt in jeder Szene, dass etwas Bedrohliches in der Luft liegt, auch wenn es lange nicht greifbar ist. Die langsame Annäherung zwischen Isabel und Eva hat sich für mich im Mittelteil des Romans allerdings etwas gezogen. Doch dann kommt eine überraschende Wendung, die ich wirklich nur kurz vorher vorhergesehen hatte – ab diesem Moment konnte ich das Buch wieder kaum noch weglegen.

Thematisch geht es um Begehren, Schuld, Verdrängung und gesellschaftliche Zwänge – auch atmosphärisch liegen diese Themen immer in der Luft, auch wenn nicht offen über sie gesprochen wird. Für mich war der Roman eine lohnende, fesselnde Lektüre mit einem starken Ende, aus dem ich viel mitgenommen habe.

Bewertung vom 09.03.2025
The Modern Taste of Ayurveda
Nowoczin, Kristina

The Modern Taste of Ayurveda


sehr gut

„The Modern Taste of Ayurveda“ verspricht eine einfache, alltagstaugliche Umsetzung der ayurvedischen Küche mit einem saisonalen Ansatz – und tatsächlich gelingt das in vielen Rezepten sehr gut. Besonders das Bratapfelporridge hat mich mit seinen ungewöhnlichen, wärmenden Gewürzen absolut überzeugt, und auch das frühlingshafte Risotto mit Radieschen war überraschend lecker.



Allerdings gibt es auch einige Einschränkungen bei meiner Empfehlung: Manche Zutaten sind schwer zu bekommen, vor allem wenn man keinen gut sortierten Bio- oder Asialaden in der Nähe hat. Außerdem waren die Suppen, die ich bisher ausprobiert habe, für meinen Geschmack etwas zu fade, das hatte ich nicht erwartet.



Was mir jedoch insgesamt gefällt, ist die moderne Interpretation von Ayurveda – ohne dogmatische Regeln, sondern mit einer entspannten, genussvollen Herangehensweise. Den Ansatz, z.B. lieber warm zu frühstücken, werde ich auf jeden Fall weiter verfolgen. Wer Lust hat, sich an ayurvedischer Ernährung zu versuchen, aber nicht gleich seinen kompletten Lebensstil umstellen möchte, findet hier auf jeden Fall gute Inspirationen!

Bewertung vom 09.03.2025
Greta & Valdin
Reilly, Rebecca K

Greta & Valdin


ausgezeichnet

Greta & Valdin ist ein echter Wohlfühlroman – intelligent, witzig und voller skurriler, aber liebenswerter Charaktere. Tatsächlich geht es nicht nur um Greta und Valdin, sondern auch um ihre kosmopolitische, liebevoll-verrückte Patchwork-Familie, die zwar erst unübersichtlich war, mir dann aber ans Herz gewachsen ist.

Der Roman wird aus Sicht der titelgebenden Geschwister erzählt: Valdin hängt immer noch an seinem Ex-Freund Xabi, der nach Argentinien gezogen ist. Greta ist unglücklich in ihre Kollegin Holly verliebt, die nicht mal ihren Nachnamen Vladisavljević richtig aussprechen kann. Zu ihrer maori-russisch-katalanischen Familie haben die Geschwister sehr engen Kontakt. Beide stolpern durch ihr Leben, in dem Karrierefragen, Dating-Dramen und familiäre Exzentrik untrennbar miteinander verwoben sind.

Besonders mochte ich an der Erzählweise die unvermittelten, verblüffende Pointen zwischendurch - kann man nicht beschreiben, muss man lesen! Greta & Valdin ist aber nicht nur eine charmante Komödie – zwischen den Zeilen steckt auch eine tiefere Auseinandersetzung mit Themen wie Identität, Zugehörigkeit und Selbstwertgefühl. Es geht darum, was wir uns selbst wert sind, ob wir die Liebe verdienen, die wir uns wünschen, und wie Familie uns gleichzeitig herausfordert und auffängt. Kurz gesagt: ein kluger, witziger und warmherziger Roman!

Bewertung vom 09.03.2025
Die Fletchers von Long Island
Brodesser-Akner, Taffy

Die Fletchers von Long Island


ausgezeichnet

Die Fletchers von Long Island ist eine dieser Geschichten, die einen von der ersten Seite an packen – mit scharfem Humor, einer düsteren Grundstimmung und einer komplexen, über Jahrzehnte reichenden Familiengeschichte der jüdisch-amerikanischen Fletchers von Long Island.

Carl Fletchers Entführung 1980 ist das Ereignis, das seine Familie auf lange Sicht prägt . Vierzig Jahre später bricht all das rund um die Beerdigung von Carls Mutter wieder auf: Die Brüder Nathan und Beamer sind beide auf ihre Art abgestürzt und die Frage, was nach dem Tod der Familienmatriarchin geschieht, steht drohend im Raum.

Mich hat der Roman völlig in seinen Bann gezogen. Ich habe ihn atemlos gelesen, oft mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination – denn das Schicksal der Fletchers zu verfolgen, fühlt sich manchmal an wie das Beobachten eines Autounfalls in Zeitlupe: Man kann nicht nicht hinschauen, fühlt sich dabei aber voyeuristisch. Vor allem Beamers Absturz ist so unterhaltsam geschrieben, dass ich mich zwischendurch selbst hinterfragen musste: Darf ich das gerade wirklich so lustig finden? Der Humor ist bitterböse, aber genau deshalb so effektiv. Neben dem Humor hat mich auch die kluge Art beeindruckt, mit der der Roman über jüdische Identität und alltäglichen Antisemitismus schreibt. Besonders Nathans Begegnung mit seinem neuen Vorgesetzten, der ihm aus dem Nichts vorwirft, „mit dem Holocaust anzufangen“, hat mich wütend gemacht. Gleichzeitig gibt es Figuren wie Beamer, die auch dem mit bissigem Humor begegnen.

Im letzten Viertel verliert die Geschichte ein wenig an Tempo, aber das hat mich nicht so sehr gestört – es passt zur Art, wie sich die Konflikte in dieser Familie langsam, aber unausweichlich zuspitzen. Am Ende bleibt die Frage: Was haben die Traumata der Vergangenheit aus Familie Fletcher gemacht? Ein fesselnder, düster-witziger und brillant geschriebener Roman!

Bewertung vom 03.03.2025
No Hard Feelings
Novak, Genevieve

No Hard Feelings


gut

No Hard Feelings erzählt von Penny, die sich in einer Mischung aus Selbstzweifeln, On-Off-Beziehung und beruflicher Stagnation gefangen fühlt. Sie will ihr Leben in den Griff bekommen – doch statt konsequenter Veränderungen verliert sie sich zwischen Instagram-Scrollen, durchzechten Nächten und verzweifelten Versuchen, Max endlich für sich zu gewinnen.

Der Roman liest sich unglaublich leicht und flüssig. Penny ist eine nahbare, realistische Protagonistin, mit der sich viele Leser:innen sicherlich identifizieren können. Ihr innerer Monolog ist oft witzig und trifft den Nerv der modernen Quarter-Life-Crisis: der Druck, alles im Griff zu haben, während man sich eigentlich ständig überfordert fühlt. Das hat mir wirklich richtig gut gefallen.

Was mich jedoch nach und nach irgendwie gestört hat, ist der Umgang mit Alkohol im Roman. Penny trinkt durchgehend – nach der Arbeit, aus Frust, zur Entspannung, mit Freunden, allein. Es ist offensichtlich, dass sie ein ungesundes Trinkverhalten hat, das viele ihrer Freunde auch haben, doch der Roman hinterfragt das nie wirklich. Dadurch entsteht eine Normalisierung, die aus meiner Sicht problematisch ist. Auch das Ende des Romans konnte mich nicht überzeugen: Es wirkte zu glatt, zu klischeehaft, das wurde dem Prozess der Selbstfindung, den Penny durchgemacht hatte, aus meiner Sicht nicht gerecht.

Trotzdem ist No Hard Feelings ein unterhaltsamer Roman mit scharfem Blick auf die Ängste und Unsicherheiten junger Erwachsener – aber mit einem Nachgeschmack, der mich nicht ganz loslässt.