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Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 416 Bewertungen
Bewertung vom 09.11.2021
Sommersprossen - Nur zusammen ergeben wir Sinn
Ahern, Cecelia

Sommersprossen - Nur zusammen ergeben wir Sinn


weniger gut

In „Sommersprossen – Nur zusammen ergeben wir Sinn“ von Autorin Cecelia Ahern stellt eine unbedachte Bemerkung Allegras Leben auf den Kopf.

Allegra Bird ist nach Dublin gezogen und arbeitet als Hilfspolizistin. Der Besitzer eines gelben Ferraris bringt sie auf die Palme, weil er häufig ohne, oder mit abgelaufenem Ticket parkt. Als es zu einem Streit kommt, lässt er eine Weisheit vom Stapel, die Allegra aus ihrer geliebten Routine reißt.

Der Prolog stimmt auf ein emotionales Chaos ein. Wer hat Allegra dermaßen verletzt? Anfangs bleibt es ein Rätsel, warum die Hauptfigur alles zurückgelassen hat, und fern ihres geliebten Vaters lebt. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Allegra erzählt. Eine schwierige Vergangenheit samt Internatsaufenthalt haben sie geprägt. Die pflichtbewusste Politesse hat auch andere Facetten, die sie vor ihrem Umfeld möglichst geheim hält. Leider wollen diese gegensätzlichen Puzzlestücke nicht zu einem Charakter verschmelzen. Allegra wirkt nicht sehr sympathisch. Die Geschichte dümpelt über lange Strecken dahin und mag nicht mitreißen. Alltägliches wiederholt sich. Erst eine spontane Idee lässt ein bisschen Spannung aufkommen. Das Thema „Einsamkeit“ fließt auf unterschiedliche Weise in die Geschichte ein. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Viel Verständnis bringt Allegra nicht für ihre Mitmenschen auf. Selbst das Verhalten ihres Vaters empfindet sie als seltsam. Nicht immer ist das Verhalten der Hauptfigur nachvollziehbar. Einerseits ist sie streng, andererseits lässt sie sich zu viel gefallen. Wird Allegra ihr Glück finden? Sie wirkt verloren. Dadurch schwingt etwas Düsteres, Trauriges mit, bis vielleicht eine Veränderung ansteht. Der Plot zeigt einige Schwächen. Erst zum Schluss nimmt die Geschichte Fahrt auf. Viel zu spät! Humor und zusätzliche besondere Einfälle hätten mehr aus der eigentlich guten Basisidee mit den entscheidenden fünf Menschen, die einen prägen, herausholen können. Das warmherzige Ende ist gelungen.

Das farbenfrohe Konfetti-Cover und der Titel verströmen gute Laune. „„Sommersprossen – Nur zusammen ergeben wir Sinn“ bleibt hinter den Erwartungen zurück. Erst spät wird die Botschaft des Romans deutlich. Es fehlt über lange Strecken die Nähe zu Hauptfigur Allegra. Nebenfiguren wie Spanny und Pops sind eher greifbar und oft auch sympathischer. Zum Nachdenken regt die Idee mit den entscheidenden fünf Menschen an, und diese klingt auch nach.

Bewertung vom 29.10.2021
Nachtschattenwald. Auf den Spuren des Mondwandlers
Tordasi, Kathrin

Nachtschattenwald. Auf den Spuren des Mondwandlers


ausgezeichnet

„Nachtschattenwald. Auf den Spuren des Mondwandlers“ ist nach „Brombeerfuchs. Das Geheimnis von Weltende“ das zweite Kinderbuch von Autorin Kathrin Tordasi.

Sechs Jahre ist es her, dass Finns große Schwester Hannah verschwunden ist. Hat sich der Mondwandler Hannah geholt? Das Rätsel lässt Finn nicht mehr los. Ein Ereignis weckt Erinnerungen. Plötzlich ist nicht nur seine beste Freundin Samira in Gefahr.

„Sie hatte die Regeln gebrochen. Hannah wusste es, und sie wusste auch, was als nächstes passieren würde.“ Der Einstieg in die phantasiereiche Geschichte ist spannend und reißt sofort mit. Legenden und Gerüchte bestimmen das Leben in einer ursprünglichen, unbezwingbaren Wildnis. Ein Dasein im Einklang mit der Natur scheint dank einiger Regeln kein Problem zu sein. Tagsüber ähnelt Finns und Samiras Welt einer Idylle. Nachts ist die Zeit des Mondwandlers. Die drohende Gefahr wird gut in Szene gesetzt. Was steckt hinter der Legende des Mondwandlers? Nur eines der Geheimnisse und der rote Faden der Geschichte. Autorin Kathrin Tordasi beweist besonders bei Handlungsort, Plot, Spuren und Details viel Einfallsreichtum. Auch die unterschiedlichen Charaktere sorgen für Konflikte und Unterhaltungswert. Eine kleine, aber entscheidende Nebenfigur ist ihr besonders gut gelungen. Es macht Spaß mit Finn und Samira mitzufiebern. Was ist Wahrheit, was Lüge? Mit Abenteuer und Gefahren steigt die Spannung. Spekulationen werden angeheizt. Wem können die beiden Freunde vertrauen? Samira mit ihrem ausgeprägten Forschergeist macht Lust auf Entdeckungen und ist für so manche Überraschung gut. Wendungen sind gut inszeniert. Die Geschichte entwickelt sich schnell zum Pageturner. Aktuelle Themen wie die Zerstörung der Natur fließen auf ungewöhnliche Weise in das Abenteuer ein. Verrat, Freundschaft, Zusammenhalt, Hoffnung, zunehmend warmherzig und berührend geht es im letzten Buchdrittel zu. Der Schluss ist herzerwärmend. Eine wichtige Botschaft klingt nach.

Das Cover zieht alle Blicke aufs Buch. Titel und abenteuerliche Szene wecken die Neugierde. Eine tolle Illustration! „Nachtschattenwald. Auf den Spuren des Mondwandlers“ toppt die Erwartungen und ist nicht nur für Jungen und Mädchen ab 10 Jahren sondern auch Erwachsene ein packendes Abenteuer. Das Buch schürt die Liebe zur Natur und verleiht einem realen Wald neuen Zauber.

Bewertung vom 18.10.2021
Vertraute Welt
Sok-Yong, Hwang

Vertraute Welt


sehr gut

„Vertraute Welt“ von Autor Hwang Sok-yong nimmt unsere Wegwerfgesellschaft aufs Korn und legt den Finger tief in die Wunde unserer modernen Welt.

Die „Blumeninsel“ am Rande der südkoreanischen Metropole Seoul wird zu Glubschaugs neuem Zuhause. Auf der Mülldeponie herrschen eigene Regeln. Teil seiner Patchworkfamilie wird Glatzfleck. Die beiden freunden sich an und lüften ein Geheimnis.

„Seinen Namen verriet der Junge nie. Schon gar nicht seinen Familiennamen.“ Glubschaugs Geschichte ist voller ungewöhnlicher Spitznamen. Hinter jedem steckt eine passende Erklärung. Vom Berghangslum zur Mülldeponie, Glubschaug ahnt anfangs nicht, wohin es ihn und seine Mutter verschlägt. Die Arbeit auf der Mülldeponie ist alles andere als einfach und ungefährlich, und trotzdem schaffen es die beiden, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Die Themen, Außenseiter, Umweltzerstörung, Wegwerfgesellschaft werden in eine ungewöhnliche Geschichte verpackt, in der unterschwellig immer eine gewisse Hoffnung herrscht. Es geht um eine wachsende Freundschaft, Zusammenhalt und tägliche Herausforderungen. Auf der Suche nach Schätzen im Abfall herrscht eine strenge Hierarchie und Ordnung. Was Andere wegwerfen, kann für die Müllsammler zum Highlight des Tages werden. Glatzfleck erweist sich als pfiffiger als gedacht. Wie alle hat auch er seine Geheimnisse. Bald wird die Mülldeponie auch für Glubschaug zur vertrauten Welt. Zeitweise wirken die Alltagserlebnisse etwas langatmig erzählt. Das ändert sich mit einem schicksalhaften Ereignis. Wendungen und Auflösungen sind gut inszeniert. Von einem auf den anderen Moment wird alles auf den Kopf gestellt. Verzweiflung und kleines Glück liegen dicht beieinander. Zum Nachdenken regen Bemühungen an, die Natur wenigstens schrittweise wieder herzustellen. Ist alles verloren? Nicht, wenn ein Umdenken erfolgt. Das Schicksal mischt die Karten für Glubschaug und Glatzfleck immer wieder neu. Ein Happy End scheint aussichtslos.

Der Titel spielt auf das Leben auf der Mülldeponie an, kann aber auch als Provokation gelten. Wie gehen wir mit der Natur und den Lebewesen am Rande der Gesellschaft um? „Vertraute Welt“ ist eine aufrüttelnde Geschichte und hält uns den Spiegel vor. Wollen wir weiter so machen oder etwas ändern? Es ist die Geschichte zweier Kinder und am Ende die von uns allen.

Bewertung vom 06.10.2021
Althea Gibson - Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin
Schoenfeld, Bruce

Althea Gibson - Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin


ausgezeichnet

„Althea Gibson – Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin“ von Reporter, Reise- und Sportjournalist Bruce Schoenfeld dreht die Zeit zurück und gewährt ungewöhnlich umfangreiche Einblicke in die Tennisgeschichte.

„Althea Gibson war die erste Schwarze, die Wimbledon gewann. Doch der Weg dorthin war hart. Aufgrund ihrer Hautfarbe wird die US-Amerikanerin immer wieder diskriminiert und ausgegrenzt, auf dem Platz beschimpft und ausgebuht. Angela Buxton, Engländerin und Enkelin russischer Juden, kämpft aufgrund ihrer Herkunft mit ähnlichen Vorurteilen.“

Der Prolog berührt mit ungewöhnlichen Einblicken und einem Hilferuf. Die einst berühmteste Tennisspielerin Amerikas ist in einer Notlage. Wie konnte es so weit kommen? Autor Bruce Schoenfeld erzählt nicht nur die Geschichte von Althea Gibson, sondern gibt Einblicke in die Karrieren der damaligen Stars, ihrer Stärken und Schwächen. Jeder führt seinen eigenen Kampf, um an die Spitze zu kommen oder dort zu bleiben. Außenseiterinnen wie die Afroamerikanerin Althea Gibson und Jüdin Angela Huxton haben es besonders schwer. In Zeiten der Rassentrennung werden Althea Chancen und Möglichkeiten verbaut. Sie muss sich jeden Schritt hart erkämpfen und immer wieder ihr Talent beweisen. Selbstbewusstsein und Siegeswillen bleiben trotz aller Widerstände ungebrochen. Es ist spannend mitzuerleben, wie sich besonders die Frauen ihren Platz in der Tennisgeschichte erkämpfen. Welche unterschiedlichen Wege sie gehen und wie sie sich sportlich unterscheiden. Vorrangig erzählt das Buch von einer lebenslangen Freundschaft, die erst langsam und mit Umwegen zustande kam. Die Schwarz-Weiß-Fotos zu Beginn jeden Kapitels erzählen von Althea und Angela, aber auch von Konkurrenten, Trainern und Unterstützern. Sie vereinfachen das Eintauchen in eine andere Zeit zusätzlich. Altheas Weg von einer talentierten Athletin zum Tennisstar bewegt genauso wie Angelas Entwicklung und sportliche Steigerung mit Hilfe unkonventioneller, neuer Methoden. „Die Teilnahme farbiger Sportler an nationalen Turnieren ist im Tennis genauso unausweichlich wie im Baseball, im Football und im Boxen, man kann so viel Talent nicht ausschließen. … Ich kenne Miss Gibson nicht persönlich, doch für mich ist sie ein Mensch wie ich und sollte die gleichen Rechte eingeräumt bekommen.“ Zitat Ham Richardson. Es sind die Persönlichkeiten rund um die Tenniswelt, die dieses Buch ausmachen. Was ist aus Althea und Angela geworden? Die Antworten finden sich im letzten Buchdrittel und im Epilog.

Das Cover beeindruckt mit einer selbstbewussten Althea Gibson. Der Titel weckt die Neugierde. „Althea Gibson – Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin“ beeindruckt durch eine sehr umfangreiche Recherche, bietet viel Nähe zur damaligen Tennis-Elite und rückt vergessene Heldinnen neu ins Licht. „Dies ist ihre Geschichte: zwei Frauen, die nicht zuließen, dass Intoleranz, Rassismus und Engstirnigkeit über sie triumphieren. Und ein Denkmal für die einst berühmteste Tennisspielerin der Welt“.

Bewertung vom 26.09.2021
Ein Hauch Zukunft / The Upper World Bd.1
Fadugba, Femi

Ein Hauch Zukunft / The Upper World Bd.1


gut

„The Upper World – Ein Hauch Zukunft“ ist das Debüt von Autor Femi Fadugba. Femi Fadugba hat einen Master in Quantenphysik von der University of Oxford. Physik beherrscht auch den Roman.

Straßengangs treiben ihr Unwesen im Süden Londons. Teenager Esso Adenon gerät zwischen die Fronten. Lässt sich die drohende Gefahr abwenden, und gibt es einen Ausweg? Auch seine Freunde müssen um ihr Leben fürchten.

Das Jugendbuch ist in die vier Teile Entfernung, Zeit, Materie und Energie aufgeteilt. Die zwei Handlungsstränge Esso im Jetzt 2020 und Rhia in der Zukunft 2035 werden in der jeweiligen Ich-Perspektive erzählt. Rhia ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Eine Begegnung gibt Rätsel auf und schürt Hoffnungen. Essos Abwärtsstrudel lässt sich scheinbar nicht mehr stoppen. Verzweifelt sucht er nach einer Lösung. Das Thema „Zeitreisen“ fließt auf interessante Weise in die Geschichte ein. Hat jeder das Talent, die Obere Welt zu betreten? Was ist mit Essos Vater passiert, und was steckt hinter seinen Notizen? Auszüge gewähren Einblicke in das Leben und Denken von Blaise Adenon. Mit Essos Schwarm Nadia kommt die Liebe ins Spiel. Kann er sie erobern? Essos Umfeld, seine ungewöhnlichen Freunde bringen anfangs eine Prise Humor hinein. Mit Essos zunehmender Misere und schicksalhaften Wendungen ändern sich auch die Perspektiven auf einige Charaktere. Bald entsteht der verzweifelte Wunsch, Geschehnisse rückgängig zu machen. Die Erklärungen rund um Physik nehmen immer mehr Raum ein. Sie wirken teils langatmig. Es geht ums physikalische Verständnis und eine rettende Lösung. Geht Essos Plan auf? Alles steuert auf Eskalationen zu. Die Spannung steigt. Zum Schluss gelingt das Mitfiebern von alleine. Ein Dialog am Ende ist abgefahren. Der Epilog gibt Infos übers Danach und dient als guter Ausklang.

Das kreative, farbintensive Cover passt gut zur Geschichte und stimmt auf chaotische, ungewöhnliche Entwicklungen ein. „The Upper World – Ein Hauch Zukunft“ ist nicht so packend wie erwartet. Die Geschichte wird oft durch das Thema „Physik“ und Entschlüsselungen ausgebremst. Sind Zeitreisen möglich? Für Jugendliche ab 14 Jahren mit genannten Interessen ein sicherlich unterhaltsames Abenteuer.

Bewertung vom 18.09.2021
Stupid ways to die
Hahn, Marco

Stupid ways to die


gut

„Stupid ways to die – Mit drei einfachen Schritten länger leben“ von Autor Marco Hahn befasst sich mit gesunder Lebensweise und entscheidenden Tipps zur Veränderung.

„Wenn Du dieses Buch liest, interessierst Du Dich für Deine Gesundheit. Es gibt nichts Wertvolleres. Bist Du gesund, hast Du Kraft. Hast Du Kraft, bist Du stark. Bist Du stark, kannst Du anderen helfen. Hilfst Du anderen bist Du glücklich.“

Der Prolog mit persönlichen Ansprache hat Humor, aber auch Nachdenkliches parat. Das Thema „Ablenkung“ wird auf interessante Weise angesprochen. Was kostet uns Lebenszeit? Was lässt sich mit langfristiger Umstellung verbessern? Das Buch ist in drei Bereiche eingeteilt und beleuchtet unsere Fehler im Umgang mit Zucker, Aluminium und Wasser. Basierend auf wissenschaftlicher Forschung, Studien, Untersuchungen und Erkenntnissen treten unangenehme Wahrheiten zu tage und wird uns der Spiegel vorgehalten. Für Unterhaltung und Humor im Kampf gegen schlechte Gewohnheiten sorgen die Karikaturen von Ralph Handmann. Ironie inklusive. Zusammenhänge werden anschaulich erklärt. Manchmal wirkt die Wissensvermittlung etwas langatmig wie beim Schlussthema Wasser. Gelungen sind Perspektiven und Vielfalt. „Zucker – Killing me softly“ befasst sich unter anderem mit trojanischem Zucker und hat Vorschläge parat, wie man seine Ernährung ändern kann. Erschreckend sind die krankmachenden Auswirkungen von einer zu zuckerreichen Ernährung. Eine einfache Regel bringt die Wende. Lassen wir uns zu sehr von Werbung, Umfeld und Co manipulieren? Das Buch regt in allen drei Bereichen zum Nachdenken an. Auch unser Umgang mit Aluminium ist zu sorglos. Interessant, wo uns Problem Nr. 2 überall begegnet. Wer setzt sich schon mit den Folgen der Aluminiumgewinnung auseinander? Auch hier wird der Finger in die Wunde gelegt. Im Alltag lassen sich die Weichen für eine gesündere Zukunft stellen, die weltweite Auswirkungen haben kann, z.B. um endlich die Regenwaldzerstörung zu stoppen und für den entscheidenden Wandel zu sorgen. Viele Themen, eine Botschaft. Jeder Einzelne kann für sich und andere etwas bewirken. Zusammen werden daraus riesengroße Schritte.

Der Titel „Stupid ways to die – Mit drei einfachen Schritten länger leben“ provoziert, weckt die Neugierde und steigert die Erwartungen. Das Cover ist schlicht, aber treffend und hat Witz. Wer schadet sich schon wissentlich gerne selbst? Gerne hätte das Buch noch mehr Themen und Seiten haben können. Das Lektorat ist zu kurz gekommen. Beim Thema „Wasser“ nimmt das Fachliche zu viel Raum ein und der lockere Erzählstil wird etwas vernachlässigt. Insgesamt ein interessantes Buch mit gutem Denkanstößen und Aufrüttelpotenzial.

Bewertung vom 14.09.2021
Nachtschicht in Neukölln
Atakisieva, Lana

Nachtschicht in Neukölln


sehr gut

In „Nachtschicht in Neukölln - Eine Polizistin erzählt“ gewährt Polizeioberkommissarin Lana Atakisieva interessante Einblicke in ihre Arbeit als Streifenpolizistin in Berlin-Neukölln.

„Seit ich auf dem Abschnitt im Funkwageneinsatzdienst tätig bin, muss ich mich auf der Straße durchsetzen, und das hat mich verändert. Ich habe zu einem Selbstbewusstsein gefunden, das ich früher nicht hatte.“

Der Prolog katapultiert den Leser mitten ins Einsatzgeschehen. Feingefühl ist in einer speziellen Situation gefragt. Mit Widerstand und Eskalation ist zu rechnen. Das eingespielte, verlässliche Team bietet Schutz und Sicherheit. Lage einschätzen, und wie fällt die Entscheidung aus? Nur ein Fall von vielen, der zeigt was Polizisten leisten müssen. Sehr gelungen und abwechslungsreich ist der Wechsel zwischen Polizeiarbeit und Werdegang. Lana beweist einen unbändigen Willen, sich ihre Träume zu erfüllen. Sie hat mit Mobbing und Vorurteilen zu kämpfen. Die Ich-Perspektive lässt viel Nähe zur Hauptfigur zu. Unterschiedliche Kulturen und Lebensformen treffen aufeinander. Der Wunsch nach einem eigenständigen, freien Leben wird übermächtig. Das Band zur Familie reißt nicht ab, sondern erneuert sich über die Jahre. Wandel und Veränderung, bis Sprachtalent Lana an ihrem Wunschziel ankommt, muss sie einige Hürden bewältigen. Die kurzen Kapitel sorgen für einen guten Lesefluss. Sowohl in der persönlichen Geschichte als auch in der Polizeiarbeit werden einige interessante Themen angeschnitten. Das Polizeiteam um Lana wirkt sehr sympathisch. Mehr als einmal geht der Einsatz über die Vorschriften hinaus. Hilfsbereitschaft und Mitgefühl zeigen sich in kniffeligen und scheinbar belanglosen Fällen. Manchmal ist es so einfach, jemanden zum Lächeln zu bringen. Der Epilog hat zusätzliche Infos parat und bildet einen gelungenen Abschluss.

Das Cover zieht mit der sympathisch-taffen Polizeioberkommissarin die Blicke aufs Buch. Der Titel weckt zusätzlich die Neugierde. „Nachtschicht in Neukölln – Eine Polizistin erzählt“ spricht ein vielfältiges Publikum an und macht Mut, an sich selbst zu glauben und unbeirrt seinen Weg zu gehen. Wird es eine Fortsetzung geben? Lanas oft ungewöhnliche Begegnungen und Berlin-Neukölln bieten viel Potential.

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2021
Die verhängnisvolle Stille
Elliot, Kendra

Die verhängnisvolle Stille


sehr gut

„Die verhängnisvolle Stille“ ist nach „Die verschwundene Schwester“ Band 2 der Callahan & McLane-Thrillerreihe von Kendra Elliot. Ein Leichenfund gibt Rätsel auf.

Detective Mason Callahan und sein Partner Detective Ray Lusco kriegen es mit einem kniffeligen Mordfall zu tun. Die Hinweise vor Ort alarmieren. Ausgerechnet ein Name taucht auf, und alles spricht für einen perfiden Plan.

Der direkte, schockierende Einstieg zieht in die Geschichte. Das Ermittlerteam Mason und Ray ist sympathisch und clever. Wut und Hass, der Mordfall sprengt Grenzen. Wer ist der Täter, und hat er allein gehandelt? Eine überraschende Wende sorgt für Hochspannung. FBI-Spezialagentin Ava McLane plant die Hochzeit mit Mason. Ihre unberechenbare, kriminelle Zwillingsschwester Jayne ist plötzlich verschwunden. Was heckt sie aus? Die Idee zur Nebenfigur Jayne ist originell und bietet viel Potential für Kniffe und Wendungen. Lügen und Täuschung bestimmen ihr Leben. Ava ist oft Ziel von Jaynes fiesen Manövern, und sie kann schwer einschätzen, wann ihre Schwester die Wahrheit sagt. Über lange Strecken bleibt es in alle Richtungen undurchsichtig und rätselhaft. Der Plot ist raffiniert gestrickt. Spekulationen werden angeheizt. Die Puzzlestücke wollen nicht zusammenpassen. Welche Verbindungen gibt es? Falsche Fährten, Irrungen und Wirrungen sind gut inszeniert. Erinnerungen an brenzlige Situationen schüren die Neugierde auf Band 1. Ereignisse überschlagen sich. Gefahr und Spannung steigen. Das aktuelle Thema „Hetze gegen Polizisten“ wird packend umgesetzt. Die Erwartungen an den Showdown nehmen stetig zu. Auflösung und Ende sind nicht so fesselnd wie erhofft. Schade, hier wurde Potential verschenkt. Ebenfalls nicht so gelungen ist das Stilmittel „Erklärungen“ zum Schluss. Zu langatmig und zu gewollt. Mehr Seiten hätten dem Finale gut getan.

Das Cover hat Seriencharakter und stimmt auf eine spannende Geschichte ein. Gut gewählt sind Titel und Farbwahl. „Die verhängnisvolle Stille“ überzeugt mit Twists, Wendungen, Paukenschlägen und einem fesselnden Erzählstil. Nur auf den letzten Metern hapert es. Für Band 3 bleibt noch Luft nach oben. Trotz der Mankos ein empfehlenswerter Thriller mit Pageturner-Qualität.

Bewertung vom 05.09.2021
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


gut

Der Roman „Kolibri“ von Autor Sandro Veronesi wurde 2020 mit dem italienischen Literaturpreis Premio Strega ausgezeichnet. Erstmalig erhielt Sandro Veronesi den Premio Strega 2006 für „Stilles Chaos“.

Augenarzt Dr. Marco Carrera wird vom Psychoanalytiker seiner Frau mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontiert. Nicht die einzige abrupte Wende in seinem Leben. Bald kristallisiert sich ein Ziel heraus, für das es sich zu kämpfen und zu leben lohnt.

Der Roman umspannt mehrere Jahrzehnte bis zum Jahr 2030. Die alte und die neue Welt treffen aufeinander. Im Fokus stehen Schicksal, Freundschaft, Liebe, Bewegung und Stillstand. Entscheidet sich Marco für seine große Liebe, mit der er sich über viele Jahre Briefe schreibt und die er in regelmäßigen Abständen trifft? Die Dialoge zwischen Marco und dem Psychoanalytiker Dr. Carradori haben Wahrheiten parat und bringen Steine ins Rollen. Carradori wird zum Ansprechpartner in Not und Zweifel. Wer ist Dr. Marco Carrera? Was hat ihn geprägt und zu dem Menschen gemacht, der er ist? Rückblicke in die Vergangenheit erzählen von seiner Kindheit und beleuchten sein Umfeld. Unwahrscheinliche Ereignisse und Unglücksfälle sorgen für Veränderungen. Mit Dr. Carradori fließen die Themen „Umweltzerstörung und Umweltkatastrophen“ wie nebenbei ein. Im letzten Buchdrittel offenbart sich, was hinter Marcos Ziel steckt und welche wichtige Rolle der Mensch der Zukunft hat. Interessant sind die Sichtweisen auf Blick, Wahrheit und Freiheit. Es geht um die neue Generation auf Seiten der Wahrheit und ihre Aufgabe, die Welt zu retten und zu verändern, unterstützt von den Einsichtigen in jedem Alter. Das letzte Buchdrittel hat mit dem Einblick ins Spielerleben auch eine überraschende Erleuchtung parat, inklusive Spannungsaufbau. Verzicht ist das Schlüsselwort und die Erkenntnis, was wirklich wichtig ist im Leben. Die Erzählweise mit E-Mails, Briefen, Dialogen und Zeitsprüngen überzeugt nicht immer. Der kritische Blick auf die moderne Welt ist gelungen. Auch für die Liebe finden sich berührende Szenen und Worte. Rätselhaft und unterhaltsam ist Unglücksbringer Duccio. Die Zerbrechlichkeit des Lebens wird immer wieder auf eindringliche Weise deutlich.

Das Cover hat durch Titel und Vogel Anziehungskraft. Der Kolibri mit seiner besonderen Bedeutung wird vielfältig und auf ungewöhnliche Art in die Geschichte integriert. Mit dem Hinweis auf die Romanauszeichnung schnellen die Erwartungen hoch. „Der Kolibri“ erweist sich als eigensinnig, hat aber schöne Szenen und Nachdenkliches parat. Eine durchgehend intensive Atmosphäre mag sich nicht entfalten. Das letzte Buchdrittel hat am meisten Facetten und verleiht der Geschichte Tiefe.

Bewertung vom 23.08.2021
Florance Bell und die Melodie der Maschinen
Steenbergen, Carsten

Florance Bell und die Melodie der Maschinen


gut

„Florance Bell und die Melodie der Maschinen“ von Autor Carsten Steenbergen spielt 1820 in einem von Kaiser Napoleon besetzten England. Florance Bell gerät zwischen die Fronten.

Der französische Meistermechaniker Monsieur Pignon ist Florance Bells Ausbilder und Mentor. Florance war 10 Jahre alt, als er sie aus dem Waisenhaus geholt hat. Die Beiden sind ein eingespieltes Team und auf dem Landgut Birch Manor für Maschinen und Fuhrpark verantwortlich. Seltsame Ereignisse bringen ihre Welt ins Wanken.

Öffentliche Bekanntgebungen bereiten auf ein wichtiges Ereignis vor. Der direkte Einstieg mit einem plötzlichen Notfall ist gelungen. Florance Bell wirkt von Anfang an sympathisch. Monsieur Pignons Persönlichkeit wird vom französischen Akzent unterstrichen. Er fühlt sich wie ein Ersatzvater für Florance verantwortlich. Eine brenzlige Szene sorgt für Spannung. Im Mittelpunkt des Jugendbuchs steht die Liebe der Zwei zu den Maschinen. Florance hat ein besonderes Talent und Gespür. Dank Monsieur Pignons exzellenter Ausbildung kann sie sich als Mädchen in dem Beruf behaupten, stößt aber immer wieder auf Vorurteile. Auch die Kinder des Earls Edward und Victoria machen es Florance nicht einfacher. Der Erzählstil ist der Zeit angepasst. Die kurzen Kapitel ermöglichen einen guten Lesefluss. Leider werden Klischees bedient. Victoria nervt mit ihrer verwöhnten Art und behält sie trotz aller Herausforderungen bei. Zur sehr im Fokus stehen die Maschinen, Baupläne und Co. Die Liebe zur Technik prägt den Plot. Es fehlt den Charakteren an Tiefe. Obwohl es abenteuerlich zugeht, und auch mit lustigen Rebellen-Flüchen eine Prise Humor einfließt, mag die Geschichte nicht vollends überzeugen. Die Gegner sind zu leicht zu identifizieren. Im Laufe des Abenteuers erhöht sich die Spannung durch zwei parallele Handlungsstränge. Florance überzeugt mit Sturheit, Intelligenz und Kreativität. Wendungen lassen sich vorausahnen. Mehr Raffinesse und Überraschungen hätten der Geschichte gut getan.

Das auffällige, eindrucksvolle Cover lässt die Erwartungen hochschnellen. Hauptfigur, Titel und Details sind sehr gut in Szene gesetzt. „Florance Bell und die Melodie der Maschinen" ist für Jugendliche ab 12 Jahren gedacht und ein kurzweiliges Lesevergnügen. Ungewöhnliche Nebenfiguren mit Ecken und Kanten hätten für mehr Atmosphäre sorgen können. Das Abenteuer ist ein Mutmacher für jeden, der wie Florance seinen eigenen Weg gehen möchte.