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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1078 Bewertungen
Bewertung vom 02.07.2025
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und die Pratermorde / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.4


ausgezeichnet

Oliver Pötzsch entführt uns in das Jahr 1896, in dem die Ausstellung „Venedig in Wien“ viele Neugierige in den Wiener Prater zieht. Die staunenden Besucher können in wackeligen Gondeln durch künstliche Kanäle fahren. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Wiener Prater Anziehungspunkt ist für allerlei Gelichter und Streitereien unter den Schaustellern sind an der Tagesordnung. Um den nicht immer ganz legalen Geschäften ungestört nachgehen zu können und die Wiener Polizei vom Prater fern zu halten, hat sich eine Art Prater-Gerichtsbarkeit etabliert, die kleinere oder größere Raufhändel schlichtet und andere Vergehen zwischen den Schaustellern und Artisten ahndet.

Der Prater vermittelt einen trügerischen Glanz. Seit einigen Wochen sind mehrere Frauen abgängig. Man nimmt an, dass sie einem spendablen Gönner gefolgt sind. Dass dem nicht so ist, wird Anna, die Ziehtochter des Totengräbers Augustin Rothmeyer, bei einem Fußballspiel auf der Hohen Warte entdecken.

Doch zunächst schlägt der neue Zaubertrick der zersägten Jungfrau, der im Theater Ronacher gezeigt wird, fehl: Die Assistentin des Zauberers stirbt vor dem entsetzten Publikum unter dem sich auch Julia Wolf, die Reporterin befindet. Sie schleicht sich hinter die Bühne und beginnt die Anwesenden auszufragen. Damit kommt sie Kriminalinspektor Leo von Herzfeldt ins Gehege, der sich wenig später auch noch mit den vermissten Frauen beschäftigen muss.

Meine Meinung:

Wie wir es von Oliver Pötzsch und seinen historischen Romanen gewöhnt sind, erhalten wir auch hier einen penibel recherchierten und opulent erzählten Krimi aus dem Wien der Jahrhundertwende. Schmunzeln musste ich über die detaillierte Beschreibung der Rothschild‘schen Gärten auf der Hohen Warte und dem damaligen Fußballplatz des First Vienna Cricket and Footballclub. Der Fußballplatz, eine Naturarena, besteht heute noch, auch wenn man nun häufiger American Football als Fußball spielt. Ich habe ein paar Erinnerungen an meine Kindheit, als ich auf den Schultern meines Vaters sitzend, das eine oder andere Fußballspiel kommentiert habe.

Auch der Prater und seine damaligen Attraktionen, darunter die Ausstellung „Venedig in Wien“ oder der Auftritt der „Schlangenfrau“ mit ihrer Boa Constrictor, sind sehr gut beschrieben. Die erwähnte, noch im Planungsstadium befindliche Geisterbahn, gibt es mit ein paar Änderungen heute noch. Der Calafati wacht nach wie vor über das Geschehen, auch wenn die Fahrgeschäfte und Attraktionen nun ganz andere sind. Auf den Blumencorso muss man inzwischen mangels gekrönter Häupter allerdings verzichten.

Wer bei einem Wien-Besuch auf Julias und Leos Spuren wandeln will, dem sei das Prater-Museum und natürlich der Zentralfriedhof empfohlen.

Sehr interessant finde ich die entomologischen Studien, die Augustin Rothmeyer durchführt. Üblicherweise kennen wir sie nur von CSI-Folgen oder von True-Crime-Büchern, wenn über Bodyfarmen gesprochen wird. Dass man sich in Wien mit Neuerungen immer wieder schwer getan hat, zeigt auch die kritische Betrachtung, die Leo bei der Verwendung der der Daktyloskopie entgegengebracht wird. Offiziell wird sie erst 1902 in der ganzen Monarchie eingeführt. Ein nächster Meilenstein wird dann Rudolf Schneider (1873-1951) gelingen: Er erfindet 1909 die „Folie zur Abnahme und Fixierung von Fingerabdruckspuren“ (in einschlägigen Kreisen auch „Wiener Folie“ genannt), die die Abnahme und Archivierung der Fingerprints erleichtert.

Der erwähnte Skandal, bei dem die privaten Bestatter auch handgreiflich um Leichen gestritten haben, gab es tatsächlich. Daraus folgt, dass ab 1907 ausschließlich die Stadt Wien mit ihrer gemeindeeigene Firma „Gemeinde Wien - Städtische Leichenbestattung“ Bestattungen durchführen durfte. Inzwischen ist das Monopol aufgelassen.

Neben der fesselnden Krimihandlung, die uns tief in menschliche Abgründe blicken lässt, dürfen wir auch die private Geschichte von Julia und Leo weiterverfolgen. Schmunzeln muss ich auch, wenn Rothmeyers Ziehtochter Anna tief in der Pubertät steckt und der Totengräber ausgerechnet Leo um Rat fragt.

Der Schreibstil ist wie immer flüssig, der Sprachduktus der Zeit und dem Milieu angepasst. Für alle jene, die im Wiener Dialekt nicht ganz so bewandert sind, gibt es im Anhang ein Glossar.

Fazit:

Oliver Pötzsch hat mich mit diesem historischen Krimi sehr gut unterhalten. Ich gebe ja gerne zu, ein zwiespältiges Verhältnis zum Prater zu haben, da ich in der Nähe aufgewachsen bin und daher auch die weniger glitzernde Tagesansicht des nächtlichen Vergnügungspark kenne. Von mir erhält dieser 4. Band wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 27.06.2025
Berg, Mathias

Die Kriminalistinnen. Der stumme Zeuge


ausgezeichnet

Langsam gewöhnt man sich an jene Frauen, die bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf ihren Dienst tun. Aktuell ist Lucia als Teil ihrer Ausbildung in der Vermisstenstelle eingesetzt und erhält gleich einen dramatischen Fall zugeteilt: die vierjährige Anneliese ist, während ihre Oma weitere Fahrkarten für das Kinderkarussell kaufen wollte, spurlos verschwunden. Gemeinsam mit dem erfahrenen Kollegen Kuhn beginnt die fieberhafte Suche nach dem Kind, zählt hier dich jede Stunde. Parallel dazu überprüft Kuhn die bereits einschlägig bekannten Männer und hat bald einen Treffer.

Während man noch in Düsseldorf nach dem Täter sucht, Liese ist inzwischen gefunden worden, wird Lucia nach Köln, damals ein Hotspot krimineller Machenschaften, Dienst zugeteilt. Dort soll sie undercover geplante Verbrechen auskundschaften. Damit noch nicht genug, muss sie sich um ihren Bruder Henning sorgen, der nach einem Grubenunglück schwer verletzt in Essen im Krankenhaus liegt.

Die Dienstzuteilung nach Köln beschert ihr zudem ein Wiedersehen mit einer Urlaubsbekanntschaft, die weitreichende Folgen haben wird.

Wird es Lucia in Köln gelingen, geplante Verbrechen zu verhindern? Und was hat es mit Hennings Notizbuch auf sich? Könnte er mit dem Verschwinden der mutmaßlichen Mörders ihrer Mutter etwas zu tun haben, der ja der Grund ist, warum Lucia die Ausbildung zur Kriminalbeamtin macht?

Fragen über Fragen, deren Antworten in diesem Abschluss der Trilogie schlüssig beantwortet werden.

Meine Meinung:

Wie schon in den beiden Vorgänger-Bänden, müssen sich die Frauen in der Kripo Düsseldorf doppelt so anstrengen, um von ihren männlichen Kollegen ernst genommen zu werden. Trotzdem werden sie mit gönnerhaften Blicken und Sprüchen, wie dem folgenden bedacht: "Findet die Kleine! Und macht mir keine Schande!" (S-28) Würde man das einem männlichen Ermittler nachrufen? Sicher nicht! Denn das Verhalten, das Frauen zur Schande gereicht, wäre für Männern üblich.

Die Kameradschaft zwischen den auszubildenden Frauen bröckelt langsam aus unterschiedlichen Gründen. Sei es, dass die eine oder andere schwanger wird (ist in den Dienstvorschriften nicht vorgesehen) oder, dass sich die Lebensplanung anders entwickelt. Nur Lucia, Ruth und Mieze sowie Toni bleiben als harter Kern des Ausbildungsjahrgangs über.

Neben den dienstlichen Angelegenheiten hat Lucia auch noch mit ihren privaten Problemen zu kämpfen. Da sind zum einem die Nachwirkungen ihrer Verletzung, die ihr ein Verdächtiger zugefügt hat (siehe Band 2), der nach wie vor ungeklärte Mord an ihrer Mutter sowie ihr etwas unstetes Liebesleben.

Mathias Berg gelingt es wieder sehr gut, das Flair der 70-Jahre einzufangen. Neben Mode (weißer Feinripp, Schlaghosen und lange Hemdkragen) sowie Musik werden auch der gesellschaftliche Rahmen, in dem sich die Polizei damals bewegen und bewähren muss, den Lesern nahe gebracht. Nach wie vor sind die Ewiggestrigen im Polizeidienst, die wie Lucias Erzfeind Müller, am liebsten Jagd auf Homosexuelle wie Toni machen, obwohl der §175 ab 1969 bzw. 1973 nur mehr homosexuelle Handlungen mit Minderjährigen unter Strafe stellt.

Die Charaktere sind wie schon zuvor sehr gute dargestellt. Dazu gehören auch die zahlreichen Männerbekanntschaften von Lucia, bei denen sie nicht immer ein glückliches Händchen beweist. Auch der hohe Alkohol- und Nikotinkonsum ist für die 1970er-Jahre kennzeichnend. Die eine oder andere Ermittlungsmethode wirkt heute fragwürdig, war aber damals durchaus geduldet, wenn nicht sogar üblich.

Auch das heute gängige (und bisweilen nervige) Gendern ist noch nicht erfunden, weshalb Lucia gefragt wird, ob sie sich als HELD fühlt und Otto sie für „seinen besten Mann“ hält.

Als Österreicherin war mir bisher nicht bekannt, dass Köln in den 1970er-Jahren als Hauptstadt des Verbrechens angesehen worden ist. Warum und wieso? Da muss ich noch ein wenig nachlesen.

Fazit:

Mir hat der Abschluss dieser Trilogie, die mich in die Anfänge der Frauen bei der deutschen Kriminalpolizei eingeführt hat, sehr gut gefallen. Daher erhält dieser Krimi 5 Sterne und die Empfehlung, die ganze Reihe von Beginn an zu lesen. Auf eine Fortsetzung mit dem Titel „Die Kriminalistinnen - Zwanzig Jahre später“ würde ich mich sehr freuen.

Bewertung vom 25.06.2025
Wieser, Gudrun

Grüne Mark und Weißer Tod


ausgezeichnet

Gudrun Wieser nimmt ihre Leser in ihrem zweiten historischen Krimi rund um den jungen Ermittler Franz Stahlbaum und seinen Freund, den Arzt Dr. Titus Pyrner in das Graz von 1897 mit. Worum geht es diesmal?

Innerhalb kurzer Zeit werden zwei Männer ermordet, die so scheint es zunächst, so gar nichts miteinander zu haben, wenn da nicht jeweils eine kryptische Botschaft und blaue Glassplitter bei den Leichen zu finden wären ...

Dennoch kommen die Ermittlungen nicht voran, zum einen, weil Franz immer wieder unter dem ehrgeizigen Polizeiagenten Anton Meisl zu leiden hat, der ihm, dem Untersuchungsrichter, regelmäßig Steine vor die Füße wirft, und zum anderen weil die technischen Methoden damals noch nicht vorhanden waren. Franz stützt sich auf das von Prof. Dr. Hans Gross verfasste Handbuch für Untersuchungsrichter.

Als sich wenig später ein Hinweis auf eine Lungenheilstätte im Wienerwald und eine medizinische Geheimgesellschaft, in der auch Titus‘ allmächtiger Vater Mitglied ist, ergibt, wird auch dort ermittelt. Doch der Leiter der Anstalt verschanzt sich hinter der Geheimgesellschaft.

Da die Neugierde ein Hund ist, ruft diese Heimlichtuerei Resi, Franzens Verlobte, und Salome, die Freundin von Titus, die in der Schweiz Medizin studiert, auf den Plan. Sie nehmen in der Lungenheilstätte nicht nur eine Arbeit an, sondern beginnen auch zu ermitteln. Dabei decken sie ungewollt das Geheimnis von Anton Meisl auf und kommen dem Mörder gefährlich nahe.

Meine Meinung:

Grüne Mark und Weißer Tod ist eine sehr gut gelungene Fortsetzung der Geschichte von Franz Stahlbaum und Titus Pyrner, die gemeinsam das Gymnasium besucht haben und nicht wirklich die besten Freunde waren. Das hat sich inzwischen geändert, sind sich die beiden doch ähnlicher als man glaubt. Beide sind durch ihre Herkunftsfamilie geprägt. Der eine, Franz, als Kind einer Arbeiterfamilie, und Titus durch seinen übermächtigen Vater, der sehr wenig von seinem Sohn hält. Immer wieder stolpern sie über ihre zahlreiche Strategien, Fehler zu vermeiden.

Da haben es Resi und Salome schon fast ein wenig leichter. Da man Frauen grundsätzlich nichts zutraut und sie kaum beachtet, pfeifen sie auf Konventionen und unterstützen ihre Männer tatkräftig. Während Franz und Titus zu viel nachdenken, krempeln Resi und Salome ihre Ärmel auf. Dass sie sich dabei auch in Gefahr bringen, um von ihren Männern gerettet werden müssen, rückt das damalige Frauenbild wieder ein wenig zurecht.

Ich bin schon neugierig, wie es mit Franz und Titus sowie Anton weitergehen wird, denn Resi und Salome haben ja das delikate Geheimnis des Polizeiagenten aufgedeckt. Ob Meisl seine arrogante Art, Franzens Herkunft zu erwähnen, aufgeben wird?

Gudrun Wieser Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen. Die Methoden zur Aufklärung sind sehr gut recherchiert. Den einzelnen Kapiteln sind, wie schon im ersten Band dieser Reihe (Geheimnisse der Grünen Mark), Zitate aus dem 1893 von Professor Dr. Hans Gross (1847-1915) herausgegebenen Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik. vorangestellt. Professor Gross ist der erste Kriminologe und hat einen Lehrstuhl an der Uni Graz begründet. Ich finde es immer spannend, mit welchen einfachen Mitteln die Ermittler von damals auskommen mussten. Es wird noch bis 1900 dauern, bis die Anwendung der Daktyloskopie auch in der Donaumonarchie eingeführt wird. Ihren Durchbruch wird sie dann mit der Erfindung von Rudolf Schneider, der die sogenannte „Wiener Folie“ zum Patent angemeldet hat, erringen.

Der Titel passt sehr gut zur Handlung, denn die Steiermark wird ob der vielen Wälder auch heute noch Grüne Mark und die Lungenkrankheit Tuberkulose Weißer Tod oder Wiener Krankheit genannt. Obwohl der Erreger bereits 1883 von Robert Koch entdeckt worden ist, gilt sie als nicht heilbar. Zeitweise waren in den Wiener Spitälern, auf Grund der prekären Wohnsituation der (Wiener) Bevölkerung, mehr als 50% der Betten mit TBC-Patienten belegt. Die Luftkuren in Sanatorien z.B. in der Schweiz, die heilen sollten, können sich nur reiche Kranke leisten. Doch auch dort sterben mehr als 25% der Erkrankten. Sie werden, wie hier im Buch erwähnt „zum Abschied entlassen“ - gelten also als austherapiert. Erst die umfassende Vorsorge und Früherkennung (Lungenröntgen in Schulen und Fabriken, Tuberkulin-Test) sowie den Einsatz von Antibiotika dämmen die Krankheit ein. Die Abschaffung des Gesundheitswesen in der Stadt New York in den 1970er bringt die TBC zurück. Was aktuell in den USA mit dem Gesundheitswesen, in dem ein Impfgegner und Ignorant den Vorsitz hat, geschieht, lässt Böses ahnen.

Doch zurück zu diesem Buch - ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt. Manchmal musste ich über den Tatendrang von Resi und Salome schmunzeln Ich hoffe auf eine Fortsetzung dieser Reihe.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Krimi, der in der Donaumonarchie spielt 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Zudem rate ich, den ersten Band Geheimnisse der Grünen Mark zu lesen.

Bewertung vom 25.06.2025
Wurmdobler, Christopher

Felix Austria (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn ein junger Mann kurz nach den Olympischen Spielen in Berlin 1936 von Wien-Stadlau nach Amerika auswandern will, liegt es nicht nur daran, dass Stadlau alles andere als der Nabel der Welt ist, sondern daran, dass er entweder Jude, Kommunist oder schwul ist oder eine Kombination davon. Zunächst erfährt der geneigte Leser nichts über die Gründe, warum Felix auswandert. Die werden erst im Laufe der Geschichte offenbar. Felix Austria, wie man den 16-jährigen, der anfangs kaum ein Wort englisch spricht, nennt, will eigentlich nur der Enge von Stadlau entkommen.

Er schließt sich einem Zirkus an, der genossenschaftlich organisiert ist. Alles gehört allen, die Eintrittsgelder und Ausgaben werden gerecht aufgeteilt. Ein Modell, das höchst ungewöhnlich ist, fast kommunistisch anmutet. Die Welt in diesem Zirkus erscheint ihm voller Freiheit.Die Ensemblemitglieder sind ziemlich unterschiedlich. Felix teilt seinen Schlafplatz im Zirkuswagen mit Zazie, einem jungen Schwarzen. Als er sich in den Trapezkünstler Jack verliebt, ist klar, dass er Männer liebt. Gemeinsam arbeiten sie am Trapez bis eines Tages ein Unfall passiert und Felix sich die Schuld daran gibt. Hals über Kopf verlässt er den Zirkus und Amerika, zumal sich im Nachkriegsamerika die Zeiten ändern und Menschen, die andere Lebensformen als konservative Familien bevorzugen, als Kommunisten und Schwule vom Mob verfolgt werden. Der Traum von der Freiheit scheint ausgeträumt.

Doch auch seine ehemalige Heimatstadt Wien ist für Homosexuelle nach wie vor kein guter Platz. Gleichgeschlechtlich Liebende, egal ob Mann oder Frau, machen sich nach wie vor strafbar, weshalb einige von ihnen als Tarnung eine Scheinehe eingehen. Felix lernt Franzi kennen, der während der „schlimmen Zeit“, wie man die NS-Zeit beschönigend nennt, in einem KZ inhaftiert und gerade noch überlebt hat, kennen.

Wie die Geschichte weitergeht, müsst ihr schon selbst lesen ...

Meine Meinung:

Mit diesem Buch hat Christopher Wurmdobler einen berührenden Roman geschrieben, der lesenswert ist. Als Wienerin habe ich so eine Ahnung wo sich das Lokal von Tante Adele befunden hat und wer sich hinter dem Schauspieler Bobby Heimlich, der eine Scheinehe mit einer Kollegin führt, versteckt.

Wurmdobler spricht neben der Homosexualität ein anderes Kapitel der Wiener Geschichte an: Den Missbrauch an den Mädchen, die zwischen 1961 und 1973 im Schloss Wilhelminenberg untergebracht waren. Bei der juristischen Aufarbeitung ab 2011 wurde bekannt, dass die damals zuständigen Stadträtinnen, wie im Roman beschrieben, zahlreiche Briefe über die Missstände erhalten haben, aber keine Abhilfe schafften.

Das Buch ist gut zu lesen. Wer mehr über Homosexualität während der NS-Zeit lesen will, dem seien die Biografien „Franz“ sowie „Dorothea“ von Jürgen Pettinger empfohlen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das die fiktive Geschichte eines jungen Mannes, der seine Homosexualität im geschützten Raum eines Zirkus‘ findet, 5 Sterne.

Bewertung vom 25.06.2025
Mayer, Gina

Blumenglück hoch vier! / Die Stadtgärtnerin Bd.3


ausgezeichnet

Die Kinder von der Försterstraße 12 sollen zunächst ein paar berufspraktische Tage absolvieren: Toni in der Gärtnerei Bio Top der Familie Haddad, Cora-Lee in der Tierklinik, Eilif bei einem Steuerberater und Adam in einer Bäckerei. Doch nicht alles entwickelt sich wie geplant, denn Adam hat nur gflunkert, in der Bäckerei zu schnuppern und Eilif und Cora-Lee langweilen sich auf ihren Praktikumsplätzen.

Letztlich treffen die vier Freund in der Gärtnerei zusammen und müssen erleben, dass hier jemand alles daran setzt, die Gärtnerfamlie und ihren Betrieb zu vertreiben. So werden Blumentöpfe, die zum Eintopfen benötigt werden gestohlen und ähnliches mehr. Wer kann ein Interesse daran haben, die Gärtnerei in den Ruin zu treiben? Ist das wirklich die Rache des Vorbesitzers?

Mit List und Konzentration finden Toni, Adam, Cora-Lee und Eilif heraus, wer hinter den Vorfällen steckt. Dann stellen sie dem möglichen Täter eine Falle ...

Meine Meinung:

Dieser dritte Band von Gina Mayer rund um die vier Freunde hat mir sehr gut gefallen. Zum einen, weil er die Freundschaft zwischen den unterschiedlichen Kindern gut darstellt und zum anderen, weil er Wissenswertes über das Gärtnern bereit hält. Dazu kommen die entzückenden Illustrationen von Daniela Kohl.

Das Buch eignet sich gut zum Vorlesen, aber auch Leseanfänger werden daran ihre Freude haben. Die eigene Fantasie wird angeregt und die Botschaften kommen verständlich an. Vielleicht entdeckt auch der/die eine oder andere die Freude am Gärtnern. Die Samen von Kresse eignen sich perfekt für blutige Anfänger und ein Butterbrot mit selbst gezogener Kresse schmeckt herrlich!

Fazit:

Gerne gebe ich diesem dritten Band der Reihe, bei dem keine Langeweile aufkommt, 5 Sterne.

Bewertung vom 25.06.2025
Pierre, Marie

Der Weg der Frauen / Das Pensionat an der Mosel Bd.3


ausgezeichnet

In ihrem dritten und finalen Band der Trilogie rund um Pauline Martins Mädchenpensionat in Thionville/Diedenhofen wird es noch einmal richtig spannend und turbulent.

Man schreibt das Jahr 1912 und die Schülerin Sophie wird im nahegelegenen Metz bei einer Aktion für Frauenrechte verhaftet. Obwohl Pauline ihre Schülerinnen dazu anhält Zivilcourage zu zeigen, ist sie doch ein wenig entsetzt, da das Mädchen ihr Vertrauen missbraucht hat und durch diese Aktion das Pensionat in Misskredit bringt. Doch es wäre nicht Pauline, wenn sie dieser Aktion nicht auf den Grund ginge, zumal Sophie völlig verändert an die Schule zurückkehrt.

Daneben taucht unerwartet Roland, ihr Ex-Verlobter in Thionville auf und macht ihr, nunmehr Witwer mit kleinem Sohn recht auffällig den Hof. Das bleibt natürlich Hauptmann „Gnadenlos“, Erich von Pliesnitz, nicht verborgen, der sich, anstatt mit Pauline darüber zu sprechen, diskret zurückzieht. Die Sache mit den Frauen ist ja kompliziert!


Neben den Problemen in der Schule, in der es wegen diffamierender Briefe zu mehreren Abmeldungen kommt, hält dieser letzte Band für Pauline (und uns Leser) einige Überraschungen bereit. Sei es, dass ein neuer Lehrer (ja ein Mann) oder eine neue Schülerin oder eine neue Hausangestellte Unruhe in das Pensionat bringen.

Aber, das müsst ihr schon selbst lesen ...

Meine Meinung:

In diesem dritten Band erleben wir, wie sehr Paulines Bemühungen, ihre Schülerinnen zu mehr Selbstvertrauen zu verhelfen, gefruchtet haben. Dass es manchmal zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten kommen kann, zeigt Sophie, die mit ihrer Cousine Emma an einer Demo teilnimmt. Aber auch die anderen Mädchen zeigen Interesse an einer fortschrittlichen Denkweise. So empört sich beispielsweise Ernestine, die eine Karriere als Journalistin anstrebt:

„...“Wieso bitte soll denn eine Frau nicht am Steuer sitzen?“ Beinahe kämpferisch hatte Ernestine sich vor der Klassenkameradin aufgebaut und schaute sie böse an. „Glaubst du etwa, Männer könnten das so viel besser?“...“

Ja, die unkonventionelle Erziehung von Pauline, den Mädchen zu eigenständiger Meinung und selbständigem Denken hinterlassen ihre Spuren. Das muss auch der neue Lehrer erkennen, der zunächst gönnerhaft seine „humanitäre Hilfe für das Entwicklungsgebiet einer Mädchenschule“ anbietet.

Langweilig wird es in Thionville/Diedenhofen nie! Das liegt neben den fein herausgearbeiteten Charakteren und der Zeit, in der die Reihe spielt, auch an Marie Pierres genialen Schreibstil. Flüssig und mit französischen sowie elsässischen Einlässen wirkt dieser historische Roman lebendig und authentisch. Die Haltung der Bevölkerung, die die aktuelle Zugehörigkeit zum Deutschen Kaiserreich nicht besonders schätzt, wird durch Rolands Bemerkung gut in die Handlung eingeflochten, was wiederum Erich desavouiert:

"Diese Stadt hier, mit ihrem Dreck und Ruß, ihren ungewaschenen Arbeitern und dem ganzen deutschen Militär ist nicht der richtige Ort für Pauline."

Geschickt wechseln wir mehrmals die Perspektive, sodass wir auch Einblick in die Gefühlswelt von Erich oder anderen Protagonisten erhalten.

Wie schon in ihren anderen Büchern versorgt uns die Autorin mit zusätzlichen Informationen wie Stadtplan, einem Glossar und einem umfangreichem Nachwort.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem gelungenen Abschluss dieser Trilogie rund um das Mädchenpensionat in Thionville/Diedenhofen, der mich durch seine Turbulenzen und Protagonisten sowie ernsten Themen bestens unterhalten hat, 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 25.06.2025
Bannalec, Jean-Luc

Bretonische Versuchungen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der 14. Fall führt Commissaire Pierre Dupin in die Welt der Schokolade. Noch nie war er so froh über das Klingeln des Smartphones, das einen neuen Fall ankündigt, denn er absolviert eben ein Training gegen seine Angst vor dem Meer, die ein wenig widersinnig ist, liebt er doch das Schwimmen in selbigen. Aber, was weiß man schon.

Nun, der Fall ist klebrig, denn die Mitbesitzerin einer bekannten, exquisiten, von einem Geschwister-Trio geführten Schokoladenfabrik wird kopfüber in einem Bottich flüssiger Schokolade gefunden. Obwohl alle Befragten einstimmig bekunden, es würde keine Konflikte geben, ist Dupin mehr als misstrauisch. Liebe, Wonne, Waschtrog und dennoch ein Mord? Wenig später ist ein weiteres Drittel der Inhaber, der Bruder, tot und die Anteile an der Firma gehören nun der letzten Schwester. Wollte sie die Firma in ihren alleinigen Besitz bringen? Und warum stirbt nun als dritte noch jene innovative Mitarbeiterin, die in Konkurrenz zum aktuellen Maitre Chocolatier steht?

Meine Meinung:

Wieder gelingt es Jean-Luc Bannalec einen spannenden Krimi rund um Pierre Dupin und seine Kollegen zu spinnen. Obwohl, das muss ich schon bemerken, dass sich die einzelnen Personen nicht weiterentwickeln und das eine oder andere von passionierten Krimi-Lesern durchaus vorhergesehen werden. Dupin ist nach wie nach Kaffee süchtig, hat das eine oder ander Mal Zoff mit seinem Vorgesetzten, vor allem wegen der hohen Kosten, die die eigenmächtig angeforderten Hubschrauber verursachen, und will seinen altersschwachen Citroen XM nicht durch ein neues Modell ersetzen. Diesmal darf Nolwenn tatkräftig direkt an seiner Seite ermitteln.

Dupin und sein Team verfolgen verschiedene Spuren, rasen quer durch Frankreich, um im Baskenland Erkundigungen über die Familie der Toten einzuziehen. Dass der XM mit Motorschaden liegen bleibt, Dupin sich mit den Kollegen vom Rauschgiftdezernat anlegt und letztlich dem Verdächtigen dann trotz seiner Angst vor dem Meer auf selbiges folgt, macht den Krimi spannend. Allerdings halte ich es für grob fahrlässig, nahezu vierzig Stunden ohne ausreichend Schlaf durch Frankreich zu rasen. Nun ja, es ist eine fiktive Geschichte, in der der Arbeitnehmerschutz und die Straßenverkehrsordnung nur marginale Bedeutung haben.

Sehr gut gefallen haben mir die vielen Informationen über die Kakaobohne und die Herstellung von Schokolade. Dabei eine ich nicht, die herkömmliche Schokolade, die man in Supermarkt erhält, sondern die exquisite Handarbeit.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem 14. Fall, der Commissaire Dupin, schlaflose Nächte besorgt, 5 Sterne.

Bewertung vom 25.06.2025
Narberhaus, Sibylle

Sylterbe (eBook, ePUB)


sehr gut

Sibylle Narberhaus nimmt uns zum 9. Mal auf die Ferieninsel Sylt, auf der sich die Polizei im Normalfall nur mit verschwundenen Fahrrädern oder in den Dünen verloren gegangen Ehemännern beschäftigen muss, mit.

Diesmal verschwindet Leonie Mahnke, eine der beiden Stipendiatinnen, die von der Sylter Stiftung Kunst und Kultur ausgewählt worden sind, drei Monate auf der Insel zu verbringen. Die Wahl von Leonie ist nicht ganz unumstritten, denn sie ist eine Influencerin, mit der die üblichen kunstbeflissenen Sylter wenig anzufangen wissen. Man fördert im allgemeinen lieber Musikerinnen wie Alina Tottmann, eine begnadete Cellistin.

Just am Abend der künstlerischen Auftaktveranstaltung verschwindet Leonie spurlos. Die Kripo Westerland beginnt mit der Suche nach der Vermissten, die noch dazu die Tochter einer Bekannten von Kripochef Peter Reimers ist, der auf schnelle Ergebnis pocht, die Arbeit aber seinen Mitarbeitern überlässt. Als sich herausstellt, dass Leonie so ziemlich alles tut um Follower zu generieren, fragt sich so mancher aus dem Team, ob das Verschwinden nicht inszeniert worden ist.

Wenig später wird die Vorsitzende der Stiftung ermordet in den Dünen gefunden. Gibt es hier einen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Verschwinden von Leonie?

Die Vermisste bzw. den Mörder zu finden ist Aufgabe von Anna Ehemann Nick und seinem Team. Ob und wie das gelingt, müsst ihr selbst lesen.

Meine Meinung:

Der Krimi ist, wie alle anderen dieser Reihe rund um die Landschaftsgärtnerin Anna Scarren aufgebaut, die auf Grund ihrer Tätigkeit viel auf der Insel herumkommt und viele Leute kennt. Die Neuzugänge im Kripo-Team, Hubsy Westermann und Maurizio Ferrara, haben sich gut eingelebt, auch wenn Hubsy an eine Versetzung aufs Festland denkt, weil ihr der Vermieter die Wohnung gekündigt hat, und bezahlbarer Wohnraum auf Sylt kaum zu finden ist.
Sibylle Narberhaus stellt die Frage in den Raum, ob Influencer wirklich Künstler sind, also bleibende Werke schaffen wie Maler, Bildhauer oder Komponisten- Oder kreisen sie nicht vielmehr um sich selbst kreisen, um ihre mehr oder weniger wichtigen Anliegen, die zum Großteil aus Werbebotschaften bestehen, für die sie bezahlt werden, in die Öffentlichkeit zu bringen. Gleich vorweg, auf diese Frage muss jeder seine eigene Antwort finden.

Fazit:

Ein leichter Sommer-Krimi für Zwischendurch, dem ich 3,5 Sterne gebe., die ich auf 4 Sterne aufrunde.

Bewertung vom 25.06.2025
Schallauer, Claudia

Wandern und Freizeit in Oberösterreich


ausgezeichnet

Claudia Schallauer, Gesundheitstrainerin, Wanderführerin und Redaktionsmitglied bei den Oberösterreichischen Nachrichten, stellt in diesem Buch 96 Wandertouren in 12 Ausflugsregionen vor. Diese Regionen sind:

Bad Ischl
St. Wolfgang
Unterach
Gmunden
Ebensee
Grünau im Almtal
Hinterstoder
Windischgarsten
Schärding
Freistadt
Grein
Wels

Dabei geht die Autorin immer mit demselben Konzept vor. Zunächst erhalten wir Auskunft über die Region, sportliches und kulturelles Freizeitangebot, Kulinarik, Übernachtungsmöglichkeiten sowie sehr persönliche, saisonale Tipps bevor es zur Beschreibung der Wanderungen geht. Keine Angst, es gibt Wanderungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, so dass jede oder jeder das Passende findet - sei es Kinderwagentauglich oder anspruchsvoll. Auch drei Regionen überschreitende Weitwanderwege sind dabei.

Zudem weist Claudia Schallauer auf regionale Ermäßigungen und Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Probleme mit Parkraum, der zudem meistens kostenpflichtig ist, hin, was vor allem in touristischen Hotspots wie Bad Ischl zum Tragen kommt.

Zu den einzelnen Touren selbst gibt sie ausführliche Informationen über Gehzeit, zu überwindende Höhenunterschiede und Distanzen. Ergänzt werden diese Auskünfte mit einem passenden Kartenausschnitt sowie QR-Codes und GPS-Koordinaten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem anregenden Wanderführer, der Lust auf Kurzurlaub oder eine ausgedehnte Ferienzeit macht, 5 Sterne.

Bewertung vom 25.06.2025
Hardegger, Urs

Ein unvorhersehbares Ereignis (eBook, ePUB)


gut

Diesem Roman liegt die Katastrophe vom 30. August 1965 als sich in den Walliser Alpen vom Allalin-Gletscher zwei Millionen Kubikmeter Eis und Geröll lösten und die Baracken der Arbeiter am Mattmark-Stausee arbeiteten, verschüttete, zu Grunde. 88 Menschen, zwei Frauen und 86 Männer, vorwiegend aus Italien, fanden unter dem Geröllmassen, die sie bis zu 50 Meter tief verschütteten, den Tod.

Wie bei solchen Ereignissen wird nach der Ursache gesucht. Dabei spielen natürlich auch die Haftung sowie die Ansprüche der Hinterbliebenen eine große Rolle. Geologen, Techniker, echte und selbst ernannte Experten geben beim nachfolgenden Gerichtsprozess ihre Meinungen ab. Nicht gehört werden die Einheimischen, die den Allin-Gletscher kennen und schon vor und bei Baubeginn davor gewarnt hatten, die Barackensiedlung nicht unmittelbar in der Falllinie der Gletscherzunge, sondern an anderer Stelle, zu errichten, denn der Berg sei seit langem in Bewegung. Diese Warnungen sind als Verhinderungstaktik, Schwarzmalerei und Aberglauben beiseite gewischt worden. Zudem war der ausgewählte Ort, die billigste Variante für die Baufirma.

»Es war unvorhersehbar. Die Natur hat uns übel mitgespielt. Es gab nicht die geringsten Andeutungen. Kein Mensch konnte so etwas erwarten.«

Das Gericht spricht 1972 die achtzehn Angeklagten frei. Ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen. Sie müssen die Hälfte der entstandenen Prozess- und Gutachterkosten bezahlen. Dem Vernehmen nach seien die Schadenersatz- und Rentenansprüche aber abgegolten worden.

Soweit die Tatsachen, die wie Autor Urs Hardegger im Nachwort schreibt, den Gerichtsakten, damaligen Zeitungsberichten sowie Interviews mit ehemaligen Betroffenen entnommen sind.

Meine Meinung:

Um diese Katastrophe herum hat Urs Hardegger einen historischen Roman gewoben, der in mehreren Zeitebenen spielt. Zum einem im Jahr des Unglücks, der Prozesse sowie im späteren Leben des fiktiven Bauingenieurs Hans-Rudolf Hilfinger, der dabei war. Er wird vom schlechten Gewissen geplagt, die Katastrophe nicht verhindert zu haben, und bekommt sein Leben nicht auf die Reihe. 18 Jahre nach dem verhängnisvollen Gletscherabbruch wird ein Manuskript über die damaligen Arbeitsbedingungen und die Katastrophe verfassen. Zu einer Veröffentlichung kommt es auf Grund unglücklicher Umstände nicht. Erst Jahre später, als der Verlagsmitarbeiter Florian Steiger gekündigt wird und seinen Arbeitsplatz räumen muss, findet sich das Manuskript wieder. Nun beginnt Steiger zu recherchieren und trifft auf Ursula, die Hilfinger seinerzeit gedrängt hat, seine Erlebnisse niederzuschreiben und hier im Roman Seraina heißt.

Dieser historische Roman, den ich während einer Tagung in Basel, noch ganz im Bann der Berichterstattung um die Verschüttung des Dorfes Blatten, gelesen habe, zeigt, dass die Gefahr, die von Bergen und Gletschern ausgeht, nicht unterschätzt werden darf. Hier in Blatten und auch in Brienz, konnten die Menschen auf Grund der Beobachtungen von Fachleuten wie Geologen, rechtzeitig evakuiert werden, auch wenn das manchem im Vorhinein nicht so recht gepasst hat. Der Glaube in den Aufbruchsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg, die Natur mit Technik zu beherrschen, ist trügerisch, zumal man auf Grund von finanziellen Aspekten nicht immer alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat und trifft. Das ist auch eines der Themen in Urs Hardeggers Roman.

Die Idee, diesen Roman als Bericht an Mario, Hilfingers Freund, der unter den Toten ist, zu schreiben, finde ich interessant. Allerdings ist er nicht ganz einfach zu lesen. Zum einem ist die winzige Schriftgröße nicht wirklich augenfreundlich und zum anderen fehlen zur besseren zeitlichen und örtlichen Orientierung Datums- und Ortsangaben. Zudem wäre es meiner Ansicht nach gut gewesen, diese Zwiesprache mit Mario auch als solche zu kennzeichnen, sei es durch eine andere Schriftart oder kursive Buchstaben. So weiß man als Leser des ebooks nicht, wo man sich gerade befindet.

Der Schreibstil ist an manchen Stellen viel zu detailliert, verliert sich in Nebenhandlungen wie das Liebesleben von Steiger, das mit der Katastrophe am Allalin-Gletscher nichts zu tun hat und die eigentliche Handlung nicht wirklich weiterbringt. So braucht es knapp 150 von 192 Seiten (ebook), bis wir zum Kern, nämlich der Katastrophe kommen. Die wird - meiner Ansicht nach, dann viel zu kurz abgehandelt, ebenso wie die Gerichtsverhandlung.

Fazit:

Diesmal fällt mir die Bewertung recht schwer. Die aufgeworfenen Themen sind, für mich als Vermesserin interessant, doch mit der Umsetzung hadere ich ein bisschen. Nach Abwägung und teilweise Nachlesen von Passagen, gebe ich hier 3 Sterne.