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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2143 Bewertungen
Bewertung vom 19.08.2025
Gahlow, Lara M.

Vorwiegend festkochend


sehr gut

Minna und Moni

Vorwiegend festkochend ist eine Erzählung der Hamburger Autorin Lara M.Gahlow. Aufepeppt ist das Ganze mit ein paar Fotos und Rezepten, die ich persönlich nicht gebraucht hätte. Aber die Erzählung ist wirklich lesenswert.
Die 92jährige Minna und ihre neue Pflegerin Moni.
Zwei Frauen, die sehr unterschiedlich sind und die sich doch verstehen.
Das schafft die Autorin auf wenig Raum zu zeigen. Und doch muss man als Leser die Geschichte leider schon allzubald verlassen.

Bewertung vom 19.08.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


ausgezeichnet

Die neuen Frauen von Stepford

Von der Journalistin und Autorin Hannah Lühmann kommt mit Heimat ihr zweiter Roman, der die Frauen in den Mittelpunkt stellt und eine gesellschaftliche Situation zeigt. Der erste Roman war schon nicht schlecht, aber Heimat ist literarisch eine Steigerung.

Jana zieht mit ihrem Freund Noah und ihren zwei Kindern aufs Land, Sie ist wieder schwanger. Sie trifft hier auf Karolin und ihren Freundeskreis.
Ein konservatives Frauenbild, wie es die rechten propagieren, dominiert im Dorf und ist den Freundinnen ein Ideal.

Jana verspürt eine gewisse Faszination und lässt sich immer mehr vereinnahmen.
Damit verbunden ist auch eine Abkehr vom bisherigen und die Beziehung zwischen Jana und Noah wird schwieriger.

Die Autorin zeigt diesen Prozess des Wandel langsam und präzise. Dadurch wird es umso eindrücklicher. Außerdem entwickelt eine starke, beunruhigende Atmosphäre.

Bewertung vom 19.08.2025
Dinic, Marko

Buch der Gesichter


sehr gut

Balkanreigen

Von Marko Dinic hatte mich sein Roman Die guten Tage beeindruckt.
Buch der Gesichter ist komplex und als Leser muss man erst einmal in den Text reinkommen. Betrachtet wird eine Zeit Anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Figuren wechseln mit den Kapiteln. Es wirkt wie ein Reigen.
Viele Schilderungen sind hat, bis an die Grenze des Erträglichen. Das Buch kann daher nur Lesern empfohlen, die thematisch wirklich interessiert sind.

Bewertung vom 19.08.2025
Keßler, Verena

Gym


ausgezeichnet

wann ist zuviel zuviel?

Verena Keßlers neuer Roman ist faszinierend, denn sie lässt den Leser dicht an die Gedanken und Emotionen der Hauptfigur ran und zeigt deren Entwicklung.
Die Protagonistin bewirbt sich in einem Fitnessstudio und wird aufgrund einer kleinen Lüge tatsächlich genommen. Sie hat behauptet, sie wäre eine junge Mutter und diese Lüge muss sie dann dauerhaft aufrechterhalten.
Dennoch macht sie sich gut im Job. Ihr sozial eingestellter Chef Ferhat fördert sie und empfiehlt ihr ein Aufbautraining.
Sie interessiert sich dann auch wirklich fürs Trainieren. Immer mehr steigert sie sich rein und hat Erfolge. Doch irgendwann droht sie die Kontrolle zu verlieren. Es stellt sich die Frage, wann ist zuviel zuviel?
Man erkennt, wie schnell eine positive Entwicklung auch kippen kann.
Das Buch vermag zu fesseln und ich las es nahezu ohne große Unterbrechungen an einem Tag durch.

Bewertung vom 16.08.2025
Filteau-Chiba, Gabrielle

Die Ungezähmten


sehr gut

Die Ungezähmten ist sowohl ein spannender Roman als auch sprachlich ansprechend. Die Erzählstimme ist dominierend. Als Leser ist man durchgängig bei den Gedanken der Wildhüterin Raphaëlle, die alleine mit ihrer Hündin in den Wäldern lebt und gegen die Wilderer vorgehen will.
Und einer der Wilderer hat es auf sie abgesehen. Doch Raphaëlle schlägt zurück. Dann ist auch noch eine Lovestory von Raphaelle mit Anouk in die Geschichte integriert.
Der wildromantische Schauplatz Kamouraska, Quebec in Kanada sorgt für viel Atmosphäre. Gabrielle Filteau-Chiba schreibt eindringlich. Als Leser hat man das Gefühl anwesend zu sein.
Wer gerne über Outdoor und wilde Tiere liest, wird in diesem Buch im hohen Maße fündig.

Bewertung vom 14.08.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


ausgezeichnet

Leben mit Krankheiten und Katze
Junge Frau mit Katze liest sich wie eine Fortsetzung von Daniela Dröschers wunderbaren, autofiktionalen Roman Lügen über meine Mutter.
Es ist wieder ein gut lesbares Buch, der aus der Sicht der Erzählerin geschildert wird. Sie ist inzwischen Mitte Zwanzig und bereitet sich auf ihre Doktorarbeit vor. Das ist stressig für sie.
Ela lebt mit ihrem sensiblen Kater Sir Winston und hat mit Leo und deren Kind eine gute Freundschaft.
Ihr Leben wird aber beherrscht von Krankheiten verschiedenster Art, wobei man als Leser nicht genau weiß, ob sie teilweise nicht eingebildet sind.
Es scheint, als wenn die Krankheiten psychologisch mit den Problemen der Familienprobleme der Kindheit bedingt sind.

Das ernste Thema wird aber mit Wortwitz abgemildert.
Auch Elas Mutter hat wieder eine Rolle, wenn auch kleiner als im anderen Buch.
Dröschers Art zu schreiben, ermöglicht Anteilnahme am Leben ihrer Figuren.

Bewertung vom 14.08.2025
Gary, Romain

Europäische Erziehung


sehr gut

Europäische Erziehung ist der erste Roman von Romain Gary, noch im Krieg geschrieben. Die Handlung ist 1942 angelegt. Der 14jährige Januk wird von seinem Vater im Wald versteckt während in Stalingrad die Schlacht tobt. Nach dem Tod des Vaters flüchtet Januk zu den Partisanen und wird dort eine Rolle einnehmen. Er wird schnell vom Kind zum Mann.
Man merkt dem Buch an, wann er entstanden ist, da ein Roman, der z.B. von einem heutigen Autor in diese zeit gelegt ist, niemals so authentisch sein kann.
Romain Gary zeigt die ganze Härte dieser Zeit.
Gleichzeitig hat das Buch doch auch eine Frische, die vermutlich auch von der neuen Übersetzung gespeist wird.

Bewertung vom 14.08.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


sehr gut

Unterhaltungsroman mit Krimielementen

Der Großvater der Lehrerin Kaede ist an Demenz erkrankt, dennoch ist er noch ein scharfsinniger Mann. Ihr Verhältnis zueinander ist liebevoll und eng. Sie teilen auch die Liebe zu Büchern, zum Beispiel den klassischen Kriminalromanen, wie z.B. Cornell Woolrich, Conan Doyle oder Dickson Carr. Das wird wichtig für da Buch, denn Kaede und ihr Großvater sprechen intensiv über rätselhafte Kriminalfälle. Die Dialoge zwischen den beiden sind brillant und machen einen Großteil des Buches aus. Manchmal gibt es aber auch fast poetische Beschreibungen.
Für japanische Romane ist es typisch, dass die Erzählerin zurückhaltend und nachdenklich ist. Das trifft auf Kaede sehr zu.
Der Krimianteil könnte das Buch für Cozy-Fans interessant machen, aber es ist auch ein Roman mit gefühlvollen Momenten. So ist es in erster Linie ein guter Unterhaltungsroman.

Bewertung vom 12.08.2025
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


sehr gut

Familienchronik der anderen Art

Leon Engler, bekannt durch seinen Auftritt beim Bachmannpreis, wo er den 3Sat-Preis gewonnen hatte, lässt den Icherzählers des Romans einen Blick auf die Familiengeschichte werfen. Die ist durchzogen von psychische Erkrankungen verschiedenster Art. Kein Wunder, dass der Protagonist sich fürchtet, ob es auch ihn selbst treffen wird. Ironischerweise wird er dann selbst als Psychologen in einer Psychiatrie anfangen zu arbeiten.
Es wird rückerinnernd erzählt. Er zeigt auch einen Teil seines Lebens, z.B. die Beziehung zu Ellen, die er liebt.
Leon Engler geht ziemlich weit bei der Familienchronik. Es ist wirklich eine tragische Botanik des Wahnsinns, von Bipolar bis Schizophrenie.
Die Emotionen des Protagonisten werden nachvollziehbar. Er agiert eher ruhig und verhalten, manchmal mit Selbstmitleid. Daraus entwickelt sich der Erzählton, bei dem ich nur zum Teil mitgehen. Insgesamt ist es ein sorgfältig gemachter Roman.

Bewertung vom 12.08.2025
Handke, Barbara

Bernadette ändert ihr Leben


sehr gut

Bernadette ist geschieden, aber ein mütterlicher Typ. Als dann ihre 14jährige Tochter zu ihren Exmann zieht, gerät sie in eine Krise. Wohin jetzt mit ihrer Fürsorglichkeit? Da ist sie froh, dass es ihr unerwartet beruflich möglich wird, für 4 Wochen nach Madrid zu reisen.
Hier trifft sie auf den Fotografen Tom, der aktuell auch familiäre Probleme und eine Trennung hat. Die Autorin gewährt Tom auch Passagen für sich selbst, während sonst überwiegend Bernadette im Mittelpunkt steht.

Barbara Handke schafft es, dem Leser Zugang zu Gedanken und Emotionen ihrer Figuren, besonders Bernadette, zu ermöglichen.
Bernadette kann in den Wochen in Madrid nachdenken und über ihre Entscheidungen für den Lebensweg reflektieren.
Ich halte den Roman besonders auch auf der Sprachebene für sehr gelungen.
Es ist ein sympathischer Roman, der elementare alltägliche Probleme ernst nimmt.