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Estherliest

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

In dem Buch geht es um Silvia, die 1989 Hals über Kopf mit ihrer dreimonatigen Tochter Hannah von Westberlin zu ihrer Mutter Evelyn nach Ildingen bei Stuttgart fährt. Ihre Mutter hat sie zu diesem Zeitpunkt sehr lange nicht gesehen und das Verhältnis der beiden zueinander ist kühl und distanziert. Mit den Wochen der Zweisamkeit kommen sich die beiden aber langsam näher.
Auf zwei Zeitebenen wird abwechselnd die Geschichte 1989 erzählt und gleichzeitig die Vergangenheit, Evelyns Hochzeit mit Silvias Vater Karl, ihre Ausbildung zur Ärztin, Silvias Geburt und Kindheit. Nach und nach erfährt die Leserin auch, wie es zum Verhältnis der beiden Frauen kam und es werden weitere Familiengeheimnisse aufgedeckt.
Insgesamt habe ich das Buch zügig und sehr gerne gelesen. Der Stil ist gefällig, die Sprache leicht und sehr angenehm anspruchsvoll zu lesen. Auch wenn ich den Aufbau mit den beiden gegenübergestellten Zeitebenen nicht als neu und eher etwas standardmäßig empfand, war ich doch neugierig auf die Erzählstränge, die sich nach und nach aufklärten. Die Dialoge unter den Figuren wie auch die Figuren selbst waren authentisch und nie gestelzt. Besonders liebevoll waren Randfiguren gezeichnet, die oft nicht so sehr ins Bild der Zeit passten, wie die alleinstehende Tante Betti mit ihrem roten Flitzer, dem homosexuellen Schraubernachbar Roland oder der nach vorne hin perfekten, aber im Inneren sehr verletzlichen Freundin Monika. Alle diese Personen schließt man irgendwie ins Herz. Insgesamt glaube ich sowieso, dass dies ein echtes Herzbuch ist, ich fand es sehr ermutigend zu lesen, stellenweise lustig und insgesamt eine sehr schöne Lektüre.

Bewertung vom 02.09.2023
KRYO - Die Verheißung
Ivanov, Petra

KRYO - Die Verheißung


ausgezeichnet

Das Buch erzählt die Geschichte einer Frau namens Julia, die sich auf die Suche nach ihrem verschwundenen Sohn Michael begibt, der als ehemaliger Chirurg und nun Journalist möglicherweise in das Mahlwerk großer Konzerne geraten ist, die mit dem ewigen Leben handeln. Dabei muss sich Julia auch Fragen an ihr eigenes Leben stellen.
Insgesamt fand ich das Buch sehr gut konstruiert. Die Autorin, die auch als Gerichtsreporterin arbeitet, hat die Themen rund um Transhumanismus toll recherchiert. Auch die Handlung finde ich spannend. Wie Konzerne und Politik verstrickt sind und mit individuellem Leben gespielt wird liefert ein wirklich düsteres Bild auf die nahende Zukunft. Auch die ethische Seite findet Anklang. Hin und wieder wird es aber doch ein bisschen kompliziert und man sollte das Personenregister zur Hand haben.
Das Buch ist Teil drei einer neuen Reihe, von der ich mir weiterhin viel Spannung verspreche.

Bewertung vom 02.09.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


sehr gut

Das Buch "Das Pferd im Brunnen" erzählt die Geschichte von vier verwandten Frauen unterschiedlicher Generationen im 20. Jahrhundert der Sowjetunion. Grundsätzlich hat mich diese Thematik (und nebenbei das wunderschöne Cover) sehr angesprochen. Hauptfigur ist Walja, aus deren Sicht die Handlung geschildert wird. Als Leserin erfährt man nicht nur viel über die eindringlichen und toll beschriebenen Figuren, auch das harte Leben in der Sowjetunion und in den 90er Jahren in Russland wird toll beschrieben. Hier klingen viele Themen an wie die politische Situation, Kriegserfahrungen, Hunger, Armut und familiäre Krisen. Das Buch spannt für meinen Geschmack einen weiten Bogen und benennt Dinge dabei klar, trotzdem verpackt die Autorin ihre Motive in eine schöne und bildhafte Sprache.
Leider aber konnte ich nicht immer ganz folgen. Die Zeitebenen springen häufig und unvorhersehbar, dem Text zu folgen ist nicht immer leicht und stellenweise verwirrend. Dennoch für die Kürze des Buches sehr gehaltvoll.

Bewertung vom 01.09.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


gut

Das Cover und auch der Klappentext haben mich zunächst total angesprochen. Beides wirkte auf mich modern und "woke", irgendwie unkonventionell und trotzdem literarisch und wertvoll.
Über weite Strecken habe ich das Buch auch ganz gerne gelesen. Es handelt von einer jungen Frau und ihrem holprigen Weg als Drehbuchautorin, sie führt ein großstädtisches modernes Leben, genießt Partys und arbeitet remote, erlebt aber auch private Probleme und hadert mit ihrer kreativen Arbeit. Über diese Art von Arbeit zu erfahren und auch den Blick in die Medienlandschaft fand ich als Leserin spannend. Dennoch hat mich die Protagnoistin stellenweise genervt und war mir nicht wirklich sympathisch. Auch die Zeitsprünge habe ich nicht nachvollziehen können, sodass ich doch einige Male verwirrt war und zurück blättern musste.
Dennoch war das Buch insgesamt nett zu lesen, mit düsterem Humor, aber all in all unter meinen Erwartungen.

Bewertung vom 01.09.2023
Der Frühling ist in den Bäumen
Revedin, Jana

Der Frühling ist in den Bäumen


sehr gut

Der Roman "Der Frühling ist in den Bäumen" von Jana Revedin habdelt von der Hauptfigur Renina, die es in den 50er Jahren schafft, eine eigene Frauenzeitschrift zu gründen und damit als Frau neue Wege gehen will. Der Roman verdeutlicht aus meiner Sicht sehr gut, wie schwer Frauen es in dieser Zeit hatten, sich über ihre konservative Rolle als Haus- und Ehefrau ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Aber auch die Arbeit einer Zeitungsverlegerin wird interessant geschildert.
Eine andere Seite bekommt die Geschichte, wenn sie das Verhältnis zwischen Renina und ihrem Mann Fred erzählt, der sie gewaltsam zum Sex zwingt und in deren Ehe die Protagonistin sich gefangen fühlt. Offen spricht sie auch über Scheidung, eine eher ungewöhliche Reaktion in den 50er Jahren. Das Buch bricht also an einigen Stellen mit Klischees, es fällt mir als Leserin aber auch schwer, ganz einzutauchen in die Geschichte, da ich es schwer nachvollziehbar fand, was nun realistisch ist. Insgesamt transportiert Renina aber wohl ein Bild einer Frau, die ihr Leben gerne in die Hand nehmen würde, aber durch ein herrschendes Patriarchat keine Chance dazu sieht. EIn wichtiges und aktuelles Buch.

Bewertung vom 01.09.2023
Mieko tanzt
Miyata-Jancey, Mariko

Mieko tanzt


ausgezeichnet

In dem Buch geht es um Mieko, ein Mädchen, das gerne tanzt. Beim Ballett lernt sie Sofia kennen und schwärmt für sie.
Insgesamt werden in dem Buch die Themen Tanz und typische Geschlehcterrollen kombiniert. Ich fand es toll, mit welcher Leichtigkeit hier von der zarten Anbandelung zwischen Mieko und Sofia erzählt wird, aber auch von den kleinen Hürden, die die Hauptfigur hat, um sich aus ihrem mädchenhaften Geschlechterklischee zu befreien. Weitere Figuren, die nicht konventionell sind und einem Klischee entsprechen, runden das Buch ab.
Ganz besonders hervorzuheben ist hierbei die Gestaltung des Buches. Es fasst sich durch das hochwertige Papier toll an, ist wahnsinnig schön gezeichnet und besonders die Farben sind klug gewählt und machen das Buch ungewöhnlich und schön. Insgesamt ein wichtiges Kinderbuch mit einer klugen Botschaft, wunderschön umgesetzt.

Bewertung vom 03.07.2023
Wieso? Weshalb? Warum? junior, Band 29: Wir sind Geschwister
Erne, Andrea

Wieso? Weshalb? Warum? junior, Band 29: Wir sind Geschwister


ausgezeichnet

"Wir sind Geschwister" ist ein wirklich goldiges Kinderbuch für Kinder von 2-4 Jahren. Es handelt sich um ein Kindersachbuch, es wird also keine zusammenhängende Geschichte erzählt, sondern auf jeder Seite wird eine andere Facette des Geschwisterhabens beleuchtet, sei es die Vorteile von Geschwistern oder auch mal ein Streit untereinander. Alles absolut alltagsnahe Situationen. Anders als Aufklärungsbücher für Geschwisterkinder bezieht sich dieses Buch also eher auf eine soziale Ebene, die aus meiner Sicht kindgerecht erklärt wird.
Begleitet werden die kurzen Textpassagen von wirklich süßen Illstrationen. Die Bilder sind nicht überladen und naturalistisch gezeichnet, was den Wert der Informationen unterstreicht. Besonders schön für kleine EntdeckerInnen: Hinter kleinen Pappklappen gibt es Extrainformationen und kleine weitere Bilder.
Geeignet ist das Buch aus meiner Sicht für alle jungen Familien.

Bewertung vom 03.07.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


gut

Das "Cafe ohne Namen" entführt den Leser in das Wien der Sechziger Jahre, eine Stadt, die man sonst eher aus anderen Epochen beschrieben kennt. Diese Jahre Wiens waren mir neu und damit habe ich die Stadt und ihre Menschen sozusagen aus einer anderen Sicht gesehen.
Der Protagonist Robert eröffnet ein Cafe, und auch das ist alles andere als das typische Wiener Kaffeehaus, viel mehr ist es eine Zusammenkunft der kleinen Leute. Nach und nach blickt der Leser dann in ihre Schicksale, ist Zeuge der Unterhaltungen und nimmt Teil am Leben einiger gescheiterter Existenzen. So weit, so gut. Grundsätzlich gefällt mir der Gedanke des Buchs, leider aber kam der Stein für mich nicht so Recht ins Rollen. Eine Handlung gibt es praktisch nicht. Die Geschichten hinter den Figuren werden angerissen, aber aus meiner Sicht nicht zuende erzählt. Insgesamt habe ich mich beim Lesen gelangweilt. Schade, andere Bücher von Seethaler wie den "Trafikanten" habe ich verschlungen, aber dieses Buch ist keine Empfehlung.

Bewertung vom 03.07.2023
Die Verborgenen
Geschke, Linus

Die Verborgenen


sehr gut

Das Buch erzählt zwei Geschichten parallel, die sich aber am Ende zusammen finden. Zum einen wird die Geschichte der Familie Hoffmann erzählt, nach außen glücklich, aber im Familiengefüge bröckelt es mächtig. Was keiner von ihnen weiß: unter ihrem Dach lebt noch eine weitere Person, die dort wohnt, isst und quasi an ihrem Leben teilnimmt.
Außerdem wird die Geschichte über einen Mord an einer jungen Frau erzählt. Die beiden Geschichten verflechten sich auch am Ende des Buches mit einer wie ich finde logischen Erklärung.
Am Neuesten und Überraschendsten war für mich das sogenannten "Phrogging", wie man offenbar das unbemerkte Leben von fremden Personen in einem bewohnten Haus nennt. Dass es dafür einen Begriff gibt, zeigt, dass das ein Phänomen ist, das wohl öfter vorkommt, mir aber bisher völlig unbekannt war. Ich fand die Geschichte dadurch nicht nur total spannend, sondern auch lehrreich.

Bewertung vom 30.06.2023
Institut für gute Mütter
Chan, Jessamine

Institut für gute Mütter


sehr gut

In dem Buch "Institut für gute Mütter" geht es um Frida, eine junge Mutter, die von ihrem Mann und Vater des Kindes getrennt lebt. Eines Tages lässt sie das 1,5 jährige Kind für wenige Stunden unbeaufsichtigt, woraufhin die Nachbarn das Jugendamt verständigen. Ab da verwandelt sich das Buch von einem Familienroman zu einer düsteren Dystopie.
Frida wird für ein Jahr in das staatliche "Institut für gute Mütter" gebracht, wo sie lernen soll, ihr Verhalten zu überdenken und eine bessere Mutter zu werden (zB indem sie an KI-Babyrobotern üben, Horrorfaktor!). Wie sie haben auch die anderen Mütter zwar Fehler gemacht, die Konsequenz erscheint aber völlig unverhältnismäßig. Dazu kommen sektenartige Mantras, Gleichschaltung und drakonische Strafen, sodass der Eindruck einer faschistischen Einrichtung mit Knastcharakter ensteht.
Grundsätzlich hat mir diese Geschichte schon gefallen. Das Motiv, dass Kindererziehung in staatliche Beobachtung gelegt wird und man sich erst profilieren muss, fand ich irgendwie neu und reizvoll. Leider wurde mir die Geschichte dann aber schnell zu langatmig. Das Leben in der Besserungsanstalt wurde immer wieder durchgekaut. Die Figuren blieben bis auf Frida (die ich gut gezeichnet fand) doch eher etwas flach und stereotyphaft.
Insgesamt ein interessanter Roman, durchaus mit Stärken, aber einfach zu lang.