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Benutzername: 
Faidit
Wohnort: 
Leimen

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2016
Wo Licht ist
Moss, Sarah

Wo Licht ist


sehr gut

... ist auch Hoffnung
Sarah Moss bringt die dunkle Seite von scheinbar ach so frommen Wohltätern ans Licht. Vielleicht werden die Leser nach diesem Buch in Zukunft sensibler hinter die glänzenden Fassaden von Gutmenschen blicken'
Der Plot des kritischen Romans findet im England des 19. Jahrhunderts statt. Die Gesellschaft sowie die Protagonisten werden gelungen charakterisiert und das Zeitgeschehen ist sehr gut recherchiert. Im Mittelpunkt steht die Familie des wohlhabenden Künstlers Alfred Moberley mit seiner höchst puritanisch eingestellten Ehegemahlin Elizabeth und den beiden Töchtern Ally und May, deren Kindheit bis zum Erwachsenenalter ist der rote Faden des Geschehens. Elizabeths Wohltätigkeit ist vom Egoismus und nicht von Selbstlosigkeit geprägt. Ihr geht es darum "gut" zu sein, ein besserer Mensch als alle zu sein und so Gott zu gefallen, dessen Anspruch an Nächstenliebe sie überzogen und fanatisch verfolgt, während sie die Eigenliebe völlig ausklammert und somit auch die Liebe zu denen, um deren Liebe sie scheinbar nicht zu kämpfen braucht, weil ihre Kinder und ihr Mann sie aufgrund der Familienbande nicht verlassen können - zumindest vorläufig nicht... Aufgrund dieses Dünkels eine Weltverbesserin zu sein, greift sie für die Erziehung besonders ihrer ältesten Tochter zu grausamsten Mitteln. Dass die Welt zuerst im Kleinen, in ihrem eigenen Umfeld zu verbessern ist - dass sie die Menschenrechte und zerbrechlichen Seelen ihrer Schutzbefohlenen zuhause mit Füßen tritt und auf ewig schädigt, sieht sie nicht. Elisabeths Liebesfähigkeit ist gleich null, weil sie sich ja noch nicht einmal selbst liebt. Wie soll sie etwas geben können, das sie nicht hat... Wenigstens ihre eigenen Töchter scheinen ihr Handeln zu hinterfragen und könnten deshalb eine Chance zu haben, aus den Fehlern der Mutter zu lernen und diese Spirale der selbstzerstörerischen Lieblosigkeit zu durchbrechen...

Der Schreibstil der Autorin ist nüchtern, kühl und prägnant wie der Charakter von Elizabeth Moberley, der Protagonistin des Romans, die die Quelle der Handlung aller anderen Hauptfiguren ist. So hat der Roman nicht nur über die Story seine Färbung von einer Härte, die dem Leser vor Mitgefühl für die der Gefühlskälte Elizabeths ausgelieferten Kinder fast das Herz zerdrückt. Die klar abgegrenzten Szenen und Sätze, welche mit wenigen Konjunktionen auskommen, wirken wie die Erziehungsmethoden der Protagonistin, die ihrer kleinen Tochter noch nicht einmal erlaubt, ein Stück von ihrem eigenen Geburtstagskuchen zu essen, sondern aufgrund einseitig gelebter Menschlichkeit das Mädchen zwingt, jenen armen Kindern zu überlassen. Das Erleben des Lesers wird auch durch die gewählte Zeitform der Verben im Präsens schon beinahe dreidimensional, da alles gerade jetzt, quasi um den Leser herum, zu geschehen scheint.
Ich hätte mir dennoch einen weicheren Schreibstil mit kürzeren Zeitsprüngen von einer Szene zur nächsten gewünscht. Die Beschreibungen waren zum einen sehr schön und bildhaft, zum anderen jedoch wieder fehlten sie ganz, wie beispielsweise bei manchen Nebendarstellern, zu denen ich darum überhaupt keinen Bezug bekam. Manchmal ist das Verhalten von Ally auch unlogisch, der Charakter entsprechend der Handlung nicht richtig ausgearbeitet. Mitunter hat man das Gefühl, etwas nicht ganz mitbekommen zu haben, weil dem Leser zu wenig Information geliefert wird. Oder wurde der Roman an dieser Stelle gekürzt? Ein Großteil des Romans findet darum im Kopf des Lesers statt, der sich die Szenen dann selbst ausmalt.
Vielleicht wollte die Autorin Sarah Moss auch damit zum Nachdenken anregen, zum Reflektieren und sozialkritischen Beobachten des heutigen Zeitgeschehens.
Doch nach aller Dunkelheit steht am Ende des Romans das Licht der Hoffnung, dass die dem Leser ans Herz gewachsene Ally lernt die Liebe kennen. Aber dieses Happy End ist nur ein Lichtfunke, denn Liebe zu erhalten und auf Dauer zu leben ist harte Arbeit und besonders für Ally noch ein langer Weg'

Bewertung vom 19.12.2016
Das Geheimnis des Mahagonibaums
Zelezný, Sabrina

Das Geheimnis des Mahagonibaums


ausgezeichnet

Spannung mit Gefühl
Warum Blanca wohl derartig niedergeschlagen ist? Es kann doch nicht alleine an dem ungelösten Familiengeheimnis liegen, das sie vor der Reise auch nicht derart tangiert hat... Oder ist es ihre Unzufriedenheit mit ihrer fotografischen Leistung? Vielleicht ein Ruf ihres Blutes, das jetzt in Peru erwacht ist und sie zwischen ihren Welten hin- und herzureißen beginnt? Es scheint eher, dass sie sich entgegen alle Vernunft und ohne dass es ihr bewusst ist, zu verlieben beginnt...
Die Charakterisierung der Figuren, ihre Reaktionen und Gedankengänge sind der Autorin Sabrina Zelezny sehr stimmig und gelungen, ebenso die Mentalität der Protagonisten, wie ich im Vergleich mit mir befreundeten Südamerikanern feststellen konnte. Viel Gefühl liegt in den Beschreibungen, und ich konnte zu Beginn nur in kleinen Etappen lesen, weil ich in den sich vor meinem inneren Auge entstehenden Szenen noch bis zum Weiterlesen schwelgen wollte. Dabei gibt es viele Aspekte, die diesen Roman spannend machen - nicht nur das Knistern zwischen Blanca oder die Ungeklärte Familientragödie um Blancas Urgroßmutter. Man kennt das, dass sich einschneidende Ereignisse in Familiengeschichten oft nach ein, zwei Generationen wiederholen, so wie auch hier die Trauer um die verlorene Freundin von Urgroßmutter und Urenkelin. Ob sich eine Liebesgeschichte ebenso tragisch wiederholen wird oder ob der Kreis dieses Mal geschlossen wird?

Bereits auf Seite 22 musste ich mit feuchten Augen innehalten… So gefühlvoll geschrieben! Es kommt nicht oft vor, dass ich ein Buch lesen darf, das Weinen und lautes Ausrufen bei mir auslöst. Irgendwann konnte ich „Das Geheimnis des Mahagonibaums“ dann nicht mehr aus der Hand legen, obwohl ich von Beginn an wusste, dass ich es bedauern werde, wenn ich zu Ende gelesen habe… Der Roman bleibt immer spannend, auch wenn manche Ereignisse vorhersehbar sind.
Ein wunderbar gefühlvoller und mitreißender Liebesroman, der vor allem mit keiner Silbe schmalzig wird.

Bewertung vom 19.12.2016
Liebe auf Schamanisch
Lessír, Kari

Liebe auf Schamanisch


ausgezeichnet

... oder Liebe ist kein Hexenwerk!
Der Titel des Buches klingt zunächst sehr nach modernem Trend, der Roman an sich hat allerdings ein ganz altes und weises Thema als roten Faden. Im Grunde geht es um den Sinn des Lebens, und die in den Plot integrierten schamanistischen Elemente könnten ebenso durch fernöstliche Meditationspraktiken usw. ersetzt werden. Das Resultat wäre dasselbe. Dabei wird beim Lesen durchaus deutlich, dass Liebe KEIN Hexenwerk ist und auch nicht durch solches zu erreichen. Doch nichts ist unmöglich, wenn man an die Macht der Gedanken und an das Gute glaubt, auf die göttliche Fügung vertraut und seine eigenen Ängste durch Liebe in das Leben ersetzt…
Christiane hofft auf eine erfüllende Partnerschaft in wahrer Liebe mit ihrem schüchternen und stotternden Nachbarn Patrick, der sich aufgrund seiner negativen Erfahrungen in seinem bisherigen Leben, das ihn als Sonderling abgestempelt hat, noch sehr zurückhält und immer wieder vor ihr verschließt. Allerdings weiß Christiane noch nicht, was wahre Liebe tatsächlich bedeutet und ihr kommen Zweifel, besonders als sich herausstellt, dass Patrick unter einem schwerwiegenden Verdacht steht, der auf einer missverstandenen Aussage eines seiner Schüler beruht.
Die wachsende Beziehung zwischen dem empathischen Schullehrer Patrick und der etwas träumerischen und labilen Christiane, die hier im zweiten Band der Romanreihe von Kari Lessír ebenso wie der männliche Protagonist allmählich an Selbstbewusstsein gewinnt, muss hart durch Selbstfindungsprozesse und wachsendes Verständnis geistiger Zusammenhänge erarbeitet werden. Es wird ganz klar gezeigt, dass es in einer Liebesbeziehung um ein vertrauensvolles Miteinander und ein gegenseitiges Geben und nicht nur Nehmen geht, und dass Oberflächlichkeit sowie das Stillen der Begierde nicht zur absoluten Erfüllung führen können. Auch wenn im Roman Engel, Krafttiere, Reisen in andere Dimensionen und Schamanismus eine große Rolle spielen, werden Herausforderungen des tatsächlichen Lebens ernsthaft und ohne Romantisierung von der Autorin dargestellt sowie auch indirekt Lösungswege von ihr aufgezeigt, wodurch sich hochsensible und spirituell ganzheitlich denkende Menschen in diesem Liebesroman wiederfinden, verstanden und auch unterstützt fühlen können. Jeder kann ein Held sein. Doch auch Helden sind verletzlich und für die Rettung der Welt sind wir alle in unserem Lebensbereich selbst verantwortlich.
Selbstverständlich kann auch dieser Roman von Kari Lessír wieder rein auf unterhaltsame Art als Fantasy verstanden werden und ebenso gefallen. In meinen Augen ist es allerdings ein Liebesroman, der schon fast als spiritueller Ratgeber verstanden werden darf. Unterhaltsam und tiefgründig zugleich.

Bewertung vom 19.12.2016
Granny, ein Mord und ich
Godau, Angelika

Granny, ein Mord und ich


ausgezeichnet

Eine Liebe in der Kaiserzeit
Besonders begeistert hat mich der Schreibstil der Autorin, mit dem sie jedem der Protagonisten eine eigene Stimme gegeben hat und dem Leser durch den Wechsel von anspruchsvoller Sprache des 19. Jahrhunderts und moderner Umgangssprache herrliche Unterhaltung bietet. Außerdem ist das Buch ein absoluter Genre-Mix aus etwas Krimi-Spannung, Liebesroman, Fantasy und akribisch recherchierter Historie. Da wird der Leserin von dieser Geschichte mit wahrem Hintergrund zu keiner Zeit langweilig. Wenn die Ururgroßmutter der Protagonistin, die in der Realität übrigens die Urahnin der Autorin ist, als Astralreisende durch den Äther der Zeit in die Moderne switcht und plötzlich im Schlafzimmer der jungen alleinerziehenden Sabrina erscheint, gruselt es einen sogar ein bisschen. Auch diese fantastischen Elemente wirken auf mich nicht unrealistisch, weshalb schon die ersten Zeilen des Buches fesseln.
Die Handlung setzt sich aus der jeweiligen Sichtweise und abwechselnden Beschreibungen der Lebenssituationen der beiden Protagonistinnen in ihrer Ära zusammen und zeigt unterschwellig die Probleme der Frauen in einer von Männern dominierten Welt auf, die bis heute noch nicht weniger und einfacher geworden sind. Da hilft die emanzipierteste Einstellung nichts, wie auch Sabrina erfahren muss, wenn sie ihrer Granny die Augen über deren kaiserzeitlichen Gehorsam und ihre Duldsamkeit öffnen will. Schließlich verbünden sich Sabrina und Luise, um den geheimnisvollen Tod von Luises heimlichem Geliebten aufzudecken, und man fühlt ebenso den Liebesschmerz der Protagonistin mit.
Im Grunde sind beide auf ihre Weise Rebellinnen gegen gesellschaftliche Begrenzungen, an deren Entstehung die Frauen durch falsche Erziehung ihrer Söhne nicht unschuldig sind... Mit diesen Nuancen, die einem bewussten Leser sicherlich nicht entgehen werden, erhält der Roman trotz seiner humoristischen Verpackung eine gewisse Tiefe.

Bewertung vom 19.12.2016
Mary Island - Das Geheimnis des dritten Hügels
Phillippi, Jonathan

Mary Island - Das Geheimnis des dritten Hügels


sehr gut

Goodbye Deutschland – Hello U.S.A.
Jonathan Philippi erinnert mich mit diesem Jugendbuch und meine Leseanfänge. Die Mary-Island-Story ist eine Mischung aus Family-Soap und den Drei-Fragezeichen-Abenteuern und begeistert durch seine Spannung, die den jugendlichen sowie junggebliebenen Leser von Beginn an fesselt.
Die Szene zu Beginn porträtiert ein Familiendrama, wie es leider nicht selten ist und dies ohne Effekthascherei, aber auch ohne abschwächende Romantisierung. Die Kinder müssen um ihre Rechte kämpfen und dafür Hilfe außerhalb des gewohnten Umfeldes holen. Dies könnte Kindern aus schweren familiären Verhältnissen Mut machen, dass sie Gerechtigkeit erfahren dürfen, wenn sie sich trauen, ihre Problematik mit Amtspersonen zu besprechen.
Mit viel Herzblut, Recherchearbeit und guter Erzähltechnik hat der Autor auch einiges an Wissenswertem über die USA und ihre Gesellschaft in den Jugendroman eingebaut. Dabei idealisiert er keineswegs die neue Heimat der drei jugendlichen Auswanderer, die Deutschland den Rücken kehren und in die Arme ihres Vaters und seiner neuen Lebensgefährtin in Amerika flüchten. Die Geschwister werden mit Liebe aufgenommen, müssen jedoch auch dort um Anerkennung kämpfen. Bald freunden sich die Teenager mit anderen sozial Benachteiligten an, was es ihnen nicht einfacher macht. Ungeschönt werden Handlungs- und Denkweisen, Mentalitätsunterschiede sowie Machtmissbrauch der Menschen und der Politik in der Story dargestellt, was den Leser zum Nachdenken anregen wird.
Trotz der schönen, bildhaften Beschreibung hätte ich mir besonders im ersten Drittel des Buches eine ausführlichere Beschreibung mancher Szenenübergänge sowie etwas anspruchsvollere Satzbauweise gewünscht. Die leicht erlesbare Sprache mit den einfachen Sätzen dürfte zwar auch lesefaule Jugendliche bei der Stange halten, wirkt aber manchmal recht abgehackt, weshalb ich nur 4 von 5 Sternen gebe. Ab der Hälfte des Buches ist der Sprachstil allerdings tadellos.
Inhaltlich ein absolut wertvolles Buch, wie man es sich als Jugendliteratur nur wünschen kann!