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MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2025
Vego, Kristin

Spät am Tag


sehr gut

Melancholie... - das ist die Stimmung, die das gesamte Buch durchzieht. Eigentlich passiert nicht richtig viel in Kristin Vegos erstem Roman "Spät am Tag". Allerdings versteht es die Autorin, ein gefühltes halbes Leben auf 140 Seiten unterzubringen. Johanne, anfang dreißig, mietet sich - um Ruhe zu finden und auch zum Schreiben - in ein kleines Häuschen fernab der Großstadt ein. Der Ehemann ist vor zwei Jahren unerwartet verstorben. Der Vermieter Mikael und seine Ex-Frau Sofia, wie auch die Tochter Maren leben ebenfalls in dem abgelegenen Haus. Johanne und Mikael verlieben sich ineinander, aber Johanne fragt sich immer wieder, welche Bedeutung Sofia noch in Mikaels Leben hat. Eine nicht ganz so einfache Dynamik entspannt sich zwischen den Menschen im Haus. Pinselstrichartig skizziert Kristin Vego, wie sich die Beziehungen über die Jahre verändern; untermalt wird die Handlung immer wieder von poetisch anmutenden Naturbeschreibungen. Und gegen Ende des Buches denkt man: Ja, so ist das Leben. Und hat sich ein wenig von der Melancholie zwischen den Buchdeckeln anstecken lassen.

Bewertung vom 29.08.2025
Drvenkar, Zoran

Asa


sehr gut

Komplex. Nein - hochkomplex ist der aktuelle Thriller "Asa" von Zoran Drvenkar. Ich möchte während des Schreibprozesses nicht in der Haut des Autors gesteckt haben... ich hätte permanent die Angst gehabt, mich zu verzettel, den roten Faden aus dem Blick zu verlieren oder auch an multiperspektivischer Verwirrung zu scheitern. Ich glaube wirklich, dass der Autor froh gewesen ist, als das schlüssige Ende gefunden war. Und das ist auch ein Vorgeschmack darauf, was die Lesenden erwartet, wenn sie dieses Buch zur Hand nehmen... man benötigt einiges an Geduld, insebesondere auf den ersten 200 von knapp 700 Seiten stellt sich zwischenzeitlich ein wenig Verwirrung ein; jedoch - wer durchhält wird am Ende belohnt für die geleistete Anstrengung. Es ist die Geschichte einer Rache, mit einer 100-jährigen Vorgeschichte und Ausflügen in die Zeitgeschichte (erster und zweiter Weltkrieg); es ist die Geschichte davon, dass das Individuum mit einer mörderischen Stärke auszustatten ist; es ist die Geschichte von der überlebenswichtigen Stärke des Einzelnen, der im Dienste der Gemeinschaft Gewalt ausüben darf; es ist die Geschichte einer Familie, die nie wieder Opfer sein möchte; es ist die generationenübergreifende Weitergabe eines Überlebensplans in einer feindlichen Welt; es ist eine Geschichte von der Überschreitung moralischer Grenzen. Und es ist letztlich die Geschichte von Asa, die dem Ganzen ein Ende bereiten will... Ein wahres Leseabenteuer!

Bewertung vom 27.08.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


ausgezeichnet

Bedrückend. Und gleichzeitig ungeheuer gut! Hannah Lühmann ist mit "Heimat" eine erschreckend präzise Zeitdiagnose gelungen. Im Mittelpunkt steht die zweifache Mutter Jana, erneut schwanger, die mit ihrem Mann Noah aufs Land gezogen ist. Dort trifft sie bald auf Karolin, eine siebenfache Mutter, die überzeugt davon ist, dass eine Mutter sich allein um Kinder und Haus zu kümmern habe, dass dem Mann eine Führungsrolle in der Partnerschaft zukomme und der Wald ein besserer Lehrmeister für die Kinder ist, als es eine Kita jemals sein könnte. Jana ist fasziniert von der zwar rückwärtsgewandten, aber dafür sehr klaren Haltung von Karolin, deren Kinder auch ziemlich 'gelungen' zu sein scheinen. Als dann für Jana noch Schwierigkeiten mit ihrem Mann hinzukommen - er interessiert sich offensichtlich mehr für die anstehende Wahl, bei der die AfD die Mehrheit zu erlangen droht, als für seine Kinder und seine schwangere Frau - beginnt Jana endgültig, ihre alten Wertvorstellungen in Zweifel zu ziehen und der Faszination der Trad-Wifes zu erliegen. Hannah Lühmann bewertet nicht, lässt den erhobenen Zeigefinger gesenkt und zwingt ihre Leserschaft, sich selbst ein Bild zu machen. Mir lief es auf jeden Fall mehr und mehr eiskalt den Rücken runter... Bedrückend!

Bewertung vom 27.08.2025
Keßler, Verena

Gym


ausgezeichnet

Wow! In einem Rutsch gelesen - gewissermaßen... Schreibstil äußerst leserfreundlich, Story gut, Protagonistin excellent ausgeleuchtet, einiges Unerzähltes, was dem Leser Raum gibt für seinen eigenen Film; ansteigender Spannungsbogen, vordergründige Story plus Hintergrundstory! Also was will man mehr. Vera Keßler ist mit ihrem knapp 190-seitigen neuen Roman "Gym" etwas Buchpreisverdächtiges gelungen. Die Ich-Erzählerin bewirbt sich in einem Fitnessstudio - MegaGym - und ohne es geplant zu haben, dichtet sie sich an, dass sie erst vor kurzem einen Sohn zur Welt gebracht habe - das, so glaubt sie, würde ihre Chancen auf die Stelle erhöhen - weil dafür sehe sie echt schon wieder richtig fit aus. Natürlich wird die Protagonistin die erfundene Geschichte nicht wieder los, leitet schließlich auch einen Kurs für junge Mütter, die zurückfinden wollen zu ihrer alten Figur. Und so nach und nach bekommt die Protagonistin eine Vorgeschichte, eine Vorgeschichte, an der sie offenbar mehr als nur zu knabbern hat... Immer mehr taucht der Wunsch auf, jemand anders zu sein; die Protagonistin entwickelt eine unbändige Sucht nach einem anderen Körper, nach einem Körper, der Panzer ist, der sie davor schützt, was ihr seinerzeit mit ihrem ehemaligen Chef widerfahren ist... Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 19.08.2025
Kitamura, Katie

Die Probe


gut

Die Probe. Ein Spiel. Katie Kitamura probt in ihrem neuen Roman "Die Probe" das Leben, probiert aus, leuchtet intensiv und kammerspielartig das feine Beziehungsnetz ihrer Figuren aus. Lässt sie wie auf einer Bühne agieren und die Rollen wechseln. Ein hochinteressantes literarisches Projekt, welches der Leserschaft durchaus einiges abverlangt und erst auf den letzten Seiten Klarheit anbietet. Fragt man sich doch im zweiten Teil, warum der junge und äußerst attraktive Xavier, anders als im ersten Teil des Romans, mit einem Mal der Sohn der Ich-Erzählerin (Schauspielerin) und von Tomas (Ehemann und Schriftsteller) ist... Kitamura gibt Xavier damit eine andere Rolle und 'probiert', welchen Einfluss dies auf die Handlung und das Beziehungsgeflecht der 'Darsteller' haben könnte. Xavier ist jetzt nicht mehr der junge, attraktive Mann, der sich möglicherweise in eine 49-jährige Schauspielerin 'verguckt' hat, sondern der Sohn, der - später auch noch mit Freundin Hana - ins eheliche Apartement einzieht, was natürlich Auswirkungen auf die Beziehungsdynamik des elterlichen Paares hat. Und am Ende ist es ja vielleicht nur eine 'Was wäre, wenn'- Inszenierung der Ich-Erählerin. Eine Probe. Ein Spiel mit Möglichkeiten.

Bewertung vom 17.08.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

Mitten aus dem Leben... Über die gesamten 238 Seiten von Doris Knechts neuem Roman "Ja, nein, vielleicht" hinweg hat man als Leser:in das Gefühl, bei etwas unmittelbar dabei zu sein bzw. dabei sein zu dürfen, Zeuge eines Lebensabschnittes zu sein - eines Lebensabschnittes, welcher einen Wendepunkt darstellt, nämlich der Zeit, in der die Hinweise auf das eigene Älterwerden sich häufen und - im Falle der Ich-Erzählerin - frau sich fragt, wie es im Leben weiter gehen könne, wie es mit der allgemeinen Zufriedenheit aussehe und auch, ob man sich noch einmal binden möchte oder doch lieber die langersehnte Freiheit, die möglich ist, wenn die Kinder erwachsengeworden das Haus verlassen, genießen sollte. Und ganz nebenbei lässt die Autorin ihre Leserschaft auch noch teilhaben am Schreibprozess genau dieses Romans. Eine Beiläufigkeit im Erzählen, in der viel Tiefe steckt. Eine Beiläufigkeit, die zum eigenen Nachdenken zwingt. Eine Beiläufigkeit, die große Themen aufzugreifen weiß!

Bewertung vom 14.08.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


sehr gut

Einblicke. Daniela Dröscher gibt uns in ihrem neuen, stark autofiktionalen Roman "Junge Frau mit Katze" intensive Einblicke in den Prozess der Selbstauseinandersetzung ihrer Hauptfigur Ela (so könnte man 'Daniela' abkürzen). Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Protokoll einer multimorbiden Person zu studieren...; wer jedoch das Buch auf diese Weise liest, wird schnell das Interesse verlieren. Elas Krankheiten haben eine Geschichte wie auch eine Bedeutung in ihrem aktuellen Leben. Ihre Krankheiten scheinen sie an der Möglichkeit des Glücks zu hindern und ihre angestrebte akademische Karriere zu behindern. Zudem lebt der Mensch in Beziehung und infolgedessen ereignet sich auch Krankheit in Beziehung und wirkt sich aus auf Beziehung. Die Geschichte von Elas Krankheiten beginnt nur vermeintlich mit einem Hirntumor in der Jugend; sie beginnt früher, nämlich im Beziehungsgeflecht der Herkunftsfamilie, im Verhältnis von Vater und Mutter und in einer Art mutterbezogener Gefühlsverstrickung - hin- und hergerissen zwischen Scham und Schuld. Ela rennt von Arzt zu Arzt, versucht auch Unorthodoxes, befürchtet, sich wegen einer Allergie von ihrem geliebten Kater trennen zu müssen... ein langer Weg, bis es Ela schließlich gelingt, die Rebellion ihres Körpers zu beenden: "...frei schwebend, im Wasser". Ein intensives Leseerlebnis, ein Blick in tiefste Strukturen der Persönlichkeit!

Bewertung vom 09.08.2025
Poznanski, Ursula

Erebos Bd.3 (eBook, ePUB)


gut

Ein weiteres Mal ein unterhaltsames Leseerlebnis!
Erebos die Dritte! Und Klappe! Wieder mal ein spannender Pageturner! Eine vertraute Dramaturgie, vertraute Figuren und... man hat es gewünscht und geahnt: Der Held Nick ist inzwischen mit Emily zusammen... damit es handlungstechnisch allerdings nicht zu kompliziert wird, wegen 'Liebe und so', versetzt die Autorin Emily aber nach New York und lässt sie - auch über die Sorge um ihren jüngeren Bruder - die Geschehnisse aus der Ferne verfolgen, während Nick & co mal wieder Rätsel lösen und am Ende Schlimmes verhindern. Gefallen hat mir der Hinweis auf die 'Bedrohung von rechts' und die Gefahr von Anschlägen. Und nach drei tollen Bänden ist es nun auch Zeit, dass 'die Welt von Erebos in Dunkelheit versinkt' - so der letzte Satz - ... aber wir wissen es ja alle: Erebos hat die Fähigkeit, sich selbst zu aktivieren, wenn es wieder spielen möchte...

Bewertung vom 04.08.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Lesen!!! Charlie ist fünfzehn Jahre alt und fühlt sich verloren: zwischen enttäuschenden Freundschaften, fehlendem Kontakt zu ihrem Vater und einer großen Einsamkeit begibt sie sich auf die Suche nach sich selbst und einem Sinn des Lebens.
Mit poetisch-einfühlsamer Sprache schafft Julia Engelmann es, dass die Leserinnen sich zurückdenken in ihre Schulzeit und in eine Zeit, wo es mehr Fragen als Antworten gibt. In eine Zeit der Unsicherheit über die eigenen Wünsche und Interessen und den großen Wunsch, zu gefallen und irgendwo hinein zu passen. Charlie begegnet auf ihrer Suche spannenden Figuren wie Kornelius, der sich ähnliche Fragen stellt, aber schon viele Antworten gefunden zu haben scheint. Zwischen Zweifeln, Scheitern und Überforderung lernt Charlie nicht nur, sich anderen gegenüber zu öffnen, sondern auch mit sich selbst im Reinen zu sein. Himmel ohne Ende ist ein berührender, ruhiger Coming-of-Age-Roman, der durch emotionale Tiefe und besonders liebenswerte Figuren beeindruckt. Ein Roman, den alle in ihrer Jugend brauchen, um sich weniger allein zu fühlen und stets Hoffnung zu haben, dass die richtigen Antworten noch kommen werden oder gar nicht nötig sind, um glücklich zu sein.

Bewertung vom 25.07.2025
Noort, Tamar

Der Schlaf der Anderen


ausgezeichnet

Von der Macht der Begegnung. Der Begegnung zweier Menschen. Manchmal braucht es den richtigen Zeitpunkt und den geeigneten Ort, vielleicht noch einen verbindenden Kontext, an dem sich zwei bislang fremde Menschen einander begegnen... und es passiert etwas zwischen ihnen, was man vielleicht nicht gleich als den Beginn einer lebenslangen Freundschaft, zumindest aber als eine bedeutsame Episode im Leben bezeichnen könnte. So erzählt in dem Roman "Der Schlaf der anderen" von Tamar Noort. Die Autorin versteht es, Zwischentönen einen Raum zu geben, erweist sich als 'Seelenexpertin' ohne zu psychologisieren - sie muss nicht erklären, sie erzählt einfach... und das macht großartige Literatur aus! Zwei sehr unterschiedliche Frauen in ihrer Lebensmitte begegnen sich in verteilten Rollen im Schlaflabor: Die schlaflose Lehrerin Sina, verheiratet mit dem stellvertretenden Leiter ihrer Schule, geregeltes Leben, zwei Kinder, in der ehelichen Beziehung entfremdet; und Janis, die als Krankenschwester des Nachts im Schlaflabor arbeitet, die auf das 'Tagsüber-Leben' der anderen verzichtet hat. Und in der gemeinsamen Nacht der beiden passiert eine Menge, im Außen wie auch im Innen - in wechselnder Erzählperspektive. Ja, in der Nacht ist Vieles anders... vielleicht auch die Bereitschaft, sich einem bislang fremden Menschen zu öffnen und zu erzählen. Das Nachdenken über sich selbst ist ein anderes in der Nacht. Vielleicht schlafen wir ja des Nachts auch deshalb, weil wir unsere Nachtgedanken fürchten... weil verdrängte Unzufriedenheiten ins Bewusstsein drängen, weil wir merken, dass wir so eigentlich nicht weitermachen wollen. So auch Sina und Janis. Ein sehr anregendes Buch!!!