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Benutzername: 
Aitutaki
Wohnort: 
Zürich

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 11.02.2022
Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1
Deen, Mathijs

Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1


sehr gut

Mathijs Deen’s Krimi „Der Holländer“ liest sich wie ein „Reisebericht des Watts“. Es zeigt seine schönen, lebhaften und idyllischen Seiten, aber auch die unerwarteten Gefahren. Es wird die Leiche eines bekannten Wattwanderers gefunden. Unglücklicherweise befindet sich der Tote auf einem Gebiet, das zwischen Deutschland und Holland liegt. Wer ist zuständig für den Mordfall? Diskussionen über die Zuständigkeit beginnen, und am Ende schickt man den inoffiziellen Ermittler Liewe Cupido – genannt «der Holländer» ins Rennen, um den Fall zu lösen. War es ein Unfall oder doch ein Mord? Was steckt hinter dem Unglücksfall?

Mathijs Deen’s Schreibstil ist flüssig und unterhaltsam. Mit Liewe Cupido nimmt man die detaillierten Ermittlungen auf, taucht in seine Denk- und Vorgehensweise ein, sieht sich als Beobachter über der ganzen Geschichte, erfährt aber relativ wenig über den Menschen dahinter, ausser dass er recht eigenwillig ist. Ganz nebenbei erfährt man viel über das Watt selber, die herrliche Landschaft.

Den Ausgang der Geschichte habe ich mir in meiner Fantasie anders vorgestellt, aber ich war bis zum Ende der Geschichte gepackt und Mathijs Deen hat es meisterlich verstanden, die Story mit spannenden Elementen anzureichen und diese bis zum Schluss hochzuhalten. War mit Sicherheit nicht mein letztes Buch von ihm.

Schön gewählt auch das einladende Cover zum Buch. Allein das macht schon Lust auf einen Abstecher ins Watt!

Bewertung vom 31.01.2022
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Tom, von Beruf Fotograf, ist offenbar ein treusorgender Familienvater. Sein Sohn Luke liegt fieberkrank im Bett seiner Studentenbude im englischen Sunderland. Weihnachten steht kurz bevor und so beschliesst Tom, den Jungen mit dem Auto nach Hause zu holen. An einem eisigen, verschneiten Wintertag startet er seine Reise von Belfast Richtung Süden.

Viel erlebt Tom nicht während seiner Fahrt. Er hilft einer alten Frau nach einem Stopp in einem Supermarkt, ihre Einkäufe nach Hause zu bringen. Weiter leistet er Erste Hilfe an einem Unfallort, an dem er vorbeikommt. Alles Kleinigkeiten im Vergleich mit seinen eigenen seelischen Qualen, die Tom während seiner Fahrt bewältigen muss. Seine Gedanken schweifen immer wieder in die Vergangenheit. Er wollte einst ein berühmter Fotograf werden, aber ausser Mittelmass wurde nichts aus der Karriere. Und dann ist da auch der verlorene Sohn, den er nicht vor dem Tod retten konnte. Mit jedem Kilometer kommt er dem eigentlichen Problem immer näher. Trägt Tom die Schuld am Tod seines ältesten Sohnes Daniel? Er muss sich Rechenschaft ablegen, welche Version dieser Vater-Sohn-Geschichte es ihm erlaubt weiterzuleben, ohne erdrückende Schuldgefühle. Und wie kann er die verbliebenen Familienmitglieder sicher durch diesen Sturm zu führen?

Geschrieben in einer sehr eindrücklichen, schnörkellosen Sprache, reduziert sich das Geschehen auf einige Stunden einer Autofahrt. David Park dringt tief in die Seelen der einzelnen Figuren ein und man kann sich dem als Leser nur schwer entziehen. Eine melancholische Lektüre, die unter die Haut geht.

Bewertung vom 19.10.2021
Die Hebamme
Hoem, Edvard

Die Hebamme


ausgezeichnet

Edvard Hoem, norwegischer Bestsellerautor, erzählt in «Die Hebamme», die Geschichte seiner Ururgrossmuter Marta Kristine – Stina genannt.

Wir tauchen ein in das 18. Jahrhundert und erleben die Kindheit von Marta Kristine im kargen Norwegen. Die Zeiten sind hart, die Armut allgegenwärtig und man kämpft an allen Ecken und Enden. Früh reift in Marta Kristine der Entschluss, dass sie Hebamme werden möchte. Keine alltägliche Tätigkeit für eine Frau in jener Zeit. Mit Hilfe des örtlichen Pfarrers erhält sie die Möglichkeit, einen 6-wöchigen Lehrgang zu absolvieren. Doch «Hebammen-Stina» wird nicht wirklich von der örtlichen Bevölkerung gerufen bei Geburten. Man vertraut ihr nicht. Trotzdem allen Widerständen gibt Stina nicht auf und erkämpft sich die Möglichkeit, 1822 die Hebammenschule in Christiana zu besuchen und dort das entsprechende Diplom zu erlangen. Dass sie den Weg dorthin zu Fuss zurücklegen muss, zeugt von ihrem grossen Willen und ihrer Durchhaltekraft.

Die nachfolgenden Jahre sind hart, die Armut allgegenwärtig. Mit ihrem Ehemann, der sie von Herzen liebt, zeugt sie 11 Kinder. Als ihr Mann erkrankt, wird es nicht leichter und nur dank der Mithilfe ihrer Eltern und aller Kinder, kann die Familie überleben. Stina gibt nie auf, kämpft für sich und ihren Beruf und bringt über 100 Kinder auf die Welt während ihrer 50 Jahre als Hebamme, hilft, tröstet und impft gegen Kinderlähmung. Sie ist und bleibt eine aufrechte, mutige und stolze Frau, auch als sie als Witwe beinahe alles verliert.

Edvard Hoem hat eine wunderbar Sprache: Klar, präzise, bildreich und sehr emphatisch. Seine Ururgrossmutter wird zum Leben erweckt und man taucht buchstäblich in ihr schweres Leben ein! Ein Buch, das mich als Leserin sehr beeindruckt hat, zum Nachdenken anregt und aufzeigt, wie «leicht» unser heutiges Leben im Vergleich zur damaligen Zeit ist. – Ein Buch, das man unbedingt lesen sollte! 5 Sterne!!!

Bewertung vom 11.10.2021
Die Überlebenden
Schulman, Alex

Die Überlebenden


sehr gut

„Die Überlebenden“ von Alex Schulmann ist eine fiktive Geschichte, aber autobiographisch inspiriert. Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, wieviel dieser Geschichte ist persönlich Erlebtes. Ein beklemmender Gedanke.
Die Geschichte wird in zwei Zeitschienen erzählt und gewährt dem Leser Einblicke in das Leben der drei Brüder und ihrer Eltern, teils in der Gegenwart, teils in der Vergangenheit, ausgehend vom selben Ort – am Sommerhaus der Familie am Ufer eines schwedischen Sees.

In der Vergangenheit sind die drei Brüder 7, 9 und 13 Jahre alt und schon damals zeigt sich, wie ambivalent das Verhältnis der einzelnen Familienmitglieder zueinander ist. Die Knaben buhlen um die Aufmerksamkeit der Eltern, die jedoch meistens mit sich selber und dem Trinken beschäftigt sind. Kurze Lichtblicke können nicht über das schwierige Verhältnis in der Familie hinwegtäuschen. Auch unter den Brüdern selber, ist das Verhältnis schwierig und schwankt zwischen Liebe, Abneigung und Wettkämpfen untereinander.

Die Gegenwart, die in umgekehrter Reihenfolge erzählt wird, ist oft beklemmend und zeugt von einer noch grösseren Distanziertheit der Brüder. Als Leser erhält man nur einen beschränkten Eindruck in die Leben der Brüder. Auch als die Drei die Asche der verstorbenen Mutter zurück zum See bringen sollen, ist die Lage angespannt. Irgendwie konnte ich mit den einzelnen Figuren nicht wirklich warm werden. Sie blieben für mich zu distanziert, konnte keinen Zugang zu den Brüdern finden und ich als Leserin hatte das Gefühl, irgendwo an der Oberfläche zu «schwimmen» aber nicht in die Tiefe zu sehen.

Fazit:
Beeindruckt hat mich Alex Schuhmann’s Erzählstil, seine Sprache und wie er schildert, was Gleichgültigkeit und emotionale Kälte bei Menschen ausrichten und welche Auswirkungen eine Tragödie auf eine Familie haben kann. Ein sehr emotionales Buch und bestimmt keine leichtes Kost. Eine dramatische Familiengeschichte, die durch den ungewöhnlichen Erzählstil aus der Masse sticht. Mir hätte ein wenig mehr Struktur besser gefallen.

Bewertung vom 15.04.2021
Kalmann
Schmidt, Joachim B.

Kalmann


schlecht

Joachim B. Schmidt beherrscht die Kunst des Geschichtenerzählens und lässt die Bilder von Island an einem vorbeiziehen, als wäre man selber vor Ort. Kalmann, der liebenswerte Protagonist des Romanes, ist so etwas wie der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn, der von allen belächelt und als Dorftrottel bezeichnet wird. Er versorgt sich und seinen Grossvater indem er Polarfüchse jagt und Haiköder im Meer auslegt. Eines Tages im Winter findet er im Schnee eine Blutlache und plötzlich steht das ruhige, eintönige Leben von Kalmann Kopf. Die Polizei und Suchtrupps tauchen in dem verlassenen Dorf auf, ebenso Reporter, die neugierige Fragen stellen. Kamanns Leben gerät aus dem Ruder. Erst recht, als der Grossvater mit Demenz in einem Altersheim versorgt wird und er fortan alleine für sich sorgen muss. Doch trotz seiner eigentümlichen Art, hilft er irgendwie mit, den Fall zu lösen.

Die Geschichte liest sich leicht und flüssig, ist unterhaltsam und nimmt immer wieder unerwartete Wendungen. Eine tolle und vielleicht etwas skurrile Geschichte, die genau so sympathisch ist, wie die Isländer selbst. Absolut lesenswert und grandios!

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Bewertung vom 15.04.2021
Der Abstinent
McGuire, Ian

Der Abstinent


ausgezeichnet

Mitreissend und dunkel…

1867, Manchester: Der irische Polizist James O’Connor wird von Dublin nach Manchester versetzt. Nach dem frühen Tod seiner Frau und ihres gemeinsames Kindes, gab er sich dem Alkohol hin und wurde von Dublin nach Manchester strafversetzt. Dort gerät er mitten in die Konflikte zwischen Engländern und Iren. Irische Separatisten – die Feninans – töteten bei einem Anschlag einen Polizisten. Zwar sind die Täter gefasst und kurze Zeit später hingerichtet, doch die Fenians schwören Rache. Zur Unterstützung der Fenians kommt Stephen Dole aus Amerika zur Hilfe. Er hat schon manchen Kampf für die Unabhängigkeit gefochten und wird bald einmal O’Connors Gegenspieler. Ein Katz- und Mausspiel zwischen den beiden beginnt.

Ian McGuire gelingt es schnell, die düstere und dunkle Stimmung in Manchester jener Zeit heraufzubeschwören. Die Sitten sind hart, der Umgang mit den Menschen ebenso. Viele der dort geschilderten Probleme sind auch heute noch aktuell und der Konflikt mit Nordirland noch lange nicht gelöst. Nebst den gesellschaftlichen Problemen, beschreibt Mc Guire aber auch sehr eindrücklich die persönlichen Probleme der beiden Hauptprotagonisten. Ihre Fokussierung auf den Auftrag, aber auch die Lebensgeschichten der Beiden. Ganz so unterschiedlich, wie man zu Beginn annimmt, sind die beiden aber nicht voneinander, auch wenn sie auf unterschiedlichen Seiten stehen.

Ein düsterer Krimi in jeder Hinsicht, aber geschichtlich fundiert und absolut unterhaltsam und lesenswert! Nicht ausschliesslich nur für Krimi-Freunde!