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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 400 Bewertungen
Bewertung vom 28.07.2024
Westerbeke, Douglas

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel


gut

Seit Aubry ein Kind ist, ist sie auf Reisen. Nicht freiwillig, sondern von einer mysteriösen Krankheit getrieben, die verhindert, dass sie länger als drei oder vier Tage an einer Stelle bleiben kann. Sie reist um den ganzen Erdball, mehrfach; und erlebt dabei das ein oder andere Abenteuer.
Westerbekes Roman hat etwas von einem philosophischen Abenteuerroman. Aubry reist zu Fuß, zu Pferd, auf Schiffen, mit der Bahn, ein vielfältiger Urlaubstraum könnte man meinen. Doch sie kämpft immer ums Überleben, nicht in Schwierigkeiten zu geraten, nicht als Anders aufzufallen. Ich mochte die Figur gerne, ihre Entwicklung über die Jahre ist authentisch, auch ihre Zweifel und Sorgen. Obwohl sie immer an neue Orte kommt, ist ihr Handeln oft gleich: orientieren, eine sichere Unterkunft finden, vielleicht sogar Menschen, denen sie trauen kann; kaum hat sie das geschafft, muss sie wieder weiter. Es kommt auf diese Weise zu Wiederholungen, die für mich nicht so schlimm ins Gewicht gefallen sind, den ein oder anderen aber vermutlich stören könnten. Übersinnliches findet auch seinen Weg zwischen die Seiten, das klappt nicht immer ganz glatt. Westerbekes Stil hat mir sehr gut gefallen, er bringt dem Leser die exotischen oder nicht ganz so exotischen Gegenden sehr nahe, detailreich und bildgewaltig. Dabei ist die Handlung nicht streng chronologisch, einiges erfährt man in Rückblenden, manchmal weiß man nicht so recht wie Aubry überhaupt dort gelandet ist, wo man sie im nächsten Kapitel vorfindet. Das macht den Roman verwirrend und interessant zugleich. Das Ende passte dann für mich aber schlicht nicht mehr zur Geschichte; sicherlich ist es schwer hier eine allseits befriedigende Lösung zu präsentieren, aber für mich kam gegen Ende ein Bruch mit der sonst runden Story und ab da holperte es nur noch bis zum letzten Satz anstatt auf eine in sich stimmige Auflösung zuzulaufen. Das hat mich dann doch sehr enttäuscht und hat für mich den Roman etwas kaputtgemacht.

Bewertung vom 24.07.2024
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Frie und Robert sind unzertrennliche Freunde, seit er für die Oberstufe an ihre Schule gekommen ist. Sie teilen Sorgen und Nöte, er in Angst um seine Mutter, sie in Angst vor ihrem tobsüchtigen Vater. Doch was zu Abizeiten gut zusammenpasst, muss sich jetzt im echten Leben bewahrheiten. Hält die Freundschaft dem stand?
Karnick verfolgt die Lebenswege der beiden Protagonisten über mehrere Jahrzehnte, wechselt immer wieder die Erzählperspektive. Dadurch lernt man beide sehr gut kennen, die jeweilige Sicht auf den anderen bzw. auf unterschiedliche Ereignisse; trotz dieses Kniffs konnte ich die Gedanken und Handlungen nicht immer nachvollziehen, manches blieb mir bis zum Schluss unverständlich. Der Stil gefiel mir gut, unaufgeregt und ruhig führt uns die Autorin durch die kleinen und großen Dramen des Lebens. Ab und an plätschert die Handlung dann aber doch zu ruhig über die Seiten. Das Lebensgefühl der jeweiligen Jahrzehnte wird gut wiedergegeben, die Autorin schildert authentisch, egal ob es sich um Roberts chaotische Jungs-WG oder Fries stressigen Staatsexamensmarathon handelt. Die Freundschaft zwischen den beiden Protagonisten entwickelt sich glaubhaft, immer wieder scheint sich die große Liebe anzubahnen, doch nie scheint die Zeit richtig dafür. Der Roman driftet dabei aber nicht ins Kitschige ab, es schwingt höchstens mal ein melancholischer Zug mit. Ich habe den Roman ganz gerne gelesen, konnte aber die Intentionen der Figuren manchmal nicht nachvollziehen und war dann von den Längen etwas ausgebremst.

Bewertung vom 17.07.2024
McDonnell, C. K.

Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4


ausgezeichnet

In Manchester fallen ja oft Regentropfen vom Himmel, doch dass einem ein Student nach meterhohem Flug vor die Füße fällt, das ist dann doch eher ungewöhnlich. Auch wenn Stella von ihrer Arbeit bei der Stranger Times einiges gewöhnt ist, ist dieser Vorfall für die frischgebackene Studentin nicht ohne. Wie gut, dass sie ihre Kollegen an ihrer Seite weis, die ihr bei der Aufklärung der Hintergründe helfen. Knallharte Recherche unter Zuhilfenahme von Grace‘ Keksen, Banecrofts Blunderbuss und nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Detective Sturgess aka Stielauge bringen die Mitglieder der Redaktionsfamilie an ganz neue Grenzen.
McDonnells Humor ist einfach großartig. Er pointiert haarscharf, ohne dabei gekünstelt zu wirken, und man kann beim Lesen oft nicht anders als laut zu lachen. Dieser Witz hat sich auch im nunmehr vierten Band nicht abgenutzt. Ebenso der Cast, denn auch an den Redaktionsmitgliedern lassen sich natürlich immer noch neue Seiten entdecken; Manny trägt beispielsweise neuerdings Hosen. Meistens zumindest. In diesem Band werden einige lose Fäden der vorherigen Teile wieder aufgenommen, man sollte diese also für den vollen Genuss kennen, auch wenn die eigentliche Kernhandlung abgeschlossen ist.
Die Handlung ist actionreich, fantasievoll, oft skurril, aber auf jeden Fall immer höchst unerwartet. Der Autor verbindet bekannte Fantasieelemente mit neuen Ideen, lässt aber gleichzeitig auch ein paar altbekannte Klischees in völlig neuem Licht erscheinen. Natürlich ist der Roman wieder gespickt mit einigen brandneuen Artikeln frisch aus der Druckerpresse, sodass man kein Abo der Stranger Times braucht, um zu wissen, dass Sarahs einfach die besten Leader abgeben. Der lockere Stil, die temporeichen und teils absurden Dialoge tun ihr übriges und so kann man einfach nicht anders als an den Seiten kleben zu bleiben. Ich habe jede Seite genossen, und kann nur hoffen, dass die Wartezeit bis zum nächsten Band nicht zu lange wird. Große, dicke Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.06.2024
Eyssen, Remy

Verräterisches Lavandou / Leon Ritter Bd.10


sehr gut

Die heißen Sommertage bringen in Le Lavandou nicht nur Gutes hervor, denn die Leiche einer jungen Frau kommt ans Tageslicht. Geköpft. Während die Polizei unter dem Druck ihres Chefs Zerna in eine Richtung ermittelt, führen Ungereimtheiten Leon in eine ganz andere Richtung.
Eyssens Krimi verbindet Urlaubsfeeling mit Spannung. Obwohl schon der zehnte Teil der Reihe, lässt sich das Buch gut auch ohne Vorwissen lesen, die wichtigsten Beziehungen werden auch so klar. Der Cast ist weitgehend bekannt, an der ein oder anderen Stelle wirken die Figuren inzwischen etwas aufgewärmt, aber das fand ich zu verschmerzen. Der Fall hat mich dafür dieses Mal wirklich gepackt. Nicht nur ist die Mordmethode ziemlich brutal, sondern man hat durch eingestreute Perspektivwechsel immer mal wieder einen anderen Blick. Spannung wird auch dadurch erzeugt, dass einige Nebenhandlungsstränge eingeflochten werden, von denen lange nicht klar ist, ob und wie sie mit den Mordfällen in Zusammenhang stehen. Der lockere und flüssige Erzählstil des Autors sorgt auch dafür, dass sich das Buch sehr unterhaltsam liest. Fehlen darf es natürlich auch nicht an reichlich Provenceflair, was sich stimmig in die Handlung einfügt und nicht etwa nur abgearbeitet wirkt. Ich mochte diesen Ausflug nach Le Lavandou wirklich gerne, ein gelungener Band der Reihe.

Bewertung vom 05.06.2024
Carter, Chris

Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13


gut

Ein vermeintliches Opfer einer Fahrerflucht landet auf dem Obduktionstisch und kurz darauf die Fallakte auf dem Schreibtisch der UV-Einheit. Denn der Tote starb nicht etwa durch einen Verkehrsunfall, sondern wurde ermordet; die Spuren dabei so geschickt vertuscht, dass ihm nur mit akribischer Sorgfalt auf die Schliche zu kommen war. Hunter und Garcia nehmen die Spurensuche auf, und schon bald wird klar: es könnte noch mehr Opfer geben.
Ich mag die Reihe mit Hunter und Garcia wirklich gerne, doch dieses Mal hat mich Carter nicht so mitgerissen wie sonst. Das Buch liest sich gewohnt süffig, der Fall ist spannend aufgebaut, aber nicht ganz so plastisch wie sonst. Es geht brutal zu, aber die Schilderungen erreichen den Leser nicht richtig. Mitreißend kann Carter eigentlich, aber dieses Mal hat es nicht so gut geklappt. Auch die Interaktion der Hauptfiguren wirkt schon mal hölzern, ohne den gewohnten Witz, alles etwas lau. Die Dialoge sind eher allgemein gehalten, man sollte nicht denken, dass die beiden seit nunmehr 13 Fällen ein gut funktionierendes Team und beste Freunde sind. Der Totenarzt ist insgesamt sicherlich kein schlechtes Buch, aber eben auch kein Highlight aus der Reihe. Die verflixte 13 eben.

Bewertung vom 03.06.2024
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


sehr gut

1850 kommt in Kentucky ein Fohlen zur Welt, das den Rennsport auf den Kopf stellen wird. Der junge Hengst geht als Lexington in die Geschichte ein, stellt mit seiner Kraft Rekorde auf und vererbt dieses Talent an seine unzähligen Nachkommen. An seiner Seite von Geburt an der Sklave Jarret, dessen Schicksal eng mit dem des Hengstes verbunden wird.
Geraldine Brooks widmet diesen Roman dem Ausnahmepferd Lexington, der in nur wenigen Rennen Weltruhm errungen hat. Man merkt zum einen die akribische Recherche zur Thematik, zum anderen die Liebe der Autorin zu Pferden. Trotzdem ist der Roman sicherlich nicht nur für Pferdemädchen interessant, denn er behandelt zudem die Thematik der Sklaverei damals und des Rassismus über die Zeiten. Hier trifft Brooks gerade mit der Handlung von heute einen Nerv; sie schildert einfühlsam, ohne den anklagenden Zeigefinger zu heben, aber sie zeigt auch Missstände und Missverständnisse auf. Ich mochte ihre Art gerne, sie verbindet leichte fiktive Unterhaltung mit ernster Thematik.
Das Zusammenspiel der verschiedenen Zeitebenen ergibt ein stimmiges Ganzes, trotzdem war ich beispielsweise mit den Szenen um Martha Jackson nicht ganz glücklich. Natürlich ist diese Zeitspanne das Bindeglied zwischen Jarret und Jess/Theo; aber es wirkt nicht komplett auserzählt, die Handlung ist eher dürftig, sodass der Eindruck bleibt, dass hier nur Lücken gefüllt wurden. Ich verstehe, warum Brooks gegen Ende noch einen dramatischen Höhepunkt setzt, trotzdem finde ich die Ausführung etwas plakativ und viel zu gewollt. Obwohl mir also das Ende nicht so sehr gefallen hat, fand ich den Roman im Ganzen unterhaltsam und interessant zu lesen.

Bewertung vom 19.05.2024
Brodeur, Adrienne

Treibgut


sehr gut

Die Geschwister Abby und Ken sind nahezu ohne Mutter aufgewachsen, sie starb bei Abbys Geburt. Ihr Vater, Adam, war oft mit sich selbst und seinem Job beschäftigt, sodass die beiden sich selbst genügen mussten. Mit den Jahren haben sie sich entfremdet und in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt: Abby ist Künstlerin, Ken liebäugelt mit einem Posten in der Politik. Adams 70ter Geburtstag zwingt die beiden wieder dazu sich anzunähern, noch bevor die junge Mutter Steph in ihrer aller Leben tritt und es gehörig durcheinander wirbelt.
Brodeurs Familienroman hat mir wirklich gut gefallen, er kommt zuerst ganz harmlos daher, hat es aber wirklich in sich und greift einige kritische Themen auf. Die Autorin hat einen tollen Erzählstil, sie kann die Dynamik innerhalb der Familie ebenso gut einfangen wie die Atmosphäre am Cape. Da Adam jahrzehntelang in der Meeresbiologie geforscht hat, spielt die Natur immer wieder eine tragende Rolle. Auch Abby arbeitet mit Treibgut vom Strand, Ken wiederum ist über die Erosion des Strands besorgt, sodass jedes Familienmitglied eine besondere Beziehung zur Natur hat.
Ken ist ein Narzisst, aber er kann seine negativen Seiten recht gut verbergen. Es ist sehr interessant seine Wirkung auf andere zu verfolgen, gleichzeitig zu sehen wie es in ihm aussieht, oder auch seine Reaktionen im engsten Familienkreis zu beobachten. Eine spannende Figur, wenn auch keine sympathische. Abby ist der Gegenpol, die Kreative, die Erfolglose, aber immer auch die einzige Frau in der Familie; die, die einst am Tod der Mutter Schuld war. Die Figurenzeichnung und deren Beziehungen untereinander waren für mich die größte Stärke des Romans.
Die Entwicklung der Heimlichkeiten und Geheimnisse innerhalb der Familie waren jetzt nicht allzu überraschend. Trotzdem hat Brodeur daraus etwas Eigenes gemacht und einen wirklich unterhaltsamen, aber auch berührenden Roman entworfen. Immer wieder zeichnen sich ihre Szenen bei all dem Drama auch durch einen gewissen Witz aus, sodass der Roman letztendlich nicht zu schwer wird, sondern das Gleichgewicht hält.

Bewertung vom 21.04.2024
Mcdermid, Val

Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7


ausgezeichnet

2020 hält Corona Edinburgh fest im Griff, und auch Karen Pirie und ihr Team sind im Lockdown zum Nichtstun verdammt. Doch da scheinen im Nachlass eines Schriftstellers neue Informationen zum Verschwinden einer Studentin aufzutauchen. Oder handelt es sich doch nur um ein Manuskript, das zufällig Parallelen zum Vermisstenfall aufweist?
Ich habe zwar schon einige Bände aus der Jordan/Hill-Reihe mit Begeisterung gelesen, doch Karen und ihr Team waren für mich neu. Obwohl dieses hier schon Band 7 der Reihe ist, bin ich doch sehr gut reingekommen. Man merkt, dass das Team schon eingespielt ist, doch so manche Figur scheint unter den besonderen Umständen ganz neue Facetten zu zeigen. Es hat Spaß gemacht die Truppe kennen zu lernen; Karen als Teamleader fand ich sehr direkt, sie ist clever und dabei doch einfühlsam. Schon allein wegen ihrer Figur muss ich auch die anderen Bände noch lesen. Die Handlung spielt gekonnt mit der Frage, ob und was genau an der Manuskripthandlung der Wahrheit entspricht, und als Leser rätselt man immer mit. Die fiktive Romanhandlung vom Buch im Buch ist stilistisch tatsächlich anders als die Haupthandlung und hat ihren ganz eigenen Reiz. McDermids Schreibstil hat mir wieder sehr gut gefallen, sie kann Spannung und Tempo ebenso gut transportieren wie auch die Beklemmung der ersten Lockdownwochen. Die Autorin lässt vieles aus dieser Zeit wieder hochkochen: die Angst aller Figuren, die Unsicherheit, ob und was erlaubt ist, aber auch das Unverständnis einzelner für die getroffenen Maßnahmen. Sie schreibt selbst im Nachwort, dass erst eine gewisse Distanz zu dem Erlebten nötig war, um darüber zu schreiben. Wer als Leser noch nicht bereit für dieses Thema ist, sollte diesen Band vielleicht doch noch etwas ausschieben, denn Corona ist zwar nicht Hauptthema, aber immer präsent. Dieser Krimi ist bei allen Dramen vor allem aber sehr spannend und flüssig geschrieben, sodass er wirklich großartig unterhält und Lust auf mehr macht. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 14.04.2024
Miller, C. L.

Der falsche Vogel / Ein Fall für Freya und Tante Carole Bd.1


gut

Einst war Antiquitätenhändler Arthur für Freya wie ein Ziehopa, hat ihr zusammen mit Tante Carole über den Verlust ihrer Eltern hinweggeholfen; bis es zum Bruch kam und er jahrzehntelang aus Freyas Leben verschwunden war. Doch ausgerechnet nach seinem Tod nimmt er wieder Einfluss auf ihr Leben, denn er hinterlässt ihr nicht nur Anteile des Ladens, sondern auch einen Brief voller rätselhafter Hinweise.

Der falsche Vogel ist Millers Debüt, und an einigen Stellen merkt man das auch. Der Erzählstil gefiel mir gut, ebenso die Erzählweise aus unterschiedlichen Perspektiven; Freya wird hier als Hauptcharakter deutlich, da nur sie aus der Ich-Perspektive erzählt. Ich fand sie ganz sympathisch, sie hat aber auch nervige Seiten. Natürlich bohren die Geschehnisse in alten Wunden, trotzdem finde ich, dass nach all der Zeit etwas Abstand möglich gewesen sein müsste. Auch ihr Umgang mit dem Ex-Mann, allgemein die Einstellung, dass sie ja doch schwer arm dran ist, naja… etwas weniger Selbstmitleid hätte den Zweck dann doch auch erfüllt. Ihre Tante Carole wirkt da wie das maßgeschneiderte Gegenstück, sehr viel mehr als diese Rolle erfüllt sie auch nicht. Überhaupt finde ich die Figurengestaltung nicht ganz so gelungen, vieles sind 08/15-Pappkameraden, da hatte ich doch größere Erwartungen. Einzig Arthur ist eine interessante Figur, blöd nur, dass er tot ist ; ) Auch die Handlung wirkt nicht immer ganz ausgegoren, obwohl sie durchaus Spannung zu erzeugen weiß und unterhalten kann. Es fließt einiges an Infos über Antiquitäten und –handel mit in die Handlung ein, das ist wirklich gut gelungen und hat der Story etwas mehr Gehalt verschafft.
Trotzdem hatte ich mir von diesem Cosy Crime deutlich mehr versprochen, der Vergleich mit Ms Marple ist dann doch reichlich übertrieben.

Bewertung vom 01.04.2024
Poissant, David James

Sommerhaus am See


ausgezeichnet

Seit Jahrzehnten fährt die Familie Starling in ihr kleines Sommerhaus am Lake Christopher. Die Kinder sind hier groß geworden, Freundschaften wurden geknüpft, Beziehungen haben sich entwickelt und außerdem wurde natürlich reichlich geangelt. Jetzt soll das Häuschen verkauft werden, doch eine letzte Woche wollen Lydia und Richard mit ihren zwei Kindern und deren Partnern den Ort noch mal so richtig genießen. Doch nicht nur das Häuschen hat einige Risse, sondern durch eine Stresssituation wird offensichtlich, dass auch die Partnerschaften nicht so makellos sind wie zunächst gedacht.
Poissants Erzählstil fand ich ganz großartig. Er schreibt eher unaufgeregt, obwohl die Handlung viel Zündstoff hergibt und mich über weite Teile sehr gefesselt hat. Gefühle und Beziehungsgeflechte werden feinfühlig herausgearbeitet, rührselig ist der Roman bei aller Tragik nie. Die drei Paare haben jeweils eine ganz unterschiedliche Dynamik, was das Zusammenspiel der Figuren sehr interessant macht. Lydia und Richard sind gesetzt, haben den Ruhestand vor Augen, sind seit Jahrzehnten durch dick und dünn gegangen. Michael und Diane haben sich ebenfalls in ihrer Ehe eingerichtet, schweigen die Krisen aber lieber tot als sie offen anzugehen. Thad und Jake haben ebenfalls einen Wendepunkt in ihrer Partnerschaft erreicht. Der Verfall der Beziehungen spiegelt sich subtil auch im Häuschen der Starlings wieder, das Dach leckt, alles ist veraltet, trotzdem fällt die Trennung davon schwer. Ich mochte diese Parallele sehr, überhaupt arbeitet der Autor oft mit kleinen Bildern, die man oft erst gar nicht so bewusst wahrnimmt, die aber trotzdem ihre Wirkung entfalten. Die Handlung bezieht sich hauptsächlich auf die Familie, streift aber auch wichtige allgemeine Themen wie Homophobie, Populismus, Sucht, Religion etc. Das Zusammenspiel gerät gut, auch wenn ich nicht alle Meinungen den Figuren entsprechend stimmig fand.
Sommerhaus am See ist ein toller Roman, der hinter seinem täuschenden sommerromanlastigen Cover eine feinfühlige Handlung versteckt, die große Lust auf weitere Bücher des Autors macht.