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Juti
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Insgesamt 740 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2025
Wahl, Caroline

Windstärke 17


gut

Traumabewältigung

„22 Bahnen“ gab Hoffnung, Hoffnung sich mit Tilda, der Mathematikerin zu identifizieren.
Nun ist die jüngere Schwester Ida die Protagonistin. Und die alkoholabhängige Mutter ist tot. Gestorben an einer Überdosis Medikamente.
Das muss man verraten, weil es eher rückblickend erzählt wird von Ida im inneren Monolog, weil sie es nicht einmal schaffte zur Beerdigung zu gehen. Sie fühlt sich schuldig, vermutlich zu Unrecht, aber als die Mutter starb war sie nicht daheim.

Tilda auch nicht. Längst in Berlin, längst mit Viktor und zwei Kindern, aber immer noch als Retterin zur Stelle.
Ida will ihr eigenes Leben leben, obwohl sie in der Ostsee weit, gefährlich weit rausschwimmt. Sie steht nicht auf der Glücksseite des Lebens, an der Uni Leipzig wird sie nicht genommen. Aber sie kellnert. Und findet ein Zimmer bei Knut und Marianne und mit Leif einen richtig guten Freund.
Dann trifft aber Marianne ein Schicksalsschlag und Ida wird gebraucht.

Nach wie vor stört mich die Art ihrer Dialog, auch wenn jetzt in kurzen Ansätzen Besserungen zu erkennen sind. Ich gebe zu, dass ich mit Ida nicht wirklich mitfiebern konnte und mich aufs Ende gefreut habe. Deswegen kann ich nicht mehr als 3 Sterne verantworten. Ich bin aber überzeugt, dass Wahls nächstes Buch wieder besser wird.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.05.2025
Schnitzler, Arthur

Casanovas Heimfahrt (Großdruck)


gut

flotte Novelle

300 Jahre wäre er dieses Jahr geworden, der Frauenheld. Anlass der Uni Heidelberg für eine Ringvorlesung und gestern ein langweiliger Vortrag über Arthur Schnitzler.

Neu für mich, dass Schnitzler auch ein zweites Werk, ein Drama über Casanova schrieb: „Die Schwestern oder Casanova in Spa“ und Anlass für mich noch einmal „Casanovas Heimfahrt“ zu lesen.
Was die Professorin an interessanten Vergleichen gefunden hat, konnte ich nicht wiederentdecken. Aber doch so manches aus seinen Erinnerungen kam mir bekannt vor.

Und während es richtige Casanovaforscher gibt, die in seinem Werk Dichtung und Wahrheit auseinanderklamüsern, schreibt Schnitzlers selbst, dass seine Handlung frei erfunden ist:
Der alte Casanova will nach Venedig heimkehren, wird aber von seinem alten Arzt Olivo in Mantua entdeckt und zu seinem Anwesen geführt. Während seine Ehefrau Amalia am liebsten mit Casanova gleich losknattern will, egal was der Ehemann denkt, steht letztere mehr auf die junge Mathematikerin Marcelina, die ihm aber einen Korb gibt. Dass die Familie noch drei Töchter hat, dreizehn zehn und acht, wird ihn auch heiß gemacht haben. Und in der Tat wird die älteste kurz vor dem Abendessen einmal vernascht, für Casanova ist es auch kein Problem wenn er der Vater wäre.

In Wahrheit dreht sich sein Begehren aber um die unerreichbare Marcelina, die noch zudem mit einem anderen Jüngling das Bett teilt. Casanova wäre nicht Casanova, wenn er nicht trotzdem an sein Ziel kommt.

Der Ruf, den sich Casanova durch seine Memoiren selbst geschaffen hat, wird hier satirisch gespiegelt. Da ich nicht alle Bezüge erkannt habe und den Mehrwert für begrenzt halte, kann ich dieser flotten Novelle nicht mehr als 3 Sterne geben.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.05.2025
Carrère, Emmanuel

Ich lebe und ihr seid tot


schlecht

schwieriges Buch

Meine Motivation für dieses Buch war, dass ich Carrère als erzählenden Sachbuchautor schätze. Seine Bücher „Das Reich Gottes“ und auch „V13“ habe ich sehr gerne gelesen. Dieses Buch jedoch ist eine Biografie über Philip Dick, den ich weder kenne noch bin ich ein Fan von Science-Fiction Literatur.

Als das Buch im literarischen Quartett besprochen wurde, gab es ein großes Chaos der Uneinigkeit. Mag ja sein, dass in diesem Werk von 1993, also über 30 Jahre alt, schon die Sinnsuche Carrères angelegt ist, aber dann lese ich doch lieber Reich Gottes. Mag auch sein, dass es für dieses Buch egal ist, ob Philip Dick je gelebt hat, aber dann muss ich dieses Buch nicht lesen.

Und so bin ich auf Seite 36 des klein und dicht beschriebenen Lesestoffs zu dem Ergebnis gekommen, dass es für mich besser ist, es beiseitezu­legen. Auf S.22 hatte ich mir noch notiert, dass Dick wegen einer Panikattacke nicht studieren konnte. Ein seltsames Leben, von dem ich kaum etwas erfahren werde. 1 Stern

Abschließend bemerke ich, dass ich es bedauere, dass Verlage lieber alte Kamelle alter Autoren publizieren als mit neuen Gesichter Neues zu wagen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.05.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


sehr gut

alternativer Heimatroman

Das Schicksal wollte es , dass ich nach der Gewinnerin der Frankfurter Buchmesse nun direkt die Gewinnerin der Leipziger Buchmesse gelesen habe und dazwischen liegen Welten.

Gleich die erste Textseite zog mich in den Bann. Das Kleinkind Linn will alleine die Stufen hochsteigen, keinesfalls hochgetragen werden. Und dann folgt unmittelbar die Nachricht von Linns Schwächeanfall bei einem Vortrag in einem Hotel.

Beides erzählt die Mutter, deren Gedanken wir in diesem Roman sehr gut nachvollziehen können. Wir erleben, wie der Vortrag im Hotel sich weniger als Firmenfortbildung, sondern mehr als Protest gegen unsinnige Zertifizierung unsinniger Umweltfreundlichkeit erweist. Diese Botschaft klingt nach, auch nach Ende des Buches.

Wir erleben ferner, wie junge Menschen neue Nachbarn im Dorf werden, die das Prinzip der Nachhaltigkeit verwirklichen. Wir erfahren vom plötzlichen Tod von Linns Vater, der Einsamkeit der Mutter und ihr Ausgleich mit der vorherigen Nachbarin.
Alles hat Hand und Fuß, die Geschichte mit der Versicherung wirkt am meisten konstruiert, aber ich spoiler nicht.


Leider lebt das Buch etwas aus der Spannung, die daraus entsteht, dass Linn ihre Mutter nicht alles erzählt, obwohl niemals von etwaigen Spannungen zwischen Mutter und Tochter die Rede ist. Eigentlich hätte Linn ihre Mutter schon im Krankenhaus von ihre Motivation ihres Vortags erzählen müssen, die Mutter wäre einverstanden gewesen. Dann aber wäre das ganze Buch hinfällig. Also 4 Sterne.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.05.2025
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


schlecht

Buchpreis für Grundschulniveau

Wenn ich nicht die Bewertungen meiner Vorhergehenden gelesenen hätte, würde ich ja an meinem Literaturverständnis zweifeln. Von den sechs Büchern der Shortlist habe ich jetzt vier gelesen, nur Othmann „Vierundsiebzig“ hat mich überzeugt. Maren Kames „Hasenprosa“ und Clemens Meyer „Die Projektoren“ haben mir missfallen und auch dieser Siegertitel kann wirklich nicht überzeugen. Ich fordere den Videobeweis für Literatur, so viele kritische Bewertungen können doch nicht irren.

Übrigens auf der Longlist haben mir einige Bücher gut bis sehr gut gefallen: Nora Bossong „Reichskanzlerplatz“, Zora del Buono „Seinetwegen“,Michael Köhlmeier „Das Philosophenschiff“, Daniela Krien „Mein drittes Leben“ und Stefanie Sargnagel „Iowa“.

Als das Buch von del Buono im literarischen Quartett besprochen wurde, fragte Thea Dorn, ob die Beschreibung der Schweizer Stadt Glarus noch Literatur sei. Immerhin lernt die Leserin etwas.
Bei Hefter klingt der kluge Teil so: „Sternbilder waren eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Mythologie. Sie zeigen die rührende Phantasie der Menschen genauso wie ihr enormes Wissen. Man nutzte die Sternbilder zur Navigation und erforschte ihre einzelnen Sterne, manche waren noch ganz jung, manche uralt.“ (33) Wenn ich jetzt sage, dass dieses Grundschulniveau der Astronomie ein Höhepunkt des Buches war, wird jeder verstehen, dass es mir missfallen hat.

Peter Handke hat einmal die Startaufstellung des 1.FC Nürnberg in sein Buch aufgenommen, Literatur ist also alles Schriftliche. Aber sind Chats lesenswert und fast die Hälfte des Buches besteht daraus. Erst erhöhe ich das Lesetempo.
Als ich aber auf Seite 61 folgendes gelesen habe, dachte ich es wird Zeit die Segel zu streichen:
„Ich rauch Gras, das entspannt.
Du solltest auch Gras rauchen.“

Bis zum Ende des Kapitels auf S.63 habe ich noch durchgehalten, weiter nicht. 1 Stern.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.05.2025
Haas, Wolf

Wackelkontakt


sehr gut

beste Idee, aber das Ende ist kitschig

Im gesamten ersten Teil hat das Buch einen sprachlichen Witz, den ich nur bewundern kann. Am besten gefiel mir auf S.99, dass man im Deutschen nicht „O, mein Gott!“ sagt. Es sei eine Mischung aus „O Gott!“ und „Mein Gott!“ Beides habe aber eine unterschiedliche Bedeutung. Mir fällt da aber ein Witz über die Länge von Latten ein, den der Autor diesmal nicht erwähnt hat.

Die Struktur des Buches ist absolut gelungen. Franz Escher, der an den niederländischen Grafiker erinnert wartet auf einen Elektriker. Und wenn du dieses Buch liest, dann werde niemals Elektriker! Escher schaltet, während der Elektriker arbeitet die Sicherung wieder ein und tötet ihn so. Die Polizei untersucht den Fall nur beiläufig, denn er hatte zu Hause Probleme mit seiner Tochter.

Die Geschichte, die Escher in seinem Buch liest handelt von einem Italiener, der als Kronzeuge gegen die Mafia aussagt und nach seiner Haftstrafe ein neues Leben anfängt in einer Stadt mit ui, das wie ü gesprochen wird (was ich sehr schön finde, denn nun ist der Name klar).

Als in dieser Stadt am Rhein sechs Männer von der Mafia ermordet werden, zieht er weiter nach Berlin, das nur die größte Stadt heißt. Dort lernt er seine Frau Gabi kennen und zeugt mit ihr die Tochter Ala. Als sie älter wird, will sie einen Doppelnamen haben und der Vater sagt ihr, sie hieße noch rmanlange, weil ihre Eltern sich beim Ausbau der Alarmanlage vom Auto der Mutter kennengelernt haben.

Der erste Teil, die ersten 135 Seiten sind spitze. Der zweite Teil, in dem die Geschichten verbunden werden, gleitet leider ins Satirische ab. Ohne zu spoliern, halte ich die Sache mit den 3 Millionen auf dem Bankkonto für unpassend und das Ende ist ganz kitschig. Und das obwohl Haas bei Scheck gesagt hat, dass er keinen Kitsch mag. Er kann auch schlecht etwas anderes sagen.


Der nicht überzeugende Schluss hat leider verhindert, dass ich dieses Buch ein absolutes Meisterwerk nennen kann. So „nur“ 4 Sterne.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2025
Graf, Bernhard

Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Bayern


ausgezeichnet

Die einzige Biografie des Glücksschweins

Schon seltsam, dass neben dem Wittelsbacher der Landesherr von Oberösterreich sich bei Carl Theodor für das Innviertel bedankt.
Für Carl Theodor mietete die mütterliche Verwandtschaft in Drogenbusch bei Brüssel eine Sommerresidenz und im Winter in Brüssel, das waren die Orte, wo er aufwuchs. Seine Mutter starb bei der Geburt der Schwester, als er 4 war, die Großmutter längst tot, also wuchs Carl Theodor bei der Urgroßmutter auf, die bei seiner Geburt gerade 53 Jahre alt war. Von ihr erbte er sein erstes Land: Markgraf von Bergen op Zoom

Doch das Erben ging munter weiter: 1732 starb der Großvater, 1733 der Vater in Sulzbach, er wurde Herzog von Pfalz-Sulzbach. Mehr war von Eltern nicht zu holen. Er musste heiraten.
Wie gut, dass es in der Linie Pfalz-Neuburg an männlichen Erben fehlte. Der Kurfürst Carl Philipp überlebte seinen Sohn, der aber nur drei Töchter hatte. Und so wurde die älteste Elisabeth Auguste zu seiner Gattin auserkoren. Der Nachteil für ihn: Er musste Brüssel und die geliebte Urgroßmutter verlassen, an den pfälzischen Hof ziehen und die Wutausbrüche seiner zukünftigen ertragen.

Der Vorteil: Passend zu seiner Volljährigkeit starb Carl Philipp 1742 und Carl Theodor Herrschte nun als Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Pfalz-Neuburg, Herzog von Berg und Herzog von Jülich. Wir müssen Ravenstein auslassen, was im Buch auch nicht erwähnt wird, weil er sonst mit dem Erbe Bayern nicht Herr über sieben, sondern Herr über 8 Länder geworden wäre.

Wer so viele Länder besitzt, der weiß ja gar nicht wo er sich niederlassen soll. Die Lösung ist eine Reise. Im September 1746 kommt er nach Düsseldorf und hier wäre ihm tatsächlich die Decke auf dem Kopf gefallen, wenn er nicht 31.8. 1747 gerade im Ballhaus gewesen wäre. (54) Wie marode das Stadtschloss war, erzählt dir in Düsseldorf keiner und Schloss Benrath musste Carl Theodor auch erst wieder neu bauen lassen. Also verlässt er die Residenzstadt im September 1747 wieder in Richtung Mannheim.

Jetzt wo die Residenzstadt feststeht, kann er auch die Sommerresidenz in Schwetzingen ausbauen. 1766 kauft er eine Figurengruppe des Dichters und Sängers Arion von Lesbos von B. Guibal aus dem Nachlass des polnischen Königs. (71) Ein Jahr später wollte Casanova den Kurfürsten besuchen, im Schloss ist er wohl gewesen, eine Audienz bekam er nicht.(76) Aber darüber schweigt der Angeber natürlich in seinen Memoiren.

Nicolas de Pigage ist der Name, den man sich in Schwetzingen merken muss. Er schuf dort auch „Das Ende der Welt“. Es ist aber nur profan der Zusammenfluss von Neckar und Rhein. (82) Goethe erweckte diese Idylle Arkadiens zu Mignons Lied.

Seine Ehe war nie die beste. Trotzdem sollte 1761 ein Thronfolger geboren werden, der aber im Geburtskanal stecken blieb und dann von der Zange getötet wurde. So genau wollen wir es auch gar nicht wissen, jedenfalls entzog Carl Theodor der Gattin 1770 die Aufsicht über die Sommerfest­spiele. Dafür schuf er sich einen Geheimen Garten. Sein Angestellter Sckell fasst die Prinzipien zusammen: „Die gesamte Gartenbaukunst ist auf drei Hauptregeln zu reduzieren:
Schaffung von Kontrasten, Bildung von Überraschungen [und] Verschleierung der Grenzen.“ (86)

1766 wurde Carl Theodor in Heidelberg berühmt. Ihm war das Riesenfass zu klein, er ließ ein größeres bauen. Zur Silberhochzeit sollte es fertig sein, doch die Arbeit der Küfer war so schlecht, dass dort nur Luft lagert.

Im November 1774 reiste Carl Theodor gen Italien, um sich von einer Krankheit zu erholen, inkognito als „Graf von Veldenz“.

1777 endete die Herrlichkeit. Carl Theodor erbt Bayern, sein 7. Land. Er hatte sich vorher beschwatzen lassen, seine Residenz nun auch dorthin zu verlegen. Das klingt heute plausibel. Wer aber bedenkt, dass seine Sommerresidenz nun Landshut heißt, hört in einem Wort, wie viel er im Vergleich zu Schwetzingen verloren hat.

Die Bayern werfen ihm vor, er hätte Bayern gegen seine Heimat die österreichischen Niederlande getauscht, die Pfälzer, dass er seine ganze Kunst nach München brachte. Mannheim litt sehr. Die Einwohnerzahl sank von etwa 25.000 (1773) auf 22.500 (1786), während München rund 40.000 (1782) Einwohner hatte. (156)

Nicht immer war Carl Theodor gesund. 1781 hatte er zwei Schlaganfälle und sein Hofarzt von Harrer war ständig besoffen. Kein Wunder, er kam aus Heidelberg. (163)

Doch auch in München schuf CT Gärten wie C.L. Hirschfeld in seiner „Theorie der Gartenkunst“ schrieb, sogar den ersten Volksgarten auf dem Kontinent.(189) Und die chinesische Pagode war so brandneu, dass sich Sckell nicht darüber freute. Auch in Düsseldorf wurde der Hofgarten öffentlich und mit Figuren ausgestattet. (190)

1799 nach zweiter misslungener Ehe endete auch sein Leben. Sein Grab befindet sich in der Hof- und Theatinerkirche in der Gruft der Wittelsbacher. Die linke Seite des Rheins war längst von den Franzosen besetzt.

Obwohl die Glücksschweinanekdote fehlt, gibt es von mir volle 5 Sterne. (gekürzt)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2025
Niehr, Klaus;Tauss, Susanne

Wildnis und Paradies


ausgezeichnet

Großformatiges Prachtwerk

DIN A4 ist für ein Buch schon ziemlich groß. Aber so wirken die vielen Bilder besonders eindrucksvoll. Und es ist auch eine Biografie der Sophie von der Pfalz.

Als Tochter des „Winterkönigs“ verbrachte sie ihre Jugend in den Niederlanden, wie im Buch steht getrennt von den Eltern. Erst nach dem Westfälischen Frieden konnte sie das Heidelberger Schloss sehen und bewohnen, bevor sie Ernst August heiratete und nach Hannover ziehen musste.

Da ihr Mann nur Prinz war, zogen sie nach Bad Iburg und dann nach Osnabrück, wo sie mit dem Stadtschloss ihr erstes eigenes Haus baute.

Als der Schwager starb, musste sie mit ihrem Mann ins veraltete Leineschloss nach Hannover ziehen, um die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Im Spätsommer 1679 hatte ihre Nichte Liselotte sie auf Schloss Fontainebleau, Saint-Cloud, Versailles und ins Zisterzienserkloster Maubisson eingeladen. (122) Dort konnte sie Gartenkunst auf der Höhe der Zeit studieren.

Erst mit der Sommerresidenz in Herrenhausen konnte sie ihre Gartenträume selbst verwirklichen, der nach ihren Angaben angeblich nur 6.000 Taler im Jahr kostete.(157) Dank Leibniz´ Quellenanalyse konnte ihr Sohn sogar den englischen Thron übernehmen. (162)

Das alles klingt plausibel, es sind Kleinigkeiten, die stören. Was hat Heidelberg mit dem Holländischen Krieg zu tun? (29) Und als Reiseführer ist der Band leider zu schwer. Dennoch 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2025
Bredekamp, Horst

Leibniz und die Revolution der Gartenkunst


ausgezeichnet

Die Leistungen des Universalgenies

Noch heute wird an Leibniz im Georgengarten in Hannover ein Tempel gewidmet. Dabei hätte er einen Einzug in den Großen Garten verdient.

Vor allem um die Wasserkunst hat er sich verdient gemacht. Mit Hilfe eines Kanals wollte er den Wasserdruck aus der Leine erhöhen, damit die Fontaine aus Versailles in Herrenhausen überboten werden konnte. Doch durchsetzen konnte er sich nicht. Auch die Braunschweiger Herzöge sollten überboten werden. Ob das gelungen ist, bleibt Makulatur: Der Garten in Salzdahlum ist untergegangen, Herrenhausen nicht.

Heutzutage halten wir einen Barockgarten für wenig natürlich. Damals entwickelte aber Leibniz mit unserer Sophie von der Pfalz das Prinzip der Unterscheidbarkeit aller Dinge: Kein Blatt gleicht dem anderen, insofern ist auch die Symmetrie begrenzt. Durch das Prinzip der unendlichen Einschachtelung sah Leibniz im Barockgarten verwirklicht, was erst im Englischen Garten für jeden sichtbar wurde: die Freiheit des Individuellen. (76f)

Weiter für das Verständnis der Gartenkunst ist sein Elementeschema von 1666.
Lange beschäftigte Leibniz sich mit den Sichtachsen und deren Südende, das frühere in Feldern und einem Wald endete. Heute braucht Hannover mehr Platz. Und das, was heute der Berggarten ist, war damals ein Maulbeerbaumhain zur Seidenproduktion.

Leibniz wusste von den italienischen Gärten in Tivoli, an die noch heute erinnern und in Frascati.
Auch der englische Landschaftsgarten von Stourhead ähnelt dem Georgengarten mit dem Leibniztempel sehr.

Wer dieses Buch gelesenen hat, geht durch Herrenhausen mit anderen Augen. Doch will ich nicht den Ausflug in die Geometrie vergessen, den ich nicht erwähnt habe, der aber Kennern das Herz höher schlagen lassen wird. Also 5 Sterne.

Bewertung vom 29.04.2025
Lemke, Dietrich;Henning, Thomas

Astronomische Streifzüge durch Heidelberg


sehr gut

Historisch und Lokal

Einerseits finde ich es schön, dass der Autor zunächst einen historischen Überblick gibt. So wird auch Christian Mayer erwähnt, der anhand der 12 km langen Kurpfalzachse zwischen Heidelberg und Schwetzingen die Kurpfalz vermessen hat. Er befürwortete auch eine moderne Sternwarte, die auf seinen Wunsch hin aber neben dem Schloss in Mannheim gebaut wurde.

Ganz zu Anfang fand die Sternenbeobachtung im Universitätsgarten neben der Peterskirche in Heidelberg statt, dann zog sie nach Mannheim, dann baute Max Wolf bei seinem Wohnhaus Märzgasse 26 eine private, dann wanderte sie zum Königstuhl.

Lemkes Rundgang legt einen Schwerpunkt auf Bunsen und Kirchhoff und die Entdeckung der Spektralanalyse. Dank Heidelberger Forschung können auch extrasolare Planeten gesichtet werden, zum Beispiel am Proxima Centauri, dem nächstgelegenen Stern.

Alles Chemische habe ich nicht verstanden. Alles ist auch nicht mehr zu sehen, wie das Wohnhaus des Verlegers Gotthard Vögelin im Jesuitenviertel. Er publizierte 1609 Keplers Buch zur Himmelsmechanik mit 2 neuen Thesen: 1. Die Planeten bewegen sich in Ellipsenbahnen um die Sonne, die in einem Brennpunkt steht. 2. Die Umlaufbahngeschwindigkeit ist veränderlich… (84)

Da ich die Exkursionen im Umland nicht machen konnte, seien sie hier nur kurz erwähnt:
1. Königsstuhl mit a) 1898 eröffnete Landessternwarte b) 1969 Max Planck Institut für Astronomie c) 2011 Haus der Astronomie
2. Carl Bosch Museum mit Klaus Tschira Stiftung und HITS (Heidelberger Institut für theoretische Studien)
3. Bergfriedhof mit den Gräbern aller berühmter Heidelberger Astronomen
4. Kirchhoff-Institut für Physik: Im Neuenheimer Feld 227 mit Dauerausstellung im 2.OG mit Foucaltschen Pendel
5. Mannheimer Sternwarte 1775 von Christian Mayer angeregt
6. Schwetzinger Sternwarte auf dem Dach des Schlosses, heute noch Plattform von 1764 zu sehen
7. Hardheim: Im Erfatal-Museum erinnert eine Dauerausstellung an den Raumfahrtpionier Walter Hohmann.
8. Speyer: Technik-Museum

Wer sowohl historisch als auch biografisch als auch geografisch vorgeht, der kann Wiederholungen kaum vermeiden. Deswegen gibt es für mich „nur“ 4 Sterne für dieses schöne Bändchen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.