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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 523 Bewertungen
Bewertung vom 27.03.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen (eBook, ePUB)
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Geht unter die Haut

„Wusstest du, dass Wellen, ganz unabhängig vom Wetter, im immer gleichen Rhythmus an Land schlagen? Das ist fast wie unsere Atemzüge, wenn wir schlafen.“

Schon Trude Teiges großartiges Buch „Als Großmutter im Regen tanzte“ hat mich vollauf begeistert, es hat mich tief berührt und noch heute, nach mehr als einem Jahr, ist es so, als ob ich es gerade weggelegt hätte. Und nun, nachdem ich Konrad nach Java in die Zeit des Zweiten Weltkrieges begleitet habe, direkt hinein in die Gefangenschaft, bin ich wiederum sehr bewegt und ob der menschlichen Grausamkeiten erschüttert. Auch dieser Nachfolgeband „Und Großvater atmete mit den Wellen“ geht unter die Haut, er erzählt von dem jungen Konrad, dessen Handelsschiff von einem U-Boot attackiert und versenkt wurde. Nicht viele haben überlebt, Konrad und ein verletzter Kamerad können sich auf ein Beiboot retten. Nach neunzehn Tagen auf hoher See werden sie gerettet und in ein Krankenhaus auf Java gebracht. Dort lernt Konrad die junge Krankenschwester Sigrid kennen und lieben. Bald kommen sie beide getrennt voneinander in japanische Gefangenschaft.

Die Japaner hatten Java besetzt und auch hier kämpfen die Lagerinsassen um das tägliche Überleben. Wir kennen diese Zeit aus unserer Geschichte nur zu gut. Auch die Japaner kannten kein pardon, ihre Gefangenenlager waren geprägt von Gewalt und Hunger, die Grausamkeiten und ihre Gräueltaten haben viele nicht überlebt. Trude Teige beschreibt die Zeit sehr eindringlich aus Sicht von Sigrid und Konrad und den Menschen um sie herum. Ihre Not war mit Händen greifbar, nicht nur einmal wurde mir beim Lesen das Herz schwer, nicht immer konnte ich die Tränen zurückhalten. Die beiden verlieren sich aus den Augen, treffen irgendwann dann doch wieder aufeinander, sie hoffen so sehr auf ein Leben danach, auf ein Leben in Freiheit und Frieden. Kann ihnen die Hoffnung auf dieses so ersehnte Leben die Kraft geben, durchzuhalten?

Die Geschichte von Konrad und Sigrid ist fiktiv, sie basiert jedoch auf wahren, auf dokumentierten Begebenheiten. Die Autorin hat mir ein Stück Kriegsgeschichte über die japanisch besetzte indonesische Insel Java nähergebracht. Sehr anschaulich spricht sie über eine tragische Zeit, die nicht vergessen werden darf. In keinem Land, niemals sollten sich diese unmenschlichen Gräueltaten wiederholen. Die Wirklichkeit spricht jedoch eine andere Sprache.

Nun weiß ich auch um das Schicksal des Großvaters und wie die beiden Großeltern zusammengefunden haben, ihre Enkeltochter Juni ist die Erzählerin. Auch dieses zweite Buch, Großvaters Geschichte, werde ich nicht vergessen. Auch dies ein Buch, das man lesen sollte.

Bewertung vom 25.03.2024
Das Verbot: Thriller
Shepherd, Catherine

Das Verbot: Thriller


ausgezeichnet

Ein verboten guter Thriller

Wer Catherine Shepherds Zons-Thriller kennt, der weiß um die zwei Zeitebenen und die beiden Ermittler. In der Gegenwart ist dies Oliver Bergmann, seines Zeichens Kriminalkommissar und vor fünfhundert Jahren dann ist (war) es der Stadtsoldat Bastian Mühlenberg. Die beiden waren und sind für die Sicherheit in Zons zuständig. Beide Zeitstränge knistern vor Spannung, in beiden Zeiten gilt es, Verbrechen aufzuklären. Was es mit diesem „Verbot“ auf sich hat, bleibt lange im Unklaren. Ein uraltes Geheimnis zieht sich über die Jahrhunderte hinweg, die Erklärung dessen ist letztendlich in sich schlüssig, es braucht jedoch eine ganze Weile, bis sich dieses gut gehütete „Verbot“ offenbart.

Den Ort des Geschehens kann man sich anhand des Planes von Zons auf der Cover-Innenseite gut vorstellen. Dieser ist zur besseren Orientierung gerade anfangs sehr hilfreich.

Was geschieht da? Schon der Prolog lässt mich schaudern, mein Kopfkino springt unweigerlich an, um dann gleich in die Vergangenheit abzugleiten. Bastian wird ins Kloster gerufen, Bruder Gregor liegt in einer seltsamen Pose direkt vor dem Klostertor. An der Spitze des Pfeils, der sein Herz durchbohrt hat, findet Bastian ein Pergament mit einer auf Latein verfassten Botschaft. Diese deutet auf das Vermächtnis schweigender Mönche hin – ein noch ganz und gar kryptisches Schriftstück.

Auch Oliver muss sich in der Gegenwart mit einem rätselhaften Mordfall beschäftigen, wird doch eine allseits beliebte Psychologin tot aufgefunden. Wie sich bald herausstellt, ist der Auffindeort nicht der Tatort, sie wurde nach ihrem Tod auf eine ganz bestimmte Art in ihrer Praxis abgelegt – was will der Täter damit sagen? Es bleibt nicht bei dem einen Mord, sowohl Oliver Bergmann als auch Jahrhunderte zuvor Bastian Mühlenberg haben es – so wie es den Anschein hat - mit einem Serientäter zu tun.

Ich gestehe, ich bin süchtig nach Catherine Shepherds Zons-Thrillern und dieser hier, der mittlerweile 14. dieser Reihe, ist so gut geschrieben, dass ich ihn am Stück verschlungen habe. Oliver und Bastian sind mir wohl vertraut, von beiden blitzt auch ein wenig Privatleben durch, wobei ich (sorry Oliver) Bastian total verfallen bin. Ich hoffe sehr, dass ich noch ganz viel von dem Stadtsoldaten und natürlich auch von Oliver lesen werde.

„Das Verbot“ steckt voller überraschender Wendungen, die Handlung in beiden Zeitebenen ist meisterlich durchdacht, auch sind die Parallelen vom Gestern zum Heute durchaus schlüssig, sie ziehen sich durch die beiden Erzählstränge. Die Ausgangssituation, der Hinweis auf dieses ominöse Vermächtnis der schweigenden Mönche, passt sich perfekt der Story an – besser könnte man es nicht wiedergeben. Und nicht zuletzt hat es das fulminante Finale nochmal in sich. Ein wiederum durchweg fesselnder, erstklassiger Thriller ist ausgelesen, ich hoffe bald auf den nächsten Zons-Thriller.

Bewertung vom 20.03.2024
Der blaue Salamander (eBook, ePUB)
Ventura, Luca

Der blaue Salamander (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Stimmungsvoller Capri-Krimi

Die Inselpolizisten Enrico Rizzi und Antonia Cirillo ermitteln in ihrem nunmehr fünften Fall in einer gar unheiligen Angelegenheit. In der Kirche, im Beichtstuhl, wird die Leiche der Modedesignerin Rosalinda Fervidi gefunden. Ausgerechnet Salvatore, der Straßenkehrer, findet sie und bald steht für die neapolitanische Polizei, die hier federführend agiert, Salvatore als Täter fest.

Aber worum geht es hier wirklich? Warum wurde Rosalinda ermordet? Rizzi und Cirillo ermitteln weiter, denn sie glauben nicht so recht an Salvatores Schuld. Bald führt eine Spur zu der exzentrischen Signora de Lulla, die Rosalinda öfter besucht hat. Natürlich hat die Signora ihr auch von ihrer Kostbarkeit, ihrer Handtasche, die in allen Farben des Meeres schimmert, nicht nur erzählt, sie hat diese Rarität auch in Natura sehen dürfen. Als Designerin von Lederartikeln war Rosalinda sehr interessiert, zumal diese „Blaue Salamander“ nur einmal existieren soll und Signora de Lulla gedenkt, diese mit ins Grab zu nehmen. Als später dann die Tasche nicht mehr auffindbar ist, ist die Aufregung verständlicherweise groß.

Luca Ventura nimmt mich mit auf eine Insel voller Erinnerungen. Schon das Cover ist ein Traum. Ein Traum von Capri, der italienischen Felseninsel im Golf von Neapel. Das Flair der Insel ist so gut eingefangen, sodass ich am liebsten sofort aufbrechen möchte. Neapel, Sorrento und endlich wieder Capri sehen und lange bleiben. Und so genieße ich wenigstens seinen fünften Capri-Krimi, der in sich abgeschlossen ist, er somit ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Es sei denn, man will von Rizzi und Cirillo von Anfang an alles mitbekommen – lohnen würde es sich auf jeden Fall.

Rizzi und Cirillo könnten unterschiedlicher nicht sein und doch harmonieren sie, wenn es drauf ankommt, ganz gut. Neben den vielschichtigen Ermittlungen blitzt immer wieder Privates durch. Nicht zu viel, aber doch genug, um sie in ihrer Gänze charakterisieren zu können. Die Story ist gut durchdacht, die vielen losen, weit verzweigten Versatzstücke fügen sich dank der beiden Inselpolizisten, die nicht locker lassen, letztendlich doch zusammen.

Luca Ventura hat mich mit seinem Capri-Krimi in jeglicher Hinsicht überzeugt. Sein einnehmender Schreibstil ist sowohl spannend als auch locker, er lädt ein zum Miträtseln und verbreitet so ganz nebenbei eine Wohlfühl-Atmosphäre. Man spürt beim Lesen direkt die Sonne auf der Haut, möchte in einen saftigen Pfirsich beißen, den Rizzi höchstpersönlich kurz vorher gepflückt hat und natürlich den ein oder anderen Caffè genießen.

Bewertung vom 19.03.2024
Der heimliche Beobachter
Unger, Lisa

Der heimliche Beobachter


sehr gut

Am Anfang war ein exquisites Wochenende

Mako ist Gründer einer wachsenden Gaming-Firma und Entwickler des erfolgreichen Spiels „Red World“. Er lädt zu einem Wellness-Wochenende in ein abgelegenes Cottage mit Privatkoch und allen nur erdenklichen Annehmlichkeiten. Neben seiner Frau Liza will er seine Schwester Hannah mit Bruce, ihrem Ehemann, sowie Hannahs beste Freundin Cricket samt momentanem Freund verwöhnen. Die Location ist gebucht und je näher der Termin rückt, desto unruhiger wird Hanna. Sie weiß sehr wohl, dass ihre kleine Tochter bei Bruce Mutter Lulu bestens aufgehoben ist und doch mag sie nicht loslassen. Schweren Herzens fahren sie und Bruce dann doch los, es ist ja nur ein Wochenende.

Vorher – an Weihnachten – trifft sich die ganze Familie bei Hannah und Makos Eltern. Die Geschenke sind verteilt und da – liegt noch ein Päckchen unterm Baum. Wer hat es hingelegt? Keiner von ihnen war es, keiner weiß davon.

„Elegant Overlook“ nennt sich das luxuriöse Cottage, das Platz für sechs Personen bietet. Es ist auf einer Lichtung gelegen, umgeben von viel Wald, der nächste Ort ist etwa dreißig Kilometer entfernt. Eigentümer und Betreiber dieses und ähnlicher Häuser ist Bracken Jameison. Der angeheuerte Koch empfängt sie mit exquisiten Speisen und schaurigen Geschichten. Aber nicht nur er mutet seltsam an, auch Bracken ist nicht zu durchschauen. Noch ist es die Ruhe vor dem Sturm – im eigentlichen und im übertragenen Sinne. Denn nicht nur sie alle verhalten sich mehr oder weniger merkwürdig, auch die Location scheint es zu sein.

Daneben und dazwischen erzählt die Autorin von dem kleinen Henry, von seiner Mutter und von ihm als Erwachsener. Lange bleibt unklar, wie er und sein Leben in diese Geschichte passen. Auch spielt Trina eine Rolle, auch sie ist nicht so recht zuzuordnen. Und immer mal wieder liegt der Focus auf Bracken. Gut, er hat als Vermieter dafür Sorge zu tragen, dass es seinen Gästen an nichts fehlt und doch scheint er übereifrig zu sein.

Es sind ganz und gar unterschiedliche Charaktere, die hier zusammentreffen, ja aufeinanderprallen. Jeden einzelnen kann ich mir gut vorstellen, mit keinem möchte ich näher zu tun haben. Jeder scheint Geheimnisse zu haben, die Stimmung ist zunehmend angespannt. Man spürt und erwartet förmlich, dass unter jedem Stein, hinter jedem Baum, in jedem Raum Gefahr drohen könnte. Der Wechsel zwischen dem Gestern mit Henrys Geschichte und dem Heute im Cottage erhöht die Spannung zusätzlich und trägt zu noch mehr Verwirrung bei, genau so Trina. Die Frage drängt sich immer wieder zwischendurch auf, wer denn dieser „heimliche Beobachter“ sein könnte und warum diese Heimlichkeiten sein müssen. Nicht nur einen habe ich während des Lesens in Verdacht, die Auflösung diesbezüglich war letztendlich dann doch zu erahnen.

Der ganze Thriller ist spannend und lange ziemlich undurchschaubar. Was haben sie alle miteinander zu tun? Gibt es eine Verbindung und wenn ja, welche? Lisa Unger sorgt für eine durchweg beklemmende und düstere Atmosphäre und auch wenn die Story dem Ende zu unlogisch und arg am gerade noch Glaubhaften vorbeischrammt, habe ich mich nichtsdestotrotz gut unterhalten gefühlt.

Bewertung vom 17.03.2024
Für immer, dein August / Mühlbach-Saga Bd.2
Leciejewski, Barbara

Für immer, dein August / Mühlbach-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Exzellent erzählte, tief berührende Fortsetzung

Es ist Barbara Leciejewskis Großmutter, die im Roman Charlotte heißt, rund um deren Leben sich der zweite Teil der Mühlbach-Saga rankt.

Der Krieg ist vorbei. August kommt nach langer Kriegsgefangenschaft in England endlich frei, sein Weg führt ihn über Bremen zu Lotte zurück in sein pfälzisches Heimatdorf Mühlbach. Wir schreiben das Jahr 1919, der Kaiser ist weg, Friedrich Ebert Reichspräsident, die Frauen dürfen wählen – es herrscht Aufbruchstimmung. Und August sieht Lotte wieder. Lotte, seine Freundin aus Kindertagen, mit der er sich während der Kriegszeit viele Briefe geschrieben hat. Briefe, die ihn aufrecht erhalten haben. Am liebsten möchte er bei ihr in Bremen bleiben, er muss jedoch zu seiner Familie nach Mühlbach, sein Arbeitslohn wird dringend gebracht.

Schon der erste Band „In Liebe, deine Lina“ hat mich tief berührt. Die Geschichte von Lottes Mutter Lina – es ist ein Buch voller Wärme und Liebe und doch bittersüß, Linas Weg hat sie einst nach Bremen geführt und nun sieht es so aus, als ob ihre Tochter Charlotte, Lotte genannt, zurück zu ihren Wurzeln findet, denn Lotte ist in Mühlbach geboren und will nun zu ihrem August. Schon in den Nachkriegstagen des Ersten Weltkrieges, als er auf dem Weg nach Hause zuerst zu ihr kam, haben sie sich ineinander verliebt. Das Schicksal führt die beiden nun endlich zusammen, Lotte folgt August nach Mühlbach, beide sind sie fleißig und rechtschaffen und doch werden sie von den Dörflern eher an den Rand gedrängt. Aber sie haben ja sich und ihre beiden Kinder.

Neben der Familiengeschichte ziehen sich das gesellschaftliche und das politische Geschehen durchs Buch. Ist es zunächst eine Kirche, welche die Dorfgemeinschaft in Eigeninitiative erbaut, so wird es mit dem Erstarken der NSDAP zunehmend politischer und auch gefährlicher. Schlägertrupps sind unterwegs, es gibt immer mehr Arbeitslose, die Nazis versprechen Arbeit und sie versprechen Aufschwung. Sie haben Zulauf, das Dorf ist gespalten in deren Anhänger und deren Gegner. Die Kinder werden schon im Unterricht auf Linie getrimmt, eine Parteizugehörigkeit ist geboten. Das Abhören eines Feindessenders etwa hat die Todesstrafe zur Folge, jüdische Mitbewohner werden gnadenlos aussortiert und deportiert. Für den Endsieg dann werden Freiwillige, Alte, Gebrechliche und junge Mädchen herangezogen. Das letzte Aufbäumen nutzt letztendlich nichts mehr, wir wissen es. Die unmenschlichen Grausamkeiten sind nur zu gut bekannt und doch stellt sich immer mehr und immer wieder die Frage, warum denn die Menschheit nichts daraus lernt.

Barbara Leciejewski hat die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die Jahre dazwischen und die Anfänge und das Ende des Zweiten Weltkrieges als Hintergrund in ihre Familiengeschichte anschaulich mit eingewoben. Es sind ihre Großeltern, von denen sie schreibt. Vermengt mit fiktiven Figuren, jedoch sticht eine reale Figur – die des Lehrers Fintzberger – besonders heraus. Lediglich sein Name ist geändert, ihn mit all seiner Unerbittlichkeit, seinen Grausamkeiten, seiner Überheblichkeit hat es wirklich gegeben. Mühlbach teilt sich in zwei Lager – in die Regimetreuen, die strammen Nazis einerseits und in die Gegner dieser Verbrecher und Mörder auf der anderen Seite. Sie sind eher fiktiv dargestellt, ebenso sind die hier vorkommenden Juden fiktionalisiert. Zu was dieses verbrecherische Regime imstande war, ist hinlänglich bekannt und darf nie vergessen werden.

Trotz all des Schreckens, trotz dieser Schreckensherrschaft, hat die Autorin einen behutsamen Ton gewählt und doch konnte ich beim Lesen so manche Träne nicht zurückhalten. Zu tief war ich mit ihnen verbunden, zu sehr hat mich ihr Schicksal berührt. Ich war in Bremen bei Lina und ihrem Karl und habe mich mit Lotte und August und ihren Kindern Walter und Martha sehr verbunden gefühlt. Eine Familie, die trotz aller Widrigkeiten zusammensteht, sich gegenseitig stützt und unterstützt. Ein wundervolles Buch, ergreifend, warmherzig und sehr lesenswert.

Bewertung vom 14.03.2024
Orkantief / Himmel und Holle ermitteln Bd.2
Bergstedt, Susanne

Orkantief / Himmel und Holle ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Stürmische Ermittlungen

„Orkantief“ ist das zweite Buch um die Freizeit-Detektivinnen Telse Himmel und Wanda Holle aus der Feder von Susanne Bergstedt, das in sich abgeschlossen ist, also ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann.

Beim täglichen Spaziergang entdeckt Matilde Albers im Garten der Nachbarsfamilie Holthusen, dass die alte Eiche in der letzten Sturmnacht durch Blitzeinschlag schwer beschädigt wurde. Sie ist regelrecht zerborsten, der Stamm ist innen hohl und neben allerlei Blätter und dergleichen findet sie den seit drei Jahren vermissten, damals 6jährigen Kalli. Sein Vater ist mittlerweile weggezogen, von Anne, seiner Mutter, fehlt jede Spur.

Telse und Wanda bleibt der Leichenfund nicht verborgen, auch haben sie vor kurzem Annes Bruder kennengelernt und so ist es für sie nur logisch, dass Annes Verschwinden nicht nur viele Fragen aufwirft sondern dass auch nach ihr gesucht werden sollte. Ihr Nachbar, der Kriminalhauptkommissar Olaf Wuttke, sieht dies ganz anders und so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich selbst auf Spurensuche zu begeben. Denn den beiden ist klar, dass hier ganz und gar was faul ist.

Es ist ihr zweites Mal, schon in „Quallenplage“ war ihr detektivischer Spürsinn gefragt und nun ist es wieder so weit. Telse Himmel und Wanda Holle sind zwei agile, gewitzte, sehr rührige Protagonistinnen, die nicht locker lassen. Ihre feinen Antennen fangen all die Infos auf, die andere leicht übersehen könnten. Sie ermitteln weitläufig und wenn sie mal nicht weiter wissen, ist schon mal Telses Tochter Juliane mit ihrer schnellen Internetrecherche gefragt.

„Orkantief“ bietet einen unterhaltsamen Krimi mit viel Lokalkolorit. Auch schätze ich sehr, dass zur ersten Orientierung eine Karte der Kieler Bucht mitsamt dem Ort des Geschehens – Schilksee – auf der rückwärtigen Buchinnenseite abgedruckt ist. Nicht nur die beiden Hauptakteurinnen, auch die anderen Charaktere sind gut getroffen. Die Dialoge sprühen nur so vor Witz und Charme, das Buch ist ein amüsantes, kurzweiliges und sehr unterhaltsames Lesevergnügen.

Bewertung vom 14.03.2024
Die Influencerin (MP3-Download)
Russ, Rebecca

Die Influencerin (MP3-Download)


ausgezeichnet

Brisant und hochaktuell

Social-Media ist allgegenwärtig, auch Sarah Rodes Leben dreht sich rund um diese schöne neue Welt. Von ihrem Ehemann professionell gemanagt, treibt sie ihre Karriere als erfolgreiche Influencerin voran, bis ihr eines Tages eine ungefilterte Hasswelle entgegenschlägt. Ihr wird unterstellt, für den Tod einer Followerin verantwortlich zu sein.

Dem ungekürzten Hörbuch habe ich über 7 Stunden und 55 Minuten gebannt gelauscht. Auch wenn dies nicht unbedingt meine Welt ist, so kann ich mir doch gut vorstellen, in welch Nöten Sarah sich befindet. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, nicht zuletzt hat die Sprecherin dies gut vermittelt und genau so empfinde auch ich diese schlimmen Tage, in denen Sarah immer mehr alleine gelassen wird und ihr nichts anderes übrig bleibt, als sich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Anschuldigung zu machen. Sie deaktiviert ihren Account, bald darauf taucht jedoch ein Fake-Account auf, in dem Bilder ihres aktuellen Lebens gepostet werden. Bilder, in ihrem Haus aufgenommen. Keiner kann so hautnah an sie ran und doch gehen sie viral, werden geliked, kommentiert – es ist ein Teufelskreis, dem nicht beizukommen ist. Die Frage drängt sich auf, wer in ihrem Umfeld dahinter steckt. Denn wie könnte ein Außenstehender an all diese aktuellen Momentaufnahmen kommen.

„Ich folge dir. Ich verfolge dich. Ich zerstöre dich.“ Die Schattenseiten dieser schillernden Scheinwelt werden hier nur zu deutlich aufgezeigt. Anhand dieser ungeheuerlichen Anschuldigung merkt man, wie hilflos man gegenüber einer unsichtbaren Community ist. Verborgen hinter einem Profil, das nichts preisgeben muss, ist es ein Leichtes, jemanden mit Hass und Häme zu überschütten.

Mich hat das Hörbuch durchgehend gefesselt. Ich hatte so eine Ahnung, wer denn dahinter stecken mag, habe aber so ziemlich jeden kritisch beäugt, denn es hätte jeder sein können, der ihr das Leben zur Hölle macht. Letztendlich hat mich das Ende dann doch überrascht – mehr will ich hier nicht preisgeben. Mich hat „Die Influencerin“ sehr nachdenklich zurückgelassen, denn ist es nicht viel zu einfach, hier mal einen Kommentar da zu lassen, dort ein Like zu setzen und sich vielleicht auch von dem Sog der beileibe nicht immer wohlwollenden Meinungen mitreißen zu lassen und so ein Leben ganz einfach wenn nicht zu zerstören, so doch nachhaltig zu beschädigen?

Bewertung vom 13.03.2024
Annas Lied (eBook, ePUB)
Koppel, Benjamin

Annas Lied (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Manchmal muss man auch träumen dürfen

„Das Gerüst meines Romans basiert auf Fakten. Und ich habe sie dann fiktionalisiert und mit Geschichten und Anekdoten ergänzt, die in meiner Familie seit Generationen erzählt werden.“

Ein ganzes Leben erzählt Benjamin Koppel, es ist das Leben seiner Großtante väterlicherseits - Anna, die er hier Hannah nennt. Es ist die Geschichte einer jüdischen Familie, die es nicht bis in die USA geschafft hat, ihre Flucht endete einst – von Polen kommend - in Kopenhagen. Hier wächst Hannah sehr traditionsbewusst mit ihren vier größeren Brüdern auf, wir schreiben das Jahr 1929. Ihr großer Traum, als Pianistin ihren Brüdern nachzueifern, erfüllt sich nicht. Eine nach jüdischem Ritus geschlossene Ehe führt sie nach Frankreich, ihre große Liebe Aksel verliert sie aber nie so ganz aus den Augen. Es ist ein Leben voller Höhen und noch mehr Tiefen, ein pralles Leben, das bis ins Jahr 2019 reicht. Hannah ist trotz aller familiären und gesellschaftlichen Zwänge eine starke Frau, die – um nicht zu verzweifeln - in ihrer Musik Halt findet.

„Annas Lied“ ist ein wundervolles Zeugnis einer Zeit, in der nicht nur die politischen Wirren von einer Familie alles abverlangen, diese jüdische Familien-Saga gibt auch das religiöse Diktat nur zu deutlich wieder. Eingebettet in historische Fakten und gesellschaftliche Normen gewährt der Autor einen tiefen Blick in Annas Familie. Freud und Leid, Liebe, Freundschaft und Zwistigkeiten sind neben den Kriegswirren und deren Auswirkungen auf die Familie Thema, über allem schwebt ein traditionelles Pflichtbewusstsein, aber nicht nur. Auch die tröstende Liebe zur Musik ist stets spürbar, dabei kann man die Seele baumeln lassen, sich wegträumen, denn „sie hatten einander versprochen, immer zu träumen und sich immer an ihre Träume zu erinnern“.

Bewertung vom 13.03.2024
Die Auszeit (eBook, ePUB)
Rudolf, Emily

Die Auszeit (eBook, ePUB)


sehr gut

Der schöne Schein bröckelt

Ein abgelegenes Luxus-Retreat scheint der perfekte Ort für die Influencerin Viktoria Kaplan und ihre Freunde zu sein, um den bald Millionsten Follower gebührend zu feiern. Aber nicht nur das, der Deal mit dem Besitzer sieht vor, dass sie diese Location in ihrem Kanal bewirbt, dafür bietet ihnen Pierre mit seinem Team Luxus pur.

Zwei Zeitebenen werden im Wechsel erzählt. Bald geschieht ein Mord, das Opfer wird grausam zugerichtet am hauseigenen Strand aufgefunden. Hier beginnt dieser Erzählstrang, der sie alle – einschließlich Personal – durchleuchtet. Dazwischen wechseln die Perspektiven und erzählen Stunden vor der Tat, beginnend mit Pierre, 37 Stunden davor und Josefine, 36 Stunden davor bis hin zum Mord. In loser Abfolge kommen sie alle zu Wort, die Stunden verrinnen, der Zähler tickt dabei unerbittlich weiter. Die beiden Erzählsituationen – nach dem Mord und davor – werden zunehmend explosiv. Der schöne Schein bröckelt, das Zwischenmenschliche wird in all seinen Facetten geschildert. Sie sind exzessiv, ungehemmt und rücksichtslos. Keiner ist ehrlich, jeder sich selbst der Nächste. Der Alkohol fließt in Strömen, es gärt gewaltig, auch ist von einem Stalker die Rede und die zunehmend frostige Atmosphäre spiegelt auch das Cover bestens wider.

Ein Sturm kommt auf, die Wege unpassierbar, der Mörder unter ihnen – so oder so ähnlich habe ich es schon öfter gelesen, die Story ist nicht neu. Und doch hat Emily Rudolf ihre ganz eigene „Auszeit“ kreiert, die von Anfang bis Ende fast durchgehend spannend ist. Gut, manche Passagen im Mittelteil hätte ich nicht in aller Ausführlichkeit gebraucht, allerdings ist dies jammern auf hohem Niveau. Der Thriller ist gut geschrieben, er ist wendungsreich und schwer durchschaubar bis hin zu dem sehr starken Schluss. Die Charaktere sind so, wie man sie sich im Influencer-Milieu vorstellt – allesamt scheinen sie oberflächlich zu sein, sehr von sich überzeugt und doch substanzlos, ganz einfach unsympathisch.

„Die Auszeit“ hat mich gefesselt und mich gut unterhalten und ich hoffe, bald wieder von Emily Rudolf zu lesen.

Bewertung vom 12.03.2024
Der Lärm des Lebens (eBook, ePUB)
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens (eBook, ePUB)


gut

Die Gedanken fahren Achterbahn

In erster Linie ist mir Jörg Hartmann als Hauptkommissar Faber vom Dortmunder Tatort ein Begriff. Daneben ist er ein vielseitiger Theater-, Film- und Fernsehschauspieler, auch spricht er Hörbücher ein und nun erzählt er vom „Lärm des Lebens.“ Erzählt von seinen Eltern und Großeltern, von sich und seiner Arbeit und von seiner Familie.

Seine Anfänge als Schauspieler bringt er amüsant aufs Papier, er lernt etwa sehr kunstvoll, ein Mettbrötchen zu essen, nennt es „die Erotik des Mettbrötchens“, schreibt vom coronabedingten Stillstand, nimmt seine Leser mit nach China und schildert dort den Erwerb eines sehr teuren Tütchens voller Tee. Auch ein Kindergeburtstag inmitten einer noblen Gesellschaft mit anschließender Suche seiner verschwundenen Kinder ist gut zu lesen – all dies und noch so einiges mehr schildert er in loser Abfolge, er bringt beiläufig eine Anekdote vom Gestern zum Besten und springt übergangslos ins Heute. Man muss schon aufpassen, dass man in den gerade anvisierten Zeiten im Leben des Jörg Hartmann ankommt, es geht munter drunter und drüber. Soweit, so gut. All dies ist durchaus akzeptabel.

Und dann nimmt ziemlich früh - in der zweiten Episode, mit „Endstation“ überschrieben - die Demenz seines Vaters viel Raum ein und nicht nur das, er überschreitet hier Grenzen. Er stellt seinen Vater bloß. Schonungslos berichtet er über die Krankheit und über die damit einhergehenden Unzulänglichkeiten. Nicht nur einmal habe ich mich beim Lesen gefragt, ob er – sollte er je auf Hilfe angewiesen sein – es gutheißen würde, wenn seine Kinder dies viel zu detailliert an die Öffentlichkeit tragen würden. Über sich selber kann er alles ausbreiten, was und wie es ihm gefällt. Hier aber hat er die Privatsphäre seines Vaters deutlichst überschritten.

Die Redewendung „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ kommt mir dabei in den Sinn. Nicht jeder kann alles, selbst ein erfahrender Schauspieler ist kein begnadeter Geschichtenerzähler. Hervorheben möchte ich das sehr gelungene Cover. Es ist so voller Leben, da möchte man direkt zugreifen. Inhaltlich dagegen ist es nicht der große Wurf. Seine Gedanken fahren Achterbahn, er präsentiert sich durchaus witzig, die viel zu intimen, sehr privaten Dinge eines Lebens jedoch sollten eins sein und bleiben: Privat.