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LichtundSchatten

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Insgesamt 299 Bewertungen
Bewertung vom 24.02.2022
Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten
Zitelmann, Rainer

Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten


ausgezeichnet

Wer das Kaiserreich studiert hat und die Kriege vorüberziehen lässt, weiß, dass die SPD große Verdienste um die ArbeiterInteressen hatte. Ich habe ein Leben lang gearbeitet, als Unternehmer wie Rainer Zitelmann, mich im Grunde nie um Politik gekümmert und zur Entlastung meines hohen Einkommens habe ich (absurderweise) SPD gewählt. Weil das auch mein Vater getan hatte, dem ich sehr verbunden war. Aber irgendwann muss jeder aufwachen. Und sich Gedanken machen um unsere Systeme des Politischen, des Wirtschaftens, also Sozialismus versus Marktwirtschaft. Je mehr der Staat eingreift, reguliert und verteilt, umso mehr Sozialismus ansteht, der schlicht kontraproduktiv wird wie z.B. in Schweden in den 70er80er Jahren. Schweden hat das längst geändert. „Wird der Kapitalismus-Anteil in einer Wirtschaft erhöht, so wie das etwa in den letzten Jahrzehnten in China geschah, dann führt das in der Regel zu mehr Wachstum und der Mehrheit der Menschen geht es besser.“

Kapitalismus ist keine Ideologie, sondern natürlich gewachsen, er entspricht der Natur des Menschen am besten. Es gibt keine Trennung in Mensch und Wirtschaft. Jeder Mensch wirtschaftet. Linke Ideologen haben den Gegensatz kultiviert und grenzen jenen Bereich aus, in dem wir die meiste Zeit des Lebens verbringen. Sie diffamieren ihn mit dem Begriff „Kapitalismus.“ Ich suche schon lange nach einem Wort, das diesen Nachteil vermeidet. Innovism wäre es, wenn ich englisch denke. Leider gibt es keinen adäquaten deutschen Begriff. Bis dorthin sollte man das Wort Marktwirtschaft, besser noch soziale Marktwirtschaft nutzen. Alle Beteiligten in einer Marktwirtschaft profitieren von den stattfindenden Innovationen, Unternehmer und Arbeitnehmer gemeinsam.

Die Kraft der Marktwirtschaft drückt Marcel Reich-Ranicki etwas überspitzt so aus: „Die anständigen Menschen arbeiten um des Ruhms und des Geldes willen, die unanständigen wollen die Welt verändern und die Menschen erlösen.“ RZ möchte die Welt nicht erlösen, aber Verständnis schaffen für ein System, in dem wir alle agieren, er möchte die Frontlinien begradigen und Gemeinsames erreichen, eine Verantwortunsethik für die Zukunft.

Alle 10 benannten kritischen Punkte gegen den Kapitalismus und die Argumente von RZ dagegen sind ein Genuss zu lesen. Ich bin Praktiker und schätze den verständlichen Ton und Stil. So kann ich in Zukunft besser auf Argumente eingehen und diese entkräften. Natürlich ist soziale Marktwirtschaft, Wettbewerb und Innovation nicht immer einfach, aber das verlangt auch niemand. Wer etwas leisten möchte, hat Freude am Wettbewerb und er hat Interesse daran, für andere und für sich selbst etwas zu schaffen. Er arbeitet begeisternd und muss deshalb ein Leben lang nicht mehr arbeiten. Wenn erst mal diese Einigkeit vorhanden wäre, könnte man sich um die wirklichen Probleme kümmern, nämlich um jene, die eine funktionierende Marktwirtschaft lösen und immer einhegen muss. Stichworte wie geplanter Verschleiß, Gleichberechtigung, Monopole, Recycling, Ressourcenverbrauch etc. wären dabei zentral, aber auch Teilhabe und Lust am Unternehmertum.

Moderne Wirtschaft ist wandlungsfähig, ihr entscheidender Impuls ist Kritikfähigkeit und praktische Adaption, Optimierung, Ideen und machen. Radikale Antikapitalisten schrieben schöne, endlos lange Theorien von schöneren Welten, alleine alle sozialistischen Versuche schlugen fehl. Sie waren zu starr und nicht bereit für Optimierungen. Die von Joseph Schumpeter entwickelte „schöpferische Zerstörung“ ist der Hauptimplus des Kapitalismus. Aus ihr ziehen alle ihre Vorteile. Theorien laufen in Sackgassen, aber die praktische Umsetzung von Ideen in Produkte lebt vom Widerspruch, der permanenten Wandlung und ist deshalb so erfolgreich. Fehler im Kapitalismus sind möglich, es ist sein Antrieb bzw. Turbo zum Immer-Besser-Werden. Sich ihm so zu nähern, ist die einzig mögliche, humane Denkweise, zum Wohle aller.

Bewertung vom 06.02.2022
Gesammelte Werke
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


ausgezeichnet

Liebe zur Literatur: "Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen." (Bacon)

Ich lese Bücher nicht wegen dem Ende, sondern für weite Sätze, die mich aufleben lassen und tragen. Hier wird ganz feiner Literatursand gehoben, umgeschichtet und in einer Sanduhr des Lebens erfahren wir alles über die Lese-Vorlieben der handelnden Personen. Und ebenso viel über die Probleme ihres Lebens und deren Losungen und Lösungen.

Der ersten Sätze: "Martin Berg lag, die Hände auf dem Bauch gefaltet, im Wohnzimmer auf dem Fußboden. Um ihn herum waren waren alle möglichen Papier verstreut. Neben seinem Kopf lag ein halb fertiger Roman, ..." Eine eigentlich unspektakuläre Sprache entfaltet ganz langsam ihre Wirkung und zieht mich in die Welt des Martin Berg, seiner Familie und der Freunde.

Ich wünsche mir, dass diese Brikett an Buch nie aufhört. Es zu umfassen, macht mir ebenso Freude wie die ganz normalen Leben und Tage der handelnden Personen mitzuerleben. Es ist etwas Besonderes in dieser lauten Zeit diese leisen Töne zu vernehmen und sich dort wiederzufinden, wo Tage ihren ganz normalen Gang nehmen.

Das Arbeiten und Hoffen eines Verlegers ist ein Stoff, der für Bücherliebhaber das ganz große Kino bietet. Es sind große Worte, kleine Brötchen oft, Wolkenkuckucksträume und harte Landungen in der Realität, immer abgefedert durch Inhalte, die man in Buchdeckel bindet und verkaufen will. Aber eben auch mit großen Erfolgen, die das Einkommen sichern.

Geistes-Wissenschaften und Diskussionen um Politik und Leben, Wirtschaft und Freiheit. Letzten Endes schafft es diese Art des Schreibens gegen das Vergessen vorzugehen, Leben zu erinnern und Tage festzuhalten. Wir alle fließen weg ohne diese Fähigkeit, Lydia Sandgren schärft den Blick für Momente, die auch wir festhalten können, die lebens- und lesenswert sind.

"Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen." Diese Aussage von Francis Bacon skizziert den Kern dieses Buches, gelb wie die Sonne und lichte Strahlen sendend, die bleiben, die mich als Buchliebhaber durchwärmen und erfreuen. Unglaublich, dass die Autorin in so jungen Jahren ein solches Meisterwerk schreiben kann.

"Der eine lässt sich alles gefallen. Der andere wehrt sich mit Händen und Füßen. Der dritte beschreitet den Rechtsweg. Der vierte den politischen. Der fünfte greift zur Feder." (Martin Walser)

Bewertung vom 04.02.2022
Zur Zukunft der Demokratie
Steinmeier, Frank-Walter

Zur Zukunft der Demokratie


gut

Eine breite Diskussion, von konservativ bis links, von digital bis Religion - man muss hier einen Pluspunkt für dieses Buch sehen. Es bringt die aktuellen Diskussionen gut in einen Raum, in dem wir uns alle heute bewegen und mitreden sollten.

Beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses habe ich mich beobachtet und festgestellt, dass ich doch die mir adäquaten Themen eher suche und mich zwingen muss, konträre Meinungen zu lesen, z.B. jene von Mouhanad Khorchide (MK).

Immer wieder spannend, wie MK an Koran, Hadith und allen anderen Aussagen des Islam vorbei eine universelle Religion definiert, die mit dem Islam nur noch im Traum etwas zu tun hat. Er formuliert schöne Sätze, z.B.: „Religiosität ist somit ein Geschehen der Liebe aus Liebe für die Liebe.“ Wir sind eine Verwirklichung der Liebe Gottes, seiner Barmherzigkeit, wir sind Gottes Statthalter auf Erden. Unser Antrag sei ein politischer mithin zur Umgestaltung der Gesellschaft, um die Schöpfung möglichst als Selbstzweck zu befreien. Sloterdesk nähert er sich dem möglichen Beitrag des Islam zu einer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft.

Schön auch die Feststellung, Huntington’s Kampf der Kulturen wende sich hin zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache ebenso wie die Geschichte und die aktuellen Einstellungen der Deutschen zum Islam, die MK anführt. Über 80% verbinden den Islam mit Frauenunterdrückung (Ilhan Arsel: Frauen sind Eure Äcker), Fanatismus (70%) und Gewaltbereitschaft (+60%). Schuld daran seien wie immer wir, weil der Islam von der deutschen Regierung auf eine organisierte Linie gebracht wurde, in der konservative Sichtweisen dominieren, während aber der liberale Islam stärker berücksichtigt werden sollte.

Es ist ganz großes Märchenkino, wie MK das islamische Glaubensbekenntnis zu einem freiheitlichen Ansatz umdeutet: „Der Ruf des Korans zum Glauben an den einen Gott ist ein Ruf, sich zur Freiheit zu bekennen.“ Er meint damit u.a., sich vom Polytheismus zu befreien und genau hier sind wir bei der Trinität Gottes, dem Kern des Christentums. An Gott Vater, Gott Sohn und den Heiligen Geist zu glauben, gilt dem Islam als die größte, unvergebbare Sünde.

MK sieht im Vorgehen der deutschen Regierung mit dem Religionsunterricht gute Ansätze, die allerdings in das alte, konservative Islam-Verständnis abdriften. „Es besteht noch Handlungsbedarf in wichtigen Fragen wie der Imamausbildung oder der Förderung der liberalen Gemeinden."

Der Beitrag von Ulf Poschardt nennt Fakten, die nach meinem Gefühl so sind. „Gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine politische Schlagseite entstanden, die zu scharfer Kritik in den Sozialen Medien geführt hat.“ Zurecht, denn ein Herr Böhmermann möchte dort anordnen, wer gefragt werden kann und wer nicht in seine Qualität passt. Eine Journalistin beim Spiegel ist stolz darauf, Regierungssprecherin zu werden - man versteht das nicht mehr. Kritischer Journalismus wird immer mehr durch moralische Haltungen ersetzt. Es stimmt: „Zu viele Journalisten haben sich als Transmissionsriemen gesellschaftlicher Prozesse verstanden, der das Gelingen des „Merkel’schen Wir schaffen das“ sicherstellen sollte.
Völlig ungewohnt ist für UP die Rolle linker Medien: „Sie sind zum Verklärer staatlichen Handelns geworden.“ Die Forderer und Förderer höchste moralischer Standards werden so zum Totengräber journalistischer Standards, die gerne jene verhöhnen, die sich von ihnen abwenden und objektiv informiert werden wollen. Wer einfach schreibt, was ist, ohne zu viel Haltungszeigefinger, der wird auch morgen dabei sein, UP hat völlig Recht. Ich sehe die größte Verantwortung bei linken Journalisten, die mit ihrem Vorgehen eine tiefe Spaltung der Gesellschaft vornehmen, wie in Amerika. „Im Zentrum aller Medien muss wieder der mündige Bürger stehen, den man mit Argumenten, Pluralismus und Respekt ernst nimmt.“ Und nicht mit Angst und Manipulation traktiert.

Nein, die Einleitung des Herrn Steinmeier habe

Bewertung vom 04.02.2022
Geschüttelt, aber ungerührt
Löhndorf, Marion

Geschüttelt, aber ungerührt


ausgezeichnet

„Kontrolle zurückerhalten“: Dies war der Brexit Gewinner Slogan

„Take back control“, der wesentliche Slogan des Brexit stammt von Dominic Cummings, den David Cameron einen Karriere-Soziopathen nannte. Mich fesselte dieses Kapitel in dem Buch von Marion Löhndorf ebenso wie alle anderen. Es ist mein Auftakt für eine weitere Beschäftigung mit diesem Thema, das am Ende dieses Buches mit Literaturempfehlungen weiter gesponnen wird. Tradition und Vergangenheitssehnsucht haben in Britannien einen besonderen Platz und waren wohl der reich gedüngte Boden für den Brexit.

Besonders eindrücklich empfinde ich am ganzen Buch, dass Frau Löhndorf nicht im üblichen deutschen Haltungsstil schreibt, sondern analysiert was ist. Humorvoll, breit gefächert und unterhaltsam. Engländer haben immer noch eine reiche Tradition aus der Vergangenheit, die sie trägt und davon abhält, in andere Zusammenhänge und Verbünde zu gehen, die ihnen ihre Souveränität nehmen.

George Orwell, der sozialistische Autor meinte über die englische Zivilisation: „It has a flavor of its own.“ Er brandmarkte Linke wie Rechte und mit ihm wird klar, dass der Engländer es verachtet, wenn er etikettiert, koordiniert und gezählt wird, sein Heimatgefühl liegt im Privaten, Individuellen, Humorvollen und insb. die zahlreichen, notwendigen Überwachungskameras in London (Nr. 3 aller Städte weltweit, warum wohl?) sind ihm ein Gräuel.

Eine Tasse Tee schraubt die Seelentemperatur auf einen komfortablen Mittelwert, lesen wir und denken bei diesem klassischen Getränk der Mäßigung direkt an die Queen, die wir auch so gerne als Königin hätten statt einen Präsidenten, der Spaziergänger maßregelt. Sie dagegen ehrt einen 100-jährigen Kriegsveteranen, der mit Rollator noch Spenden sammelte für die Corona-Kranken. Das Video von Thomas Moore bzw. sein Ritterschlag rührt auch heute noch Kontinentaleuropäer zu Tränen.

Wer in England als Politiker humorlos und ungeschickt agiert, hat verloren. Noch reitet Johnson das Humor-Pferd und man ist gespannt, wie lange noch. England feiert den Sieg über Deutschland aus den beiden Weltkriegen immer noch enthusiastisch, während das Wirtschaftliche und der Fußball eher Deutschland zu Füßen liegt. Kein Wunder, wollte man sich von Merkel nicht weitere Migranten aufschwatzen lassen, ein weiterer Grund für den Brexit.

Den Multikulturalismus sehen Briten heute als gescheitert an, sie bieten Zuwanderern eine reiche Kultur, mit der man sich identifizieren kann, in die eine Integration möglich ist. In Deutschland hingegen, schreibt eine SPD Politikerin, gäbe es neben der deutschen Sprache nichts mehr, was kulturell auf ein Dasein hindeuten würde. Man beginnt, Engländern zu beneiden, auch wenn sie einen Bürgermeister in London haben, der meint, dass Terroranschläge auch für Engländer normal seien.

Mir scheint heute, London ist für Engländer vom Land eine Art außerirdische, globalisierte Stadt, die alle Probleme der Globalisierung potenziert anbietet und den Normalbürger abschreckt. Er glaubt dann eher an Plakate, auf denen er liest: "EU Policy at work. Britisch workers are hit hard by cheap unlimited labour." Man sieht einen britischen Arbeiter, der als Bettler auf der Straße sitzt.

Und doch: man ist stolz auf London und die Bollwerke, die sich dort versammeln und von ewiger Größe künden: Tower Bridge und Tower, Buckingham Palace, Riesenrad London Eye, St. Paul's Cathedral. "London ist eine Stadt der Möglichkeiten. Unvorhergesehenes kann passieren, jeden Monat, jeden Tag, jede Minute."

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Bewertung vom 25.12.2021
Radikalisierter Konservatismus
Strobl, Natascha

Radikalisierter Konservatismus


schlecht

Vorwärts im egalitären Sinne in Höchstmoral und Geschichtsvergessenheit.

Mit Definitionen kennen sich egalitäre Revolutionäre gut aus? Hier lesen wir gleich zu Beginn, dass Konservative Ungleichheiten als konstituierend ansähen, von daher eine Art Bürgerlichkeit aus Besitz und Stellung zementieren wollen. „Zentrale Bedeutung darin hat die Vorstellung, Ungleichheit sei für das Funktionieren einer Gesellschaft konstitutiv.“ Konservative seien mithin antiegalitär, antiliberal und rückwärtsbezogen.

Ein schöner Satz: „Der konservative Antiegalitarismus steht gleichermaßen quer zu den ideellen wie materiellen Gleichheitsvorstellungen von Liberalismus und Sozialismus: Weder sind alle Menschen gleich, noch besteht eine untrennbare Einheit zwischen den Werten Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.“

Wir nehmen also die egalitäre Zielsetzung der Frau Strobl mit und erkennen, dass ein weiteres Mal dem Kant’schen Imperativ einer kommenden Nivellierung in weltweitem, kollektiven Gleichglück entsprochen werden soll. Hierzu hat Karl Popper schon das Wesentliche gesagt: „Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“

Auf leicht gehobenem Baerbock-Niveau und mit korrekten Zitaten stoßen wir dann nicht weit weg vom Vorwort auf den Kern des Bösen. Er säße in Schnellroda und hat sich dort einen ganzen Verlag erschaffen, der uns mit rechtem Gedankengut infiltriert und die Gesellschaft zu hypnotisieren versucht.

Nun, konservativ sein bedeutet bürgerlich zu sein, das stimmt. Man nimmt Herausforderungen an und blickt auf die Realität, um von daher die bestmöglichen Lebens- und Entwicklungsformen zu finden. Menschlich zu sein heißt, vorhandene Unterschiede anzuerkennen, um für alle bestmögliche Bildung zu erreichen.

Dieses Denken ist etwas völlig anderes als die Autorin unterstellt, es geht von der Vernunft und guten Lösungen für alle aus. Es setzt nicht auf ein Ideal der Gleichheit, weil dieses inhuman und völlig geschichtsvergessen wäre. Gerade bei Bürgerlichen gab es nie eine Hierarchie qua Geburt, wie die Autorin unterstellt, sondern Aufstiegschancen für Kluge und Fleißige. Dies war und ist konstiuierend. Hans Rosling hat die Vorzüge einer sozialen Marktwirtschaft bestens beschrieben, die Grundlage war und ist eines konservativen, fortschrittlichen Denkens abseits aller falschen Träume von Gleichheit und Geschwisterlichkeit.

Konservatismus oder Bürgerlichkeit verfügt über wenige bis keine konzeptionellen, ideologischen Strategien, es scheint sein großer Nachteil zu sein, mit dem man ihn immer wieder angreifen kann. „Kurz gefasst, verstehen wir (wer ist wir, die Autorin oder ein Autorenkollektiv?) unter Konservatismus also eine antiegalitäre, antirevolutionäre, klassenharmonisierende Haltung, deren höchste Werte Ordnung und Eigentum sind.“ Wie damit die industrielle Revolution möglich gewesen sein soll und Innovationen bis heute stattfinden, man rätselt mit der Autorin. Skepsis scheint ihre fremd, ein religiöses Heilsversprechen für absolute Gleichheit hingegen ein absolutes Muss.

Viele mögen dieses Sprachduktus aus den 70ern noch kennen, man ist verwundert, dass heute noch eine derart undifferenzierte Sichtweise auf Geschichte und Erfolge der bürgerlichen Zeit gegeben sind. Vorwärts im egalitären Sinne in Höchstmoral und Geschichtsvergessenheit sind keine guten Grundlagen, und das Anprangern von Konservativen ebensowenig. Ihnen Radikalität zu unterstellen, sozusagen alles Konservative zu diffamieren und in die radikale, rechte Ecke zu schieben, ist unredlich und durchschaubar populistisch. Es verhärtet und löst keine Probleme.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2021
Hegels >Logik< lesen
Eiden-Offe, Patrick

Hegels >Logik< lesen


ausgezeichnet

Linke wie Rechte beziehen sich oft auf Hegel und versuchen, ihren Geist an seiner Phänomenologie bzw. Logik des Geistes zu schulen. Sie wollen damit ihre jeweilige Gegenwart bzw. den Urgrund der Dinge verstehen lernen.

Alles was existiert, muss für Hegel unaufhaltsam und unermüdlich in was anderes übergehen, und zwar in sein Gegenteil.

Begriffe sind Griffe, mit denen man die Dinge bewegen kann.

Hegel möchte, dass wir in allem die Komödie entdecken.

Humor, Erfahrung, Ästhetik, in diesem Dreiklang ist dieses Buch aufgebaut und versucht, dem Wesen Hegels nahe zu kommen.

Der wunderschöne, wirklich gelungene Titel hat mich angezogen und das Innere hat mich nicht enttäuscht.

Bewertung vom 15.11.2021
Vermintes Gelände - Wie der Krieg um Wörter unsere Gesellschaft verändert
Gerster, Petra;Nürnberger, Christian

Vermintes Gelände - Wie der Krieg um Wörter unsere Gesellschaft verändert


schlecht

Das Buch zieht die Umfrage in Zweifel, nach der die Mehrheit der Deutschen das Gendern ablehnt, 2/3 wollen nicht gendern. Das seien nur Momentaufnahmen, es könne sich ändern. Nachdem man hier tief Luft geholt hat, erfährt man, dass mehr und mehr Unternehmen gendern, man diesen Zug mithin nicht mehr aufhalten könne. Und junge Leute bemühen sich, keine Verletzungen anzurichten, also morgen wird gegendert, liebe Leute! Findet Euch damit ab. Die Autoren sprechen sich gegen eine Volksabstimmung über dieses Thema aus, zunächst müsse der Streit ausgetragen werden. Wo hätte es im so super demokratischen Deutschland je eine Volksabstimmung gegeben? Und was ist Streit, wenn nur eine Lösung zulässig ist?

GN reden davon, dass das Patriarchat zu Ende ginge, ebenso Gott sei Dank und endlich die Vorherrschaft des alten weißen Mannes. Und das Gendersternchen sei Zeichen dieser Revolution. Wenn dem so wäre: etwas Peinlicheres habe ich noch nie gelesen. Und tatsächlich kommt das noch: auch bei der franz. Revolution gab es das scharfe Schwert, das sei auch heute nötig. Eine Denkweise, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Die Taliban haben die Buddhastatuen geschliffen und bei uns werden Kolumbus und Bismarck gestürzt oder mit Farbe beworfen, die Geschichte des weißen Mannes steht unter Anklage. Petra Gerster begrüßt das sehr und freut sich, dass Unrechtsbewusstsein und Sklavenhaltung am Pranger stehen.

Wir lesen: „Die Feinde der Demokratie sind aber überwiegend rechts angesiedelt. Links gibt es sie auch, aber nur in geringer Zahl und bei weitem nicht so gewalttätig wie rechts.“ Hier hätte ich mir eine Differenzierung in kulturelle Hintergründe und Religionen gewünscht oder zumindest die Kenntnis, wer tatsächlich die Sklaven in Afrika gesucht und verkauft hat. Auch hätte man recherchieren können, wohin z.B. islamistische Taten gezählt werden, bestimmt nicht zu linken Happenings wie in Hamburg beim G7 Treffen. In Stuttgart wurden soeben, unter großem Geschrei, Antifa-Aktivisten verurteilt, weil sie einen Gewerkschaftsmann ins Koma geprügelt hatten.

Den Abzug aus Afghanistan feiert PG so: „Auch das Jahr 2021 wird dabei eine Rolle spielen als das Jahr, in dem durch den Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan sichtbar wurde, dass es der weißen westlichen Minderheit nicht mehr gelingt, der Welt ihren Willen aufzuzwingen.“ Spätestens hier kam mir das Buch absurd vor und ich schäme mich für so wenig Differenzierung und Kenntnis der Welt. Sie nur vorzulesen, die Nachrichten meine ich, verführt wohl zu solch unterkomplexen Sichtweisen. Dann feiert man am Ende auch die fluide Geschlechtlichkeit und die Niederlage des alten weißen Mannes. Frau Gerster könnte die Frage beantworten, wo wir heute stehen würden ohne seine Erfindungen.

GN sind Teil einer Front, die alle Lebensbereiche durchdringen will, ein Kulturkrieg für eine Scheinwelt führt, die niemand will. Ihre Propaganda aus dem Oberkommando Weltmoral will sprachlich gleichschalten, durchgendern, feminisieren und alle Minderheiten gleichstellen. Ich kann Matthias Politicky verstehen, der nach Wien ausgewandert ist, die dortige Kultur verschmäht den norddeutsch protestantischen Furor ebenso wie die radikale Vorgehensweise in Sachen Ausgrenzung des Eigenen. Döpfner hat Recht, wenn er von DDR 2.0 redet, in der schon wieder erzogen und indoktriniert wird wie nie zuvor. GN sind Teil dieser Maschinerie, hoch-gesegnet durch Aussehen und Herkunft, und dafür umso mehr sündig fühlend und anklagend. Norbert Bolz hat in seinem Buch „Keine Macht der Moral“ aufgezeigt, wie man mit Moralaposteln umgehen sollte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.11.2021
Schwarzweißdenken
Behbehani, Sara Maria

Schwarzweißdenken


weniger gut

Hey, warum all der Hass?

Wir lesen in diesem Buch über das Leben von Sara Maria Behbehani, deren Vater ihr mit 13 eröffnet, sie sei Muslimin. Dieser Vater kam zur Schah-Zeit nach Deutschland, studierte, gab sich westlich und heiratete eine deutsche Frau. Nach der Scheidung, kurz nach dem 13. Geburtstag der Tochter, heiratet er dann eine Muslimin aus dem Iran.

Ich frage mich bei dieser Gelegenheit immer wieder, wann eine Auseinandersetzung mit der eigenen Religion stattfindet. Die Tochter, also die Autorin, sieht sich als Atheistin, die Religionen einfach so wegwischt, ihnen keine Bedeutung zumisst. „Immer nur dienen sie dazu, Grenzen zu ziehen und zu unterscheiden. Und da ist der Islam nicht prominenter vertreten als das Christentum mit all seinen Kreuzzügen.“

Analyse von Religionen auf dünnstem Eis also. Offensichtlich wurde mit ihr nie über Religionen geredet und ihre zentrale Wichtigkeit für Kulturen und Völker. Für ihre Werte braucht sie keine Religion, schreibt SMB auf Seite 103.

Hätte Sie die Religionen ausführlich studiert, würden ihr einige Antworten auf ihre Fragen sehr leicht fallen:

Hey, warum integrierst Du dich nicht in diese Gesellschaft?
Hey, warum willst Du mir die Hand nicht geben, weil ich eine Frau bin?
Hey, warum denkst du, die Regeln deiner Religion sind wichtiger als das Grundgesetz von dem Land, in dem du lebst?
Hey, warum verachtest Du meine Religion?
Hey, warum darfst Du keine Freunde unter Christen haben?

Ein offener Diskurs sei wichtig, aber bitteschön nicht mit denen, die in der AfD sind, lesen wir. Das ginge gar nicht. Ihr Vater hätte schon gesagt, 10% der Deutschen seien immer Rassisten gewesen und würden es bleiben.

Hey, warum all der Hass? Ich würde sagen, auch wegen solcher Vorurteile. Und wegen der Unfähigkeit über Religion zu reden. Einige reden darüber grundsätzlich nicht. Warum? Weil sie es nicht dürfen. Schon Zweifel ist Sünde.

Wenn Menschen nicht begreifen, dass Kulturen, dass Religionen trennen und oft ihr letzter Stolz sind, dann versteht man wenig. "Eine durch Religionen geteilte Stadt liegt entweder schon in Trümmern oder ist kurz davor.“ (Giambattista Vico)