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Circlestonesbooks.blog
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Lesebegeisterte Literaturbloggerin, https://www.circlestonesbooks.blog/

Bewertungen

Insgesamt 411 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2021
Wimpern und Asche
Bonné, Mirko

Wimpern und Asche


ausgezeichnet

Moderne Lyrik von einem poetischen Erzähler

„Jeder erwartet viel Besseres als Träume. / Such keinen Ausgang, finde den Eingang! (Zitat aus „Venceremos“, Seite 67)

Inhalt
Dieser Band enthält Gedichte, die in den letzten sechs Jahren vor dem Erscheinungsdatum entstanden sind, in insgesamt dreizehn Kapitel zusammengefasst, deren Überschrift sich immer als Aussage in einem der Gedichte des jeweiligen Kapitels wiederfindet. Nur das Kapitel „Wimpern und Asche“, das diesem Gedichtband auch den Namen gibt, umfasst ein einziges Gedicht.

Themen und Sprache
Die Themen umfassen alle Bereiche des Lebens, Gedanken, Gefühle, Fragen und die Suche nach Antworten. Es sind oft kleine Situationen, die den Autor zu seinen Gedanken und Überlegungen anregen, die sich dann oft zu einer Geschichte weiten. Da besucht er zum Beispiel das New Yorker Metropolitan Museum und findet dort, am Fuße einer Statue der Aphrodite, ein Gecko, klein, blau, aus Gummi, unterhält sich mit ihm. Immer wieder geht es um die Schönheit der Natur in allen Jahreszeiten und darüber, wie wir Menschen sie zerstören. Das Gedicht, das diesem Gedichtband den Namen gibt, „Wimpern und Asche“, ist eine Gedankenreise in epischer Länge, von der Alster bei Hochwasser folgt der Text drei Plastikkanistern, die dort treiben, in die Elbe, in die Nordsee, verbindet sie mit Fakten zu Mikroplastik im Meer. „Obgleich für Plastik wohl / dasselbe gilt wie für die Seele. Ein / endgültiges Verschwinden, / nein, das gibt es nicht.“ (Zitat aus „Wimpern und Asche“, Seite 76, 77). Das Gedicht „Zwischen den Zeilen“ dagegen erinnerte mich sofort an die Romane „Eiskalte Himmel“, 2006, und seinen neuen, 2021 erschienenen Roman „Seeland Schneeland“. „Am Morgen war die Schneelandschaft / zurück, nicht irgendeine, sondern die / am Ende des Romans. Und damit auch / das ganze Buch mit seinen Menschen.“ (Zitat aus „Zwischen den Zeilen“, Seite 116)

Fazit
Mirko Bonné ist ein Poet, der uns in seinen Gedichten, wie auch in seinen Romanen, eindrückliche und bewegende Geschichten erzählt.

Bewertung vom 13.05.2021
Devotions
Oliver, Mary

Devotions


ausgezeichnet

Touching and uplifting

“Listen, are you breathing just a little, and calling it a life? / While the soul, after all, is only a window, / and the opening of the window no more difficult / than the wakening from a little sleep.” (Quotation from “Have you ever tried to enter the long black branches, pos. 2487)

Content
These more than two-hundred poems are a personal selection of her poems, selected by Mary Oliver herself. She begins with her latest collection, Felicity, 2015, followed by Blue Horses 2014, Dog Songs, 2013, A Thousand Mornings 2012, Swan, 2010, Evidence, 2009, The Truro Bear and Other Adventures, 2008, Red Bird, 2008, Thirst, 2006, New and Selected Poems, Volume Two, 2005, Blue Iris, 2004, Why I wake Early, 2004, Long Life, 2004, Owls and Other Fantasies, 2003, What do we know, 2002, The Leaf and the Cloud, 2000, West Wind, 1997, White Pine, 1994, New and Selected Poems: Volume One, 1992, House of Light, 1990, Dream Work, 1986, American Primitive, 1983, Three Rivers Poetry Journal, 1980, Twelve Moons, 1979, The River Styx, Ohio, 1972, and ends with her first poetry collection No Voyage and Other Poems, 1963 and 1965.

Theme and writing
These poems are moments of observations and thoughts about nature, rivers, even stones, sun, snow, roses; we meet animals like foxes, horses, birds, especially herons, and her beloved dogs in her Dog Songs. Just simple moments, calm afternoons, evenings, sunny mornings in a quiet special surrounding of the beautiful nature and the poet wants to share these special moments, thoughts and feelings with us. Every single poem wants to show us the beauty of our world, to protect it and just enjoy every day of our life and be grateful for it.

Conclusion
“The poem is not the world. / It isn’t the first page of the world. / But the poem wants to flower, like a flower. / It knows that much. (Quotation from “Flare” 8., pos. 2361) These poems by Mary Oliver flower and touch our mind and souls.

Bewertung vom 13.05.2021
Das Buch von der Riviera
Mann, Erika;Mann, Klaus

Das Buch von der Riviera


ausgezeichnet

Ein unterhaltsamer literarischer Reiseführer

„Verwechseln Sie nicht die Börse mit der Oper, dazu neigt man am Anfang, weil beide gleich konventionelle und stattlich repräsentativ aussehen. In beiden wird Lärm gemacht, aber die Garage liegt also hinter dem Gebäude, wo man dafür zahlt, ihn zu hören.“ (Zitat Seite 28)

Thema und Inhalt
Diesen Reiseführer über die französische und italienische Riviera haben Erika und Klaus Mann 1931 verfasst. Die Route beginnt in Marseille und endet in La Spezia. Besonders detailliert werden die Städte Marseille, Cannes, Nice, Monte Carlo und Genua beschrieben.

Umsetzung
Der Hauptteil dieser imaginären Reise gilt der französischen Riviera und der mondänen, bereits damals ungemein beliebten Côte d'Azur. Erika und Klaus Mann treten in direkten Kontakt mit uns Lesenden, sprechen uns an, plaudern humorvoll, erzählen, schildern. Es ist kein Reiseführer im üblichen Sinn, dieses hier ist gleichzeitig ein unterhaltsamer Blick in das Leben der jungen Geschwister. Sie lassen uns teilhaben an ihren Lieblingsorten, besonders schönen, landschaftlich reizvollen Gegenden, und natürlich beschreiben sie auch ihre bevorzugten Restaurants. Diese und auch die Tipps betreffend Hotels und andere Unterkünfte enthalten auch die entsprechenden, im Jahr 1931 gültigen Preise. Mit lebhafter Leichtigkeit und einem humorvollen Augenzwinkern werden die Menschen beschrieben, auch Treffen mit Künstlerfreunden werden mit uns geteilt. So entsteht ein auch heute noch wunderbar zu lesendes, interessantes und sehr unterhaltsames Bild der Riviera in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

Fazit
Dieser literarische, autobiografische Reiseführer ist eine zeitlose, unterhaltsame Lektüre, die uns sofort in die Sommerstimmung an der berühmten Mittelmeerküste entführt.

Bewertung vom 13.05.2021
Das Wasserhaus
Schultze, Reinhard

Das Wasserhaus


sehr gut

Eine Familiengeschichte mit einem brisanten Thema

„Wir sind alle Akteure in einem komplizierten Feld. Das Wasser hat es verdient, dass wir unsere persönlichen Möglichkeiten so weit es geht ausschöpfen.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt
Ma, die erfolgreiche Unternehmerin, wird gerade zum ersten Mal Großmutter und will nun mehr für die Familie da sein, ihnen mehr hinterlassen, als nur die Familienvilla im Allgäu und den Familiensitz Burg Gauchstein, eine Ruine mit Wasserturm. Doch gerade dieser Wasserturm könnte die Familie entzweien, denn als die Wasser-Südwest ihr die Leitung eines innovativen Wasseraufbereitungsprojektes in Südafrika anbietet, kann sie nicht ablehnen. Doch es gibt Personenkreise in Südafrika, die völlig andere Interessen vertreten, es kommt zu Problemen und schließlich benötigt sie zusätzliche Finanzmittel. Die Bank verlangt den Wasserturm als Sicherheit.

Thema und Genre
In diesem Roman geht es um die Geschichte einer Familie und ihrer Mitglieder. Ein wichtiges Thema sind saure Grubenwässer, Politik, internationale Wirtschaftsbeziehungen und die Frage nach dem Umgang mit der wichtigen Ressource Wasser.

Charaktere
Im Mittelpunkt des Romans stehen die Mitglieder der Familie Holzrichter: der Vater, Physiker, Spitzname „Forscher“, „Ma“ die Mutter, eine erfolgreiche Developerin, und die vier bereits erwachsenen Kinder, Jeffrey, der Älteste, ein Adoptivkind, Anwalt für Gesellschaftsrecht, und die eigenen Kinder Mies, Senta und Flocke, von Jeffrey „Bundeskanzlerin“ genannt, seit sie in Berlin Politikwissenschaften studiert und sich für Menschenrechte einsetzt. Mies arbeitet im Marketingbereich eines international tätigen Lebensmittelkonzerns, Senta bringt eine eigene Zeitung heraus.

Handlung und Schreibstil
Die aktuelle Handlung, spielt in Deutschland und Südafrika und wird chronologisch erzählt. Rückblicke ergänzen mit weiteren Details, wobei die alte Familiengeschichte eine wichtige Rolle spielt. Besonders die historischen Ereignisse im Zusammenhang mit dem Stammsitz der Familie in Sachsen sind nach wie vor wichtige Themen am Mittagstisch der Familie, wo bei gemeinsamen Treffen alle Ereignisse besprochen werden. Generell ist dieser Roman auf die einzelnen Personen dieser Familie, ihre Problematiken und Konflikte aufgebaut, in vielen Kapiteln steht Ma im personalen Mittelpunkt der Ereignisse. Den sprachlichen Schwerpunkt bilden die zahlreichen Dialoge. Auch die technischen und wissenschaftlichen Erklärungen zum Kernthema, der innovativen, umweltfreundlichen und leistbaren Wasseraufbereitung finden in Dialogen statt. Das moderne Weglassen alle Satzzeichen, die im Zusammenhang mit der direkten Rede gesetzt werden und das Fehlen von Angaben, wer gerade spricht, macht das Lesen der oft rasch wechselnden Dialogsätze zeitweise etwas anstrengend.

Fazit
Eine interessante Geschichte, in deren Mittelpunkt die einzelnen, sehr unterschiedlichen Mitglieder einer Familie stehen, ihre enge Beziehung zueinander und jeweils das eigene Leben. Die Handlung fließt eher ruhig, wie das Wasser, das brisante Kernthema des Romans, in einem breiten Strom und wird hauptsächlich in Dialogen erzählt.

Bewertung vom 13.05.2021
Jane
McKenna, Aline Brosh;Perez, Ramón K.

Jane


ausgezeichnet

Jane Eyre als moderne Graphic Novel

„Du weißt nicht, warum du hier bist? Okay. Meine Mom ist tot und mein Dad fast immer weg. Du bist meine Nanny.“ (Zitat etwa Seite 31)

Inhalt
Da ihre Eltern, in der Hochseefischerei tätig, von einer Fahrt nicht zurückkommen, wächst Jane bei ihrer Tante auf. Sie arbeitet auf einem Fischerboot, bis sie genug Geld für ein Busticket nach New York gespart hat. Um für ihr Kunststudium ein Stipendium zu bekommen, muss sie einen Job haben – und sie hat nur eine Woche Zeit. Auch Adele hat ihre Mutter verloren und ihr Vater Edward Rochester ist ein vielbeschäftigter, erfolgreicher Geschäftsmann. Jane will sich um das einsame Mädchen kümmern und sie fühlt sich auch zu dem rätselhaften, manchmal schroffen Mr. Rochester hingezogen. Doch Rochester hat ein dunkles Geheimnis und gefährliche Feinde.

Thema und Genre
Diese Graphic Novel ist eine moderne Neuinterpretation des Klassikers Jane Eyre von Charlotte Brontë.

Umsetzung
Aline Brosh McKenna ist eine erfahrene Drehbuchautorin. Sie nimmt sich aus dem ursprünglichen Roman die für sie wichtigsten Details und transferiert diese in das heutige New York. Es gelingt ihr, auch die düstere Spannung des Originalromans beeindruckend umzusetzen. Mit Ramón K. Perez konnte sie einen bekannten Künstler für die Zeichnungen gewinnen und das Ergebnis, das man nun in Händen hält, überzeugt und macht Freude. Die Charaktere sind einprägsam gezeichnet, die Bildsprache der einzelnen Szenen zeigt lebhaft das Umfeld in der großartigen Stadt New York, nimmt sich Zeit für viele Details, die es zu entdecken gibt und wird dunkel-düster, wenn es um die gefährlichen Situationen der Geschichte geht. Dass Jane Eyre in dieser modernen Version selbst Kunststudentin ist, die schon als Kind alles, was sie sah, sofort zu Papier brachte, ergibt spannende Bild in Bild Situationen, in denen sie ihre Eindrücke zeichnet und so die Ereignisse nochmals selbst interpretiert.

Fazit
Eine packende, moderne Jane Eyre, das Romantikdrama als interessante, beeindruckende Graphic Novel im New York der Jetztzeit.

Bewertung vom 13.05.2021
Standphotos
Brinkmann, Rolf Dieter

Standphotos


ausgezeichnet

Provokant, unangepasst - lesenswert

„Die Sätze / werden langsam wieder / schwerer. Es liegt / vielleicht an / der Luft, oder / daß ich nicht / fortgezogen bin / zur rechten Zeit?“ (Aus „Gedicht vor Anfang des Winters“, Seite 70)

Inhalt
Diese Sammlung enthält alle Gedichtbände, die zwischen 1962 und 1972 erschienen sind, und zwar: Ihr nennt es Sprache, Le Chant du Monde, Ohne Neger, &-Gedichte, Was fraglich ist wofür, Godzilla, Die Piloten, Standphotos, Gras. Dabei wurde auch die Reihenfolge der einzelnen Gedichte, wie sie in den jeweiligen Erstausgaben angeordnet sind, nicht geändert.

Themen und Sprache
„Dankbar bin ich dagegen den Gedichten Frank O’Haras, die mir gezeigt haben, daß schlechthin alles, was man sieht und womit man sich beschäftigt, wenn man es nur genau genug sieht und direkt genug wiedergibt, ein Gedicht werden kann, auch wenn es sich um ein Mittagessen handelt.“ (Zitat aus dem Vorwort zu „Die Piloten“, Köln, Frühjahr 1968, R.D.B., Seite 186, 187)
Besser als der Dichter selbst kann man die Vielseitigkeit und facettenreiche Themenvielfalt dieser Gedichte nicht beschreiben. Es gibt nichts, das er nicht in Worte fasst, jeden Augenblick einer Alltagssituation, er beobachtet, beschreibt, verbindet mit philosophischen Gedanken und spontanen Gefühlen, Erinnerungen, er teilt auf, ordnet und fügt neu zusammen, um plötzlich im letzten Satz in einer knappen Feststellung zu enden, bewusst provozierend. Die Themen reichen von Waschmaschinen und Waschmittel, gelb angestrichenen Schränken, Rosen, Natur, Politik, bis zu Beziehungen, Trennung, Frauen, Sex und immer sind es Momentaufnahmen der eigenen Befindlichkeit, Fragen und knappe Statements in einer kritischen Realität. Immer wieder geht es um die einfache, rhetorische Frage, ob das, war er gerade notiert hat, ein Gedicht ist, oder um die Feststellung, dass dies jetzt ein Gedicht ist. Auch die Länge der Gedichte reicht von wenigen, knappen Zeilen bis zu Notizen und Texten in Prosa-Länge.

Fazit
Diese Gedichtsammlung hat wenig mit erbaulicher Lyrik und schönen Gedankenbildern zu tun, diese Texte fordern, sind wild, realistisch, unbequem, sie provozieren und es gibt kaum einen Gegenstand, sei er noch so einfach, keine Situation, die nicht von Rolf Dieter Brinkmann als einfache Tatsache unter Einbeziehung aller Sinne zu Papier gebracht wurde, oft mit einem knappen Statement, sein Resultat dieses Augenblicks. Man braucht Zeit für diese Texte, doch diese Zeit sollte man sich unbedingt nehmen

Bewertung vom 13.05.2021
Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen
Scheuermann, Silke

Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen


ausgezeichnet

Ungezähmt und manchmal sperrig

„Manchmal fragst du dich wie / es dazu kam Dass du in einem Leben voller Türen / fest gezimmert steckst wie ein Einbauschrank (Zitat aus „Tür zur Außenwelt, Seite 165)

Inhalt
Dieser Gedichtband umfasst den 2001 erschienen Lyrikband „Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen“, den 2004 erschienenen Gedichtband „Der zärtlichste Punkt im All“, die Sonette „Vogelflüge“ und die Gedichte „Tür zum Geisterwald, 2002 – 2008“

Themen und Sprache
Immer wiederkehrende Themen kommen aus der Mythologie des Altertums. Besonders spannend ist es, wenn diese bekannten Figuren aus der Mythologie plötzlich in eine Jetztzeit katapultiert werden. Andere Gedichte befassen sich mit der Natur und hier treffen wir auf das Thema Vögel und Fliegen, oder sie führen uns kritisch in Situationen des Alltags, eingebettet in die damit verbundenen Gefühle. Es sind immer Gedanken und Gefühle, die der Autorin durch den Kopf gehen und diese Gedichte wirken ähnlich unstrukturiert, schweifen ab in spontane Wortspiele. Es ist eine ungezähmte Lyrik voller Umbrüche, Gedankensprünge wechseln in immer neue, nie vorhersehbare oder zu erwartende Bilder, man muss diese Texte öfter lesen, will man versuchen, ihnen zu folgen. Wo auch immer die Ideen von Silke Scheuermann beginnen, sie führen immer in Gefühle und in eine kritisch beleuchtete Gegenwart.

Fazit
Fachlich befasst sich Dorothea von Törne in ihrem 2013 geschriebenen Nachwort mit Silke Scheuermanns Gedichten. Als Leserin war es für mich keine einfache Reise, nicht immer konnte die direkte, konkrete Sprache mit dem raschen Wechsel an Eindrücken auch Bilder in meine Gedanken malen. Ich fand Gedichte, die mich sofort ansprachen und andere, deren unterschiedliche Ebenen und offene Fragen mich herausfordern und die ich wohl noch öfter lesen werde, bis sie sich mir – vielleicht – doch erschließen.

Bewertung vom 07.05.2021
Mittwochs am Meer
Oetker, Alexander

Mittwochs am Meer


sehr gut

Mittwoch, Bretagne, die Liebe

„Aber ja, sie waren wie ein Gedicht, sie schienen sich zu reimen, sie beide, sie passten wie zwei Puzzleteile, er hoffte in diesem Moment, dass sie ein langes Gedicht sein würden, er wollte das Ende nicht lesen, noch lange nicht.“ (Zitat Pos. 812)

Inhalt
Maurice van der Berge ist Anwalt in Paris, spezialisiert auf die Abwicklung von Insolvenzen. Einer seiner aktuellen Klienten ist eine Firma, die in dem kleinen bretonischen Hafenstädtchen Cancale Austernsäcke produziert und so fährt er jeden Mittwoch in die Bretagne. Obwohl er Ideen hat, die Fabrik zu retten, machen es ihm die sturen Arbeiter und einheimischen Fischer schwer, sie halten ihn für weltfremd und zu zögerlich. Im Hotel, in dem er zu übernachten pflegt, steht eines Mittwochs statt der ihm bekannten Rezeptionistin eine schöne Frau an der Rezeption, Dominique Vial. Plötzlich freut er sich auf seine wöchentlichen Reisen in die Bretagne.

Thema und Genre
In diesem Roman geht es um eine leidenschaftliche, intensive Liebesbeziehung am Meer in der großartigen Landschaft der Bretagne. Auch die Gedichte von Arthur Rimbaud spielen in dieser Geschichte eine Rolle.

Charaktere
Maurice van der Berge ist Anwalt, ein introvertierter, ernster Mann, den die Liebe zu Dominique völlig verändert. Die Beziehung beginnt mit einem Liebesbrief, den Dominique ihm schreibt, nachdem sie ihn an der Rezeption gesehen hat. „Wer war diese Frau, die so offen über ihre Gefühle schreiben konnte, ohne Angst vor einer Zurückweisung, ohne Angst vor Entdeckung?“ (Zitat Pos 353)

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt einen Sommer lang in der Bretagne und ist in einzelne Abschnitte eingeteilt, die chronologisch jeweils als Überschrift das Datum des entsprechenden Mittwochs tragen und in Kapitel unterteilt sind. Rückblenden in Form von Erlebnissen, die Maurice und Dominique einander erzählen, ergänzen die eigentliche Handlung, von der ich mehr erwartet hatte. Denn diese wird durch die wiederholten Schilderungen der wöchentlichen Liebesszenen trotz der lebhaften Beschreibungen der großartigen, rauen Landschaft, der interessanten Sehenswürdigkeiten und der eigenwilligen Bewohner von Cancale etwas eintönig. Die Sprache erzählt flüssig und ist angenehm zu lesen.

Fazit
Eine leidenschaftliche, romantische Liebesgeschichte, die gerade in diesen Tagen die Gedanken sofort auf die Reise schickt, in die Bretagne, ans Meer und zur magischen Insel Mont-Saint-Michel.

Bewertung vom 07.05.2021
Meteoriten
Cohen de Timary, Éloise

Meteoriten


ausgezeichnet

Paris, die Liebe und das Leben

„Sie waren allein auf der Welt. Nichts zählte außer der Gegenwart – ihrer Gegenwart. Sie waren bestrebt, sich möglichst nicht jeden Tag zu sehen. Um die Sehnsucht wachzuhalten, sie zu genießen wie ein Bonbon, das im Mund allzu schnell schmilzt.“ (Zitat Pos. 426)

Inhalt
Völlig überraschend erhält die junge Journalistin Marianne von Paul Wiazowski, ein bekannter, aber extrem schwieriger Schriftsteller, eine Zusage für ein Gespräch. Sie scheitert zwar dann an dem Versuch, ein ausführliches Interview zu erhalten, stattdessen lernt sie den Landschaftsarchitekten Virgile Lifar kennen. Diese hat sich erst kürzlich von seinem Freund getrennt, verliebt sich jedoch sofort in Marianne und sie sich in ihn. Gemeinsam entdecken sie Paris, fahren ans Meer, finden die perfekte gemeinsame Wohnung. Gerade als sie ihre weitere Zukunft planen, zu der auch Kinder gehören sollen, kommt der Tag, an dem sich alles ändert.

Thema und Genre
In diesem Roman geht es um das französische Lebensgefühl, Musik, Lebensfreude, aber auch um Abschied, Trauer, prägende Entscheidungen, um Freundschaft und vor allem um die Liebe.

Charaktere
Virgile, Marianne, Florence, Olive und Kamel und ihre versteckte Bar, es sind authentische Figuren, die man beim Lesen sofort ins Herz schließt, die man gerne auch im realen Leben kennen möchte.

Handlung und Schreibstil
Die Handlung wird im Zeitablauf nicht durchgehend linear erzählt, geht manchmal in die Zukunft, blickt zurück, was die Geschichte besonders lebhaft macht. Es gibt keine Kapitel, sondern Abschnitte, manchmal steht Marianne im personalen Mittelpunkt, manchmal Florence, in einigen Virgile. Der leichte, französische Lebensstil, die Liebe zur Natur, zum Meer und zum Leben prägen diese Geschichte, dazu die Musik von Patti Smith, Janis Choplin und vielen anderen aus dieser Zeit, Songs, die auch durch ihre lyrischen Texte das damalige Lebensgefühl geprägt haben und zeitlos geworden sind. Die Sprache passt perfekt zu dieser Geschichte einer großen Liebe, erzählt einfühlsam, wird aber niemals kitschig.

Fazit
Ein Roman über die Liebe, die Menschen, und die Freude am Leben. Durch dieses Buch schwingt Musik und die vielseitige, besondere Atmosphäre von Paris. Tiefgang erhält die Geschichte durch ein brisantes, aktuelles Thema, eine Problematik im Zusammenhang mit mehreren Entscheidungen, die zum weiteren Nachdenken anregt.

Bewertung vom 02.05.2021
Der Kryptologe
Haller, Elias

Der Kryptologe


sehr gut

Spannender Beginn einer neuen Serie

„Der Täter hatte vier Zahlen hinterlassen. Zweifellos handelte es sich um eine Botschaft. Eine Botschaft als Kryptogramm.“ (Zitat Seite 50)

Inhalt
Annalena Winzer liegt tot in einem Abwasserkanal nahe der Dresdner Oper. Bekleidet ist sie mit einem schwarz-roten Rüschenkleid, das auf die aktuelle Inszenierung der Oper „Der feurige Engel“ hinweisen könnte, und in ihre Fußsohlen und Handflächen sind Zahlenkombinationen eingeritzt. Zuletzt besuchte sie mit ihrer achtjährigen Tochter Liliana ein Einkaufszentrum und das Kind ist seither verschwunden. So hat der unangepasste Kriminaloberkommissar und Kryptologe Arne Stiller, gerade erst nach einer einjährigen Zwangspause in den Dienst zurückgekehrt, sofort einen brisanten Fall zu lösen. Die Zeit drängt, will man das Kind noch lebend finden.

Thema und Genre
In diesem Thriller geht es um Kindheitstraumata, Psychologie, Gewalt, Rache, Dresden, die Oper und um die Kryptoanalyse.

Charaktere
Arne Stiller, Kryptologe, ist ein frustrierter, nicht teamfähiger Außenseiter. Er vertieft sich sofort intensiv und unbeirrbar in die Ermittlungen, für diplomatische Höflichkeiten hat er keine Zeit, wenn es um das Leben eines Kindes geht. Unterstützt wird er von seiner neuen Kollegin Inge Allhammer, sechzig Jahre alt, Alkoholproblem, ebenfalls eine schwierige Außenseiterin.

Handlung und Schreibstil
Die straffe Handlung wird in sehr kurzen Kapiteln und im genauen Zeitablauf erzählt. Es stehen jeweils entweder die Ermittler oder die Täterperson im Mittelpunkt eines Kapitels. Die Ereignisse beginnen am Sonntag um 12.45 Uhr und enden mit einem rasanten Showdown, der am Donnerstag der selben Woche um 21.05 Uhr beginnt, am Freitag Vormittag folgt dann die Schlussbesprechung der Ermittler, welche die Ergebnisse mit noch fehlenden Details ergänzen. Parallel zu den aktuellen Geschehnissen führen Rückblenden zu Ereignissen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Überraschende Wendungen sorgen für Rätsel und zusätzliche Spannung, doch manchmal verlieren die Fakten dadurch an logischer Glaubwürdigkeit. Der Autor ist bekannt für seine deutlich bis ins kleinste Detail geschilderten Tatszenarien, diesen Stil behält er auch in dieser neuen Serie bei.

Fazit
Dieser packende psychologische Thriller ist der Beginn einer neuen Serie, in deren Mittelpunkt der Kryptologe Arne Stiller steht.

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