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Aischa

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Insgesamt 572 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2021
Mavrikakis, Catherine

Der Himmel über Bay City


sehr gut

Catherine Mavrikakis, US-amerikanische Literaturdozentin mit französisch-griechischen Wurzeln, gilt als eine der wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Kanadas. Zu Recht: Ich kann mich nicht erinnern, je etwas mit diesem Werk Vergleichbares gelesen zu haben.

Der Roman ist extrem verstörend, die Direktheit der Sprache brutal. Gedankenfetzen ziehen wie ein Tornado durch die Geschichte und haben mich regelrecht weggefegt. Das Szenario ist düster und deprimierend: Protagonistin Amy wächst, mit Mutter und Bruder, bei der Familie ihrer Tante in einer Blechhaussiedlung am Rande von Bay City auf. Gewalt, ja sogar Mord gehören unter dem rauchgeschwängerten Himmel der Industriestadt für die Jugendlichen ebenso zum Alltag wie Drogen und Sexualität. Und als wäre das nicht schon genug, muss Amy auch noch damit klar kommen, dass ihre Mutter sie für debil hält und wünschte, sie wäre (wie Amys ältere Schwester) gleich nach der Geburt gestorben.

Anfangs erinnerte mich die durchweg bedrückenden und pessimistische Stimmung an "Clockwork Orange" und "Trainspotting". Doch dann taucht im Roman neben Gewalt und Drogenkonsum ein völlig anderer Aspekt auf, eigentlich das zentrale Thema, nämlich vererbte Traumata. Inzwischen gilt es durch Experimente als erwiesen, dass Verhaltensauffälligkeiten durch traumatische Erlebnisse nicht nur bei den Betroffenen selbst vorkommen, sondern an nachfolgende Generationen weitergegeben, ja sogar vererbt werden können. 2008, als der Roman im Original erschien, war die Vererbung von Traumata jedoch nicht mehr als eine - noch dazu umstrittene - Theorie. Die Autorin hat also Mut bewiesen, ihre Protagonistin unter einem ererbten Trauma leiden zu lassen.

Ein wenig überstrapaziert wurden für meinen Geschmack leider die sprachlichen Bilder, die den Himmel in seinen verschiedensten Ausprägungen schildern, hier wäre weniger mehr gewesen. Ganz im Gegensatz zur Rolle der nordamerikanischen First Nations. Auch diese haben ja leider im Zug der Besiedlung durch die Europäer zahlreiche Traumata erlitten, hier hätte man geschickt Parallelen aufzeigen können. Doch leider bleiben die wenigen Natives in Mavrikakis Erzählung blasse Figuren im Hintergrund.

Dennoch: Der Roman bietet eine ungewöhnliche Sicht auf den Holocaust, er ist ein gellender Schrei über das unfassbare, unmenschliche und noch immer andauernde Leid, das die Nazis verursacht haben. Mavrikakis lässt diesen Schrei nicht verstummen, und das ist gut und wichtig.

Bewertung vom 22.12.2021
Weiß, Sabine

Gold und Ehre


sehr gut

Wie bereits in ihrem Historienroman "Krone der Welt" führt Sabine Weiß ihre Leserschaft auch in diesem Werk wieder in die Welt der Seefahrer, Händler und Architekten. Die vorliegende Geschichte spielt Mitte des 17. Jahrhunderts, und anders als im Vorgängerband liegt der Fokus diesmal nicht allein auf dem Schicksal der Bewohner Amsterdams, sondern als zusätzlicher Hauptschauplatz kommt das historische Hamburg ins Spiel. Wobei - der Begriff "Vorgängerband" sollte nicht falsch verstanden werden: Zwar tauchen einige Figuren aus "Krone der Welt" wieder auf, doch nur am Rande. Schließlich spielt die neue Geschichte zwei Generationen weiter. Und so habe ich "Gold und Ehre" auch als völlig eigenständigen Roman empfunden, und nicht etwa als Fortsetzung.

Die Story weist zahlreiche Handlungsstränge und eine Vielzahl an Personen auf, und ehrlich gesagt fiel es mir trotz des Personenregisters nicht immer leicht, den Durchblick zu behalten. Vor allem die politischen Schachzüge und Intrigen waren nicht immer gut zu verstehen, und bei den englisch-niederländischen Seekriegen hat mein geschichtliches Vorwissen leider nicht ausgereicht. Hier wäre eine Zeittafel mit wichtigen historischen Ereignissen sehr hilfreich gewesen.

Großartig finde ich hingegen die Figuren an sich. Die Autorin zeichnet nicht schwarz-weiß, sondern ihre Charaktere zeigen viele Facetten und entwickeln sich. Niemand ist nur gut oder böse, ausschließlich sympathisch oder durch und durch ein Ekel, eben so, wie im wahren Leben auch. Die Erzählung ist gespickt mit zahlreichen (akribisch recherchierten) historischen Ereignissen, etwa dem verheerenden Brand in London 1666 oder dem Amboyna-Massaker im heutigen Indonesien. Sabine Weiß zeigt zudem schonungslos die brutale Behandlung der "lebenden Ware"(!) auf einem Sklavenschiff auf. Besonders interessant fand ich die damalige Stellung der erwachsenen europäischen Frauen, ihre nahezu absolute Abhängigkeit vom Vater, Ehemann oder Vormund. Auch die Anfänge der niederländischen Siedlung Nieuw Amsterdam an der nordamerikanischen Ostküste, das spätere New York, sind unterhaltsam und sehr anschaulich beschrieben. Schön ist auch die historische Karte Hamburgs in der Umschlaginnenseite.

Ein gelungener Roman, in dem man mit den Figuren mitfiebert und -leidet, und sich auch von vielen verabschieden muss, denn der Tod war allgegenwärtig. Ich habe spannende und lehrreiche Lesestunden verbracht.

Bewertung vom 20.12.2021
Eick, Nicole

Wer kennt diese Frau?


ausgezeichnet

Auf das ungleiche oberfränkische Ermittlerduo Alfred und Dominique war ich durch eine unterhaltsame Kurzgeschichte aufmerksam geworden, die quasi eine Vorgeschichte zum vorliegenden ersten Roman mit den beiden darstellt. Neugierig und mit durchaus großen Erwartungen machte ich mich also an die Lektüre - und wurde keineswegs enttäuscht, im Gegenteil.

Nicole Eick hat hier ein literarisches Sahneschnittchen für Liebhaber guter deutscher Regionalkrimis fabriziert. Und nicht nur für diese, denn "Wer kennt diese Frau?" ist weit mehr als ein gelungener Kriminalroman.

Dies liegt nicht nur an den bis in die kleinsten Nebenfiguren äußerst glaubhaften Charakteren, dem spannenden Plot mit zahlreichen überraschenden Wendungen sowie ab und an einer Prise Lokalkolorit. Nein, das alles ist letztendlich schriftstellerisches Handwerk, das Eick zwar aus dem Effeff beherrscht, doch das tun zahlreiche andere Autor*innen ebenso. Was diesen Kriminalroman vor allem auszeichnet, ist, dass sich Eick damit an ein großes gesellschaftliches Tabu wagt. Sie thematisiert etwas, das jahrzehntelang extrem schambehaftet war, und auch heute noch stoßen Betroffene oft auf Unwissen und Ausgrenzung statt Verständnis und Akzeptanz zu erfahren. Ob ein Krimi dies zu ändern vermag? Ich weiß es nicht, aber einen Versuch ist es allemal wert.

Die Autorin hat keinerlei Berührungsängste, ihre Sprache ist direkt und unverkrampft, und dennoch beweist sie großes Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl. Ihr gelingt ein tiefer Blick ins Innere einer traumatisierten Person, ohne dabei voyeuristisch zu werden.

Auch die Gestaltung der stabilen Klappenbroschur gefällt mir: kleine Vignetten, die den Protagonisten zugeordnet sind, leiten jeweils einen Perspektivwechsel ein und geben so gute Orientierung, passende Fotos und Zitate in den Umschlaginnenseiten machen neugierig, und auch eine knappe Autorinnenbiografie fehlt nicht.

Definitiv mein Krimihighlight des Jahres - bitte, bitte mehr davon!

Bewertung vom 06.12.2021
Winter, Kathleen

Sein Name war Annabel


gut

Journalistin und Schriftstellerin Kathleen Winter nimmt uns in dieser mehr als außergewöhnlichen Geschichte mit in ihre kanadische Heimat. In einem kleinen Dorf in der Provinz Neufundland und Labrador wird Ende der 1960er Jahre ein Baby geboren, das sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale aufweist, also ein sogenannter "echter Hermaphrodit" ist.

Was macht es wohl mit den Eltern, wenn es auf die Frage "Ist es ein Junge oder ein Mädchen?" keine einfache Antwort gibt? Winter schildert dies durchaus einfühlsam, die Reaktionen der Eltern sind völlig unterschiedlich, gemein ist ihnen vor allem die gegenseitige Sprachlosigkeit und der Wille, die Intersexualität ihres Kindes als Geheimnis zu bewahren. Auch Nebenfiguren, etwa die Hebamme und spätere Lehrerin des Kindes oder eine Schulfreundin sind gut herausgearbeitet und entwickeln sich im Lauf des Plots. Zudem hat mir der Text einen interessanten Einblick in Land- und Ortschaften des nordöstlichen Kanada gewährt; man merkt, dass die Autorin dort aufgewachsen ist.

Leider kommen den First Nations lediglich Statistenrollen zu, Natives werden im Roman nur kurz erwähnt. Selbst über den Vater des Protagonisten erfährt man diesbezüglich kaum etwas, obwohl er zur Hälfte Inuit ist. Dabei hätte gerade der kulturelle Umgang der Inidigenen mit Intersexualität spannende Aspekte geboten, kennen doch viele von ihnen ein drittes Geschlecht als sogenannte "Two-Spirits". Doch davon erfährt man in der Geschichte nichts. Zudem ärgert es mich sehr, dass Winter - ACHTUNG SPOILER - den jungen Hermaphroditen auch noch durch Eigenbesamung und zunächst völlig unbemerkt schwanger werden lässt. Dies ist anatomisch-physiologisch unmöglich! Wieso also dieser Twist? Hat Winter schlichtweg schlecht recherchiert, oder wollte sie zusätzlich dramatisieren? Ersteres ist eigentlich unverzeihlich, Letzteres ist völlig überflüssig, der Plot bietet auch sonst reichlich Stoff für Konflikte.

Nur leider merkt man das ausgerechnet der Hauptfigur über weite Strecken kaum an. Weder hinterfragt Wayne (das Kind wächst nach außen hin als Junge auf) seine medizinische Behandlung, noch scheint ihn die Pubertät großartig aus der Bahn zu werfen. Selbst als er als junger Erwachsener überfallen, misshandelt und vergewaltigt wird, erfährt man von seinen darauffolgenden Suizidgedanken nur in einem Nebensatz. Ansonsten bleiben seine Sorgen und Ängste seltsam verborgen, sie blitzen nur ab und an durch, und einzig sein Gefühl von Einsamkeit wird sehr deutlich. Wo bleiben die unzähligen Fragen, die er haben muss, wo ist der Schock?

Auch beschreibt Winter immer wieder Widersprüchliches oder zumindest sehr, sehr Unwahrscheinliches. Das geht leider zu Lasten der Glaubwürdigkeit.

Fazit: Ein sehr interessantes, wichtiges Thema, dem die Autorin mit Falschinformationen und einer blassen Hauptfigur leider einen Bärendienst erweist.

Bewertung vom 30.11.2021
Jung, Marius

Wer wird denn da gleich schwarzsehen


sehr gut

Moderator, Coach und Comedian Markus Jung schreibt mit Coautor Oliver Domzalski gegen den allgegenwärtigen und oftmals unbewussten oder gar verleugneten Rassismus an.

Doch er tut dies ohne erhobenen Zeigefinger, sondern vielmehr mit überraschender Leichtigkeit, auch mit Witz, ohne da wo es geboten erscheint, dem Thema den nötigen Respekt zu erweisen. Sehr sympathisch fand ich, dass er ehrlich zugibt, auch selbst nicht frei von rassistischen Gedanken und Verhalten zu sein, nur weil er selbst eine Person of Color ist.

Der Ratgeber ist gut strukturiert: Jung definiert Rassismus und erklärt einfach, woran man ihn im Alltag erkennen kann. Er zeigt rassistische Motive und Hintergründe auf und entlarvt Abwehrmechanismen von Weißen. Dabei positioniert er sich immer wieder, es ist auch ein sehr persönliches Buch. Dabei nimmt er keine extremen Positionen ein, sondern will vor allem vermitteln. Dies gelingt nicht zuletzt dadurch, dass er sich selbstkritisch hinterfragt und die Leser*innen an seiner eigenen Entwicklung teilhaben lässt. Offen erzählt Jung etwa davon, dass er früher gendergerechte Sprache abgelehnt hat, diese Meinung inzwischen jedoch revidiert hat.

Manche Themen werden für meinen Geschmack zu oft wiederholt. Dafür gibt es - wie Post-its an einer Pinnwand gestaltet - eine kleine hilfreiche Sammlung von Tipps für Weiße, wie sie Begegnungen mit Nichtweißen auf Augenhöhe und nichtdiskriminierend gestalten können.

Kleine Kritik: Schade ist, dass auf dem Cover nicht ersichtlich ist, dass das - wirklich empfehlenswerte Buch - mit Hilfe des Coautors Oliver Domzalski enstand.

Bewertung vom 28.11.2021
Rehn, Heidi;Kämmerer, Harry;Schmöe, Friederike

Mordsgipfel


sehr gut

Von wegen "auf der Alm da gibt's koa Sünd": Zwischen diesen Buchdeckeln wird reichlich gesündigt, die Protagonisten verstoßen gegen das fünfte Gebot, und mit Habgier, Zorn, Neid und Wollust sind selbst etliche der Todsünden vertreten. Und dies alles inmitten der malerischen, so idyllisch anmutenden bayerischen Bergkulisse.

Die vorliegende Anthologie vereint 14 Kurzkrimis ebenso vieler Autor*innen, darunter gebürtige Bayern wie auch "Zuagroaste". Die Geschichten sind erfreulich abwechslungsreich. Da wird die Bergwirtschaft zum Drogenumschlagsplatz, Polizisten geraten auf kriminelle Abwege, es gibt einen Hauch Mystery und historische Kriminalgeschichten.

Auch sprachlich laden die "Mordsgipfel" zu einer vielfältigen Entdeckungsreise ein. Manche Geschichten legen ein schier atemberaubendes Tempo an den Tag, andere kommen recht behäbig daher; oft ist es witzig, selten sehr brutal. In fast allen Stories sorgt bayerische Mundart für sympathisches Lokalkolorit. Leser*innen, für die Allgäuerisch, Fränkisch und Oberbayerisch unverständliche Fremdsprachen sind, sind daher bestens beraten, sich zur Lektüre der Unterstützung durch entsprechend versierte Übersetzer zu versichern.

Die Klappenbroschur ist ansprechend gestaltet, auf den Umschlaginnenseiten finden sich Fotos der Verfasser*innen. Gut gefallen mir auch die Kurzbiografien der Autor*innen am Ende der jeweiligen Kapitel, ergänzt um persönliche Bemerkungen zu "ihrem" ausgewählten Berg. Einzig die sehr kleinen und schwer erkennbaren Fotos der "Tatort"-Gipfel fand ich nicht wirklich schön, und leider sind dem Lektorat auch einige Fehler durchgerutscht.

Davon abgesehen kann ich diese wechselvollen verbrecherischen Bergtouren jedem Krimifan ans Herz legen. Allerdings nicht, ohne eine Warnung auszusprechen: Es könnte sein, dass Sie nach der Lektüre bei künftigen Wanderungen die Brotzeit auf der Alm nicht mehr ganz so entspannt genießen können!

Bewertung vom 05.11.2021
Butenuth, Sina

Natürlich gesund: Kräuter und Gewürze


sehr gut

Die Zeiten, als das typisch deutsche Gewürzregal außer Salz, Pfeffer und Paprikapulver nicht viel mehr zu bieten hatte, sind Gott sei Dank vorbei. Unsere Gesellschaft ist vielfältiger geworden, und das wirkt sich erfreulicherweise auch kulinarisch aus. Längst greift man auch hierzulande gerne zu Currypulver, Chili und Co.

Hobbyköchin Sina Butenuth hat nun ein kleines Kompendium der Kräuter und Gewürze verfasst. Zunächst geht es in einem kleinen historischen Ausflug in die Geschichte der Würze, dann folgen bereits handfeste praktische Tipps, wie etwa, Kräuter und Gewürze nicht in der Nähe des Herds zu lagern. Ein Hinweis auf nachhaltigen Einkauf fehlt ebenso wenig wie Möglichkeiten, Kräuter selbst anzubauen und anschließend haltbar zu machen. Allerdings muss einem klar sein, dass die Informationen recht knapp sind, was sicher auch dem zwar handlichen, aber eben auch sehr kleinen Format geschuldet ist. Optisch punktet das Buch mit wunderschönen Fotos, der farbige Leinenrücken wirkt sehr edel.

Im Hauptteil werden 40 Kräuter und Gewürze porträtiert: Ursprung, Allgemeines, Verwendung in der Küche und gesundheitliche Aspekte. Bei letzterem gibt es einige Wiederholungen, und viel Hintergrundinfos sollte man auch hier nicht erwarten. Aber das schmale Büchlein gibt einen guten Überblick, nicht zuletzt durch das wirklich gelungene Layout. Symbole lassen auf einen Blick erkennen, ob das Kraut mitgekocht oder erst kurz vor dem Servieren hinzugefügt werden sollte. Eine Tabelle im Anhang zeigt auf, was bei welchen Wehwehchen helfen kann.

Besonders gefallen mir die einfachen Rezepte und Anleitungen für eigene Würzmischungen. Chai-Latte, Melonen-Feta-Salat mit Minze oder Kerbelbutter sind nicht nur schnell gemacht, sondern überzeugen auch geschmacklich. Und der selbstgemachte Vanille-Pfeffer ist ein originelles und persönliches Präsent, das ich zum kommenden Weihnachtsfest zusammen mit dem hübschen Büchlein verschenken werde.

Bewertung vom 05.11.2021

Say Cheese!


ausgezeichnet

Wie war das nochmal - Überbacken mit Käse tötet Kalorien ab? Ich fürchte, der wissenschaftliche Beweis dafür steht noch aus, und so halte ich es lieber mit dem Spruch: "Ich esse gerne, und gebe Kalorien damit ein neues Zuhause!"

Mit dem vorliegenden Käsekochbuch dürften Gesundheitsapostel und Abnehmwillige so ihre Schwierigkeiten haben. Alle anderen finden hier einen empfehlenswerten Reigen äußerst delikater Käsekreationen.

Die über 60 Rezepte sind übersichtlich auf meist einer Doppelseite angeordnet, einzig die Angabe der Zubereitungszeit fehlt. Die großen Farbfotos sind sehr ansprechend, ohne übertrieben gestylt zu wirken. Der praktische Teil beginnt mit simplen Toasts und Sandwiches, die aber teils durch eine originelle Zutat wie das koreanische Kimchi frischen Pepp erhalten. Mein Favorit hier ist Apfel-Cranberry-Toast mit Brie auf Walnussbrot, ein kulinarisches Gedicht! Da das Buch im Original aus dem United Kingdom stammt, fehlen auch typisch britische Spezialitäten wie Welsh Rarebit oder Englischer Brotpudding nicht. Nudelaufläufe und Gemüsegratins stellen den Großteil der Rezepte, aber auch Pizza, Ofenkäse, und Suppen wollen versucht werden. Klassiker wie das Schweizer Käsefondue kann man mit selbstgemachten Beilagen perfekt ergänzen, z.B. mit Apfelrösti oder Walnuss-Grisini.

Die Gerichte überzeugen geschmacklich und sind dennoch so einfach, dass auch Anfänger bei der Zubereitung keine Probleme haben dürften. Viele Rezepte zeichnen sich durch Verwendung einer besonderen Käsesorte aus. So bekommt der Burger mit einer Scheibe Scamorza - statt dem immer gleichen Schmelzkäse - eine feine Räuchernote. Überhaupt bietet das Buch Gelegenheit, sich an hierzulande eher unbekannte Käsesorten zu wagen. Ich jedenfalls hatte bislang weder Lincolnshire Poacher noch den kalifornischen Monterey Jack auf dem Teller. Doch keine Angst, wer keinen gut sortierten Käseladen in der Nähe hat, braucht nicht auf die jeweiligen Rezepte zu verzichten, da aufgeführt ist, mit welchen gängigeren Sorten man die Käse ersetzen kann.

Das Hardcover mit Fadenbindung bleibt aufgeschlagen gut liegen und ist dadurch wirklich praxistauglich. Ebenfalls sehr praktisch ist das Register, das auch eine Suche nach verwendeten Käsesorten erlaubt. Hilfreich sind die Tipps zum Käseschmelzen an sich.

Fazit: Eine verlockende Einladung, die Welt des heißen Käses neu zu entdecken, der ich gerne und mit großem Genuss gefolgt bin.

Bewertung vom 04.11.2021
Butenuth, Sina

Natürlich gut: Brot backen


gut

Hobbyköchin Sina Butenuth möchte Anfängern die Scheu vor dem Brotbacken nehmen, und dies kann das kleine Büchlein sicher leisten.

Optisch ist das Buch sehr ansprechend, mit zahlreichen modernen, aussagekräftigen Fotos, durch den Leinenrücken, den geprägten Titel und das griffige Papier wirkt es hochwertig. Sehr süß finde ich die kleinen Brote neben den Seitenzahlen, ich mag solche Details. Auch die beiden Seiten für eigene Notizen und Rezepte sind eine praktische Idee und grafisch sehr schön umgesetzt.

Als Einleitung gibt es zunächst eine kurze Geschichte des Brotes und interessante, kurzweilige Fakten rund um das beliebte Grundnahrungsmittel. Sehr hilfreich sind Lagertipps für Brot und Mehl. Die über 30 abwechslungsreichen Rezepte im Hauptteil sind alphabetisch sortiert. Die verschiedenen Sauerteig- und Hefeteigbrote sind - wie im Untertitel angekündigt - einfach zuzubereiten und dürften auch Neulingen in der heimischen Brotbackstube kaum Schwierigkeiten bereiten. Auf sehr lange Gärzeiten oder Teigführung wird verzichtet (was allerdings zu Lasten der Verträglichkeit gehen kann), und wer sich noch nicht an das Ansetzen eines eigenen Sauerteiges traut, der darf getrost zum Fertigprodukt aus dem Einzelhandel greifen. Die Zutaten sind übersichtlich aufgelistet, einfach erhältlich und die Zubereitung ist gut verständlich beschrieben. Wird es doch mal ein wenig komplizierter, helfen Schritt-für-Schritt-Fotos, wie etwa beim Baguette-Falten. Zudem gibt es im Anhang ein paar Rezepte für herzhafte und süße Brotaufstriche. Auch diese kommen mit wenigen Zutaten aus und sollten auch Anfängern gut gelingen. Letztlich finden sich noch Rezepte für eigene Brotgewürze, und eine gleichermaßen unterhaltsame wie informative Länderreise bildet einen schönen Abschluss.

Leider hat das Buch jedoch meinen Praxistest nicht bestanden: Durch das kleine Format und die Art der Bindung bleibt das Hardcover überhaupt nicht aufgeschlagen liegen, sondern man muss etwas zum Beschweren darauf legen. Das wiederum verdeckt dann teilweise den Text, sehr schade und reichlich nervig.

Außerdem stehen bei vielen Rezepten Zutaten und Zubereitung nicht auf einer Doppelseite, sondern auf Vorder- und Rückseite, so dass man wiederholt hin- und herblättern muss. Das macht nicht nur keinen Spaß, sondern lässt das Büchlein bereits nach wenigen Backversuchen mit teigverklebten Fingern sehr ramponiert aussehen.

Wer sich daran nicht stört, bekommt jedoch für wenig Geld viele Tipps und Rezepte.

Bewertung vom 03.11.2021
Weisenseel, Peter

Syphilis & Co.


ausgezeichnet

Egal ob es im Slip müffelt oder im Schritt das große Jucken einsetzt - Autor Dr. Peter Weisenseel nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die häufigsten Beschwerden seiner Patienten schildert. Der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten gibt mit vorliegendem Ratgeber einen hervorragenden Überblick über die derzeit bei uns am verbreitetsten sexuell übertragbaren Krankheiten, von Gonorrhoe über Filzläuse bis zu HIV/Aids.

Dabei punktet der Doc nicht nur mit Fachwissen, sondern entpuppt sich als äußerst humorvoller Erzähler. Die Schilderungen seines Patienten-Panoptikums sind sehr unterhaltsam. Aber egal, ob Weisenseel einen jungen Mann mit Tripper davon abzuhalten versucht, weiterhin als "menschliche Anrichte" zu jobben, oder ob er einem älteren Sextouristen erklärt, was die wahrscheinliche Ursache dafür ist, dass seine junge Thai-Freundin "untenrum so nach Fisch riecht" - der Arzt schreibt mit einem Augenzwinkern, aber stets ohne vulgär oder gar verletzend zu werden. Weisenseels Fachgebiet spielt sich weitestgehend unter der Gürtellinie ab, das Niveau dieses Sachbuchs ist es hingegen definitiv nicht!

Am Ende jedes Kapitels findet sich eine übersichtliche Zusammenfassung zur jeweiligen Krankheit samt Erreger, Übertragungswegen, Symptomen, Prävention und Therapie. Im Glossar sind medizinische Fachbegriffe knapp und auch für Laien gut verständlich erklärt.

Fazit: Das handliche Paperback ist ein echter Gewinn für alle sexuell Aktiven. Auch wer noch ein Weihnachtsgeschenk für sein "Pubertier" sucht, dem kann ich diesen humorvollen und modernen Ratgeber wärmstens empfehlen.