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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2156 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2024
Wassjakina, Oxana

Die Steppe


sehr gut

Ein Vaterbuch

Das Buch ist so aufgebaut, dass die Icherzählerin einem ihre Geschichte erzählt, beziehungsweise auch die ihres Vaters. Ein Fernfahrer, ein rauer Typ, früher drogensüchtig und gewalttätig.
Zentral ist eine gemeinsame Fahrt der erwachsenen Tochter mit ihrem Vater in dessen LKW, begleitet von ihrer Freundin. Dazu gehören dann auch viele Erinnerungen.
Der Weg führt durch die Steppe, ein unwirtlicher, aber atmosphärischer Ort. Für den Vater war es sein Zuhause.
Auch über den Tod des aidskranken Vaters schreibt Oxana Wassjakina.
Viele Beschreibungen sind detailliert und intensiv. Oxana Wassjakina ist eine Autorin, die wirklich gut formulieren kann und über eine reiche Sprache verfügt.

Bewertung vom 18.09.2024
Calaciura, Giosuè

Das Lied eines Mörders


gut

Wir waren nichts mehr
Der in Palermo geborene Schriftsteller und Journalist Giosuè Calaciura hatte 1998 seine Debütroman geschrieben, der jetzt wieder veröffentlicht wurde.
Das Lied eines Mörders ist ein Roman, der sehr von seiner Erzählform geprägt ist. Es ist ein Monolog, der sich an einen Richter richtet. Immer wieder beginnt es mit „Wir waren nichts mehr, Signor giudice“. Mal ist auch euer Ehren angefügt. Giudice heißt auf Deutsch Richter.
Es ist eine bittere Litanei, vielleicht auch eine Beichte, aber von Reue ist nichts zu spüren.
Der Text hat bei aller Überzogenheit eine gewisse Poetik. Da die Sprache den Roman ausmacht würde ich auch nicht direkt von einem Thriller sprechen.
Im Nachwort berichtet der Autor Giosuè Calaciura von einem bedrohlichen Vorfall, der ihn zu diesem Text brachte.

Bewertung vom 18.09.2024
Ziegler, Juliane

Herzlandschaft


sehr gut

Das Rom der Marie Louise Kaschnitz

Dieses bei Ebersbach & Simon erschienene Buch bietet gleich zwei Vorzüge. Zum einen erzählt es über Marie Louise Kaschnitz Leben, von dem ich bisher kaum etwas gelesen habe. Zum anderen zeigt es Rom!
Es sind anfangs die dreissiger Jahre. Kaschnitz war 32 Jahre alt und veröffentlichte erste Texte.
Das Buch beinhaltet Fotos, z.B. auch einen Brief von Thomas Mann an Maire Louise Kaschnitz und eins von Ingeborg Bachmann, mit der Kaschnitz bekannt und befreundet war.
Es sind dann die fünfziger Jahre die sie in Rom verbringt und literarisch produktiv ist.
1955 erhält sie den Georg Büchner-Preis.
Auch das Werk wird in Herzlandschaft erwähnt. Einiges ist von Rom beeinflusst. Vor allen aber vermittelt das Buch ein Lebensgefühl.

Bewertung vom 18.09.2024
Strohmeyr, Armin

Allianz der Heimatlosen


sehr gut

Schweizerkind

Allianz der Heimatlosen ist ein ansprechendes, gut gemachtes Buch.
Über Erika und Klaus Mann wurde bereits sehr viel geschrieben. Deswegen ist die heute fast vergessene Annemarie Schwarzenbach die interessante Figur des Buches. Sie war eine Schweizer Schriftstellerin.
Sie war mit Klaus und Erika befreundet und ebenso queer wie diese beiden.
In Erika war sie verliebt, nannte sie älterer Bruder.
Leider starb Annemarie Schwarzenbsch durch Unfall jung. Ihr Briefwechsel mit den Manns wurde grösstenteils verbrannt, darunter auch Briefe von Thomas Mann. Das ist sehr bedauerlich. Umso verdienstvoller vom Autor Armin Strohmeyer hier nun doch ein Bild von ihr zu schaffen.
Das Buch bildet Annemarie als sensible Person zwischen den sehr selbstbewussten "Mann-Twins" ab.

Mich hat das Buch animiert, einen Roman von Annemarie Schwarzenbach zu bestellen.

Einige eindrucksvolle schwarzweiss-Fotos ergänzen das Buch.

Bewertung vom 17.09.2024
Schweikert, Ulrike

Woher wir kamen


ausgezeichnet

Ein packender Roman, in dem man als Leser eintauchen kann

Ulrike Schweikert ist eine Autorin, die schon lange großartige Romane schreibt und sie hat auch heute ihren Drive noch nicht verloren.
Man kommt schnell nahe an die Hauptfigur Jane heran.
Wie der Klappentext schon verrät, ist die die Tochter eines schwarzen US Marines und einer weißen Krankenschwester mit deutschen Wurzeln. Das ist wichtig zu wissen, denn es geht Jane auch um ihre Wurzeln.
Anfangs des Romans fühlt sie sich sehr verloren, da gerade ihr Vater gestorben ist. Auch ihre Mutter und ihr Bruder sind schon tot.
Neben den Schauplätzen New York und Cape Cod 2007 geht es zurück bis ins Jahr 1912, in dem die Geschichte ihrer Großeltern Emmy und Benno als Jugendliche beginnt. Deren spannende Lebensgeschichte wird erzählt.
Auch Janes eigene Geschichte eigene Geschichte wird gezeigt. Ihre Mutter starb früh, der Vater ist distanziert. Sie ging zur Navy und später als Sanitäterin sogar bis in den Irak.
Das in den Zeiten gesprungen wird, funktioniert gut. Hier spürt man die Erfahrenheit der Autorin, alles greift gut ineinander.
Bemerkenswert auch, dass alle Handlungsstränge auf ungefähr gleichen, hohen Niveau ist. Kein Teil fällt gegenüber den anderen ab.

Es sind 3 prall gefüllte Leben und dadurch wird auch der Roman erfreulich abwechslungsreich!
Als Leser ist man kontinuierlich vom packenden Text gefangen.

Bewertung vom 17.09.2024
Geiger, Arno

Reise nach Laredo (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Karls letzte Reise

Reise nach Laredo ist ein Roman, der vor kurzen kontrovers beim Literarischen Quartett besprochen wurde. Die Meinungen gingen auseinander, also hilft nur, selbst dieses interessante Buch zu lesen. Zunächst muss man wissen, wer Karl, die Hauptfigur dieses Buches ist. Es ist Karl V. Und war Kaiser sowie König von Spanien. Er lebte von 1500 bis 1558 und war eine interessante, historische Persönlichkeit.
Der Roman setzt gegen sein Lebensende ein, als er sich ins Kloster von Yuste zurückgezogen hatte. Die Handlung zeigt seine letzte (fiktive) Reise, die er zusammen mit einem Jungen unternimmt. Arno Geiger gelingen einige bemerkenswerte Szenen, zum Beispiel wie der König einen misshandelten Cagot rettete. Mit neuer Begleitung geht die Reise weiter. Eine Vielzahl von Details machen den Roman aus.
Arno Geigers literarische Qualitäten kommen auch in diesem Buch zum tragen.

Bewertung vom 15.09.2024
Heidtmann, Andreas

Bei den Minderen Brüdern


sehr gut

Es ist im Prinzip ein Internatsroman. Das hat eine lange Tradition und wenn man das heute noch wagt, sollte man eigentlich etwas besonderes hinzufügen. Bei den Minderen Brüdern ist aber ein ruhiger Roman, verhalten erzählt. Und ganz aus der Perspektive des Protagonisten.
Seine Liebe zur Musik und seine Beziehung zu seiner Freundin Rebecca sind recht ansprechend erzählt. Die ruhige Erzählweise ist Stärke und Schwäche des nicht unbedingt spannenden Romans. Aber man muss es nicht unbedingt bereuen, diesen Roman gelesen zu haben.

Bewertung vom 14.09.2024
Bouysse, Franck

Rauer Himmel


sehr gut

Das Buch lebt mehr von den Beschreibungen der Menschen und Landschaft als von einer Handlung. Mann kann sich die schweigsamen Männer visuell gut vorstellen. Es entsteht schnell eine Atmosphäre, die auch dem langsamen Erzähltempo geschuldet ist und getrost dem Genre Country Noir zugeschlagen werden kann.
Zwar gibt es keinen direkten Spannungsbogen, aber es liegt etwas in der Luft. Das spürt man kontinuierlich. Das ist schon sehr gut gemacht.

Bewertung vom 14.09.2024
Dolovai, Verena

Dorf ohne Franz


sehr gut

Ein desillusionierendes Buch.
Die Icherzählerin zeigt ihre Rolle in einer dörflichen, ländlichen Umgebung. Für sie gibt es keine Anerkennung oder Zuneigung innerhalb der Familie.
Der titelgebende Franz ist der einzige, der aus seiner Rolle ausbricht und dafür Freiheit erlangt.
Doch dann kommt der Tag, als auch Maria aus ihren Alltag flüchtet

Der Roman ist für meinen Geschmack ein wenig zu gleichförmig erzählt.
Aber man muss das Buch für seine Schärfe und Klarheit bewundern.
So wird es ein bemerkenswerter Antiheimat- und Antifamilienrom

Bewertung vom 14.09.2024
Zeman, Barbara

Beteigeuze


gut

Ich bin der Stern. Der Stern bin ich.

Der Stil von Barbara Zeman ist außergewöhnlich. Kurze Sätze prägen den Text. Mal verträumt, oft stakkatohaft.

Der Zustand der leicht labil wirkenden Protagonistin Theresa ist ambivalent. Wichtig ist ihre Beziehung zu Josef, aber die scheint schon ziemlich angeschlagen. Theresas Bedürftigkeit ist greifbar.
Es ist eine teilweise quälerische Lektüre. Dafür zeigt es den Zustand einer Frau in Schieflage im  Detail und ausdrucksstark.