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evelynmartina

Bewertungen

Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 18.05.2011
Vater, Mutter, Tod
Langer, Siegfried

Vater, Mutter, Tod


ausgezeichnet

Was für ein Buch!
Es muss viel passieren, damit ich ein Buch mit 5 Sternen bewerte, Siegfried Langer hat es mit „Vater, Mutter, Tod“ geschafft und zudem jeden einzelnen Stern meiner Meinung nach zu Recht verdient.
Dabei ist die Geschichte an sich gar nicht einmal so spektakulär: Zwei Familien aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, zwei Söhne, der eine ermordet, der andere entführt, und ein Kommissar, der diese beiden Fälle zu lösen hat. Die Figuren stellen nichts Außergewöhnliches dar, und die Handlung verläuft weder extrem blutrünstig noch übermäßig actionreich. Vielmehr zeichnet sich der Thriller durch seinen raffinierten Aufbau aus, durch verwirrende Zeitsprünge sowie sich abwechselnde Handlungsstränge und vor allen Dingen durch den Drahtseilakt zwischen Wahn und Wirklichkeit, den der Leser gezwungenermaßen vollführen muss. Was zu Beginn absonderlich, undurchsichtig und nahezu unmöglich erscheint, wird nach und nach enträtselt und logisch aufgeklärt. Indes bedient sich der Autor einer einfachen Sprache, verzichtet auf ausführliche, detaillierte Beschreibungen und setzt ganz auf die psychische Komponente und das Aha-Erlebnis beim Leser.
Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, das mich anfangs an meinem Verstand zweifeln ließ und mich gerade deshalb derart gefesselt hat, dass ich Raum und Zeit vergessen habe. Weiter so, Herr Langer, ich freue mich auf Ihre nächste Veröffentlichung!

Bewertung vom 31.03.2011
Die verborgene Sprache der Blumen
Diffenbaugh, Vanessa

Die verborgene Sprache der Blumen


gut

Der Debütroman "Die verborgene Sprache der Blumen" von Vanessa Diffenbaugh hat mich nicht vollkommen überzeugt und in dem Maße gefesselt, wie ich es mir gewünscht habe. Der Grund hierfür lag zum einen in der Hauptfigur Victoria, zu der ich keinen innigen Bezug herstellen konnte, und zum anderen in der Handlung, die für mich relativ vorhersehbar und dadurch nur bedingt spannend und überraschend war.
Victoria ist in Heimen und Pflegefamilien aufgewachsen. Nach ihren 18. Geburtstag ist sie auf sich allein gestellt und versucht, in San Francisco ihr Leben zu bestreiten. Verschlossen, keine Nähe zulassend und voller Selbstzweifel findet sie in der Welt der Blumen, deren Bedeutung sie einst von ihrer Pflegemutter Elizabeth gelernt hat, Halt und Erfüllung. Wo Worte fehlen, kommuniziert Victoria in der Blumensprache, die kaum einer kennt, bis sie schließlich auf Grant trifft, der ihre Sprache zu verstehen scheint.
Die Handlung spielt sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Wenn man sich eingelesen hat, macht aufgrund überschaubarer Kapitel der gedankliche Wechsel zwischen den Zeiten keine Mühe. Die Passagen aus Victoria's Kindheit und Jugend, die von Ablehnung, Missachtung und der Suche nach Liebe geprägt sind, habe ich mit großem Interesse verfolgt, weil ich unbedingt wissen wollte, warum auch ein längerer Aufenthalt bei der Pflegemutter Elizabeth, bei der sich Victoria zum ersten Mal geborgen fühlte, gescheitert ist. Dahingegen konnte ich trotz Victoria's persönlichen Hintergrundes ihre Schritte und Verhaltensweisen in der Gegenwart oft nicht nachempfinden und nachvollziehen. Geplagt von Versagensängsten und Schuldgefühlen fällt es ihr doch sehr schwer, über ihren eigenen Schatten zu springen und selbst errichtete Mauern einzureißen.
Vanessa Diffenbaugh setzt ihr Augenmerk ganz auf Victoria, während andere durchaus bemerkenswerte Personen meiner Meinung nach zu kurz kommen. Ihre Erzähl- und Schreibweise ist einfach, einfühlsam und drückt zum Teil stark auf die Tränendrüse, was mich mitunter etwas störte. Ins Geschehen baut die Autorin geschickt Sätze und Aussagen ein, die zum Innehalten und Nachdenken anregen, wobei sich die Sprache der Blumen wie eine Leitlinie durch das Buch zieht und zu einem Wörterbuch der Blumen am Ende des Buches führt.
Die Geschichte Victoria's bietet solide Unterhaltung mit einem Hauch von Melodramatik, lässt Blumen und ihre Symbolik in einem neuen Licht erscheinen und zeigt, daß es neben Schmerz und Leid auch Hoffnung und Zuversicht geben kann.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.03.2011
Adams Erbe
Rosenfeld, Astrid

Adams Erbe


sehr gut

*Wenn Gegenwart auf Vergangenheit trifft*
In Astrid Rosenfeld’s beeindruckendem Debütroman geht es um eine jüdischen Familie, um zwei Schicksale unter vielen und um eine offenkundige Verbindung zwischen Damals und Heute, die eine schreckliche Vergangenheit unvergessen macht.
Edward, der im 21. Jahrhundert unzufrieden sein Dasein fristet, findet auf dem Dachboden im Hause seiner Großmutter das Vermächtnis seines Großonkels Adam, bestehend aus Aufzeichnungen, die Adam zur Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung in Briefform an seine große Liebe Anna verfasst hat. Beim Lesen taucht Edward immer tiefer in die unfassbaren Geschehnisse einer grausamen Zeit ein und begleitet Adam auf dessen Suche nach Anna, nachdem diese in der Reichspogromnacht spurlos verschwand. Edward, der als Kind und Jugendlicher ständig mit seinem Großonkel verglichen wurde, entdeckt augenscheinliche Parallelen zwischen seinem und Adam’s Leben und zieht daraus Konsequenzen.
Die Autorin nimmt sich eines ernsten Themas auf humorvolle und sprachlich außerordentliche Art und Weise an. Bewegend und ergreifend treibt sie die mit beinahe poetischen und philosophischen Äußerungen gespickte Handlung voran, so dass an keiner Stelle Langeweile aufkommt. Ihre beiden Protagonisten, die von zahlreichen, äußerst originellen Nebenfiguren umgeben sind, wecken Sympathien und Mitgefühl. Die Stärke des Romans liegt meiner Meinung nach eindeutig in der Schilderung der erschütternden Erlebnisse von Adam während der NS-Zeit und des Krieges sowie in der Darstellung einzigartiger Charakteren.
Ein Buch, das Vergangenheit tiefsinnig aufarbeitet und dabei Wortwitz mit Tragik, Freude mit Trauer und Hoffnung mit Ausweglosigkeit vereint, verdient in meinen Augen besondere Beachtung und Aufmerksamkeit, damit ein entsetzliches Kapitel Deutscher Geschichte in Erinnerung bleibt und sich nie wiederholt!
Auf weitere Veröffentlichungen von Astrid Rosenfeld bin ich schon jetzt gespannt.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.02.2011
Der Hypnotiseur / Kommissar Linna Bd.1
Kepler, Lars

Der Hypnotiseur / Kommissar Linna Bd.1


gut

Für ein Krimidebüt ist „Der Hypnotiseur“, verfasst von dem schwedischen Autorenpaar Alexandra und Alexander Ahndoril, in meinen Augen ganz passabel. Allerdings empfand ich es nicht als todspannend und hypnotisierend, so wie es auf dem Buchrücken angepriesen wird. Dafür fehlt in der Handlung schlichtweg die Logik und Glaubwürdigkeit. In die eigentliche Geschichte, die in eine komplett andere Richtung einschlägt, als der Klappentext verspricht, wird viel zu viel hineingepackt, was eine geradlinige Struktur vermissen lässt und den Ablauf verworren macht. Ausführliche Beschreibungen an Stellen, an denen sie überflüssig erscheinen, sind an Stellen, an denen sie fürs Verständnis eventuell nötig gewesen wären, nicht zu finden. Fast alle Figuren, von denen es eine Vielzahl gibt, sind problembehaftet und handeln zum Teil übermenschlich und nicht nachvollziehbar. Auch sprachlich hat der Roman einige Schwächen, die sich in unbeholfenen Dialogen und kurzen, abgehackten Sätzen zeigen.
Aus einem interessanten Thema entwickelt sich im Verlauf des Buches zunehmend eine zusammengebastelte Story, die trotz einiger Spannungsmomente und des schlüssigen Endes nicht in vollem Maße überzeugen kann. Wer jedoch nichts Weltbewegendes erwartet, wird nicht enttäuscht sein.

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.02.2011
Rimbaud und die Dinge des Herzens
Benchetrit, Samuel

Rimbaud und die Dinge des Herzens


ausgezeichnet

Ein kleines Juwel!
Spätestens nach der Lektüre von "Le coeur en dehors", so lautet der Originaltitel des Romans von Samuel Benchetrit, hat es die Hauptperson Charly unweigerlich geschafft, das Herz des Lesers zu erobern.
Der zehnjährige Charly wohnt mit seiner aus Mali stammenden Mutter und seinem drogensüchtigen Bruder in der Pariser Vorstadt. Er gibt dem Leser einen Einblick in einen einzigen, jedoch bedeutenden Tag seines Leben, der mit der zunächst unerklärlichen Verhaftung seiner Mutter beginnt und sich in der Suche nach Gründen dafür und schließlich nach dem Verbleib der Mutter selbst fortsetzt.
Die Geschichte liest sich wie ein spannender Tagebucheintrag, verfasst von einem äußerst sympathischen Jungen, den man nach und nach immer mehr kennen und mögen lernt. Charly trumpft durch seine pfiffige, witzige und kluge, manchmal altkluge Art, ist mutig und ängstlich zugleich und macht sich Gedanken über Dinge, die sein eigenes Kindsein und speziell das Dasein in einem Vorstadt-Ghetto beherrschen. Neben seiner couragierten Suche nach seiner Mutter erzählt er von ihn bewegenden Ereignissen, seinem älteren Bruder, seinen Freunden und seinen beiden großen Lieben, der zur Mutter und der zu einem gleichaltrigen Mädchen. Dabei kommt er vom Hundersten ins Tausendste und lässt seiner Fantasie, einer in seinen Augen sehr wichtigen Eigenschaft, freien Lauf.
Hat man mit dem Lesen des Buches erst einmal angefangen, kann man sich ihm nur schwer wieder entziehen. Samuel Benchetrit ist es voll und ganz geglückt, Charly lebendig werden zu lassen. Der Autor lässt seine Figur, in der Ernst und Humor sowie Traurigkeit und Freude vereint sind, in der Ich-Form agieren und den Leser direkt ansprechen. Der prägnante Sprach- und Schreibstil fängt sowohl die beklemmende, aber nicht hoffnungslose Atmosphäre als auch die gefühlvollen und warmherzigen Momente so perfekt ein, daß man mit dem kleinen Kerl einfach mitempfinden, mitleiden und mitfiebern muss. Die Handlung ist klar strukturiert und kurzweilig. Man erfährt, warum Charly's Mutter von der Polizei abgeholt wurde und bekommt eine Vorstellung davon, welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten, ein aktuelles Thema, das nachdenklich stimmt.
Obwohl das Ende offen bleibt, was mir gefallen hat, bin ich mir sicher, daß Charly trotz aller Widrigkeiten seinen Weg gehen und seinen Platz in der Welt behaupten wird.
"Rimbaud und die Dinge des Herzens" ist ein rundum gelungenes Werk, an das ich mich sehr gerne erinnern werde!

Bewertung vom 10.02.2011
Und vergib uns unsere Schuld / Commissaris van Leeuwen Bd.1
Fischer, Claus C.

Und vergib uns unsere Schuld / Commissaris van Leeuwen Bd.1


sehr gut

"Und vergib uns unsere Schuld" ist ein ruhiger und einfach konstruierter Krimi, der ohne blutige Actionszenen auskommt und trotzdem unter die Haut geht. Dies liegt vor allen Dingen an dem äußerst sympathischen Kommissar Bruno van Leeuwen, der in Amsterdam einen ungewöhnlichen Mord an einem Jugendlichen aufzuklären hat und sich neben seiner Polizeiarbeit liebevoll um seine an Alzheimer erkrankte Frau kümmert. In diesem Buch gibt es also zwei Geschichten, zum einen den zu lösenden Kriminalfall, zum anderen das sorgenvolle Privatleben des Ermittlers. Claus Cornelius Fischer gelingt es, beide Geschichten perfekt miteinander zu verknüpfen und dabei die typische Atmosphäre von Amsterdam realitätsnah einzufangen.
Wer einen verzwickten und temporeichen Thriller erwartet, der wird enttäuscht sein, denn recht früh ist zu erkennen, in welche Richtung die Aufklärung des Mordes führen wird. Die Stärke des Romans liegt vielmehr in den leisen Tönen und der detaillierten Beschreibungskunst des Autors, was mir so gut gefallen hat, daß ich auch die Folgebände lesen werde.

Bewertung vom 04.02.2011
Das Blut der Lilie
Donnelly, Jennifer

Das Blut der Lilie


gut

Jennifer Donnelly, bereits bekannt im Bereich des Historischen Romans, verbindet in ihrem neuen Werk „Das Blut der Lilie“ die Gegenwart mit der Vergangenheit und erzählt von zwei jungen Frauen, deren Schicksale, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeiten leben, erstaunliche Parallelen aufweisen.

Da ist zum einen Andi, die sich am Tod ihres jüngeren Bruders schuldig fühlt, Halt und Lebensmut zu verlieren scheint und Trost in Tabletten und der Musik sucht. Zum anderen kämpft Alexandrine während der Französischen Revolution um den kleinen Louis Charles, der als möglicher Thronfolger von den Aufständischen gefangen gehalten wird. Andi findet die Tagebuchaufzeichnungen von Alexandrine und taucht immer tiefer in die Vergangenheit ein.

Die Geschichte beginnt vielversprechend. Der Autoin gelingt es sowohl den Zeitgeist von Heute als auch das Geschehen von Damals perfekt einzufangen und widerzugeben. Sie stellt ihre Figuren glaubhaft und echt dar. Ihre Erzählweise ist leicht und unkompliziert und wird durch die sich abwechselnden Zeiten kurzweilig und unterhaltsam. Leider flacht die Handlung im Verlauf zunehmend ab. Die letzten hundert Seiten waren für mich eine Qual und überhaupt nicht nachvollziehbar.

Eine interessante Idee, historische Ereignisse mit Problemen der Gegenwart zu verknüpfen, wurde in meinen Augen nicht überzeugend umgesetzt. Aufgrund des Themas und des einfachen Sprachstils würde ich den Roman eher dem Jugendbuch-Genre zuordnen. Junge Leser können vielleicht den Sinn der Auflistung einiger Songtexte und das letzte Viertel des Buches besser verstehen.

Zitat: „Die Welt mag sich vielleicht genauso stumpfsinnig und brutal weiterdrehen wie zuvor, aber ich mache dabei nicht mit.“

Bewertung vom 06.01.2011
Der gefrorene Rabbi
Stern, Steve

Der gefrorene Rabbi


weniger gut

In Memphis findet der gelangweilte und unzufriedene Teenager Bernie Karp in der Kühltruhe seiner Eltern einen tiefgefrorenen Rabbi, der als eine Art Glücksbringer über Jahrzehnte innerhalb der Familie weitergereicht wurde. Bei einem Stromausfall taut das Relikt aus dem 19. Jahrhundert auf und wird zu neuem Leben erweckt. Während sich der Rabbi perfekt der Neuzeit anpasst und Nutzen aus möglichen und unmöglichen Gepflogenheiten der modernen Gesellschaft zieht, entdeckt Bernie seine jüdischen Wurzeln und ungeahnte Qualitäten.
Die Handlung in Steve Stern’s Roman „Der gefrorene Rabbi“ unterteilt sich in Abschnitte des Heute und der vergangenen 100 Jahre. Im Heute verwandelt sich Bernie Karp von einem desillusionierten Jugendlichen in eine Person mit Zielen und übersinnlichen Fähigkeiten, wohingegen sich der Rabbi immer mehr seiner ursprünglichen Berufung abwendet und sich genüsslichen und gewinnbringenden Aktivitäten widmet. In den Passagen der Vergangenheit erfährt der Leser, wie der Rabbi in den gefrorenen Zustand gekommen ist und als Eisblock mit seinen jeweiligen Besitzern eine lange Reise von Polen in die USA unternimmt. Der Rabbi spielt in diesen Kapiteln eher eine Nebenrolle, denn vielmehr geht es Steve Stern darum, das im letzten Jahrhundert stattgefundene Martyrium der Juden in Ost und West darzustellen. Das gelingt dem Autor durchaus, jedoch bleiben seine Figuren größtenteils glanzlos und fade, und sein im Grunde ansprechender Erzähl- und Schreibstil wirkt stellenweise langatmig und ermüdend.
Ich habe eine amüsante Geschichte über ein uriges Überbleibsel aus der Vergangenheit, das dem Amerika des 21. Jahrhunderts Paroli bietet, erwartet und mich auf ein witziges und ungewöhnliches Lesevergnügen gefreut. Doch anstatt Humor und Kurzweil habe ich eine Lehrstunde in Geschichte, Sitten und Gebräuche des Judentums erhalten, die zwar interessant, aber sehr ausschweifend und mit einer Menge von jüdischem Insider-Wissen gespickt ist. Das Geschehen an sich entbehrt jeglicher Logik, ist übersät mit Spitzfindigkeiten und endet abstrus und nahezu lachhaft.
Schade, die Idee zu dem Roman hat mir gefallen, verrückt und eigentümlich, die Ausführung hat mich leider nicht überzeugen können.