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meerblick

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Insgesamt 474 Bewertungen
Bewertung vom 31.08.2025
Sotto Yambao, Samantha

Water Moon


sehr gut

Verhängnisvolle Entscheidungen

In Tokio gibt es ein Pfandhaus, das nicht für jedermann zu finden ist. Man betritt ein Ramen-Restaurant, um seinen Hunger zu stillen und landet, wenn man zu den Auserwählten zählt, unverhofft an einen Ort, an dem getroffene Entscheidungen, die schwer auf der Seele lasten, eingetauscht werden können zur Befreiung des schlechten Gewissens.
Hana Ishikawa übernimmt von ihrem Vater Toshio, der in den Ruhrstand tritt, das Geschäft und findet an ihrem ersten Arbeitstag ihre Wirkungsstätte völlig zerstört und ausgeraubt vor. Noch bevor sie ihre Gedanken sammeln kann, um die Geschehnisse für sich einzuordnen, betritt der geniale Physiker Keishin den Raum der Verwüstung und bietet sofort seine Hilfe an. Es beginnt eine abenteuerliche Reise durch eine fantastische Welt auf der Suche nach Toshio. Dabei werden die beiden von seelenlosen Monstern gejagt, was der Geschichte immer wieder eine atemberaubende Spannung verleiht.
Die Geschehnisse schreiten rasant voran, während ein Puzzleteilchen nach dem anderen zu dem magischen Aufenthaltsort des Gesuchten führen, erstaunliche Zusammenhänge sich offenbaren und dennoch für Verwirrungen sorgen. Die Vielfalt der Fortbewegungsmöglichkeiten in diesem Land jenseits unserer Vorstellungen haben mich begeistert. So werden Hana und Keishin von einer Melodie getragen oder von Papierkranichen, werden zusammengefaltet, springen in Pfützen. Auch über Gerüchte kann man sein begehrtes Ziel erreichen.
Die Sprache der Autorin Samantha Yambao in ‘Water Moon‘ ist nüchtern und dennoch haucht sie ihrer Geschichte eine liebenswerte Lebendigkeit ein, die mit poetischen Formulierungen ausgeschmückt ist. Die magische Welt zeigt immer wieder Parallelen zur realexistieren Wirklichkeit auf, die durchaus gesellschaftskritische Momente beinhalten.
Ich habe mich gern von der Geschichte tragen lassen, ohne zu Beginn zu wissen, was mich erwartet und wurde angenehm überrascht.

Bewertung vom 29.08.2025
Cole, Terri

Too Much!


ausgezeichnet

Hilfreicher Ratgeber aus einer belastenden Co-Abhängigkeit

An alle, die glauben ohne ihre aufopferungsvolle Fürsorge bricht die Welt zusammen, die immer und überall hilfreich zur Seite stehen müssen, die sich am Ende des Tages dann völlig ausgelaugt und kraftlos fühlen, richtet sich dieser wertvolle Ratgeber ‘Too Much‘ von Terri Cole. Die Autorin analysiert klar und verständlich an Hand von gut ausgewählten Beispielen, wo die Ursachen des ‘Zu viel‘ liegen. Dabei zeigt sie Wege auf, wie man zunächst erkennen kann, wo im Alltag die Stolperfallen liegen und weshalb man sich immer wieder darin verfängt. Sie gibt wertvolle Tipps zur mentalen Stärkung, um sich Stück für Stück diesem kräftezehrenden Prozess zu entziehen. Ihre Erfahrungen schöpft Terri Cole aus ihrer eigenen Biografie und aus unzähligen Gesprächen.
Das Zauberwort ist Selbstliebe, denn nur wenn ich in erster Linie fürsorglich mit mir selbst umgehe, stärke ich meine Resilienz aber auch meine physischen Kräfte. Das widerspiegelt sich in gesteigerter Lebensfreude und letztendlich auch in mehr Leistungsfähigkeit.
Einen Versuch ist es doch wert, die Anregungen aus dem Buch aufzunehmen und das Beste daraus zu machen.

Bewertung vom 28.08.2025
Teige, Trude

Wir sehen uns wieder am Meer (MP3-Download)


ausgezeichnet

Berührende Fürsorge in unmenschlichen Zeiten

‘Wir sehen uns wieder am Meer‘ ist der letzte und abschließende Teil einer Trilogie von Trude Teige, in der Junis auf den Spuren vergangener Zeit unterwegs ist, um mehr über ihre familiären Wurzeln zu erfahren und dabei die drei lebenslang verbundenen Freundinnen Birgit, Thekla und Anneliese näher kennenlernt. Yara Blümel spricht sehr akzentuiert und mit angenehmer Stimme das Hörbuch.
Birgit hat sich als Krankenschwester ausbilden lassen und geht nach dem schmerzlichen Tod ihres russischen Freundes von Oslo in den Norden des Landes, um dort in einem Krankenhaus zu helfen, menschliches Leid zu lindern und um ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Norwegen ist zu dieser Zeit mitten im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten besetzt. Unweit ihrer Arbeitsstätte befindet sich eine Fischverarbeitende Fabrik, in der Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen schuften müssen. In dem angrenzenden Lager sind die Lebensbedingungen unerträglich. Hinzu kommen unglaubliche Schikanen der Lageraufsicht. Birgit kann auf Grund ihrer russischen Sprachkenntnisse den Insassen kleine Vorteile verschaffen. Besonders mit der jungen Nadja aus der Ukraine freundet sie sich an. Mit Sascha, der aus Moskau stammt, verbindet sie ein sehr intimes Verhältnis. Ihre uneigennützige Hilfsbereitschaft bringt sie allerdings in eine lebensgefährliche Situation, als sie von den Nazis gefangen genommen wird. Jahre später arbeitet sie in der norwegischen Botschaft in Moskau. Hier gerät sie wiederum in arge Bedrängnis durch den KGB, als sie sich auf die Suche nach ihrer großen Liebe Sascha begibt.
Trude Teiges Schreibstil ist unaufgeregt, sehr fesselnd, weil sie in der Lage ist, historische Tatsachen unterhaltend darzustellen. Dabei gelingt es ihr die Charaktere lebendig und authentisch in die Geschichte einzubauen. Es ist ein Roman, der die verheerenden Zustände unter denen die Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg leiden mussten und die menschenverachtenden Lebensumstände unter der stalinistischen Herrschaft in der Sowjetunion schonungslos beschreibt.

Bewertung vom 28.08.2025
Schlee, Ann

Die Rheinreise


ausgezeichnet

Aufbegehren gegen das gesellschaftliche Korsett

Ann Schlee erzeugt in ihrem Roman ‘Die Rheinreise‘ eine Atmosphäre, die mich in das Zeitalter Königin Viktorias zurückversetzte. Die gesellschaftliche Rollenverteilung folgt einer strengen Vorgabe, in der keinerlei Abweichungen geduldet werden. Wer dient und wer sich bedienen lassen darf ist streng reglementiert. Stimmungsvoll entführt uns die Autorin in das Jahr 1851. Das Volk begehrt auf gegen die sich in zunehmendem Maße verschlechternden Lebensbedingungen. Ein nicht zu überhörender Schrei nach Befreiung aus den bourgeoisen Fesseln hallt durch Europa.
Doch man traut sich wieder zu reisen und so betreten der englische Reverend Charles Morrison mit seiner Frau Marion und der siebzehnjährigen Tochter Ellie in Koblenz einen Raddampfer, der die illustre Gesellschaft Richtung Köln befördert. Charlotte Morrison, die Schwester des Geistlichen wird eher als Dienstleistende anstatt eines Familienmitgliedes behandelt. Sie hat ihr Leben lang nicht aufbegehrt und sich den vorgeschriebenen Anweisungen zu einem ihr zugebilligten Lebenskonzept gefügt. Nun vererbt ihr ihr verstorbener Dienstherr ein hübsches Sümmchen Geld, welches sie befähigt in bescheidenen Verhältnissen unabhängig von jeglicher Bevormundung zu leben. Es gehörte Mut dazu, das gesellschaftliche Korsett abzulegen und sich auf eine unabhängige Zukunft einzulassen.
Ann Schlee schreibt feinfühlig, verleiht ihren Charakteren eine bewundernswerte Lebendigkeit. Den Zeitgeist fängt sie geschickt mit authentischen Dialogen und Gedankengängen ein. Sie legt große Sorgfalt in die landschaftlichen Beschreibungen, das Brodeln des Flusses. Man spürt beim Lesen förmlich die Aufbruchstimmung, die den inneren Druck unerfüllter menschlicher Bedürfnisse wiedergibt und richtungsweisend in eine neue Zeit der Befreiung führt.

Bewertung vom 28.08.2025
Schmitt, Caroline

Monstergott (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Traumatische Begegnungen

Ben und Esther sind Geschwister, die sich gut verstehen, gegenseitig aufeinander achten und immer füreinander da sind. Sie teilen sich ein Zuhause und leben in Wohngemeinschaft.
Seit frühester Jugend werden sie, durch ihr Elternhaus forciert, mit den strengen Regeln eines allmächtigen Gottes konfrontiert, sind aktiver Teil einer strikt auf die Worte der Bibel ausgerichteten Glaubensgemeinschaft. Jeden Schmerz, den sie erleiden, versuchen sie durch Worte aus der Heiligen Schrift zu erklären. Wegweisend dabei ist ein äußerlich attraktiv erscheinender und modisch gekleideter Pfarrer, der seine Gemeinde sektenähnlich führt und begleitet. Seine Predigten gleichen einem inszenierten musikbegleitendem Spektakel mit strengen Worten der Mahnung zur Abkehr jeglicher Verfehlungen im Alltag, die den religiösen Vorstellungen ihres Gottvaters widersprechen. Gesellschaftliche Freiheiten werden als abscheuliche Sünde gewertet. Dieser Konflikt zwischen dem Arbeitsalltag mit freiheitlich denkenden und handelnden Menschen und den mentalen Einschränkungen im privaten Lebensbereich führt zu traumatischen Belastungen und schreit nach Emanzipation.
Caroline Schmitt setzt den Fokus in ‘Monstergott‘ auf religiös abhängige Menschen, die in ihrem Gedankengut und ihren Handlungen stark eingeschränkt werden und einen inneren, erbitterten Seelenkampf austragen. Ihre Sprache ist klar, mitunter eigenwillig mit schnell wechselnden Gedanken und szenischen Darstellungen, aber immer ehrlich und sogleich schonungslos ansprechend. Sie zeigt deutlich die Verletzlichkeit der menschlichen Persönlichkeit in ihrem Drang nach unabhängiger Entwicklung.

Bewertung vom 21.08.2025
Hildegard von Bingen

Hildegards Schatzkiste


ausgezeichnet

Interessantes Wissen aus dem Mittelalter

Maria R. Kaiser beschäftigt sich nach eigener Aussage schon viele Jahre mit der Kloster- und Kräuterfrau Hildegard von Bingen, die im Mittelalter lebte und ihr Wissen um die heilende Kraft von Pflanzen schriftlich festgehalten hat. Diese uralten Dokumente sind noch heute ein Quell von Interessantem und Wissenswertem aus dem Mittelalter.
Die Autorin stellt in ‘Hildegards Schatzkiste – Kräuterwissen, Rezepte und Heilsames für die Seele‘ mit Unterstützung des Herder Verlages auf sehr unterhaltsame Weise einerseits das Leben und Wirken dieser berühmten Frau, die im Mittelalter lebte, einer Zeit, in der die Wissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte und die Heilmethoden nur sehr rudimentär vorhanden waren, in den Mittelpunkt und beschenkt den Leser andererseits mit erstaunlichen Einblicken in die Verwendung von heimischen Pflanzen und deren Wirkung auf den menschlichen Organismus aber auch auf den seelischen Zustand.
Ich finde es immer wieder höchst Interessant wie sich Stück für Stück unser Wissensvorrat vermehrt, ergänzt wird durch neue Sichtweisen und gerade uralte Erkenntnisse, die im Laufe der Zeit aus dem Fokus verschwanden, mit neuen wissenschaftlichen Untersuchungen gepaart in unserer modernen Zeit ihre Renaissance erleben.
Dieses kleine Büchlein, ideal als Geschenk, vermittelt dem interessierten Leser nicht nur faszinierende Einblicke in die Welt vor vielen hundert Jahren, sondern liefert auch Rezepturen zum Nachmachen und Genießen.

Bewertung vom 21.08.2025
Kern, Theresa

Die Freiheit so weit / Emma und Elias Bd.2


ausgezeichnet

Fesselnde Familiengeschichten

Theresa Kern stellt in ihrem Roman ‘Die Freiheit so weit‘, dem zweiten Teil einer Dilogie nach ‘Der Unendlichkeit so nah‘, starke Frauen in den Mittelpunkt. Frauen, die aus den verschiedensten Gründen in ihrem Leben nicht immer alles richtig gemacht haben, die Einsicht zeigten und sich mutig zu ihren Fehlern bekannten, die allerdings auch in schwierigen Zeiten ihren, wenn auch steinigen Weg gingen, sich gegen Vorurteile und bösartiges Gerede wussten zur Wehr zu setzen.
Es ist die Geschichte von zwei Freundinnen, die sich in den Wirren des ersten Weltkrieges aus den Augen verloren, einerseits aus Scham vor unverzeihlichen Geschehnissen und andererseits, weil ein Ozean sie trennte. Marie und Susanna durchlebten schwere Zeiten und mussten beide um ihre Liebe kämpfen, gegen den Widerstand der Familien des Partners.
Jahrzehnte später wird es Emma sein, die Urenkelin von Susanna, die ihren Traum eines Tages als Astronautin in den weiten Sphären des Weltraums tätig zu sein, verfolgt, auf den Spuren der Vergangenheit wandelt und so manches Geheimnis lüftet. Während Emma sich selbst quälender Fragen stellt, bangt sie um die Zukunft mit ihrer großen Liebe Elias, der nach einem schweren Verkehrsunfall in seiner Heimat Hawaii sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat.
Theresa Kern beweist ihr schriftstellerisches Talent einmal mehr mit dieser fesselnden, über mehrere Generationen zweier Familien erzählten Geschichte, die immer wieder Spannung ins Geschehen bringt durch die aus unterschiedlichen Sichten der Protagonisten sich abwechselnden Erzählstränge. Dabei werden die sich wandelnden Charaktere durch äußere Einflüsse der Lebensumstände, aus meiner Sicht, nachvollziehbar und sehr gelungen in Szene gesetzt.
Wer gern auf den Spuren alter Familiengeheimisse unterwegs ist, dabei blendend unterhalten werden möchte und sich damit in den Sog einer spannenden, berührenden Story begibt, der ist hier bestens aufgehoben.

Bewertung vom 19.08.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


ausgezeichnet

Trügerische Idylle

Hannah Lühmann thematisiert in ihrem Roman ‘Heimat‘ die Verkörperung der Tradwife, jenes von Influencerinnen seit den 2010 Jahren idealisiertes Rollenbild der Frau, das die Tradition des unterwürfigen Weibs, die den Haushalt führt, keine beruflichen Ambitionen verfolgt und das der liebevollen Mutter verkörpert. Staatliche Institutionen wie der Kindergarten, die erzieherischen Einfluss auf die Kinder haben, werden strikt abgelehnt ebenso wie Impfungen als vorsorgende Schutzmaßnahme zum Beispiel für die Gesundheit Schwangerer.
Die Protagonistin Jana, die mit ihrer Familie, dem Mann Noah, zwei Kleinkindern und schwanger mit dem Dritten aus der Großstadt in die dörfliche Idylle flieht, fühlt sich überfordert von Beruf und Familie. In der neuen Heimat lernt sie die charismatische Karolin und ihre Freundinnen kennen, die ihr eine Wertebild vorleben, das sie beeindruckt und gefangen nimmt. Mehr und mehr, nicht zuletzt auch durch verstörende aktuelle Berichterstattungen von terroristischen Aktionen im Lande und die beachtlich steigende Anzahl zu versorgende Migranten, lässt sie sich einbinden in politische Aktionen der AfD, die den Alltag der Dorfgemeinschaft prägen. Der Prozess der Veränderung in Janas Persönlichkeit vollzieht sich schleichend, bei dem ihr Partner leider nur hilflos zuschauen kann.
Mit steigender Brisanz drängt sich dieser Sachverhalt der unterschwelligen Unterwanderung demokratischer Normen in den Alltag unserer Gesellschaft, verunsichert und sorgt für Disharmonien in der Bevölkerung. Der Roman rüttelt wach, fordert auf zum Nachdenken und Handeln im Sinne des Erhalts einer humanistischen Wertevorstellung.

Bewertung vom 19.08.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nichts ist, wie es scheint

Änne und Luise sind ein Zwillingspaar, das unterschiedlicher im Charakter nicht sein könnte. Trotz ihrer verblüffenden äußeren Ähnlichkeit wirken sie völlig unterschiedlich auf ihre Mitmenschen. Während die eine immer strahlt und Lebensfreude versprüht, besitzt Änne ein eher düsteres Gemüt, fühlt sich vielleicht gerade durch ihre missmutige Ausstrahlung untrennbar verbunden mit ihrer immer freundlichen Schwester Luise. Sie wachsen auf einem großen Landgut in Schlesien auf. Ihre Jugendjahre fallen in die Zeit der letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs. Der Vater ist unnahbar streng, trägt die Verantwortung für den laufenden Betrieb allein, duldet keine Widerrede und hat zwangsverpflichtete Fremdarbeiter als auch Kriegsgefangene als billige Arbeitskräfte, die für die seit mehreren Generationen ansässige deutschsprachige Familie schuften müssen und ein armseliges Leben führen, unter seiner Obhut. Als eines Tages ein scheinbar russischer Kriegsgefangener, ein junger, völlig abgemagerter aber gutaussehender Mann dem Gutshof für Frondienste zugeteilt wird, ändert sich das Leben der beiden Schwestern grundlegend mit prägender schicksalhafter Gestaltung ihrer Zukunft.
Miriam Georg ist eine Geschichtenerzählerin, die es vermag zu fesseln, zu unterhalten, Spannung aufzubauen und nicht zuletzt auch informativ geschichtliche Ereignisse lebensnah zu verpacken. In ‘Die Verlorene‘ verarbeitet sie persönliche Aufzeichnungen und Berichte ihrer Großeltern. Sie weiß, dass die ältere Generation ungern über die Zeiten der Vertreibung und des Neubeginns mit verletzender Ausgrenzung berichtete. Sie schwiegen über die Gräueltaten, die sie erdulden mussten, aber auch über ihr Leben in den ehemaligen Ostgebieten wurde nicht viel berichtet. So begeben sich Laura und Ellen in dem Roman auf Erkundungstour in die Vergangenheit, um die Rätsel, die ihnen ihre Großmutter und Mutter aufgegeben hat zu lösen. Doch nichts ist wie es scheint.
Die Autorin liefert eine berührende Geschichte, die mit vielen rätselhaften Gegebenheiten, unerwarteten Wendungen, verblüffenden Tatsachen ausgestattet ist und ein Teil unserer deutschen Geschichte darstellt. Schon aus diesem Grund finde ich den Roman lesenswert.

Bewertung vom 19.08.2025
Everett, Percival

Dr. No


ausgezeichnet

Völlig abgefahrene Geschichte

Percival Everett präsentiert in seinem neuen Roman ‘Dr. No‘ eine völlig abgefahrene Geschichte mit anspruchsvollem Hintergrund. Mathematisch-physikalische Erkenntnisse vermischt er gekonnt mit philosophischen Ansätzen, um gesellschaftspolitische Strömungen in seiner Heimat den USA genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei all der vorherrschenden Slapstick, er bedient sich der Strukturen aus ‘Big Bang Theory‘ oder ‘James Bond‘, sind die angesprochenen Themen wie Rassenhass, Sozialkritik und gesellschaftliche Notstände ernstzunehmende Tatsachen, die das Alltagsbild in den Vereinigten Staaten von Amerika prägen. Indem er fundierte Ansätze der Schrödinger Gleichung in Szene setzt, Theorien der Quantenfluktuation geschickt platziert und diese zu einem philosophischen Nichts vereint, schafft er Raum für Spekulationen, Gedanken, die in unvorhersehbare Richtungen driften können. Seine Dialoge sprühen vor trockener Heiterkeit. Ganz nebenbei wird nichts in seiner Mehrdeutigkeit immer wieder beleuchtet, in den Mittelpunkt brillanter Formulierungen gestellt.
Dr. No, alias Wala Kitu – eine ausführliche Erklärung zur Herkunft und Bedeutung des Namens liefert der Roman, ist ein begnadeter Mathematikprofessor, der sich ganz gut in Teilgebieten der Physik, zu meiner großen Freude, auskennt, was bei seinem Forschungsprojekt über das Nichts vorteilhaft erscheint. Gemeinsam mit seiner ebenso talentierten Kollegin Eigen Vector, die ebenso wie Dr. No in eingeschränkter Interaktion und Kommunikation lebt, wird er in die kriminellen Machenschaften des Milliardärs John Sill verwickelt, der nach dem Besitz des alles beherrschenden Nichts strebt, welches die US-Regierung sicher verwahrt.
Percival Everett ist mit dieser Geschichte ein genialer Schelmenstreich gelungen, für den man sich etwas Zeit zum Genießen nehmen sollte.