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meerblick

Bewertungen

Insgesamt 382 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2025
Die Frauen hinter der Tür
Doyle, Roddy

Die Frauen hinter der Tür


ausgezeichnet

Vererbtes Trauma

In ‘Die Frauen hinter der Tür‘ von Roddy Doyle, dem irischen Schriftsteller und Drehbuchautor – ausgezeichnet mit dem Booker Prize -, erzählt der Autor die Geschichte von Paula Spencer, einer Frau, deren Leben von häuslicher Gewalt und schwerem Alkoholismus geprägt war. Nun in den Anfangsjahren der Pandemie fühlt sie sich frei und unabhängig. Sie lebt allein, trifft ab und zu einen Mann, der sie versteht, mit dem sie sich unterhalten kann. Ihre vier Kinder sind erwachsen, führen ihren eigenen Haushalt. Sie hat einen Job, der ihr Spaß macht und sie ernährt. Eines Tages steht ihre älteste Tochter Nicola vor ihrer Tür, das Kind, welches stets Stärke und Selbstbewusstsein verkörperte, die die Hürden des Alltags scheinbar spielend meistert. Sie will ihre Familie verlassen, die perfekte Vorzeigefamilie. Das ist die Ausgangssituation, in welcher sich ein schmerzhaftes, ehrliches Mutter Tochter Gespräch entwickelt, das einen Konflikt, der bereits über Generationen existiert, in den Mittelpunkt stellt. Dabei verschieben sich stets die Grenzen zwischen den beiden Frauen, zwischen Mutter sein und hilfesuchender Tochter.
Roddy Doyle zeichnet ein schonungslos ehrliches Bild einer Frau, die in ihrem Leben das Schuldbekenntnis allein für sich in Anspruch nimmt, die ihre Unsicherheit immer wieder zur Schau stellt, in dem Gespräch allerdings eine Chance sieht, ihre Mutterrolle gegenüber der starken, selbstsicher auftretenden Tochter anzunehmen und zu vertreten. Schlagfertige Wortwechsel geben der Geschichte eine gewisse Würze, verleihen diesen doch recht schweren Themen eine kaum zu glaubende Einfachheit. Paulas Gedanken widerspiegeln ein Bild der Gegensätze, in dem sie ihre fürsorgliche, liebende Seite sehr schnell in die Opferrolle verwandelt.
Ein lesenswerter Roman, der unter die Haut geht!

Bewertung vom 25.04.2025
Radikal besser.
Pferdt, Frederik G.

Radikal besser.


ausgezeichnet

Denkanstöße für mehr Vitalität

Frederik G Pferdt, erster Innovativchef bei Google, reist den Leser mit seinem Sachbuch ‘Radikal besser‘ raus aus der müden Komfortzone, gibt Denkanstöße für mehr Vitalität und bereitet damit einen Weg für mannigfaltigere Lebensfreude mit einem optimistischeren Ausblick in die Zukunft. Die Aufforderung neugierig zu bleiben, ist ein wichtiger Schritt in die Kreativität, den Alltag bunt und intelligent zu gestalten, ihn anzunehmen und nach den eigenen Bedürfnissen auszubauen, Neues auszuprobieren, ohne Scheu vor dem Versagen. Der Entdeckergeist steckt in jedem von uns. Er will gebraucht werden, um positive Emotionen zu wecken, dem Lebensgefühl eine Chance zu geben, den eigenen Platz im Leben innovativ zu nutzen, zu strukturieren, ihn aufzubauen.
Ein wirklich lesenswertes Buch, das den Entdeckergeist in uns weckt.

Bewertung vom 24.04.2025
Kumari
Krömer, Philip

Kumari


sehr gut

Kindgöttin in Nepal

In Nepal ist es eine uralte Tradition die nach strengen Regeln im Alter von zwei bis vier Jahren auserwählte Kindgöttin in ihrem Tempel, den sie allerdings nur so lange bewohnt wie ihre Kindlichkeit vorhanden ist, zu besuchen und ihr damit die Ehre zu erweisen. Zum höchsten Fest des Landes, dem Dasain Opferfest, erwartet der König voller Ungeduld seinen Sohn zurück in der Heimat, der für sehr lange Zeit im Ausland gelebt hat. Er ist mit den verbotenen Lehren des Mao Tsetung vertraut, die so gar nicht mit dem Wunsch seines Vaters ihn als Thronfolger zu sehen, in Einklang zu bringen ist.
Der Roman ‘Kumari‘ von Philip Krömer basiert auf wahren historischen Ereignissen, die in einer Fiktion sprachgewaltig verarbeitet werden. Man muss sich auf den Schreibstil einlassen und erfährt viel über die Tradition des Landes, seine Kultur und den Drang der Menschen nach einem freieren Leben.

Bewertung vom 24.04.2025
Wo wir uns treffen (eBook, ePUB)
Hope, Anna

Wo wir uns treffen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Familienbande

Das Familienoberhaupt, ein egozentrischer Mensch namens Philip Brooke, hinterlässt als er stirbt ein großes Vermögen, gelegen in der Grafschaft Sussex, welches er seiner ältesten Tochter Franny testamentarisch vermacht, der er in seinen letzten Jahren am nächsten stand. Sein Sohn Milo und seine jüngste Tochter Isa gehen leer aus ebenso wie seine Ehefrau. Während Isa damit keine Probleme hat, versucht Milo seiner älteren Schwester ein Stück des Erbes abzuschwatzen, um es für seine Zwecke zu nutzen. Doch sein Wunsch stößt auf taube Ohren. Philip hat zu Lebzeiten seine Familie vernachlässigt, ist ausschließlich seinen Interessen gefolgt und lässt einen sehr großen Scherbenhaufen psychischen Leids zurück. So verbrachte er viele Jahre mit einer Geliebten in den USA, einfach so ohne ein Wort der Erklärung. Die Tochter, die auch in diesem Haushalt lebte, wird zu den fünf Tage andauernden Tauer-Feierlichkeiten von Isa eingeladen und bringt durch ihre offenen Worte so manchen Plan völlig durcheinander und vermeintliche Sicherheiten ins Wanken.
Anna Hope schenkt uns mit ihrem Roman ‘Wo wir uns treffen‘ eine Geschichte, die vielschichtig und lebensnah geschrieben ist, die einen scharfen Blick auf die Bande einer Familie wirft, deren Mitglieder jeder auf seine Weise schwer am eigenen Schicksal zu tragen hat und die nicht in der Lage ist, ihr Leid gemeinsam zu tragen, um es dadurch erträglicher zu gestalten. Die Stimmung ist zum Teil sehr bedrückend, widerspiegelt damit deutlich die Auswirkungen charakterlicher Schwächen.
Ich empfehle diesen Roman sehr gern weiter.

Bewertung vom 23.04.2025
Nowhere Heart Land (eBook, ePUB)
Lara, Emily Marie

Nowhere Heart Land (eBook, ePUB)


sehr gut

Suche nach Geborgenheit

Rosa kehrt nach Jahren der Abwesenheit erstmals wieder in ihre Heimat zurück, um als letzte Hinterbliebene bürokratische Vorgänge für ihre an Demenz erkrankte Großmutter zu klären. Dabei holt sie ihre Vergangenheit mit voller Wucht wieder ein. Unverarbeitete Begebenheiten mit ihren Freundinnen aus der Schulzeit, die sie in einem von Nonnen geführten humanistischen Gymnasium verbrachte, der frühe Tod ihrer Mutter und das eher distanzierte Verhältnis zu ihren Großeltern beschäftigt sie im tiefsten Inneren und führt zu verstörenden Handlungen, die im Laufe der Geschichte ein Gesamtbild ergeben, welches tief berührt und gleichzeitig Fragen aufwirft zum wie und warum die Vergangenheit in eine sonderbare Verklärung gerät durch Verdrängung, Leugnung, Vergessen.
Emily Marie Lara gelingt es mit ihrem Roman ‘Nowhere Heart Land‘ die Geschichte einer jungen Frau von Ende zwanzig zu erzählen, die ihre Einsamkeit lange Zeit verdrängt, ein Leben führt, ohne über sich und ihren Alltag nachzudenken, abgestumpft in den Tag hineinlebt. Einfühlsam mit sehr bedachten Worten beschreibt die Autorin die chaotische Gedankenwelt ihrer Protagonistin, als die Kinder- und Jugendjahre sie einholen, als die Fantasie gegen die Wirklichkeit kämpft, als ihre Welt völlig aus dem Ruder läuft und droht auseinanderzubrechen.

Bewertung vom 23.04.2025
Stars
Kullmann, Katja

Stars


sehr gut

Unterhaltende Gegenwartsgeschichte zum Reflektieren

In Katja Kullmanns Debütroman ‘Stars‘ erzählt die Protagonistin Carla Mittmann ihre Erfolgsgeschichte, wie sie den monotonen Bürojob eintauscht gegen die Verwirklichung eines lang gehegten Traums und als einflussreiche Influencerin auf dem Gebiet der Astrophilosophie Karriere macht. Den Weg zum Erfolg stehen äußerst arbeitsreiche Tage und Wochen voran. Eine kaputte Fensterscheibe, verursacht durch einen mysteriösen Steinwurf verbunden mit einem Päckchen voller Geldscheine, liefert im wahrsten Sinne des Wortes den Anstoß zu einer Neuausrichtung ihres Lebens. Eigentlich hatte Carla schon immer eine besondere Affinität, sich intensiv mit der Astrologie auseinanderzusetzen und besserte mit kleinen Horoskopen ihren Unterhalt auf. Diese geringe Nebenbeschäftigung führte allerdings dazu, dass sie ihren Studiengang der Philosophie nicht erfolgreich beenden konnte, weil einem Mitglied des Lehrstuhls diese Art von Beschäftigung missfiel. Doch einmal angeeignetes Wissen erweist sich als wertvolles Gut.
Wer schaut nicht hin und wieder in den bunten Blättern nach seinem Horoskop, möchte wissen, was die Zukunft bereithält. Gerade in Krisensituationen ist man geneigt, sich Rat bei den Sternen zu holen, diesen schon ewig existenten Wegweisern. Vielleicht können sie ja doch einen wertvollen Rat bereithalten, diese große natürliche, geheimnisvolle Instanz unendlicher Weite. In unsicheren Zeiten greift der Mensch gern auf Bewährtes, Vertrautes oder Beruhigendes zurück. Unsere Gegenwart äußerst sich für immer mehr Menschen als bedrohlich, bedenklich. Der Roman lenkt sein Augenmerk auf ein Phänomen der Gegenwart.

Bewertung vom 23.04.2025
Wut und Liebe
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Wundermittel Liebe

Noah, ein junger bildender Künstler Anfang dreißig, geht den mühsamen, steinigen Weg, sich zu finden in seiner Kreativität, begibt sich auf unausgetretene Pfade und hofft damit sein Publikum, vor allem jedoch finanzkräftige Käufer für seine Bilder zu finden, um sich und seiner Lebensgefährtin Camilla einen gewissen Standard bieten zu können. Denn Camilla ist es leid, die Versorgerin in der Gemeinschaft zu spielen mit dem mageren Gehalt eines ungeliebten Jobs. Sie erhofft sich mehr von ihren Leben, ist allerdings so realistisch, dass sie erkennt, ihre große Liebe aufs Spiel zu setzen für einen Traum, der ihr finanziellen Wohlstand bietet. Doch ist der Preis, den sie bereit ist zu zahlen es wert das kostbare Gut – die Liebe – wegzuwerfen? Noah ist verzweifelt und kämpft um sein Glück, trifft in den Tagen des Schmerzes auf eine ältere Dame, die ihm ein äußerst unmoralisches Angebot unterbreitet, welches seine finanziellen Sorgen mit einem Schlag beenden könnte.
Martin Suter ist ein Meister seines Fachs und überrascht einmal mehr in ‘Wut und Liebe‘ mit einer großartig erzählten Geschichte, die durch lebensnahe Charaktere und einem überraschend intelligenten Schlussakkord überzeugt. Die Liebe ist eine unschätzbar wertvolle Kostbarkeit, ein Geschenk, welches die Gefühle in Wallung bringen kann, insbesondere dann, wenn sie ausgenutzt oder gar unerwidert bleibt. Tollwütige Rachegedanken versuchen diese Verletztheit zu kompensieren – doch zu welchem Preis und mit welchem Ergebnis? Letztendlich ist nichts wie es auf dem ersten Blick scheint. Geschickt baut der Autor immer wieder unverhofft Wendungen beim Erzählen ein und lässt den Leser das Geschehen aus einem stets anderen Blickwinkel betrachten.
Mir hat der Roman gefallen. Ich konnte tief eintauchen in die Gedankenwelt der Protagonisten, ihre Gefühle nachvollziehen, mit ihnen leiden, hoffen und genießen. Es gibt eine ganz klare Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 13.04.2025
Das ist Glück (eBook, ePUB)
Williams, Niall

Das ist Glück (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Prägende Momente im Leben

Niall Williams lässt seinen Protagonisten Noe in ‘Das ist Glück‘ eine Geschichte erzählen, an die er sich in bereits fortgeschrittenem Alter erinnert, eine Geschichte, die er als junger Mann Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts in dem kleinen irischen Dorf Faha erlebte. In seiner Zerrissenheit welchen Stellenwert der christliche Glauben in seinem Leben einnehmen soll, gönnte Noe sich eine Pause und verbrachte Zeit bei seinen Großeltern in ländlicher Abgeschiedenheit. Hier lernte er den um ein halbes Jahrhundert älteren, weitgereisten Christy kennen und schätzen, verbrachte Zeit mit ihm, lernte Sicht- und Handlungsweisen kennen, die ein neues Lebensgefühl in ihm weckten. Christy sollte den Fortschritt, die Elektrifizierung, in die entlegene Ortschaft des Landes bringen, stieß dabei jedoch auch auf Widerstände in der Dorfgemeinschaft, die sich eingerichtet hatte und ohne den modernen Kram sehr gut zurechtkam, sich wohlfühlte im täglichen bescheidenen Einerlei und auf ihren wahren Schatz die Kunst des Geschichtenerzählens, die ihren Alltag prägten, stolz ist. Aber Christy verfolgte noch ein anderes Ziel, um seinen Seelenfrieden zu finden. Dabei spielen verpasste Chancen, Enttäuschungen und der Wunsch nach Vergebung eine große Rolle.
Mit viel Herzblut und der Gabe wortgewandt lebensnahe Charaktere in Szene zu setzen, schafft der Autor einen atmosphärischen Raum tiefgreifender Gedanken zur Begrenztheit allen Seins, zeigt, dass selbst in der Absurdität eine Lebensweisheit zu erkennen ist. Das Glück sich in seinem Leben gefunden zu haben oder noch zu finden, davon erzählt dieser warmherzige Roman, der wunderbar von Tanja Handels ins Deutsche übersetzt wurde.

Bewertung vom 10.04.2025
Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


ausgezeichnet

Bewahrung eines traditionellen Handwerks

Ito Ogawa lässt uns in ihrem Roman 'Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen' eintauchen in den Alltag einer uralten Kultur, die im modernen Japan weiterhin ihre Anwendung findet. Es ist die Kunst des Schreibens von Briefen und Karten, die zu besonderen Anlässen versendet werden und speziellen Ritualen folgend traditionell verfasst werden. Dabei spielen nicht nur die inhaltliche Gestaltung entsprechend einem Regelwerk eine große Rolle, sondern auch die Farbe der Tinte und die Auswahl des Papiers als auch des Schreibgerätes folgen strengen Grundsätzen. Um der Höflichkeit unbedingt Folge zu leisten, dürfen spezielle Worte zu bestimmten Anlässen auf keinen Fall gewählt werden. Im Buch sind diese verfassten Schriftstücke bespielgebend abgebildet.
In eher leisen Tönen beschreibt die Protagonistin Hatoko ihren Alltag, als sie nach dem Tod ihrer Großmutter, die sie nur Vorgängerin nennt, das traditionell geführte Schreibwarengeschäft weiterführt. Ein Jahr lang begleiten wir die junge Frau, die uns zwischen Althergebrachtem und der Moderne die japanische Kultur, das Leben, die Gedanken und Gefühle näherbringt.
Die Autorin vermag es, Stimmungen authentisch einzufangen und pittoreske Bilder der Landschaften gekonnt in Worte zu gleiten. Es ist ein wahrer Lesegenuss, ihrem entschleunigenden Schreibstil zu folgen.

Bewertung vom 10.04.2025
Wie Risse in der Erde
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

Unendliche Liebe

Beth wächst in Hemston, gelegen in der Grafschaft Dorset im Südwesten von England, auf. Durch ihre witzige fast freche Art macht sie im Teenageralter die Bekanntschaft mit Gabriel, dem Sohn aus gutem Hause. Beide verlieben sich unsterblich ineinander, verbringen einen traumhaften Sommer miteinander und versprechen sich eine gemeinsame Zukunft. Doch das Leben und vor allem die gesellschaftlichen Verhältnisse, eine Stimme aus Gabriels Familie, setzen alles daran, diese Verbindung zu entzweien. Es kommt zum Bruch. Doch die tiefsitzenden Gefühle füreinander lassen für beide nach Jahren der Trennung die Vergangenheit wieder aufleben. Das daraus entstehende Konfliktpotenzial in Beths Familie und in der Dorfgemeinschaft sorgen für jede Menge Aufregung und schließlich resultiert daraus eine Katastrophe mit unglaublichen Folgen.
'Wie Risse in der Erde' von Clare Leslie Hall ist ein spannungsgeladener, unterhaltender Roman, den ich nicht aus den Händen legen konnte bis ich die ganze Geschichte erfahren hatte. Die Autorin vermag es, den Charakteren mit viel Feingefühl Leben einzuhauchen, Begebenheiten in Szene zu setzen, als wäre man selbst hautnah dabei im Geschehen. Sie schafft eine authentische Atmosphäre, die nur so sprüht von einer munteren Energie, getragen von echten Gefühlen, denen Beth als Erzählerin ihren Ausdruck verleiht.
Ich empfehle liebend gern diesen bezaubernden Roman, der schneller ausgelesen ist, als man es wahrhaben möchte.