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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1333 Bewertungen
Bewertung vom 10.12.2023
In Liebe, deine Lina / Mühlbach-Saga Bd.1
Leciejewski, Barbara

In Liebe, deine Lina / Mühlbach-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Die Familie ist die Heimat des Herzens. – Guiseppe Mazzini
19. Jh. Mühlbach/Pfalz. Die aus ärmlichsten Verhältnissen stammenden Halbwaise Karolina Borger, genannt Lina, und der reiche Kaufmannssohn Albert Lehnert sind heimlich ein verliebtes Paar, da ihre Beziehung nicht gesellschaftsfähig wäre. Als Lina schwanger wird, möchte Albert sie sofort heiraten, doch seine Familie setzt ihn dermaßen unter Druck, dass er Lina im Stich lässt. Das kleine Dorf behandelt Lina als ledige wie eine Aussätzige, sogar eine Arbeit findet sie nicht mehr. Jugendfreund Karl Schäfer, der sich aufgrund seines eigenen Lebenslaufs in Linas momentane Situation hineinversetzen kann, springt Lina zur Seite und bietet Lina die Ehe an, um sie vor weiteren Repressionen der Dorfgemeinschaft zu schützen. Lina willigt ein und gemeinsam geht das junge Paar mit dem Neugeborenen nach Bremen, wo Karls Mutter lebt. Dort wird Lina von Heimweh geplagt und reist in die Heimat zurück, um ihre Familie zu besuchen. Während des Aufenthaltes müssen sich Lina und ihre kleine Familie dann einer großen Belastungsprobe stellen…
Barbara Leciejewski hat mit „In Liebe, deine Lina“ den ersten Teil einer historischen Dilogie vorgelegt, in der sie dem Leser die Geschichte ihrer eigenen Großeltern auf sehr berührende, warmherzige Art nahebringt. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil lässt den Leser gedanklich ins 19. Jahrhundert auf Land reisen, wo er auf Lina und ihr Umfeld trifft. Schon als Kinder haben Lina, Albert und Karl Zeit miteinander verbracht. Erst mit den Folgen der Liebesbeziehung zwischen Albert und Lina zeigt sich das wahre Gesicht von Alberts Familie und der Ortsgemeinschaft. Während Albert sich dem Willen seiner Familie fügt und Lina fallenlässt, wird Lina noch zusätzlich durch die verachtende Haltung der Dorfbewohner bestraft. Jugendfreund Karl, der als Bastard einer vergewaltigten Mutter aufwuchs, ist ihr einziger Rettungsanker, zu gut kann er ihre Situation als Geächtete nachvollziehen. Karl erweist sich in der ganzen Gemeinschaft als einzig Anständiger, der Lina heiratet und deren Kind als seines anerkennt. Der Umzug nach Bremen zu seiner Mutter ist für Lina eine große Umstellung, ist sie doch das Landleben gewöhnt. Aber gerade die Stadt lässt Lina unbeschwerter werden, wenn sie auch das Heimweh plagt. Jetzt ruhen nicht mehr alle Augen gehässig auf ihr und verfolgen jeden Schritt, den sie macht. Die Autorin schreibt mit einer solchen Tiefe und Wärme, dass der Leser während der Lektüre nicht nur ein wunderbares Kopfkino hat, sondern sich als unsichtbarer Teil der kleinen Gemeinschaft um Karl und Lina fühlt, wobei er auch das Auf und Ab der Gefühle miterlebt. Ebenso hat sie die damalige Zeit nebst seinen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten sehr geschickt in ihre Handlung und für den Leser nachvollziehbar eingefügt.
Die Charaktere sind sehr lebendig ausgestaltet und mit glaubwürdigen Eigenschaften wunderschön in Szene gesetzt. Der Leser fühlt sich den Hauptprotagonisten sofort verbunden und folgt ihnen auf Schritt und Tritt bei ihren Unternehmungen. Lina ist zwar in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, doch wurde sie von ihren Eltern mit Liebe umhüllt. Sie ist abenteuerlustig, aufgeweckt und auch mutig. Bruder Walter ist eher zurückhaltend. Albert ist erst die große Liebe, dann entpuppt er sich als Hasenfuß, dem das Erbe wichtiger ist als Lina. Karl dagegen ist ein hochanständiger Kerl, der ebenfalls Repressalien erdulden musste, daraus aber eine Stärke entwickelt hat, die nicht nur Lina rettet, sondern ihn auch seine heimliche Liebe gewinnen lässt.
„In Liebe, deine Lina“ bezaubert nicht nur mit einem fesselnden, empathischen Erzählstil und historisch fundiertem Hintergrund, sondern vor allem mit einer an wahre Begebenheiten gelehnte Geschichte, die den Leser mitten ins Herz trifft und nach der Lektüre nachhallt. Die Fortsetzung wird schon jetzt sehnsüchtig erwartet. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Highlight – Chapeau!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.12.2023
Stark wie die Blumen der Prärie
Hedlund, Jody

Stark wie die Blumen der Prärie


ausgezeichnet

Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft – vielmehr aus unbeugsamen Willen. - Mahatma Gandhi
1863 Kansas. Botanikerin Linnea geht gemeinsam mit ihrem Großvater auf eine Exkursion des Smythsonian Institute, um die Pflanzenwelt des Santa Fe Trails zu erforschen und zu kategorisieren. Als sich Linnea in ihrem Übermut an einem Fluss in Gefahr bringt, wird sie von dem Viehtreiber Flynn McQuaid gerettet. Diese Situation lässt Linneas Großvater einmal mehr Sorgenfalten auf die Stirn treiben, weshalb er Flynn kurzerhand für die Dauer der Exkursion und vor allem für die Sicherheit seiner Enkelin engagiert. So muss Flynn doppelte Arbeit leisten: nicht nur die ihm anvertrauten Rinder müssen zu seinem Bruder Wyatt auf dessen Ranch, gleichzeitig muss er auch noch Linnea im Auge behalten, die sich in einer unbekannten Umgebung immer wieder in eine riskante Lage bringt. Doch je mehr Linnea und Flynn Zeit miteinander verbringen, umso mehr wissen sie den anderen zu schätzen. Dabei haben beide eigentlich ganz andere Lebenspläne…
Jody Hedlund hat mit „Stark wie die Blumen der Prärie“ den zweiten Band ihrer historischen Colorado-Reihe vorgelegt, der dem ersten Teil in punkto Handlung, Spannung und starker Charaktere in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser sofort in seinen Bann und lässt ihn schnell in den Wilden Westen des 19. Jahrhunderts reisen, um dort Linnea als unsichtbarer Schatten zu folgen. Linnea ist ein Freigeist und darf als erste Frau sowie ausgebildete Botanikerin ihren Großvater auf eine Expedition begleiten. Da sie oftmals nur Augen für die unbekannte Flora hat, nimmt sie die Gefahren um sie herum nicht war und bringt sich dabei immer wieder in Notlagen, die ihren Großvater dazu zwingen, ihr mit Flynn einen Aufpasser an die Seite zu stellen. Flynn selbst ist mit seinen Geschwistern und einer Rinderherde auf dem Weg zu seinem Bruder Wyatt, zu dem er ein gespanntes Verhältnis hat. Er trägt eine große Verantwortung für seine jüngeren Geschwister sowie die Viehherde und nun auch zusätzlich für Linnea. Zwischen Linnea und ihm entwickelt sich während dieser Reise ein festes Band, dass sich beide nicht wirklich eingestehen wollen, da es so gar nicht ihren eigenen Lebensplänen entspricht. Und der Konflikt mit seinem Bruder liegt Flynn auch im Magen. Die Autorin beschreibt die beschwerliche, abenteuerliche Reise so bildhaft, dass der Leser das Gefühl bekommt, Teil dieser Expedition zu sein und alles hautnah mitzuerleben. Sowohl Flora und Fauna als auch die lauernden Gefahren und die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Protagonisten sind spannend und lassen Raum für einige Spekulationen. Der christliche Aspekt wurde unaufdringlich in die Handlung eingewoben und thematisiert Vergebung, Verzeihen und Gottvertrauen.
Die Charaktere sind sehr lebendig skizziert und in Szene gesetzt, so dass der Leser sich sofort mit ihnen wohlfühlt und ihnen auf dem Fuße folgt. Linnea ist eine freigeistige, etwas träumerisch veranlagte junge Frau, die alles um sich herum vergisst, wenn sie ihrer Leidenschaft frönt. Sie ist ebenso liebenswert wie eigensinnig, hat das Herz am rechten Fleck und ist sehr naturverbunden. Flynn ist ein sympathischer, zurückhaltender Mann mit viel Verantwortungsgefühl. Seine Hilfsbereitschaft ist grenzenlos, bringt ihn allerdings auch an seine Grenzen. Seine Schwester Ivy ist ein kleiner Lichtblick, sie ist ausgesprochen direkt, während Flynns Bruder Dylan eher ruhiger und ernst ist. Aber auch Wyatt und seine Beziehung zu Flynn spielen eine wichtige Rolle in dieser Geschichte.
„Stark wie die Blumen der Prärie“ ist ein toller Mix aus Abenteuer, Spannung und Romantik mit starken Hauptprotagonisten vor historischem Wild West-Hintergrund. Eine sehr kurzweilige, aber auch tiefgründige Lektüre, die den Leser an die Seiten fesselt und bis zum Ende nicht mehr loslässt. Absolute Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.12.2023
Die Postbotin
Schneefuß, Elke

Die Postbotin


sehr gut

Sei die Heldin deines Lebens, nicht das Opfer. - Nora Ephron
1919 Berlin. Während des Krieges haben die Frauen die Hauptlasten und –arbeiten erledigt, weil alle Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Nun sollen sie ihren Platz für die Rückkehrer räumen. Postbotin Regine sowie ihre Kolleginnen sind davon gar nicht begeistert und wollen dies nicht einfach so hinnehmen, obwohl ihre Arbeitsbedingungen sehr schlecht sind, und das Geld fürs Leben kaum reicht. Regine wendet sich an den Gewerkschaftsboss Kurt in der Hoffnung, dass dieser die Frauen unterstützt, damit sie weiter ihrer Arbeit nachgehen können. Ob es Regine und ihren Kolleginnen gelingt, die drohende Entlassung abzuwenden?
Elke Schneefuß hat mit „Die Postbotin“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen kurz nach dem ersten Weltkrieg deutlich vor Augen führt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser gedanklich sofort ins vergangene Jahrhundert reisen, wo er sich in der Weimarer Republik wiederfindet und sich an Regines Fersen heftet. Schon Regines Vater hat als Beamter bei der Reichspost gearbeitet, und Regine ist seinem Beispiel gefolgt. Nun ist der Krieg beendet und die Frauen sollen ihre Anstellungen verlieren, damit Kriegsheimkehrer ihren Aufgaben übernehmen. Es wird nicht nur über den Kopf der Frauen hinweg entschieden, sondern sie sollen auch um ihr Auskommen gebracht werden, auf das sie oftmals angewiesen sind. Nach damaliger männlicher Auffassung sollen sich Frauen eher um Heim und Herd kümmern, aber davon sind Regine, ihre Kolleginnen und Freundinnen weit entfernt. Jede für sich hat einen eigenen Grund, warum sie sich gegen diese Sichtweise auflehnt und sich gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes sowie den Lohn stemmt. Die Autorin wartet mit Geschichten der aus unterschiedlichen Schichten stammenden Frauen auf, die jede ihr eigenes Päckchen zu tragen haben. So kümmert sich Regines Freundin Evi um ihre depressive Mutter und hofft auf die Rückkehr ihres Bruders. Währenddessen kommt Regines Familie trotz mehreren Verdienern kaum mit dem Geld aus. Die Bekanntschaft mit dem charmanten Kurt lässt Regines Herz höher schlagen, auch wenn sie sich vor allem Unterstützung erwartet, damit die Frauen ihre Stellen behalten können. Der Autorin gelingt es sehr gut, die damalige Stimmung innerhalb Berlins sowie die Rolle der Frauen einzufangen und dem Leser während der Lektüre zu vermitteln. Armut, Hunger und Verzweiflung spiegeln sich in den einzelnen Schicksalen überdeutlich wieder.
Die Charaktere sind liebevoll und glaubwürdig ausgestaltet, sie nehmen den Leser schnell in ihre Mitte, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt, um ihr Schicksal mitzuerleben. Regine ist eine offene, ehrliche und vor allem direkte Frau, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Sie kämpft für ihre Träume und Überzeugungen und kann auch andere motivieren, sich ihr anzuschließen. Jedoch sind ihr durch die Gesellschaft immer noch ziemlich die Hände gebunden. Kurt Bödecker ist ein sympathischer attraktiver Mann, der sich einem Aufstieg bei der Gewerkschaft gegenüber sieht. Die Frauen bei der Post erhoffen sich von ihm einiges an Unterstützung für ihr Dilemma. Aber auch Gretchen, Evi, Hetti und Bernadine spielen wichtige Rollen in dieser Geschichte, die durch die unterschiedlichen Schicksale sehr kurzweilig zu lesen ist.
„Die Postbotin“ punktet mit sympathischen Protagonisten, einer unterhaltsamen Handlung und einen gut recherchiertem Hintergrund, so dass die Lektüre ein kurzweiliges Vergnügen ist. Verdiente Leseempfehlung für einen kuscheligen Nachmittag auf der Couch!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.12.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


ausgezeichnet

Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert. - Paolo Coehlo
1928 Berlin. Wally Kaluza ist Tanzlehrerin aus Leidenschaft und versucht, in einem gemieteten Studio junge tanzbegabte Frauen aus allen Gesellschaftsschichten zu einer Gruppe zu formen. Die „Lindy Girls“ sollen mit einer Choreographie zu amerikanischer Swing-Musik frischen Wind in die etablierten Etablissements der Stadt bringen, die bisher immer noch auf Altbewährtes setzen. Thea, Alice und die anderen Frauen trainieren hart und gehen bis an ihre Grenzen. Doch Wally und den Mädels wird der Einstieg nicht leicht gemacht, zu sehr sitzen alte Gewohnheiten in den Köpfen der Entscheider fest. Erst als Wallys bester Freund und ehemaliger Geliebter Toni aus den USA zurückkehrt und sich Wally als Teilhaber aufschwatzt, wendet sich langsam das Blatt. Toni verschafft der Tanztruppe erste Auftritte in kleinen Etablissements. Werden die „Lindy Girls“ Erfolg haben?
Anne Stern hat mit „Lindy Girls“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in das Berlin der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts entführt, sondern auch mit starken Profilen aufwartet, die stellvertretend für die Frauen der damaligen Zeit stehen. Der flüssige, farbenprächtige und empathische Erzählstil kann den Leser sofort an sich fesseln und führt ihn per Zeitreise ins alte Berlin. Dort findet er sich im Wechsel an der Seite der unterschiedlichsten Protagonistinnen wieder und erhält dabei nicht nur Zugang zu deren Gedanken- und Gefühlswelt, sondern auch in die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander sowie in die einzelnen Lebensumstände und Schicksale. Wally hat sich nach einem Schicksalsschlag als Tanzlehrerin in Berlin niedergelassen, hat zwar kaum Geld, aber einen großen Traum, den sie unbedingt verwirklichen will. Dafür verzichtet sie auf vieles und verlangt auch ihren Elevinnen für den Erfolg alles ab. Ihr bester Freund, der alles von ihr weiß, ist ein Kriegsveteran, der sich als Callboy verdingt und innerlich mit dem Leben abgeschlossen hat, während ihre große unerfüllte Liebe Toni sich an jeden Rock heftet, der ihm über den Weg läuft und ihr immer wieder das Herz bricht. Während Thea aus gutem Hause stammt und mit einer körperlichen Einschränkung trotzdem ihr Glück bei der Tanztruppe versuchen will, steht Alice in einer Fabrik am Fließband, um sich und ihren jüngeren Bruder Ben durchzubringen. Den Rahmen der Handlung bildet Gila, die als Sekretärin bei einer Zeitung arbeitet, jedoch auf eine Karriere als Schriftstellerin hofft und die Entwicklung der „Lindy Girls“ über ihre Freundin und Mitbewohnerin Thea beobachtet. Stern hat ihre Handlung nicht nur mit einem sehr farbenfrohen historischen Hintergrund des alten Berlins unterlegt, sondern bildet auch die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten wunderbar in ihrer Geschichte ab. Der Gegensatz zur Haute volaute, die in teuren Etablissements die Korken knallen lässt, während andere nicht wissen, ob sie sich etwas zu essen leisten können, wird sehr gut dargestellt. Gerade bei den „Lindy Girls“ wird deutlich, wie groß die Träume der jungen Frauen sind, die in ihrer Tanztruppe einen Mikrokosmos bilden, sich gegenseitig unterstützen und zusammenhalten. Der Wechsel zwischen den einzelnen Charakteren ist so wunderbar geschaffen, dass der Leser die Lektüre kaum aus der Hand legen kann, derweil er ein Wechselbad der Gefühle durchlebt ob der einzelnen Schicksale.
Die Charaktere sind wie aus dem Leben gegriffen, authentisch und mit menschlichen Ecken und Kanten wachsen sie dem Leser sofort ans Herz, der sie nicht aus den Augen lässt. Wally ist nach außen hart und unerbittlich, aber innerlich leidet sie. Gila ist großzügig und hat das Herz am rechten Fleck. Wally wirkt unsicher, doch die Musik lässt sie alles vergessen und über sich hinauswachsen. Alice trägt viel Verantwortung, ist verlässlich und doch lebt sie immer in Angst. Toni ist ein großspuriger Windhund, zeigt jedoch auch liebenswerte Seiten.
„Lindy Girls“ ist ein wunderbarer, tiefgründiger historischer Roman, der mit einer Mischung aus Träumen, Freundschaft, Liebe, tollen Frauen, Schicksalen und einigen alten Ohrwürmern dem Leser sehr unterhaltsame Lesestunden beschert, während er unbewusst mit dem Fuß wippt und im Geiste mitsingt. Absolute Leseempfehlung für diese Zeitreise in die Golden Twenties im alten Berlin!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.10.2023
Die verschwiegenen Jahre
Gohlke, Cathy

Die verschwiegenen Jahre


ausgezeichnet

Alle Schuld rächt sich auf Erden. - Johann Wolfgang von Goethe
1972. Die 27-jährige amerikanische Lehrerin Hannah Sterling wird aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten vom Unterricht freigestellt. Diese sind eine Folge des sehr unterkühlten Verhältnisses zwischen Hannah und ihrer Mutter, die vor kurzem verstorben ist. Hannah hatte nie eine vertraute Beziehung zu ihrer Mutter Lieselotte, weil diese es nie zuließ. Darunter hat Hannah zeitlebens gelitten. Als sie in den Hinterlassenschaften von Lieselotte alte Briefe findet, erlebt sie eine große Überraschung, die sie zu weiteren Nachforschungen nach Deutschland reisen lassen. Wird Hannah dort die Antworten auf ihre Fragen finden, die sie nachträglich endlich mit ihrer Mutter versöhnen und sie ihr etwas näher bringen?
Cathy Gohlke hat mit „Die verschwiegenen Jahre“ einen sehr berührenden historischen Roman vorgelegt, dessen Handlung den Leser nicht nur mit zwei Zeitebenen unterhält, sondern auch zurück in die schlimme Zeit des 2. Weltkriegs zurückführt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser mit wenigen Worten an Hannahs Seite gleiten, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen und sie bei ihren Unternehmungen im Jahr 1972 zu begleiten. Das Leben mit einer lieblosen Mutter hat Hannah psychisch gezeichnet, sie konnte nie begreifen, warum Lieselotte ihr gegenüber immer distanziert und kühl war. Die Briefe in Lieselottes Nachlass veranlassen Hannah, den neugewonnenen Informationen nachzugehen und nach Deutschland zu reisen, wo sie angeblich einen Großvater hat, von dessen Existenz sie bisher nichts wusste und der Hannah nach ihrer Ankunft abweisend begegnet. Irgendwas stimmt nicht mit dieser Familie, das wird Hannah schnell klar, doch ihre Neugier treibt sie weiter in die Vergangenheit ihrer Mutter in den Jahren 1938 bis 1945, die über den zweiten Erzählstrang preisgegeben wird. Dabei wird sie von der Zufallsbekanntschaft Karl unterstützt. Gemeinsam finden sie heraus, dass Lieselotte in einem nazigetreuen Haushalt aufwuchs und heimlich verliebt in Jugendfreund Lukas Kirchmann, dessen Familie heimlich verfolgte Juden versteckt und Mitglieder der Bekennenden Kirche sind. Schon bald unterstützt Lieselotte die Kirchmanns, heiratet sogar heimlich ihre große Liebe Lukas. Gohlke treibt die Spannung ihrer Handlung mit den wechselnden Zeitebenen immer weiter in die Höhe und zeigt dem Leser neben dem Gewissenskonflikt von Lieselotte auch die Veränderung von Hannah wunderbar auf. Gleichzeitig spiegelt sie die damaligen Zustände unter den Nazis wider und lässt diese Zeit so lebendig werden, dass der Leser bei der Lektüre ein Wechselbad der Gefühle durchläuft. Der christliche Aspekt ist sehr schön in die Handlung eingebettet und thematisiert Schuld, Vergebung, Verzeihen sowie Hoffnung.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und mit glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten in Szene gesetzt. Der Leser heftet sich sofort an ihre Fersen, schaut ihnen über die Schulter und hofft, bangt und leidet mit ihnen. Hannah ist durch das zeitlebens fehlende vertraute Band zu ihrer Mutter gezeichnet. Sie fühlt sich ungeliebt, ihre Unsicherheit spiegelt sich in ihrem Verhalten anderen gegenüber wider. Doch gleichzeitig ist Hannah mutig, sich den Widerständen zu stellen und nach Antworten zu suchen. Lieselottes Verhalten Hannah gegenüber macht sie nicht gerade sympathisch, doch ihre Vergangenheit gibt die Erklärung dafür. Als junge Frau hat sie das Herz am rechten Fleck und Verantwortung für ihre Entscheidungen übernommen. Hannahs Großvater ist ein widerlicher menschenverachtender alter Mann, der bis zum Tod nichts gelernt hat.
„Die verschwiegenen Jahre“ ist ein emotional sehr berührender historischer Roman, der nicht nur in die schlimmste deutsche Vergangenheit entführt, sondern dem Leser tiefgründig das Schicksal der Protagonisten näher bringt. Absolute Leseempfehlung!!!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.10.2023
Die Schatten von Swanford Abbey
Klassen, Julie

Die Schatten von Swanford Abbey


ausgezeichnet

Alle Reisen haben eine heimliche Bestimmung, die der Reisende nicht ahnt. - Martin Buber
1820 England. Rebecca Lane arbeitet als Gesellschafterin der wohlhabenden Lady Fitzhoward. Als ihr Bruder John ihre Hilfe benötigt, kehrt sie nach längerer Zeit in ihren Heimatort Swanford zurück, um ihn zu unterstützen. Dass John sie gleich nach ihrer Ankunft weiterschickt ins Grand Hotel Swanford Abbey zusammen mit einem Manuskript, welches er geschrieben hat, mutet Rebecca seltsam an, doch sie tut ihm den Gefallen. Sie soll sich dort einmieten und das Manuskript einem Autor übergeben. Schon bald läuft Rebecca nicht nur ihre alte Jugendliebe Sir Frederick Wilford über den Weg, sondern auch ein Mord innerhalb der Hotelmauern sorgt für einige Unruhe. Da ihr Bruder John als Hauptverdächtiger gilt, macht sich Rebecca daran, gemeinsam mit Frederick, mit dem sie noch viel verbindet, den wahren Täter aufzuspüren…
Julie Klassen hat mit „Die Schatten von Swanford Abbey“ einen unterhaltsamen Regency-Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur eine Zeitreise spendiert zurück ins 19. Jahrhundert, sondern gleichzeitig mit einer spannenden Handlung in Atem hält und mit Romantik verwöhnt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort in die damalige Zeit eintauchen und an die Seite von Rebecca gleiten, die ihre Heimat nach langer Zeit wiedersieht, um ihrem Bruder John zur Hilfe zu eilen. Ihr ungeplanter Aufenthalt im ehemaligen Kloster, dass nun als Grand Hotel fungiert, wird zu einem ungewöhnlichen Abenteuer, denn das alte Gemäuer birgt nicht nur einige Geheimnisse, auch einige der Gäste haben einiges zu verbergen. Das Zusammentreffen mit ihrer Jugendliebe Frederick lässt alte Gefühle in Rebecca hochschwappen, für den Leser ist es schön zu beobachten, wie beide miteinander umgehen und sich langsam wieder einander annähern. Während Klassen mit detaillierten Beschreibungen die alte Abbey vor dem inneren Auge des Lesers entstehen lässt und für die nötige Schauerstimmung sorgt, ist es vor allem der Mord an einem suspekten Autor, der alle in Atem hält. Nicht nur Rebeccas Bruder John verhält sich widersprüchlich und lässt ihn schnell zum Hauptverdächtigen avancieren, auch einige Hotelgäste, darunter Rebeccas Arbeitgeberin Lady Fitzhoward verhalten sich merkwürdig und geben dem Leser Anlass für allerlei Spekulationen. Die Autorin versteht es sehr geschickt, den Leser an den Mordermittlungen zu beteiligen, die Rebecca und ihre heimliche große Liebe Frederick auf Trab halten. Die Spannung steigert sich mit jedem Kapitel und bietet Gänsehautfeeling der besonderen Art. Der christliche Aspekt wurde gut in die Handlung eingebunden, es geht um Gottvertrauen, Glauben und Hoffnung.
Die Charaktere wurden mit menschlichen Ecken und Kanten glaubwürdig in Szene gesetzt, so dass der Leser sich gern unter sie mischt und bei ihren Vorhaben auf Schritt und Tritt verfolgt. Rebecca ist eine liebenswürdige und hilfsbereite junge Frau, die einen Hang zur Neugier nicht verbergen kann. Gleichzeitig ist sie eine ehrliche Haut, der es widerstrebt, anderen etwas vorzumachen. Ihr Bruder John ist nicht gerade ein Sympathieträger, wirkt er doch eher selbstsüchtig und egoistisch. Er treibt es mit seinem Verhalten recht weit, aber sein Gewissen meldet sich noch rechtzeitig. Sir Frederick ist ein zurückhaltender, charmanter Mann, der das Herz am rechten Fleck besitzt. Zudem ist sein Spürsinn recht ausgeprägt. Aber auch weitere Protagonisten wie Thomas Wilford, Dr. Fox, Ambrose Oliver oder Lady Fitzhoward tragen einiges zur Spannung dieses Romans bei.
„Die Schatten von Swanford Abbey“ ist ein stimmungsgeladener historischer Roman, der nicht nur das England der damaligen Zeit widerspiegelt, sondern mit einer geheimnisvollen und spannenden Handlung den Leser sofort in seinen Bann zieht. Die Mischung aus Historien-, Kriminal- und Liebesroman wurde hier wunderbar umgesetzt und sorgt für unterhaltsame Lesestunden mit Nervenkitzel. Absolute Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.10.2023
Das Geheimnis der Dior-Kleider
Lester, Natasha

Das Geheimnis der Dior-Kleider


ausgezeichnet

Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren? Vincent van Gogh
1939 England. Skye Penrose hat schon als Kind von ihrer Mutter Flugunterricht bekommen, seitdem liebt sie das Fliegen mehr als alles auf der Welt. Während des 2. Weltkrieges erkämpft sich Skye die Chance, den Lufttransport der Royal Air Force zu unterstützen, Kampfflugzeuge sind für sie und die anderen 11 rekrutierten Frauen allerdings bisher tabu. Das ändert sich, als immer mehr Piloten von ihren Einsätzen nicht zurückkehren. Unterstützung bekommt sie von ihrem Jugendfreund Nicholas, den sie unerwartet nach langen Jahren fehlenden Kontakts bei der RAF wiedertrifft. Schnell müssen beide feststellen, dass das altvertraute Band zwischen ihnen noch immer besteht, obwohl Nicholas inzwischen mit der Französin Margeaux verlobt ist. Werden Skye und Nicholas den Krieg überleben und ein gemeinsames Glück finden?
2012 findet die australische Modekonservatorin Kat in dem alten Haus ihrer Großmutter Margeaux 65 Haute Couture Kleider von Christian Dior und ist völlig begeistert. Sie fragt sich aber auch, wie ihre Großmutter an diese Kleider gekommen ist, doch Margeaux will Kats Nachfragen nicht beantworten. Erst, als ein berühmter englischer Autor für ein Buch recherchiert und Kontakt zu Kat aufnimmt, beginnt diese, Nachforschungen über die Vergangenheit ihrer Großmutter anzustellen…
Natasha Lester hat mit „Das Geheimnis der Dior Kleider“ einen wunderschönen, berührenden Roman vorgelegt, der sich an der wahren Geschichte von Catherine Dior anlehnt, der Schwester des weltberühmten Modeschöpfers, die selbst im Widerstand gekämpft hat. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil nimmt den Leser sofort in den Bann und lässt ihn mal in die Vergangenheit von Skye, Margeaux und Nicholas reisen, mal im Jahr 2012 an der Seite von Kat verweilen, deren Handlungsstrang einen gelungenen Rahmen für die Erlebnisse der Vergangenheit bildet. Während die Autorin wortgewandt dem Leser Informationen über die RAF-Pilotinnen im 2.Weltkrieg vermittelt, sind es gerade die Schicksale ihre Protagonisten, die den Leser mitten ins Herz treffen. Was Skye, Catherine Dior und Margeaux als Insassinnen im brandenburgischen KZ Ravensbrück erlebten, ist an Grausamkeiten kaum zu überbieten und beschert dem Leser eine Dauergänsehaut. Während der Leser mit Kat der Vergangenheit hinterherspürt, werden ihm durch detaillierte Beschreibungen Bilder der unvergleichlichen Haute Couture Roben in den Kopf gepflanzt. Durch den Wechsel der Handlungsstränge erzeugt Lester eine unterschwellige Spannung, die sich immer weiter in die Höhe schraubt, je mehr die Geschichte fortschreitet.
Den Charakteren wurde Leben eingehaucht, ihre menschlichen Ecken und Kanten können den Leser sofort überzeugen, so dass er sich an ihre Fersen heftet, um hautnah ihre Erlebnisse mitzuverfolgen. Skye ist eine offene, liebenswerte, abenteuerlustige Frau, die ebenso hilfsbereit wie unbekümmert ist. Nicholas, als Junge noch eher schüchtern, wirkt als erwachsener Mann zurückhaltend, jedoch loyal, mitfühlend und vor allem vertrauenswürdig. Margeaux macht mit ihrem Wesen einer unterkühlten Französin alle Ehre, jedoch ist das hauptsächlich Fassade, oder sollte man besser sagen Pokerface? Skyes Schwester Liberty ist von Kindheit an ein Aas, ein Stachel im Fleisch von Skye, denn sie ist nicht nur egoistisch, verzogen und arrogant, ihre Art und Weise lässt dem Leser das Blut in den Adern gefrieren. Aber ebenso wichtig für die Geschichte sind Kat, Eliott, Rose und einige andere, denn sie machen die Handlung sehr lebendig.
Mit „Das Geheimnis der Dior Kleider“ hat sich Lester endgültig in den Schreibhimmel katapultiert, denn ihre historische Hintergrundrecherche sowohl über die RAF als auch über die Dior-Kleider ist meisterhaft. Die feinfühlige Anlehnung an die reale Geschichte von Catherine Dior verbunden mit einem spannenden, unterhaltsamen Mix aus Familiengeschichte, Kriegsgeschehen, Liebe, Verrat und mutigen starken Frauen, der den Leser bis ins Mark berührt, ist atemberaubend und verdient eine absolute Leseempfehlung. Chapeau – besser geht es nicht!!!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.10.2023
Die Lichter der Stadt / Fräulein Gold Bd.6
Stern, Anne

Die Lichter der Stadt / Fräulein Gold Bd.6


ausgezeichnet

Du musst die Dunkelheit spüren, um das Licht zu lieben. – Argyris Eftaliotis
1929 Berlin. Zwar hat die Inflation endlich ein Ende, doch leider liegt die Wirtschaft immer noch am Boden. Unsichere politische Zeiten ebnen den immer mehr erstarkenden Nazis den Weg bei den Menschen, die verzweifelt unter Armut und Hunger leiden. Als Hebamme steht Hulda Gold in der Schöneberger Mütterberatungsstelle ihren Patientinnen in jeder Notlage bei und unterstützt sie aus vollen Kräften. Gleichzeitig macht es ihr ihr Umfeld als ledige, alleinerziehende Frau nicht leicht, doch für ihre dreijähriges Töchterchen Meta erträgt sie alles mit der Stärke einer Löwenmutter. Mit dem Besuch der jungen Schauspielerin Milli Nowak und deren Tochter in der Beratungsstelle eröffnet sich Hulda eine weitere Welt ihres Stadtviertels; die beiden benötigen dringend Hilfe. Währenddessen häufen sich die Einbrüche in Schöneberg, sogar die Apotheke und Berts Zeitungskiosk bleiben nicht davon verschont. Dem geht Hulda mit ihrer ureigenen Spürnase auf den Grund und muss dabei Acht geben, schon wegen Meta nicht in Gefahr zu geraten…
Anne Stern hat mit „Die Lichter der Stadt“ den sechsten Band ihrer historischen „Fräulein-Gold“-Reihe um die Hebamme Hulda Gold vorgelegt und lädt den Leser zu einer spannenden Zeitreise in die späten 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein. Der flüssige, farbenprächtige und empathische Erzählstil hat den Leser sofort fest im Griff und schleust ihn zurück ins alte Berlin, um dort als unsichtbarer Schatten Hulda auf Schritt und Tritt zu folgen. Dabei erlebt er, welche Schwierigkeiten Hulda als unverheiratete, alleinerziehende Mutter hat, was zur damaligen Zeit ein echter Skandal war. Als Mutter muss Hulda immer wieder Zugeständnisse machen, denn die Verantwortung für ihr Kind hat oberste Priorität. Deshalb kann sie auch nicht mehr als Hebamme arbeiten wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten, doch ihr geliebter Beruf fehlt ihr sehr. Die Arbeit in der Beratungsstelle ist ihr zwar eine Herzensangelegenheit, jedoch füllt er sie nicht aus. Die Einbruchsserie im Schöneberger Kietz lenkt sie daher ab, denn sie liebt es, Verbrechen auf die Spur zu kommen. Da diesmal auch enge Vertraute von den Einbrüchen betroffen sind, ist es ihr geradezu eine Herzensangelegenheit, die Übeltäter zu stellen. Stern lässt den Leser nicht nur gemeinsam mit Hulda auf spannende Verbrecherjagd gehen, sondern trumpft gleichzeitig mit einem akribisch recherchierten historischen Hintergrund auf, so dass man das Gefühl hat, die Vergangenheit leibhaftig mitzuerleben, ob es sich dabei um die am Boden liegende Wirtschaft, die wachsende Armut in der Bevölkerung, horrende Reparationszahlungen oder den immer größeren Zulauf zu den Nationalsozialisten handelt. Die gesamte Handlung ist so fesselnd konzipiert, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann und eine Achterbahn der Gefühle erlebt.
Die Charaktere sind so detailliert und lebensecht gezeichnet, dass der Leser sich nur zu gern unter sie mischt, mit ihnen hofft und bangt. Vor allem Hulda stiehlt sich mit ihrer Art schnell ins Leserherz, denn sie ist nicht nur offen und aufrichtig, ihr Verständnis von Verantwortung, Hilfsbereitschaft und Unterstützung sucht seines gleichen. Neben Stärke und Mut sind es vor allem ihr Dickkopf und ihre unbändige Neugier, die immer wieder für Gefahrenmomente sorgen. Ihre neue Bekanntschaft, der verheiratete Professor Max, ist ein sympathischer Kerl, aber ist er auch ein Mann, auf den Hulda sich verlassen kann? Ebenso bereichern Kommissar Karl, Irma, Bert, Jette und viele weitere Protagonisten die Handlung mit ihren jeweiligen Auftritten.
„Die Lichter der Stadt“ präsentiert dem Leser neben einer wunderbar unberechenbaren und liebenswerten Hauptprotagonistin einen exzellent recherchierten historischen Hintergrund sowie einen spannenden Kriminalfall, der unbedingt gelöst werden will. Stern schreibt empathisch, authentisch und mit dem gesegneten Talent, das Kopfkino des Lesers auf Touren zu bringen. Absolute Leseempfehlung für ein Lesehighlight des Jahres 2023!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2023
Das Cottage über dem Meer
Hannon, Irene

Das Cottage über dem Meer


ausgezeichnet

Wer oder was für Dich bestimmt ist, wird seinen Weg zu Dir immer finden. – Unbekannt
Der Polizist und Bestsellerautor Jack Colby hat nach einigen Tiefschlägen in seinem Leben in Hope Harbour eine neue Heimat gefunden, wo er auch weiter an seine beruflichen Erfolge anknüpfen kann. Auch Christi Reece, die Jacks Herz vor mehr als einem Jahrzehnt gebrochen hat, findet den Weg in den kleinen Ort, und als sie auf einmal auf seiner Türschwelle steht, um ihn um einen Kredit zu bitten, fühlt sich Jack von alten Gefühlen überrollt und in die Vergangenheit zurückgesetzt. Die Sympathiewelle der Ortsbewohner hilft Christis geschundener Seele schnell, sich schon bald heimisch zu fühlen. Kaum hat Jack sich von dem ersten Zusammentreffen mit Christi etwas erholt, ereilt ihn schon die nächste Überraschung, die ihm so langsam die Zügel über sein Leben aus den Händen gleiten lässt. Doch dann ist es ausgerechnet Christi, die ihm zu Hilfe eilt…
Irene Hannon hat mit „Das Cottage über dem Meer“ den 8. Band ihrer Hope-Harbour-Reihe vorgelegt, der den Leser mit einer berührenden Handlung, neuen Charakteren sowie bereits liebgewonnenen Protagonisten wunderbar zu unterhalten weiß. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil lädt den Leser ein, sich in dem kleinen malerischen Küstenort einzufinden, um dort das Schicksal von Jack und Christi hautnah mitzuerleben. Der Beruf als Polizist sowie das Schreiben von Büchern erfüllen Jack vollends und helfen dabei seine Seelenwunden heilen zu lassen. Doch diese werden durch die Begegnung mit Christi wieder aufgerissen. Die beiden haben eine nicht gerade rühmlich Vergangenheit, die Jack noch lebhaft vor Augen steht. Umso mehr ist Jack von Christis verändertem Verhalten überrascht, sie hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der Frau die er kannte. Christi musste ebenfalls so einige Schicksalsschläge einstecken, hat ihr Leben völlig umgekrempelt, möchte alte Schulden wiedergutmachen sowie einen Neustart wagen. Während die Bewohner von Hope Harbour es Christi relativ leicht machen, sich wohlzufühlen und optimistisch in die Zukunft zu schauen, wird Jacks Leben richtig durcheinandergewirbelt. Hannon hat ein besonderes Geschick, nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten zu vermitteln, auch altbekannte und liebgewonnene Charaktere spielen immer wieder tragende Rollen in ihren Geschichten und machen so die Lektüre für den Leser zu einem besonderen Genuss, der sich sofort wohl fühlt. Auch den christlichen Aspekt hat die Autorin sehr schön mit ihrer Handlung verwebt, der sich nicht nur im Verhalten der Dorfbewohner widerspiegelt. Gottvertrauen, Hoffnung, Verzeihen und Neubeginn sind hier die Themen, um die sich alles dreht.
Liebevoll ausgestaltete Charaktere wurden lebendig in Szene gesetzt und können den Leser mit ihren glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten schnell von sich überzeugen. Dieser heftet sich sofort an ihre Fersen, um ihr Schicksal mitzuverfolgen. Jack ist ein ausgeglichener, sympathischer Mann, der durch negative Erfahrungen ein gesundes Misstrauen entwickelt hat. Man kann ihm so schnell nichts vormachen. Christi hat nach einigen Schicksalsschlägen ihr Verhalten und ihre Einstellung von Grund auf geändert, sich von einer ehemals egoistisch anmutenden Frau zu einer mitfühlenden, gebenden Person entwickelt. Tacokochkünstler Charly hat nicht nur seine Augen und Ohren überall, sondern anscheinend einen besonderen Draht zum Allmächtigen. Aber auch die Beziehung des Ehepaars Beth und Steve spielt in dieser Geschichte eine wichtige Rolle.
„Das Cottage über dem Meer“ beschenkt den Leser mit einer warmherzigen, gefühlvollen Handlung, einem Kurzurlaub im Küstenort Hope Harbour, wo die Uhren etwas anders zu schlagen scheinen, sowie mit menschlichen Schicksalen, die nicht nur die Seele berühren, sondern auch nachdenklich stimmen. Absolute Leseempfehlung für eine zauberhafte Wohlfühllektüre!

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Bewertung vom 26.09.2023
Wer das Vergessen stört / Die Canterbury-Fälle Bd.1
Duncan, Tessa

Wer das Vergessen stört / Die Canterbury-Fälle Bd.1


ausgezeichnet

Alles, was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe. (Canetti)
Die zerbrochene Beziehung zu ihren Kollegen Dan nimmt die forensische Polizeipsychologin Lily Brown zum Anlass, Scotland Yard zu verlassen, um in Canterbury einen Neustart als Psychotherapeutin in eigener Praxis zu wagen. Mit ihrer ersten Patientin Samantha Harris bekommt Lily gleich einen komplizierten Fall, denn die junge Frau ist ihrem gewalttätigen Ehemann regelrecht hörig, lässt sich von ihm auf brutalste Weise zusammenschlagen und manipulieren, ohne sich zur Wehr zu setzen. Vera Osmond ist das genaue Gegenteil von Samantha: selbstbewusst und beruflich erfolgreich leidet diese unter schlimmen Panikattacken, die auf ein schreckliches Erlebnis in ihrer Kindheit zurückzuführen sind. Die Therapie schlägt bei Vera schnell an und schon bald möchte diese auf eigene Faust die Wahrheit über ihre Vergangenheit herausfinden. Als Vera tot aufgefunden wird und von der Polizei als Selbstmord eingestuft wird, glaubt Lily nicht daran. Sie beginnt, auf eigene Faust, Nachforschungen anzustellen, um Veras Tod aufzuklären und begibt sich dabei in größte Gefahr…
Marita Spang, die vor allem durch ihre exzellenten historischen Romane bekannt ist, hat unter dem Alias Tessa Duncan mit „Wer das Vergessen stört“ ihren ersten Psychokrimi mit ihrer Hauptprotagonistin Lily Brown vorgelegt, der nicht nur auf einem wahren Fall basiert, sondern mit dem angelegten Spannungslevel den Leser durchweg in Atem hält. Schon mit dem Prolog zieht der flüssige, bildhafte und packende Erzählstil den Leser mit Sogwirkung regelrecht in die Handlung hinein. Schnell findet man sich an der Seite von Lily Brown wieder, um nicht nur ihr Handeln und Tun mitzuverfolgen, sondern auch Einblick in ihre Gefühlswelt zu bekommen. Lily leidet immer noch unter der gescheiterten Beziehung zu einem Ex-Kollegen, so dass sie sich voll in ihre neue Aufgabe stürzt. Zwei interessante parallel laufende Therapiefälle lenken sie schon bald vom eigenen Kummer ab. Während sie an ihrer Patientin Samantha fast verzweifelt, weil diese sich eigentlich gern helfen lassen würde, jedoch die Kraft dafür nicht aufbringt aufgrund ihrer Hörigkeit zu Ehemann Thomas, sind die Therapiestunden mit Vera wesentlich erfolgreicher. Vera will auf jeden Fall den Dingen, die sie belasten auf den Grund gehen, deshalb lässt sie sich auf jede Behandlungsmethode ein und arbeitet intensiv mit. Mit klug eingeschobenen Szenenwechseln und Rückblenden in die Vergangenheit bringt die Autorin viel Bewegung und weitere Spannung in die Handlung, der Leser klebt regelrecht atemlos an den Seiten, um mit Lily den Dingen auf den Grund zu gehen. Dabei stehen ihm gleichzeitig die Haare zu Berge und die Gänsehaut bleibt dauerhaft bis zur letzten Seite.
Den Charakteren wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten sehr lebendig, so dass der Leser sich gut in sie hineinversetzen kann und an den einzelnen Schicksalen regen Anteil nimmt. Lily Brown ist eine empathische Frau, die sich gut in andere hineinversetzen kann und mit ihrer Art schnell eine Vertrauensbasis schafft. Privat folgt sie ihren Patientenratschlägen auch nicht immer, wirkt oftmals unsicher und einsam. Vera ist eine selbstbewusste Frau, die den Dingen auf den Grund gehen will. Samantha dagegen wirkt total naiv und ohne Selbstbewusstsein, was der Behandlung durch ihren Ehemann geschuldet ist. Matt ist Lilys Praxiskollege, der ihr immer wieder eine Schulter zum Anlehnen bietet, während Ex-Freund Dan wie ein Stachel in Lilys Fleisch sitzt, von dem sie sich bisher nicht befreien konnte.
„Wer das Vergessen stört“ brilliert nicht nur mit einer fesselnden und gut durchdachten Handlung, die auf einer wahren Begebenheit im England der 60er Jahre basiert. Mit Lily Brown hat die Autorin auch eine nahbare Hauptprotagonistin geschaffen, die sich schnell ins Herz des Lesers schleicht und die man so schnell nicht mehr missen möchte. Ein Psychokrimi der Extraklasse, der schlaflose Nächte garantiert. Absolute Leseempfehlung für Hochspannung pur!!!

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