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Benutzername: 
Libby196
Wohnort: 
Bonn

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 10.11.2023
Die kleinen Lügen der Ivy Lin
Yang, Susie

Die kleinen Lügen der Ivy Lin


ausgezeichnet

Susie Yangs Debütroman "Die kleinen Lügen der Ivy Lin" entführt die Leserinnen und Leser in die faszinierende Welt der Protagonistin Ivy Lin, die im New York der 1980er Jahre nach ihrem Platz in der Gesellschaft sucht. Das Buch zeichnet sich durch eine mitreißende Handlung, tiefgründige Charaktere und eine subtile Exploration des Themas Lügen aus.
Die Geschichte beginnt mit Ivy Lins Kindheit und erstreckt sich bis in ihre späten 20er. Ivy, eine Einwanderin aus China, versucht verzweifelt, in der amerikanischen Gesellschaft Fuß zu fassen. Dabei entfaltet sich eine Geschichte voller kleiner Lügen, die nicht nur dazu dienen, ihre wahre Identität zu verbergen, sondern auch ihre Sehnsucht nach Wohlstand und Anerkennung zu erfüllen.
Die Autorin behandelt das Thema Lügen auf geschickte und nuancierte Weise. Ivy's ständiges Spiel mit der Wahrheit regt die Leserinnen und Leser dazu an, über die verschiedenen Arten von Lügen nachzudenken und wirft wichtige Fragen über Anpassung und Behauptung in der Gesellschaft auf.
Die Charakterentwicklung ist ein weiteres Highlight des Buches. Ivy Lin ist eine ambivalente und facettenreiche Figur, deren innere Konflikte und moralische Dilemmata die Leserinnen und Leser mitreißen. Die Nebencharaktere tragen zur Komplexität der Geschichte bei, insbesondere Gideon, Ivys Freund und Mentor.
Susie Yangs eleganter und einfühlsamer Schreibstil fängt die Atmosphäre des New Yorks der 1980er Jahre meisterhaft ein und hält die Spannung und das Tempo konstant aufrecht. Das Buch regt nicht nur zum Nachdenken an, sondern führt auch vor Augen, wie Lügen als Schutzmechanismus dienen und unser Leben formen.
Insgesamt ist "Die kleinen Lügen der Ivy Lin" ein beeindruckendes Debüt, das nicht nur fesselt, sondern auch zum Nachdenken anregt. Susie Yang hat eine Geschichte geschaffen, die den Leserinnen und Lesern eine eindringliche Reflexion über die Bedeutung von Lügen und deren Auswirkungen bietet. Ein beeindruckendes und fesselndes Debüt, das die Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht.

Bewertung vom 28.10.2023
Die Postbotin
Schneefuß, Elke

Die Postbotin


weniger gut

Wir befinden uns in Berlin, kurz nach dem 1. Weltkrieg. Regine arbeitet als Briefträgerin bei der Reichspost, ist aber "nur" eine Kriegsaushilfe, die arbeiten musste, weil sämtliche Männer an der Front waren. Nun, wo alle (die überlebt haben) nach und nach zurückkehren und die Jobs wieder übernehmen, sollen die Aushilfen gekündigt werden. Für viele sind die Jobs aber mittlerweile überlebenswichtig, teilweise ernähren die Frauen ihre Familien alleine. Daher wollen die Frauen nun streiken, um ihre Jobs zu behalten oder zumindest eine Abfindung zu bekommen.

Dieses Setting fand ich zunächst einmal sehr spannend. Leider konnte mich die Erzählweise dann aber nicht wirklich packen. Es wird in allwissender Sicht abwechselnd aus der Perspektive verschiedener Frauen geschrieben. Zum einen die titelgebende Regine, die eben als Postbotin arbeitet und deren Vater selbst früher niedriger Beamter bei der Post war (für ihn scheint die Behörde das Nonplusultra zu sein). Zum anderen Evi (warum mit 'i', habe ich mich die ganze Zeit gefragt, eigentlich heißt sie Eva-Maria und ist eine erwachsene Frau), die als Vermittlerin für Telefongespräche im selben Postamt arbeitet. Außerdem kommen verschiedene andere Frauen und ihre Probleme vor, bspw. Lotte, Gretchen (die sich gerade Evis Ex geangelt hat), Evis Mutter Bernardine, Emma - eine Kraftfahrerin, etc.

Leider fand ich auch keine der Protagomistinnen sonderlich sympathisch. Die Handlung entwickelt sich schleppend, es passiert eigentlich im gesamten Buch wenig wirklich relevantes. Regine lernt durch Lotte einen Gewerkschafter kennen, der ihr beim Streik helfen will. Sie betont ständig, wie wenig Ahnung sie von alldem hat und dass sie sich mit nichts auskennt - das hat mich richtig genervt. Generell verhalten sich alle Frauen irgendwie sehr naiv und kindlich. Aber so richtig voran geht es mit dem Streik nicht, es wird nie wirklich etwas organisiert, schlecht geplante Treffen der Frauen schlagen fehl, es wird nur rumgestanden und geredet, ohne dass etwas dabei herumkommt.

Außerdem werden zu viele Nebenschauplätze aufgemacht (bspw. Bernardine und der Mantel, Regines "Verehrer" der Bäcker, ...). Evi ist die ganze Zeit auf der Suche nach ihrem Bruder, der im Krieg war und dessen Verbleib unbekennt ist, und ihrem Vater, der sich einfach nicht um die Familie kümmert.

Die letzten 150 Seiten habe ich nur noch überflogen, es passieren nur Dinge, die meiner Meinung nach unzusammenhängend nacheinander erzählt werden, es gibt aber keine Verbindung, die im Rahmen der Geschichte Sinn ergibt.

Natürlich habe auch ich nicht in der damaligen Zeit gelebt, zum Glück auch nie einen Krieg erlebt, aber es fiel mir sehr schwer, mich anhand der Schreibweise auch nur halbwegs in die Situation der Frauen hineinzuversetzen. Auch die Gespräche untereinander wirkten oft sehr sperrig und unnatürlich, gingen viel zu lang, ohne dass der Inhalt interessant war oder die Stoty vorangebracht hat. Regine beispielsweise sieht Kurt schätzungsweise drei Mal, meistens geraten sie irgendwie aneinander, und trotzdem verliebt sie sich in ihn, was sie ihm natürlich auch prompt sagen muss? Begriffe wie "Koloss" finde ich auch nicht besonders schmeichelhaft, häufig habe ich mich an unterschiedlichen Formulierungen gestört. Die Entwicklung dieser "Liebesbeziehung" konnte ich absolut gar nicht nachvollziehen, Gefühle kamen überhaupt nicht auf.

Gut gelungen ist allerdings die Wut, die man die ganze Zeit beim Lesen verspürt, weil die Zeiten damals einfach ungerecht und frauenfeindlich waren. Die Frauen werden bloß als Platzhalterinnen angesehen, bis die Männer zurükommen um ihre Plätze einzunehmen und "die Familien zu ernähren", was die Frauen auch geschafft haben. Außerdem haben sie nur die Hälfte des Lohns bei gleicher Arbeit bekommen - diese Problematik des Gender Pay Gaps ist ja selbst heute noch nicht ganz gelöst.

Die Thematik des Streiks von der ich dachte, dass es die Hauptproblematik sein würde, ist am Ende irgendwie nicht wirklich wichtig und wird nicht weiter verfolgt. Die einzelnen Schicksale plätschern so dahin, aber ohne wirklichen roten Faden oder Inhalt. Viele Erzählstränge laufen am Ende ins Leere, die Frauen haben nicht wirklich aktiv gekämpft oder gestreikt - ich muss sagen, dass ich mehr erwartet habe.

Bewertung vom 23.10.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


sehr gut

"Sylter Welle" von Max Richard Leßmann ist eine berührende Erzählung über den Abschied von der Kindheit und den geliebten Großeltern. Der Autor verwebt geschickt humorvolle Anekdoten mit bewegenden Momenten, was eine authentische Familiengeschichte entstehen lässt. Vor allem die Beziehung zwischen Max und seinen Großeltern steht im Mittelpunkt. Der Schreibstil ist flüssig, wenn auch manchmal etwas ausschweifend. Trotzdem gelingt es Leßmann, die Leser:innen in seine Nostalgie zu entführen.

Die Leser:innen werden auf eine emotionale Reise mitgenommen, die geprägt ist von Nostalgie, Humor und tiefer Verbundenheit. Der Autor beschreibt einfühlsam die letzten Tage seines Großelternbesuchs auf der Insel Sylt, eine Art Abschied von einer vergangenen Zeit. Dabei wird deutlich, wie eng die Beziehung zwischen Max und seinen Großeltern ist, trotz der großen Altersunterschiede. Leßmann verwebt humorvolle Anekdoten mit bewegenden Momenten, wodurch eine authentische Familiengeschichte entsteht.

Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie der Autor ernstere Themen, wie Max' Depression, in die Erzählung integriert. Dadurch erhält die Geschichte eine zusätzliche Tiefe und Authentizität. Auch die unterschiedlichen Charaktere der Familienmitglieder werden lebendig und vielschichtig dargestellt. Manchmal mögen Handlungen der Großeltern befremdlich erscheinen, doch letztendlich zeichnet Leßmann ein realistisches Bild von den Kommunikationsproblemen zwischen verschiedenen Generationen.

Insgesamt bietet "Sylter Welle" eine solide Lektüre, die nicht nur gut unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt über die Bedeutung von Familie und den Wandel der Zeit. Es ist eine Geschichte, die mit Herz und Authentizität erzählt wird und somit einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 23.10.2023
Wir müssen gar nichts!
Maylou, Hannah

Wir müssen gar nichts!


sehr gut

Hannah Maylou behandelt in ihrem Buch „Wir müssen gar nichts!“ viele Themen, die mit Sicherheit jede Frau so oder so ähnlich schon einmal genervt haben. So viele gesellschaftliche Normen und Erwartungen, die man überhaupt nicht erfüllen kann – und will! Geschweige denn – muss.

Das Buch hat mir noch einmal die Bestätigung gegeben, dass ich nicht alleine bin, sondern das weibliche Geschlecht es im Patriarchat, in dem wir ja leider immer noch leben, kollektiv eigentlich gar nichts „richtig“ machen kann. Wieso sollte man auch, wenn man stattdessen einfach glücklich sein kann? Bei mir hat es auch einige Jahre gedauert, bis ich realisiert habe, dass diese ganzen Normen und Vorstellungen, wie man zu sein hat, was man zu wollen hat oder wie das Leben aussehen sollte totaler Quatsch sind und man stattdessen einfach so leben sollte, wie man möchte (so lange man niemanden damit verletzt) – völlig egal, wie andere das finden.

Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen, durch die vielen persönlichen Beispiele der Autorin (in denen ich mich oft wiedergefunden habe) schafft sie auch einen leichten Zugang zu den Themen. Aufgelockert wird das ganze noch durch diverse Bilder und Grafiken, die die Inhalte veranschaulichen.

Das Buch beginnt mit einem kurzen historischen Abriss des weiblichen Schönheitsideals über den allgegenwärtigen Sexismus in den Medien bin hin zu Social Media, Beautyfiltern und dem ständigen Vergleich mit anderen. Ob Gewicht, Körperbehaarung, das Aussehen der Vulva, das Tabu der Periode, die Menge an Sexualpartnern oder andere vermeintliche „Problemzonen“ – so viele Themen, zu denen es irgendwelche Ideale gibt, die Menschen sich aus verschiedenen Gründen ausgedacht haben und die deshalb auch totaler Quatsch sind.

Durch die Verbindung von Umfragen auf ihrem Instagram-Kanal und wissenschaftliche Studien bzw. biologischen Erklärungen schafft die Autorin eine spannende Verbindung von unterschiedlichen Sichtweisen zu den behandelten Themen. Auch die verschiedenen Tipps fand ich interessant (viele kannte ich schon, aber gerade für jüngere Leser*innen sind sie bestimmt hilfreich, wie bspw. der Periodentracker).

Zusammenfassend hat mir das Buch zwar keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse gebracht, aber ich finde es schön, viele Themen nochmal „gesammelt“ und griffbereit zu haben und zu wissen, dass diese alle Frauen* beschäftigen und es heutzutage weder Tabus noch Regeln geben sollte, wie wir zu leben oder zu lieben haben – denn du *musst* gar nichts!

Bewertung vom 27.09.2023
Vega 2 - Der Sturm in meinem Herzen
Perko, Marion

Vega 2 - Der Sturm in meinem Herzen


sehr gut

„Vega – Der Sturm in meinem Herzen“ ist der zweite Teil einer fesselnden Dilogie, die das brisante Thema des Klimawandels mit einer beeindruckenden Wetter-KI verknüpft. Die dystopische Vision einer von Naturkatastrophen geplagten Welt erscheint aktueller denn je. Die Bedrohung durch die KI Baal, die die Welt mittels Wettermanipulation kontrollieren möchte, verleiht der Geschichte eine beklemmende Aktualität. Vega ist die einzige Hoffnung, doch wem kann sie vertrauen? Ihre alten Kontakte scheinen ihr misstrauisch gegenüberzustehen. Werden sie ihr helfen, ihren Plan umzusetzen? Kann Vega die Welt retten, oder ist Baal bereits zu mächtig?
Das Cover harmoniert hervorragend mit dem des ersten Bandes, wobei mir die Farbgebung hier sogar noch besser gefällt. Obwohl ich normalerweise kein Fan von Charakteren auf dem Cover bin, empfinde ich es in diesem Fall als passend.
Der nahtlose Übergang vom ersten Teil zu diesem Buch sorgt für einen spannungsgeladenen Einstieg, vor allem da Teil 1 mit einem Cliffhanger endete und unklar war, auf wessen Seite Leo jetzt steht. Der Schreibstil ist erneut recht schlicht, aber keineswegs langweilig, sondern fließend und frei von unnötigem Schnickschnack oder langwierigen Umschreibungen. Dieser Stil passt ausgezeichnet zur Geschichte und ermöglicht ein rasches Durchlesen, ähnlich wie im ersten Band.
Persönlich hat mich dieser Teil sogar noch mehr fasziniert als der erste, was sowohl an der gesteigerten Spannung als auch an der Entwicklung der Charaktere, allen voran der Protagonistin Vega, lag. Dennoch hätte ich mir an einigen Stellen etwas mehr Tiefgang und Nuancen gewünscht, da viele Figuren etwas flach bleiben und einige Szenen des Buches etwas unvollständig wirken.
Vegas Opferbereitschaft für ihre Freunde und ihre persönliche Entwicklung im Buch sind jedoch bemerkenswert. Sie lernt, sich selbst zu vergeben und positiv in die Zukunft zu blicken. Leo ist ein sympathischer Charakter, der alles in seiner Macht Stehende tut, um Vega zu unterstützen und zu retten. Auch in entscheidenden Momenten steht er ihr bei.
Besonders spannend fand ich den Moment, in dem Vega bewusst wird, was damals zu dem großen Sturm und dem Tod ihres Vaters geführt hat. Trotz der schmerzvollen Erkenntnis konnte sie nur auf diese Weise ihre Kräfte voll ausschöpfen. Nathalies Größenwahn und die Entwicklung von Baal waren eine interessante Ergänzung für die Geschichte.
Die Verbindung von Fantasy und Klimawandelthematik ist ein erfrischender Ansatz, den ich so noch nicht gelesen habe. Der finale Kampf mit Baal hätte meiner Meinung nach etwas ausführlicher beschrieben sein können, da er recht schnell vorüberging. Abgesehen davon ist das Buch sehr gelungen.
Für all jene, die ein Fantasybuch suchen, das ein aktuelles Umweltproblem anspricht, kann ich es nur empfehlen.

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