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CK
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Raum Stuttgart

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Insgesamt 202 Bewertungen
Bewertung vom 31.05.2025
Reyes, Sonora

The Lesbiana's Guide To Catholic School (eBook, ePUB)


sehr gut

Queerer Coming-of-Age-Roman mit Herz und Humor

Die 16jährige Yamilet Flores, genannt Yami, hat es nicht einfach. Nachdem sie von ihrer ehemals besten Freundin ungewollt geoutet wurde, ist sie einerseits froh, die Schule zu wechseln, damit sie ihr nicht mehr begegnen muss; sie war nämlich auch in sie verliebt. Doch als eines der einzigen mexikanischen Kinder auf ihrer weißen, reichen und sehr katholischen Schule fällt sie natürlich immer auf. Sie möchte hier deshalb auf keinen Fall als lesbisch auffallen, also verheimlicht sie das. Sie hat ohnehin genug damit zu tun, ihren Bruder Cesar aus Schwierigkeiten herauszuhalten, ihre Mutter stolz zu machen und einen neuen Nebenjob mit gutem Einkommen zu finden.
Doch es ist sehr schwer allen vorzutäuschen, man sei hetero, wenn da ein super kluges und süßes Mädchen an der Schule ist, das noch dazu ganz offen queer lebt: Bo. Wie soll Yamilet es schaffen, ihren immer stärker werdenden Gefühlen zu widerstehen?
Sonora Reyes hat hier einen gleichzeitig humorvollen wie ernstzunehmenden, queeren Coming-of-Age-Roman geschrieben, der vor allem, aber nicht nur das junge Publikum begeistern dürfte.
Die Protagonistin ist sehr sympathisch und authentisch, die Nebenfiguren überzeugen nicht alle komplett, sind aber weitgehend stimmig getroffen.
Schön finde ich, dass hier ein breites Spektrum an Themen untergebracht ist wie Rassismus, Queerness und Queerfeindlichkeit, Queerness, Religiosität und mentale Gesundheit. Dennoch wirkt der Roman nicht überladen. Lediglich die Gedankenkgänge der Protagonistin sind mir persönlich manchmal etwas zu raumeinnehmend, hier hätte sich die Autorin für meinen Geschmack etwas kürzer fassen können.
Insgesamt jedoch ein schöner Feel-Good-Roman.
Der wunderschöne Farbschnitt mit Blumenmuster ist ein zusätzliches optisches Highlight des Buches und dürfte bei der Zielgruppe (zu der ich sicher nicht direkt gehöre *zwinker*, aber ich lese gerne vielseitig und divers) sicher gut ankommen.

Bewertung vom 29.05.2025
Frey, Sita Maria

Tage wie Salzwasser


sehr gut

Wie gut ist die Mathematik darin, das Leben zu berechnen?


Der Roman „Tage wie Salzwasser“ von Sita Maria Frey besticht nicht nur durch das wunderschöne Cover, sondern auch eine Geschichte, in der vor allem Frauen die Hauptrollen spielen.
Da ist zum einen die Mathematikerin Atlanta, deren Leben hauptsächlich aus Zahlen und Logik besteht. Sie wird trotz Pille schwanger.
Als sie am Bahnhof auf ihren Freund Malte wartet, bekommt sie wie aus dem Nichts die Nachricht von seinem Tod. Für Atlanta bricht mit Maltes Selbstmord eine Welt zusammen. Sie traut sich nicht zu, das Kind alleine zu bekommen, sie ist verzweifelt.
Dann ist da noch Enza, eine Radhändlerin, deren Leben vom frühen Tod ihres Vaters, als sie ein junges Mädchen war, stark geprägt wurde. Sie hat eine sehr enge Bindung zu ihrer Mutter Hilde, ansonsten lebt sie recht autark und einsam, treibt Kraftsport und ist auch ansonsten eine starke Frau.
Als Atlanta Enza ins Fahrrad läuft, verknüpft sich das Leben der beiden sehr unterschiedlichen Frauen. Atlanta möchte herausfinden, was es mit den vier Adressen auf sich hat, die Malte vor seinem Tod in ein Notizbuch geschrieben hat. Sie glaubt, das muss eine tiefere Bedeutung haben. Und Enza wird von ihrer Mutter gebeten, eine Verwandte in Noto an der sizilianischen Ostküste zu besuchen. Ausgerechnet das ist einer der Orte aus Maltes Notizbuch. So machen sich die beiden Frauen auf Enzas Motorrad auf einen abenteuerlichen Road Trip ....
Erst am Ende gibt es eine Erklärung für Maltes Tod; diesen Schluss fand ich insgeamt sehr stimmig.

„Tage wie Salzwasser“ ist ein Buch der leiseren Töne, eine Geschichte über Freundschaft und Verzeihen, und darüber, dass das Leben manchmal seine ganz eigenen Wege geht.

„Ich bin mir sicher, ihr werdet etwas finden, was ihr nicht gesucht habt.“

Bewertung vom 28.05.2025
Sabbag, Britta

Krakadu


ausgezeichnet

Liebenswert-lustiges Meeres-Abenteuer mit Krakadu


Krakadu ist ein etwas tollpatschiger, aber sehr liebenswerter Krake. Es ist gar nicht so einfach, mit acht Armen klarzukommen. Zum Glück hat Krakadu ja seinen besten Freund, den ziemlich gebildeten Seestern Prof. Der klebt quasi ständig an ihm. Und so ist es unvermeidlich, dass die beiden den Alltag und so manches nicht ganz freiwillige Abenteuer miteinander teilen.

Allein schon die wunderschönen und witzigen Illustrationen von Lisa Nollenberger verdienen mehr als 5 Sterne!

Dazu noch die lustige und liebenswerte Geschichte, diese phantastischen Wortkreationen - wow!
Ich bin zwar nicht sicher ob bzw. denke nicht, dass Kinder den Witz an Namen wie "Ella Fischgerald" und "Grönehaier" verstehen - aber die Eltern sollen ja auch ihren Spaß haben!
Wir haben uns in der Familie jedenfalls alle tierisch amüsiert über die lustige Geschichte und die originellen Wortkreationen (Fischfluencer, Herbstquatsch, Ganzjahresnovember, und so weiter).
Und wo geht ein Krake einkaufen? Natürlich beim Discounter "Algi".

Ein wirklich liebenswert und humorvolles Kinderbuch zum Vorlesen oder selbst lesen - wir sind begeistert!

"Der Krakadu ist sich oft nicht ganz klar darüber, wie ein Krake so zu sein hat. Und das ist sehr gut!
Denn wenn man gar nicht erst versucht, irgendwo reinzupassen, ist es auf jeden Fall ziemlich einfach, man selbst zu sein."

Bewertung vom 26.05.2025
Berkel, Christian

Sputnik


schlecht

Sputnik hat mich nicht erreicht: Langweilig und nichtssagend


„Sputnik“ist die Fortsetzung von Christian Berkels beiden vorherigen Büchern „Der Apfelbaum“ und „Ada“, die allesamt biographisch geprägt sind. Ich muss dazu sagen, dass ich die beiden früheren Bücher nicht gelesen hatte; ob dies meine Leseerfahrung verändert hätte, weiß ich nicht.

Berkels Roman beginnt aber weit vor seiner Geburt, noch im Bauch seiner Mutter - diesen Prolog kannte ich schon von der Leseprobe und fand ihn recht originell geschrieben.
Danach ging es um seine schwierige Kindheit und Jugend sowie die problematische Beziehung zu seiner Mutter; auch die zu seinem Vater ist nicht viel einfacher.
Ich muss gestehen, dass ich recht schnell merkte, dass mich dieses Buch leider nicht erreichen konnte.
Die Handlung plätschert so vor sich hin, es passiert nicht viel. Dagegen war es einfach zu viel des Guten bei seinen feuchten Jungendträumen. Für mich las sich das alles recht selbstverliebt und klischeehaft; und für Außenstehende völlig uninteressant.
Dann ab Berkels Frankreich-Aufenthalt drehte sich eigentlich alles nur noch, sehr bruchstückartig geschildert, um eine Auflistung seiner Stationen als Schauspieler.
Spätestens ab hier habe ich mich furchbar gelangweilt und das Buch nur mit großer Mühe zu Ende gebracht.
Ich hatte aufgrund der Leseprobe und des recht originellen Prologs ganz andere Erwartungen an dieses Buch. Es war mein erstes und sicher auch mein letztes Buch von Christian Berkel.

Bewertung vom 23.05.2025
Riese, Dorothee

Wir sind hier für die Stille


schlecht

Schöner Titel, Schreibstil schwer zugänglich: Buch abgebrochen

„Wir sind hier für die Stille“ von Dorothee Riese - der Titel hatte mich stark angesprochen, genauso wieder Klappentext:
Es geht in diesem Roman um die fast sechsjährige Judith, die Anfang der 1990er Jahre mit ihren Eltern von Deutschland nach Rumänien auswandert, in ein abgelegenes Dorf in Transsilvanien am Rande der Karpaten. Judiths Eltern wollen, dass ihr Kind in einer ursprünglichen, vom Kapitalismus freien Gemeinschaft aufwächst. In Rumänien lernt Judith viele arme Menschen kennen, und ein Mädchen mit einer Ziege, Irina. Irina ist eine Romni.

Ich muss sagen, das war eines der wenigen Bücher, bei denen ich vorher keine Leseprobe gelesen habe, und das war ein großer Fehler. Wie gesagt, thematisch interessiert mich das sehr - aber ich fand den Schreibstil wirklich sehr schwer zugänglich. Ich fand mich in der Geschichte schwer zurecht, konnte oft die Zusammenhänge nicht sehen; die Figuren blieben für mich alle sehr gesichtslos und unnahbar.
Ich habe mich wirklich gequält mit dem Lesen – und dann nach ca. 2/3 des Buchs abgebrochen. Das kommt nicht oft vor, aber hier war mir meine Lesezeit dann doch zu schade.
Dieses Buch war trotz des an sich interessanten Themas und des sehr schönen Titels eine herbe Enttäuschung.

Bewertung vom 22.05.2025
Groß, Maria

Natürlich Maria


gut

"Seelennahrung muss nicht zwangsläufig kompliziert sein."

Das Kochbuch „Natürlich Maria! Das Glück liegt in den kleinen Dingen. Rezepte für das Leben“ von Maria Groß ist ein sehr farbenfroh und wunderschön gestaltetes Kochbuch aus dem Brandstätter-Verlag.
Die sympathische und naturverbundene Maria Groß hat sich mit ihren Restaurant „Bachstelze“ einen Lebenstraum verwirklicht.
In diesem Kochbuch teilt sie nun ihre Rezepte mit uns. Das Buch Rezepte für Vorspeisen, Salate, Suppen, Hauptspeisen, Kuchen und Keksen, Desserts sowie auch Grundrezepte und Rezepte zur Vorratshaltung.
Vegetarier werden an diesem Buch ihre Freude haben, aber auch alle anderen kommen nicht zu kurz. Die Gerichte sind einfach, aber gleichzeitig raffiniert und etwas Besonderes.

Eine ganz nette Idee ist auch die mit abgedrucktem QR-Code bereitgestellte „Koch-Playlist“ – einfach mal anhören! Auch wenn mein Musikgeschmack nicht so ganz getroffen wurde, habe ich doch 1-2 schöne Lieder entdeckt.

Insgesamt ein stimmiges und schönes Kochbuch. Man erfährt zum einen etwas über die Lebensphilosophie von „Maria Ostzone“ (das Label finde ich echt originell und witzig!) und ihr Restaurant „Bachstelze“ (das ist sicher einen Besuch wert, wenn man mal in diese Gegend kommt!).
Insgesamt nimmt diese Selbstdarstellung und Werbung vielleicht etwas zu viel Raum ein - hier wären mehr Rezepte schön gewesen.

Das Buch liefert einige leckere Rezepte, bei denen das Nachkochen auch Amateuren gut gelingen sollte.
Die tollen Bilder machen noch mehr Lust, sofort alle Rezepte auszuprobieren.
Die Kochanleitungen sind teilweise etwas sehr knapp und mir persönlich gefallen nicht allzu viele der Rezepte bzw. sie sind nicht alltags-/familientauglich für uns.
Von daher ein schön gestaltetes Kochbuch, das mich nach einigem Testen leider nicht voll überzeugen konnte.

Bewertung vom 22.05.2025
Herr, Vincent-Immanuel;Speer, Martin

Wenn die letzte Frau den Raum verlässt


sehr gut

Wenn Männer über Gleichberechtigung sprechen - "Fix the system, not the women."

"Der Moment, in dem die letzte Frau den Raum verließ und die schicke Glastür zuzog, hat sich tief in unsere beiden Gedächtnisse eingebrannt (und inspirierte einige Jahre später den Titel dieses Buches). Die Atmosphäre änderte sich schlagartig. Einige Männer atmeten auf, andere sanken tiefer in ihren Stuhl, wieder andere warfen sich verschmitzte Blicke zu. Doch interessant wurde es, sobald die Gespräche begannen - allein unter Männer. Sprechfilter und aufgesetzte Masken fielen weg, der eben noch optimistische und kooperative Ton wandelte es sich im Handumdrehen."

Ich habe das Buch „Wenn die letzte Frau den Raum verlässt: Was Männer wirklich über Frauen denken“ als Frau gelesen und fürchte, nach wie vor fühlen sich hauptsächlich Frauen von den Themen Gleichstellung/Gleichberechtigung angesprochen.
Doch dieses Buch wurde von zwei Männern geschrieben, Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer, und ich finde, das sollten unbedingt auch alle Männer lesen!
Die beiden äußerst sympathischen und aufgeschlossenen Herren sind oft in reinen Männerrunden in Firmen unterwegs und haben dort, aber auch privat schon oft bemerkt, wie andere Männer gegen Gleichstellung argumentieren bzw. welche allgemeinen patriarchalen Denk- und Argumentationsmuster nach wie vor bestehen (manche dieser Aussagen sind echt heftig).
Insgesamt deckt das Buch viele Bereiche ab, die Arbeitswelt, aber auch das Privatleben und die leider sehr ungerechte Care Arbeit und den Mental Load.

"Eine unangenehme Wahrheit darf dabei nicht unter den Tisch fallen: Was Männer bis vor kurzem im Beruf erlebt haben (und vielerorts immer noch erleben), war de facto eine Männerquote. Männer wurden nicht nur aufgrund von Leistung oder Talent eingestellt und befördert, sondern teilweise oder manchmal ausschließlich aufgrund ihres Geschlechts. Anders ausgedrückt: in Wirtschaft und Politik haben es erstaunlich viele mittelmäßige oder sogar unqualifizierte Männer bis nach ganz oben geschafft. Von wie vielen Frauen kann man dasselbe sagen?"

"Die Autorin und Journalistin Alexandra Zykunov bringt dies berechtigterweise auf die Palme. Sie schreibt: 'Wenn wir von Männern sprechen, die helfen, statt von Männern, die einfach ihren Aufgabenbereich für ihre Familie, ihr Heim und den Haushalt darin übernehmen, sprechen wir Ihnen jegliches Recht ab, sich dafür auch aktiv verantwortlich zu fühlen. Begriffe wie "helfen", oder - noch schlimmer - "entlasten" - (....) meinen, dass er für diese Last per se nicht zuständig ist und dass es da eine andere Person gibt, die diese Last normalerweise trägt - nämlich die Frau."

In ihrem gut lesbaren und leicht verständlichen Buch zählen sie verschiedene Männertypen auf, analysieren auf sehr ehrliche und auch selbstkritische Weise die männliche Gedanken- und Sorgenwelt. Dabei kommen auch Forschungsergebnisse nich zu kurz. Nicht so geläufige Begriffe werden stets erklärt, so dass auch Neulinge bei diesem Thema alles gut verstehen können.
Ziel des Buches ist, auch Männer zu Verbündeten im Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu machen.

Mein Mann sagte spontan, wenn Männer was zu dem Thema schreiben, liest er das jetzt auch gleich. Also: Empfehlt es vielen Männer weiter, die es dann hoffentlich auch anderen Männer weiterempfehlen (und Männer hören ja bekanntlich oft eher auf andere Männer). In der Hoffnung, dass es mehr Gleichberechtigung für ALLE gibt.

"Fix the system, not the women."

Bewertung vom 19.05.2025
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


sehr gut

„Töne sind Vergangenheit“: Traurig-schöner Roman über Träume und Hoffnung

"Meine Mutter sagt, Töne sind Vergangenheit. Damit meint sie nicht, dass viele der besten Tonkombinationen lange vor meiner Geburt erfunden wurden. Sie meint jeden Ton. Wenn man einen hört, dann ist er schon eine Zeitlang unterwegs gewesen. Den Ort, an dem er geboren wurde, gibt es inzwischen vielleicht nicht mehr. Oder er ist kurz weggegangen. Also können wir gar nicht wissen, was in dem Moment gerade passiert und was das eigentlich ist, dieses Jetzt. Wir sind im Früher gefangen."

„Durch das Raue zu den Sternen“ von Christopher Kloeble hatte mich vom Cover und Klappentext sehr angesprochen.

Die 13jährige Arkadia Fink ist eine Außenseiterin im Dorf, nicht erst, seit ihre Mutter verschwunden ist. Musik ist ihr Leben, da ist sie ganz ihre Mutter. Ansonsten fällt das Mädchen durch ein Übermaß an Fantasie und ihr unkonventionelles Verhalten auf. Und Arkadia hat einen ungewönlichen Traum: Sie möchte unbedingt in einem berühmten Knabenchor mitsingen. Sie glaubt nämlich, wenn sie mit dem Chor auf einer großen Bühne singt, wird ihre Mutter zurückkehren....

Arkadias Vater kann mit dem Weggehen der Mutter nicht umgehen, Wut und Schweigen sind seitdem Alltag. Ich fand ihn als Person etwas schwer zu greifen, am besten hat es die Titelheldin vielleicht selbst formuliert:
"Die Zeitung liest er jeden Tag so gründlich, wie es sonst nur das Holz liest, an dem er arbeitet. Es ist erstaunlich, dass jemand so viele Worte in sich aufnehmen und so wenige von sich geben kann. Wo verstaut er sie alle? Ich würde ihm gern helfen, welche loszuwerden. Nur weiß ich nicht wie das gehen soll."

Das Buch zeigt eine große Liebe zur Musik und Arkadia ist eine wirklich außergewöhnliche Protagonistin. Für mich wirkte sie jedoch nicht komplett authentisch, auch wenn ich sie durchweg sympathisch und sehr interessant fand.

Ich hatte sehr große Erwartungen anders Buch, die leider nicht komplett erfüllt wurden. Ich habe es zwar sehr gerne gelesen, aber das letzte "gewisse Etwas" hat mir persönlich irgendwie noch gefehlt. Es wirkte alles zu sehr konstruiert und bemüht, mir hat noch eine gewisse Leichtigkeit gefehlt (auch das wäre sicher möglich bei einem an sich so traurigen Buch).
Daher entscheide ich mich für 4⭐️. Ich fand das Buch durchaus sehr lesenswert, ein wirklichs Highlight war es aber leider nicht für mich.

"Ein Musikstück klingt immer anders, je nachdem, wer es interpretiert. Ebenso ist eine Lebensgeschichte immer anders, je nachdem wer sie erzählt."

Bewertung vom 19.05.2025
von der Groeben, Ulrike

Freiheit beginnt jetzt!


gut

Mehr Memoir als Ratgeber: Andere Erwartungen an das Buch gehabt - 3,5 ⭐️

Bis zu meinem Ruhestand ist es (leider 🙈🤣) noch etwas länger hin, aber ich finde es immer gut, sich mit zukünftig wichtigen Themen schon frühzeitig zu beschäftigen. Das Buch „Freiheit beginnt jetzt! Tipps für den Start in den (Un-)Ruhestand“ von Ulrike von der Groeben hätte da interessant sein können, dachte ich.
Frau von der Groeben kennt man seit 35 Jahren als Sportreporterin bei „RTL aktuell“, wenigstens vom Sehen. Zu Beginn ihres Rohestandes wurde sie permanent gefragt, was sie denn nun mache. Ihre Antwort „Erst mal nichts“ traf auf Unverständnis, woraufhin Frau von der Groeben der Frage nachgeht, wie durchgetaktet denn diese neue Phase überhaupt sein muss, ob und welche Aufgaben man braucht und wie man die viele freie Zeit sinnbringend nutzen kann.
Hierzu sprach sie mit Expertinnen und Experten zu Themen wie Ehrenamt, Finanzen, Gesundheit und Ernährung, soziale Kontakte, Tod und Nachlass.
Diese Gespräche mit den Expert*innen fand ich insgesamt noch am besten und hilfreichsten.
Insgesamt enthält das Buch aber hauptsächlich Berichte aus Frau von der Groebens Berufsleben/Leben. Dies nimmt einen sehr großen Teil ein, was leider nicht so meinen Erwartungen an das Buch entspricht.
Das Buch ist also insgesamt mehr ein Memoir einer durchweg sympathischen, wenn vielleicht auch eher privilegierten Person.
Weniger ist es ein dagegen ein Ratgeber bzw. es bietet mir zu wenig Neues. Das meiste davon wissen wir schon: Es ist gut, auch im Ruhestand gewisse Strukturen und Regelmäßigkeiten zu haben. Außerdem Hobbys oder Ehrenamt. Wer hier vielseitig interessiert ist und über gute Sozialkontakte verfügt, ist gewiss im Vorteil.
Also insgesamt gibt eine ganz nett und flüssig zu lesen, für mich bietet das Buch aber keinen wirklichen Mehrwert. 3,5 ⭐️

Bewertung vom 14.05.2025
Liepold, Annegret

Unter Grund


gut

Hochaktuelles, wichtiges Thema - Umsetzung mit einigen Schwächen

"Durch die Scheiben des Busses blickt Franka auf das immer vertrauter werdende Idyll und empfindet keine Wehmut, nur Erleichterung, dass sich ihr Leben mittlerweile so weit davon entfernt abspielt.“

Im Roman „Unter Grund“ von Annegret Liepold muss die junge Franka sich ihrer dunklen Vergangenheit stellen. Als sie als Referendarin gemeinsam mit ihren Schülern sowie ihrer WG-Mitbewohnerin und Freundin Hannah, die als Journalistin über den NSU-Prozess in München berichtet, einen Gerichtsprozess besucht, bricht das alte Wunden auf. Anstatt ihrer Freundin endlich von damals zu erzählen, flüchtet sie lieber ins heimatliche Dorf in der Nähe von Erlangen.

"Aber Schweigen hat ein Verfallsdatum. Als Franka im fensterlosen Gerichtssaal saß und auf Zschäpe hinunter blickte, war ihr das mit einem Schlag klar geworden. Kaum ist das Datum überschritten, beginnen die Worte in einem zu gären, wandeln sich nach und nach zu etwas unberechenbaren. Hätte Sie Hannah vor fünf Jahren von Janna und Patrick erzählt, gleich nachdem sie zu ihr in die WG gezogen war, hätte Hannah sie vielleicht einfach in den Arm genommen und gesagt: 'Aber heute bist du eine andere.'
Doch sie hat das Verfallsdatum zu lange ignoriert, die Worte sind giftig geworden. Wenn sie jetzt den Mund öffnet, wird Hannah ihr vorwerfen, dass sie so lange geschwiegen hat, und ihre Freundschaft ist womöglich vorbei. Wenn sie weiterhin nicht sagt, auch."

"Sie muss verstehen, was damals passiert ist, und zurückfahren, an den Ort, der sie ausgespuckt hat wie einen lästigen Kaugummi. Sie weiß nicht, was schlimmer ist: Dass nichts mehr so sein könnte, wie sie es in Erinnerung hat, oder dass alles noch genauso bedrückend ist wie damals."

"Franka weiß, sobald sie aussteigt, will sie sofort wieder weg, schon jetzt hat sie das Gefühl, nur ein paar Minuten und nicht fünf Jahre weg gewesen zu sein."

Frankas Großmutter ist längst gestorben, doch ihre Mutter lebt noch immer im Dorf; ebenso ihre Tante June, aber ihr geht sie lange aus dem Weg. Stattdessen versucht sie endlich zu verstehen, was damals passiert war.
In ihrer Familie herrschte schon immer Schweigen. Besonders ihre Großmutter, die „Fuchsin“ genannt wurde, hatte viele Geheimnisse - und strikte Regeln. Als Franka elf Jahre alt war, starb ihr Vater, mit dem sie viel verband und gemeinsam in der Natur der Umgebung unterwegs war. Mit ihm teilte sie die Heimatverbundenheit. Nach seinem Tod fühlte sie sich immer verlorener und ihre schulischen Leistungen wurden schlechter.

"Sie rückte vor, Jahr um Jahr, immer knapp, aber es ging weiter, und mit jedem Jahr wurde sie entschlossener, sich nicht anmerken zu lassen, wie wir es tat, der Vorzeigefehler zu sein."

"'Wenn es keine Rolle mehr spielt, welche Wurzeln wir haben und welche Traditionen wir pflegen, dann ...' Die Worte stolperten aus ihr heraus, Tränen stiegen ihr in die Augen. Wenn sie noch mehr preisgab, würde Leon merken, wie verletzlich sie war.
'Dann was? Tradition heißt doch nur, dass man vergessen hat, wo der Anfang ist. Nur weil man was schon immer so gemacht hat, hat es doch keinen Wert an sich!'"

Sie entscheidet sich gegen eine Beziehung mit Leon, vor allem aus Unsicherheit, und findet stattdessen in Patrick und Janna Gleichgesinnte. Zum ersten Mal lernt sie Zugehörigkeit zu einer Gruppe kennen, und sie steigt, ohne sich wirklich bewusst dafür zu entscheiden, in die rechte Szene ein.

Hier ließ meine Begeisterung für das Buch dann (trotz des an sich sehr guten Schreibstils!) leider etwas nach. Franka als Person und vor allem ihre Enscheidungen bleiben für mich zu wenig klar und nachvollziehbar; sie kommt sehr rückgratlos und nicht greifbar bei mir an. Sie wird imner als Mitläuferin dargestellt, aber mir fehlte hier etwas.
Was möchte die Autorin damit aussagen, soll es eine Warnung sein? Ich hätte mir hier etwas mehr Deutlichkeit gewünscht, was Frankas Radikalisierung angeht; auch die rechte Szene des Dorfes hätte man eventuell klarer darstellen können.

Als Franka sich endlich mit ihrer Tante June ausspricht und es auch um die Vergangenheit ihrer Großmutter und den „Fuchsbau“ geht, war das etwas intensiver. Jedoch fand ich das Ende nicht wirklich gelungen, das Hin- und Herspringen zwischen NSU-Prozess im Heute und Frankas Vergangenheit mit dem Jugendprozess ist nicht immer leicht nachvollziehbar, ebenso wie die zeitlichen Sprünge in den Abschnitten im gesamten Buch. Das hätte man sicher besser lösen.

Hilfreich ist der Anhang mit Glossar und Verweisen zu den im Text verwendeten Begrifflichkeiten des rechten Gedankenguts.

Insgesamt ein Buch mit einem sehr wichtigen und (leider) hochaktuellen Thema, dessen Umsetzung leider nicht komplett überzeugen konnte.