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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1099 Bewertungen
Bewertung vom 05.08.2025
Colby, Sasha

Irina


ausgezeichnet

Dieser autofiktionale Roman ist die Geschichte ihrer mütterlichen Familie, die Autorin Sasha Colby, soweit es möglich war, akribisch recherchiert hat und nun gekonnt erzählt.

Alles beginnt im Jahr 1942 als die junge Ukrainerin Irina Kylynych im Alter von 19 Jahren wie Hunderttausende ihrer Landsleute zur Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland verschleppt wird. Nach tagelanger Irrfahrt kommt sie in Wetzlar an und hat „a bisselchen Glück“ wie sie später immer wieder sagen wird. Irina wird der Verpackungsabteilung der Leitzwerken zugeteilt, lernt recht schnell die deutsche Sprache und wird nach einigen Wochen in den Haushalt von Elsie Kühn-Leitz übernommen. Dort muss sie miterleben, wie Elsie Kühn-Leitz 1943 von der Gestapo verhaftet wird, weil sie ihre Zwangsarbeiter „übertrieben menschlich“ behandelt.

Irina lernt ihren Mann Sergei kennen, bekommen ihr erstes Kind Alexandre und fliehen unter falschem Namen zu Kriegsende vor den Truppen der Roten Armee und landen nach Umwegen über Displaced-People-Camps in Kanada. Denn die russischen Zwangsarbeiter werden den Sowjets übergeben, gelten aber in der UdSSR als Kollaborateure und werden in Straflager nach Sibirien gebracht oder gleich hingerichtet. Doch auch in Kanada glauben sie sich lange Jahre (noch) nicht sicher. Hier kommt Lucy zur Welt, die Sashas Mutter werden wird.

„Großmutters Vorliebe für Spitze, hat ihre eigene Geschichte, die in einem tief im Mark verankerten Glauben wurzelt, dieses Material würde den Sieg der Zivilisation über die Barbarei symbolisieren, den Sieg der Schönheit über die animalische Hässlichkeit der Armut. Als jemand, der von den Feldern der durch Stalin ausgehungerten Ukraine in ein Zwangsarbeiter in Nazi-Deutschland und dann über Displaced-Person-Camps ins Nachkriegs-Kanada gekommen war, musste sie es schließlich wissen. Im Haus meiner Großmutter ist alles voll mit Spitze - die Vorhänge, die zierdeckchen, das Tischtuch auf dem Esstisch. Sie dient als Barriere.“ (S. 15)

Sasha Colby erzählt abwechselnd in zwei Zeitebenen ihre Familiengeschichte. Zunächst steigen wir im Jahr 2011 bei den Vorbereitungen eines Festes im Hause von Irina ein, um wenig später in das Jahr 1942 nach Wetzlar zurückzukehren und Elsie Kühn-Leitz kennenzulernen. Elsie ist die Tochter von Ernst Leitz II, deren Großvater die Leitz-Werke 1869 gegründet hat. Vater und Tochter Leitz sind Gegner der Nazis und versuchen so viele Menschen zu retten wie möglich. Das gelingt mit viel Geld und Chuzpe, denn es gibt zahlreiche Leitz-Werke in den USA, die nun neue, meist jüdische Mitarbeiter erhalten. Dennoch müssen sie sich in Acht nehmen und Ernst Leitz II muss nicht nur der Partei beitreten, sondern auch optische Geräte wie Ferngläser und Kameras etc. für die Wehrmacht produzieren. Die Wochen der Haft, die Elsie Kühn-Leitz im Polizeigefängnis von Frankfurt verbringen muss, sind ihren Aufzeichnungen entnommen.

Meine Meinung:

Der Autorin gelingt es ausgezeichnet ihre gegenwärtige Familiengeschichte mit der Vergangenheit ihrer Großmutter zu verknüpfen. Dazu tragen so manche Eigenheiten von Irina wie die schon erwähnte Vorliebe für Spitze oder ihre Einkaufsgewohnheiten in den Supermärkten, die immer wieder für Augenrollen und mitunter auf Unverständnis bei Tochter und Enkelin sorgen bei. Liebevoll lässt Sasha ihre Baba (Großmutter) in dem ihrer eigentümlichen Sprache, die mich als Wienerin, ein wenig an das Jiddische erinnert, sprechen.

Dass Elsie Kühn-Leitz und ihr Vater Widerstand gegen das NS-Regime geleistet haben, ist, im Gegensatz zu Oskar Schindler, relativ unbekannt. Ich habe darüber vor Jahren gelesen. Zum einen, weil mir als Vermesserin der Konzern, der früher unter dem Namen Wild Heerbrugg Vermessungsgeräte hergestellt hat und dieses als Leica-Geosystems nach wie vor macht, und weil Leica-Kameras (neben Hasselblad) das Nonplusultra der Fotografie sind, sehr gut bekannt ist. Zum anderen habe ich bereits einige Firmengeschichten und ihre Haltung während der Nazi-Diktatur gelesen. Nicht alle Konzerne, die in dieser Zeit profitiert haben, stellen sich ihrer Verantwortung.

Fazit:

Mir hat dieser autofiktionale Roman sehr gut gefallen, was vor allem an Baba Irina liegt, die mit ihren Eigenheiten liebevoll, wie es nur eine Enkelin vermag, geschildert ist. Zahlreiche private Fotos ergänzen diese Familiengeschichte. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 04.08.2025
Deen, Mathijs

Die Lotsin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Die Lotsin“ von Mathijs Deen ist bereits der vierte Fall für Kommissar Liewe Cupido. Er ist gebürtiger Deutscher, aber auf Texel aufgewachsen und wird darum »der Holländer« genannt. Diesmal greift er später als üblich ins Geschehen ein. Worum geht‘s?

Die Glaziologin und Klimaforscherin Iona Grimstedt arbeitet auf eine Forschungsstation im Nordosten Grönlands. Auf Grund eines gefährlichen Zwischenfalls funkt man das nächste Schiff an, um sie an Land, nach Kiel, zu bringen, da sie an zahlreichen Erfrierungen leidet. Es ist ausgerechnet das Forschungsschiff Anthropocene auf dem ihr Mann Torsten als Erster Offizier Dienst tut. Niemand ist von Ionas Anwesenheit recht begeistert und auch der Ehemann verhält sich eigenartig. Wenig später erhält die deutsche Küstenwache einen Notruf, denn Iona scheint kurz vor Helgoland über Bord gegangen. Ist sie gesprungen oder hat hier jemand nachgeholfen?

Xaver Rimbach, der junge Kollege von Liewe Cupido, der im Moment nicht abkömmlich ist, übernimmt die ersten Befragungen der Schiffsbesatzung bis er von seinem Hermann Rademacher, dem Leiter der Bundespolizei SeeEinheit, rüde zurechtgewiesen und abkommandiert wird. Rimbach, ein Winzersohn aus dem Neckargebiet ist die raue See nicht geheuer und zudem hat er das Gefühl, dass auf dem Schiff etwas im Argen liegt. Doch ein Gefühl, auch wenn es noch so mies ist, ist zu wenig. Auf die Fakten kommt es an, sagt Xanders Mentor Liewe immer. Wenig später übernimmt Liewe Cupido die Ermittlungen, die immer mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten.

Was hat der Kapitän zu verbergen, dass er die Lotsin niederstößt?

Meine Meinung:

Ich mag den wortkargen Ermittler Liewe Cupido und auch Xander bin ich in diesem Band näher gekommen. Er ist ja das genaue Gegenteil von Cupido, weil ob seiner Unsicherheit immer ein wenig zu viele Worte macht. Ich denke, Xander hat enormes Potenzial, das auch von Cupido erkannt wird.

Interessant finde ich die Beschreibung des Lebens auf See. Für mich als Wiener Landratte ist das nichts, obwohl ich immer wieder gerne den Schiffen zusehe, sei es in Hamburg oder auf der Kieler Woche. Gut beschrieben ist die eigenartige Atmosphäre, die auf der Anthropocene herrscht. Den Begriff „Geisterschiff“ finde ich gut gewählt.

Der Krimi ist komplex, zumal ja auch mehrere Dienststellen, die nicht immer besonders gut harminieren, an den Ermittlungen beteiligt sind.

Die Charaktere haben alle ihre Ecken und Kanten. Allerdings sind sowohl Torsten als auch Iona Grimstedt ist keine besonderen Sympathieträger. Besessen von ihrer Arbeit lässt sie ihre fünfjährige Tochter bei ihrer Mutter, die kaum die deutsche Sprache beherrscht, zurück und sein Verhalten ist auch sehr fragwürdig.

Mit dem Auftauchen von Liewes Schwester Paula und dem Tod der Mutter erhält der Krimi dann noch einen persönlichen Touch und wir Leser erfahren, warum sich die Geschwister aus dem Weg gehen.

Eine kleine Anmerkung muss ich zur Übersetzung machen: Der niederländische Originaltitel heißt „De loods“ was ins Deutsche übersetzt soviel wie Schuppen, Halle, Lager oder schlicht Container, wie sie auf der Anthropocene in Verwendung stehen, bedeutet. Ein (Schiffs)Lotse wird als Scheepspiloot bezeichnet. Das hat mir der Mann meiner Freundin, ein gebürtiger Holländer aus Zeeland erklärt. Das hat nichts mit der Lotsin zu tun, die kurz an Bord war, sondern mit den Containern und ihrer besonderen Fracht.

Fazit:

Dieser vierte Fall für Liewe Cupido hat mich sehr gut unterhalten, weshalb ich ihm 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 04.08.2025
Johannsen, Anna

Nach dem Leben


ausgezeichnet

Dieser Krimi ist der 4. Krimi aus der Reihe rund um Hauptkommissarin Hanna Will und Kriminalpsychologe Jan de Bruyn. Für mich ist das der erste Band dieser Serie, aber nicht der erste der Autorin.

Ein alter, einsamer Mann wird in seinem Haus tot aufgefunden. Schnell ist klar, dass er mit einer Überdosis Insulin ermordet worden ist. In dem Haus, das seit Jahrzehnten nicht renoviert worden ist, fehlen Mobiltelefon und Laptop, obwohl er beides laut seiner Ex-Frau besessen hat.

Als sich herausstellt, dass er Kontakt zu einer Frau, die für einen Escort-Service arbeitet, gehabt hat, scheint der Fall gelöst, denn auch sein Vermögen ist verschwunden. Doch ist das wirklich so?

Allerdings glaubt Hanna in den Gerüchten rund um den Vater des Toten, eine weitere Möglichkeit für ein Motiv zu finden. Der soll nämlich nicht nur verstört aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt sein, sondern zuvor als Angehöriger der Waffen-SS an der Ermordung zahlreicher Menschen beteiligt gewesen sein und mehrere Bewohner seines Heimatdorfes denunziert haben. Will hier jemand späte Rache üben?

Meine Meinung:

Geschickt führt die Autorin ihre Leser und die Ermittler auf den Holzweg.

Der eine Ermittlungsansatz geht in Richtung Lovescamming, also einsamen Menschen Liebe vorzugaukeln, um ihnen dann ihr Vermögen abzunehmen, ist in Zeiten diverser Datingplattformen für die Polizei nichts Ungewöhnliches. Allerdings sind eher Frauen als Männer Opfer.

Dieser Krimi lässt sich schnell und flüssig lesen. Die Polizeiarbeit, viel Recherche und mühsames Abklappern von Nachbarn eingeschlossen, ist authentisch beschrieben.

Seit kurzem sind Hanna Will und Jan de Bruyn auch privat ein Paar. Wer wissen will, wie es dazu gekommen ist, muss wohl die Reihe beim ersten Band beginnen. Ich denke, ich werde das nachholen, um den einen oder anderen Zweifel bzw. Hinweis besser verstehen zu können.

Fazit:

Dieser Krimi hat mich gut unterhalten, daher gibt es 5 Sterne.

Bewertung vom 02.08.2025
Harding, Thomas

Die Einstein-Vendetta (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Im Sommer 1944 dringt ein Trupp deutscher Soldaten in die Villa Il Focardo nahe bei Florenz ein. Hier wohnt Robert Einstein, Cousin des in die USA emigrierten Nobelpreisträgers Albert Einstein, mit seiner Frau Nina, sowie den Töchtern Luce und Anna Maria genannt „Cici“. Robert Einstein versteckt sich in den Wäldern der Umgebung und glaubt seine Familie in Sicherheit. Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich herausstellt. Nina, Luce und Cici werden kaltblütig ermordet, weil sie Roberts Versteck nicht preisgeben. Robert muss die Schüsse im Verborgen mitanhören. Die anderen Frauen, die bei dem Überfall in der Villa anwesend waren und einen anderen Familiennamen als Einstein haben, überleben. „Offizieller“ Grund der Ermordung ist der Verdacht, die Familie Einstein würde die Partisanen unterstützen, sowie Munition und Sprengstoff in der Villa lagern. Dass Robert Einstein Jude ist, seine Frau nach Nazi-deutschen Gesetzen Blutschande begangen hat und die Töchter Mischlinge ersten Grades sind, sind zusätzliche Gründe die Familie auszurotten.

Nur wenig später erreichen die Alliierten Florenz und die Villa. Untersuchungen beginnen. Recht schnell wird klar, dass es sich hier um einen Racheakt und einen Fall von Sippenhaftung - also um eine Vendetta - seitens Hitler handeln muss, denn das eigentliche Ziel seiner Wut, Albert Einstein, ist in den USA in Sicherheit.

Robert Einstein wird im Juli 1945, getrieben von Trauer und Selbstvorwürfen Suizid begehen.

Der britische Journalist Thomas Harding, Nachfahre von nach England emigrierten Juden, versucht dieses Kriegsverbrechen an der Familie Einstein aufzuklären. Dazu spricht er mit den wenigen noch lebenden Zeitzeugen der Tat und recherchiert er in zahlreichen Archiven in England, Italien und Deutschland. Er studiert akribisch tausende Seiten und zahlreiche Protokolle der damaligen Ermittler. Doch der Täter lässt sich rund 80 Jahre nach dem Verbrechen nicht wirklich feststellen, zumal die Soldaten ohne Rangabzeichen unterwegs waren. Harding kann zwar, auch auf Grund der Zeugenaussagen, mögliche Namen ausfindig machen. Die Männer leben allerdings nicht mehr. Es scheint, als bliebe das Kriegsverbrechen an der Familie Einstein, die stellvertretend für den berühmten Cousin Albert sterben musste, ungesühnt.

Interessant ist Thomas Hardings Blick auf die Überlebenden und die psychischen Folgen des Erlebten. Im Nachwort erklärt er, warum ihn das Schicksal der Familie Robert Einstein so berührt. Zahlreiche Abbildungen aus dem Besitz der Ermordeten sowie Faksimiles von Dokumenten runden dieses bewegende Sachbuch ab.

Dieses Kriegsverbrechen ist nur eines von vielen, die bis heute nicht gesühnt werden können. Allerdings kann es wegen des berühmten Familiennamens exemplarisch als Mahnmal dienen.

Fazit:

Dieses Sachbuch ist penibel recherchiert, gekonnt erzählt und dadurch ein wichtiger Beitrag der historischen Aufarbeitung. Dafür gebühren 5 Sterne.

Bewertung vom 01.08.2025
Schneider, Roberta

In sieben Koffern um die Welt


ausgezeichnet

Dieses entzückende, weil die Fantasie anregende Kinderbuch ist passend zur Sommerreisezeit erschienen.
Herr Walis ist der Hüter der Koffer, der eine Kofferaufbewahrung betreibt, die rund um die Uhr und 7 Tage die Woche geöffnet ist. Er trifft hier auf Menschen, die so verschieden wie ihre Koffer sind, die sie zur Aufbewahrung geben. Manche Personen kommen wieder, um das Gepäck abzuholen, andere sieht er niemals wieder.

Hier lässt sich mit Kindern trefflich einerseits über den Inhalt der Koffer (soferne er nicht bekannt gegeben wird) spekulieren, und andererseits überlegen, was für eine eigene Reise benötigt wird oder, was man auf einer eventuellen Flucht zurücklassen sollte. Socken und Unterwäsche kann man am Bestimmungsort kaufen. persönliche Erinnerungsstücke wie die Lieblingspuppe, Fotos oder das Schmusetier nicht. Das Buch erinnert mich an eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, in der der Inhalt und die Koffer von einigen jüdischen Kindern, die während der NS-Zeit aus Österreich fliehen mussten, ausgestellt worden sind. Nicht alle Kinder haben überlebt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem farbenfrohen Kinderbuch, das sich sowohl zum Vorlesen als auch zum Selberlesen für Leseanfänger eignet, 5 Sterne.

Bewertung vom 01.08.2025
Howard, Jules

Bones - Knochen und Skelette in der Tierwelt


ausgezeichnet

“Bones - Knochen und Skelette in der Tierwelt” von Jules Howard ist ein Sachbuch für Kinder lt. Verlag ab 9 Jahren. Es ist auch zum Vorlesen für jüngere Kinder gut geeignet.

Schon das Cover lässt die Aufbereitung des Inhalts erahnen. Zunächst gibt es einmal eine Einführung über Knochen im Allgemeinen und anschließend werden die Knochen verschiedener Tiere je nach ihrem Gebrauch geordnet und beschrieben:

Beißen
Graben
Greifen
Gewicht tragen
Springen
Gleiten & Fliegen
Laufen
Schwimmen

Zu jedem Kapitel gibt es zu Beginn eine allgemeine Vorstellung, um anschließend einzelne ausgewählte Tier genauer in Wort und Bild darzustellen. Hier sind dann die sowohl das komplette Tier z.B. der Tiger mit Fell zu sehen und gleichzeitig wie bei einer Röntgenaufnahme das Skelett.

Am Ende des Buches findet sich noch ein ausführliches Glossar, in dem wichtige Begriffe nochmals zum Nachschlagen zusammengefasst sind.

Die Texte sind gut verständlich und informativ, so dass auch Erwachsene ihr Wissen auffrischen können.

Fazit:

Ein gelungenes Sachbuch, das nicht nur für Kinder interessant ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 31.07.2025
Lorath, Peter

Gesetz des Midas - Wiener Abgründe (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Als die Nachricht der Ermordung von Zar Alexander II. in Wien eintrifft, rauft sich der Wiener Polizeipräsident Wilhelm Marx, die Haare. Er ist für das Sicherheitskonzept für die aus- und inländischen Gäste, die anlässlich der nahenden Hochzeit des Thronfolger Rudolph mit der belgischen Prinzessin Stephanie, verantwortlich. Das Attentat auf den Zaren schürt seine tiefsten Ängste. Nicht auszudenken, wenn die in Wien lebenden Sozialisten ähnliches versuchen sollten.

Man hat zwar die sozialistischen Arbeitervereine unterwandert und anschließend ausgehoben, aber Marx‘ geheimer Sonderermittler Leopold Kern muss wieder einmal einen heiklen Auftrag übernehmen. Er soll am Wienerberg, bei den tschechischen Ziegelarbeitern, heimlich ermitteln, zumal ein Ziegelarbeiter ermordeten worden ist. Allerdings glauben weder Kern noch der Gerichtsmediziner, dass der wohlgenährte Mann mit den feinen Händen, tatsächlich ein Ziegelarbeiter war, denn die sind im allgemeinen abgearbeitet, mit rissigen Händen und auf Grund der prekären Wohn- und Arbeitssituation lungenkrank.

Im Laufe seiner Ermittlungen gerät Leopold Kern, der in früheren Jahren selbst als Ziegelarbeiter sein karges Brot verdient hat, in ein gefährliches Geflecht von Politik, Gier, Macht, persönlichen Feindschaften und Gewalt ein, die ihn einmal mehr beinahe das Leben kosten.

Meine Meinung:

Peter Lorath versteht es perfekt, penibel recherchierte historische Fakten mit fesselnder Fitkio zu vermengen. Wie schon in den beiden Vorgängern schickt er seinen Ermittler, der nach wie vor darunter leidet, seine geliebte Frau und seine kleine Tochter durch die Cholera verloren zu sein. Ja, er gibt sich die Schuld daran, beim Hauseigentümer nicht energischer den Anschluss an die Hochquellwasserleitung gefordert zu haben.

Als Wienerin, die sich nur zu gerne in die Geschichte ihrer Heimatstadt vertieft, und dabei vor allem auch die unschöne Seite der Stadt betrachtet, mag ich Peter Loraths Serie mit Leopold Kern sehr gerne. Kern ist so etwas wie ein Anti-Held, der vom Schicksal gebeutelt ist, bei seinen Ermittlungen häufig Prügel bezieht und noch immer auf den Ausgang des Disziplinarverfahrens wartet. Denn mit der allzu genauen Auslegung der Dienstvorschriften hat er es ja nicht. Es ist zu hoffen, dass er wieder in den regulären Kriminaldienst eingegliedert wird, aber ich befürchte, da steht ihm sein Charakter ein bisschen im Weg.

Gut gefällt mir, dass wir zahlreichen echten historischen Personen begegnen können. So behandelt Dr. Alfred Adler, seines Zeichen (Armen)Arzt und späterer sozialistischer Politiker, die armen Teufel in den Ziegelwerken. Die Blechmarken, die die Arbeiter als Lohn erhalten haben und nur in eigens dafür vorgesehenen Werksküchen oder Geschäften gültig waren, hat es wirklich gegeben. Die Rechung lautete: maximale Ausbeutung der Arbeiter = maximaler Profit.

Eine Kleinigkeit ist mir aufgefallen und hat mich stutzig gemacht, als vom großangelegten Ziegeldiebstahl die Rede ist. So weit ich weiß, sind die Ziegel mit dem Namen bzw. Initialen der Hersteller gekennzeichnet gewesen. Das hätte doch auffallen müssen, dass die eine Ziegelfabrik Ziegel einer anderen vertreibt oder verbaut. Aber mit ein paar Scheinen lässt sich das vermutlich lösen.

Schmunzeln musste ich über den ehemaligen Hausdiener, der Leopold Kern quasi „geerbt“ hat und der ihm die eine oder ander Tür in die sogenannte bessere Gesellschaft öffnen kann. Ich hoffe, dieser neu liebenswerte Charakter bleibt Kern und uns erhalten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem vielschichtigen, penibel recherchierten und fesselnd erzählten Krimi aus dem historischen Wien 5 Sterne und eine Leseempfehlung für die ganze Reihe.

Bewertung vom 30.07.2025
von der Leyen, Katharina;Hochmair, Philipp

Hochmair, wo bist du?


ausgezeichnet

Napoleon Bonaparte sagte einmal voller Überzeugung „Wenn ich aufhöre zu siegen, bin ich tot!“ Ähnliches könnte man über Philipp Hochmair auch sagen: „Wenn er aufhört zu spielen, ist er tot!“

Katherina von der Leyen ist mit diesem Buch, dessen Titel durchaus zweideutig verstanden werden kann, ein guter Einblick in die komplexe Persönlichkeit Hochmairs gelungen. Dafür hat sie seine Eltern, den Bruder sowie Weggefährten und KollegInnen zu Wort kommen lassen. Und natürlich Philipp Hochmair selbst und einen, der ebenfalls ein begnadeter Schauspieler ist: Klaus Maria Brandauer.

Während ich auf das Buch gewartet habe, habe ich mir das Zwiegespräch Hochmair/Brandauer sowie den Film „Die Auslöschung“ in dem Hochmair Brandauers Sohn spielt, der miterleben muss, wie sein Vater an Demenz erkrankt und langsam verlöscht, angesehen. Von beiden grandios dargestellt.

Bei Philipp Hochmair habe ich den Eindruck, dass er sein Leben auf der Überholspur lebt. Es bleibt nur zu hoffen, dass kein plötzlich auftretendes Hindernis gibt, das ihn aus der Bahn wirft und/oder stoppt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem gelungenen Porträt, das versucht, die facettenreiche Persönlichkeit Pilipp Hochmair darzustellen und dies mit zahlreichen privaten Fotos zu untermauern, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 29.07.2025
Moshammer, Ulrike

Sachertorte mit Schuss (eBook, ePUB)


sehr gut

Ulrike Moshammer nimmt uns wieder zu einem kulinarischen Krimi nach Bad Gastein mit. Dieser dritte Krimi für Valie Thaller und ihre Freundin Nora lockt schon auf dem Cover mit einer köstlichen österreichischen Mehlspeise: der Sachertorte, deren Herstellung der krönende Abschluss eines Tortenwettbewerbs, der auch im TV zu sehen sein wird.
Nun die teilnehmenden Patisserie-Team sind in den diversen Hotels einquartiert, um in den Hotelküchen unter den Scheinwerfern der Kameras ihre Torten zu backen. Auch im Grandhotel der Familie Thaller ist ein Konditor-Team untergebracht. Ganz glücklicht ist man mit den Gästen nicht, denn sie beanspruchen in der Hotelküche mehr Platz als ausgemacht und dann verschwindet ein Crew-Mitglied spurlos. Doch das ist zunächst keine Aufregung wert, sondern, dass Valerie Zeugin wird, wie ein Mann erschossen wird. Noch schlimmer ist, dass ausgerechnet das Jagdgewehr ihres Schwagers Christian die Tatwaffe ist.

Viktor, Valeries Ehemann heißt für gewöhnlich ihre Schnüffeleien nicht gut, bittet aber sie und Nora Christians Unschuld zu beweisen. Also freie Fahrt den tüchtigen Ermittlerinnen, oder?

Sie stoßen auf einen Blutfleck, ein hingeworfenes e-Bike sowie eine zweite Leiche. Immerhin, verständigen sie diesmal flott die Polizei. Obwohl es nicht einfach ist, weitere Recherchen anzustellen, denn sowohl die beiden Toten als auch der verschwundene Patissier sind Deutsche, stecken sie auf ihren Walkingrunden ihre Nasen in Dinge, die gefährlich werden können ...

Meine Meinung:

Die Krimis von Ulrike Moshammer bestechen durch ihre lebhafte Beschreibung von Bad Gastein und dessen Umgebung. Ich habe den Gasteiner Wasserfall regelrecht rauschen gehört. Zwischendurch wird ein bisschen Geschichte eingestreut und auch die Sorgen der Bewohner, die auf der einen Seite eine Renaissance der zahlreichen Hotels aus der Belle Epoque haben möchten, und sich aber gleichzeitig vor zu vielen Touristen fürchten, werden angesprochen.

Gut gefallen haben mir die Gedanken von Valerie zu den Fernseh-Koch-Shows, sowie, dass sich die Charaktere weiterentwickeln dürfen. So ist das Verhältnis zur Kripo ein wenig entspannter als noch zuletzt. Klar, die Polizei ist sehr gut ausgebildet, weiß was sie tut und will bzw. darf sich durch Zivilisten nicht ins Handwerk pfuschen lassen. Aber das vielfältige Wissen der Ortsansässigen über Land und Leute anzuzapfen, das bringt auch hier den Erfolg.

Ein besonderes Schmankerl sind die Rezepte jener Torten, die beim Wettbewerb gebacken, gekostet und bewertet werden: Sachertorte, Linzertorte, Esterházy-Torte und Malakofftorte.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Cozy-Krimi 4 Sterne.

Bewertung vom 28.07.2025
Franke, Christiane

Mord mit Nordseeblick (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser Krimi ist nun der 12. für die beiden Ermittlerinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die sich zu Beginn der Reihe so überhaupt nicht verstanden haben. Nun sind die Ecken und Kanten abgeschliffen, so dass die deutlich ältere Oda so etwas wie eine Freundin für Christine ist, die in wenigen Wochen ihr erstes Kind erwartet, deswegen nur Innendienst machen darf und demnächst in Mutterschutz geht. Wieder mit dabei ist der nassforsche, aber spätpubertäre Kollege Lürssen, der als Karenzersatzkraft für Christiane in das Team aufgenommen worden ist. Nun ja, Teamplayer ist er keiner, wie wir aus dem vorherigen Band wissen. Seine sexistischen Sprüche und frechen Bemerkungen begleiten uns auch diesmal.

Ach, ja - was ist eigentlich passiert? Eine junge Prostituierte ist ermordet worden und recht bald gerät Christines Mann in den Fokus der Ermittlungen. Er schwört zwar Stein und Bein, ihre Dienste nicht in Anspruch genommen zu haben, ist aber durch ein Bauvorhaben mit der Schwester der Toten in Kontakt. Die wiederum gibt bei den Befragungen nur das zu, was man ihr auch wirklich beweisen kann.

Als sich dann ein anderen Verdacht erhärtet, bricht Christines Welt zusammen.

Meine Meinung:

Christiane Franke hat mit diesem Krimi einen komplexen Fall geschaffen, der einige falsche Spuren legt und sowohl Ermittler als auch uns Leser ein wenig an der Nase herumführt. Dazu kommt, dass sich die Wege einzelner Personen immer kreuzen, die heimliche Verbindungen erahnen lassen. Geschickt gemacht!

Christine Cordes ist, nun wenige Wochen vor der Entbindung, ziemlich dünnhäutig und zweifelt an sich. Doch nach der unangenehmen Wahrheit, fasst sie wieder Mut und Oda unterstützt hier kräftig. Der Kollege Lürssen ist ein echter Arxxx, bespitzelt alle, führt Excel-Listen, ja regelrechte Dossiers, über die Arbeitszeiten und das nicht nur bei den Teammitgliedern, sondern auch beim Chef. Gut, der verschwindet relativ häufig, ist aber telefonisch erreichbar. Ob wir demnächst erfahren, was er der Anlass dafür ist?

Lürssen jedenfalls ist, wie man beim Militär sagt, ein echten Kameradenschwein. Er will die Leitung der Kriminalabteilung übernehmen und die Frauen hinauswerfen. Gut, da werden vielleicht ein paar ander noch mitreden. Seine sexistischen Bemerkungen sind wirklich jenseits des guten Geschmacks. Kann man den nicht bei einem Einsatz erschießen (friendy fire, also eine Kugel aus den eigenen Reihen, bietet sich durchaus an) oder wenigstens von einer Frauengang ordentlich verdreschen lassen? Ich würde mithelfen, ihm eins (oder zwei) auf seine private parts zu geben. Sorry, aber der Typ ist echt daneben.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Fall, der durch unerwartete Wendungen letztlich eine überraschende Auslösung bietet, 5 Sterne.