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Benutzername: 
julemaus94
Wohnort: 
Jena

Bewertungen

Insgesamt 435 Bewertungen
Bewertung vom 28.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


ausgezeichnet

Shiny Hollywood

Wer einen kleinen Ausflug ins vermeintlich strahlende Hollywood der 30er Jahre unternehmen möchte, sollte sich an Eve halten. Sie weiß, wos abgeht.

Eve ist eine blonde, geheimnisvolle Frau und sitzt im Zug auf dem Weg in ein neues Leben. Dank einer zufälligen Begegnung verschlägt es sie nach LA und in die Leben verschiedener anderer Menschen und sorgt dabei für mächtig Trubel.

Amor Towles hat ein Händchen für Geschichten, noch mehr aber für Figuren. Denn dieses Buch handelt nicht nur von Eve. Vielmehr ist es eine Sammlung verschiedener Schicksale und Charaktere, die alle versuchen ihren Weg durch den dunklen Morast des schimmernden Hollywoods zu finden.

Dabei lässt er sie alle abwechselnd zu Wort kommen und zeichnet so ein kaleidoskopartiges Bild dieser einzigartigen Epoche.

Die Sprache, die er dafür wählt, trägt unheimmlich gut zur Stimmung bei. Einerseits unaufgeregt, andereseits aber so bildhaft, dass man den Glamour beinahe spüren kann- ebenso wie die Abgründe, die hinter der Fassade lauern.

Man merkt schon, ich bin ein Fan dieses Autors! Wer sich mit seinen Büchern auskennt, wird feststellen, dass uns Eve nicht zum ersten Mal begegnet. Allen anderen möchte ich "Eine Frage der Höflichkeit" ans Herz legen, sie aber gleichzeitig auch beruhigen. Man muss das Buch nicht kennen, um "Eve" vollkommen genießen zu können.

Bewertung vom 28.07.2024
Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4
McDonnell, C. K.

Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4


ausgezeichnet

Vierter Streich

Streiche können humorvoll sein, manchmal treffen sie einen eher dunklen Humor. Genauso ist es, ein Buch von C.K. McDonnell zu lesen. Sein unübertroffender Wortwitz entführt uns nun schon zum vierten Mal nach Manchester in die heiligen Hallen der Stranger Times.

Nach den Abenteuern des letzten Bandes hat sich das Team eigentlich eine Verschnaufpause verdient, doch leider hat die Welt andere Pläne. Stella darf endlich an der Uni studieren, stolpert aber schon bald in den ersten skurrilen Unfall. Währenddessen wird Banecorft von einem geheimnisvollen Pilger verfolgt. Und schon bald finden sich alle im nächsten großen Abenteuer wieder.

Man fragt sich, wo der Autor seine sprühenden Ideen her nimmt, aber beten wir einfach darum, dass sie ihm nie ausgehen mögen! Und dass ihn sein Talent für gelungenen schwarzen Humor nie verlassen mag. Wobei die Zusammenarbeit des irischen Autors mit seinem deutschen Übersetzer Andre Mumot entscheidend dazu beiträgt.

Und auch die Geschichte an sich kann wieder voll überzeugen. Neue Figuren, die man schneller als gedacht ins Herz schließt- und andere, denen man immer mehr den Tod oder doch zumindest ein möglichst schlimmes Schicksal an den Hals wünscht. Dazu ein paar lieb gewonnene Figuren, die nach vergangenen Bänden ihr Comeback feiern.

Dazu Hinweise und Szenensprünge, die die Spannung hochhalten und dafür sorgen, dass die
560 Seiten wie im Flug vergehen. Das Ende legt die Vermutung nahe, dass wir die Stranger Times schon bald in einer nächsten Ausgabe wiederlesen werden und ich kann es kaum erwarten!

Bewertung vom 30.06.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


sehr gut

Mystische Reise

Wer bei diesem wunderschönen Cover mit dem sehr kreativen Titel einen historischen Roman erwartet, könnte eventuell etwas enttäuscht werden.

Denn die Fahrt mit dem Transsibirienexpress von Peking nach Sankt Petersburg führt den vorsichtigen Reisenden nicht nur durch das von einer hohen Mauer umgrenzte Ödland, sondern auch in die Tiefen der Fantasie und des Mystischen.

Im Zug trifft man nicht nur auf die betuchten Reisenden der ersten Klasse wie die geheimnisvolle Maria oder einen in Ungnade gefallenen Forscher, sondern auch auf das Personal des Zuges, die die Strecke und ihren Zug in und auswendig kennen. Und doch wird diese Fahrt einige Überraschungen für alle mit sich bringen- denn jeder scheint Geheimnisse zu haben.

Die Mischung aus Realismus, Historie und mystischen Elementen ist erstklassig gelungen. Die Spannung wird hochgehalten und die blumige Sprache zaubert wuderschöne, wenn auch düstere Bilder.

Weder die Passagiere noch der Lesende können zu Beginn erahnen, wohin die Reise gehen wird und was einen unterwegs erwartet und werden von deren Ende wahrlich überrascht sein.

Bewertung vom 30.06.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


sehr gut

Der dritte Streich

Der Blumenbar-Verlag hat mit "Das Dorf der acht Gräber" bereits den dritten teil einer Kriminalreihe des wiederentdeckten japanischen Autors Seishi Yokomizo herausgebracht. In Japan ein gefeierter Autor, in Deutschland bisher relativ unbekannt, müssen er und seine Romane sich sicherlich nicht verstecken. Mit Privatdetektiv Kosuke Kindaichi hat er eine Hauptfigur erschaffen, die es mit der Klugheit von Columbo und Miss Marple aufnehmen kann. Kombiniert wird das Ganze mit japanischer Folklore und sehr viel Authentizität.

Dieses Mal geht es um ein Dorf, dessen Geschichte eng verstrickt ist mit dem Mord an acht Samurai und dem von ihnen versteckten Goldschatz.

Hinzu kommen Familienfehden, geheime Liebesbeziehungen, Neid und Misstrauen. So entsteht daraus eine Geschichte mit Spannung und einiger Brutalität, ohne dabei zu explizit zu werden.

Da die Geschichte aus der Sicht des Hauptverdächtigen geschrieben ist, rückt unser beliebter Hauptermittler leider etwas sehr in den Hintergrund. Erst zum Schluss erhält er noch einmal die Chance auf einen großen Auftritt.

Alles in allem aber ein Must read für jeden Fan von Cosy Crime und Old School-Who dunnit.

Bewertung vom 30.06.2024
Wendy, Darling - Dunkles Nimmerland (mit gestaltetem Farbschnitt)
Wise, A. C.

Wendy, Darling - Dunkles Nimmerland (mit gestaltetem Farbschnitt)


gut

Spannend, aber zäh

Den Namen Wendy Darling verbindet man sehr schnell mit einem der größten Kindheitshelden. Peter Pan, der Junge, der nie erwachsen werden will, wird wohl vielen Kindern ein Vorbild sein. Dass er aber vielleicht doch nicht der strahlende Held ist, für den wir ihn immer gehalten haben, darauf deutet dieses Buch hin.

Wendy nimmt uns mit und lässt uns an ihren Erfahrungen teilhaben. Sie erzählt uns, wie es damals in Nimmerland war, aber auch, wie es ihr hinterher ergangen ist. Zu guter Letzt machen wir noch einen Sprung in die Zukunft und müssen erleben, wie ihre kleine Tochter Jane entführt wird- von Peter.

Einerseits ist es unheimlich interessant und bewegend, welch krasses Frauenbild hier gezeichnet wird. Man hätte doch meinen können, dass man Anfang des 20. Jahrhunderts, kurz nach Ende des 1. Weltkriegs, schon weiter gewesen wäre. Dass Wendy trotz all der Umstände zu einer starken, mutigen Frau geworden ist, ist bewundernswert zu lesen.

Dass sie aber gleichzeitig auch innerlich immer wieder mit Zweifeln, Enttäuschung und Wut zu kämpfen hat, ist dabei kaum verwunderlich.

Leider dreht sich ihr Gedankenkarussell dabei immer wieder in Kreise und zieht etliche Wiederholungsschleifen. Dadurch entwickelt der Roman einige Längen, die die Handlung zäh wie Gummi werden lassen.

Insgesamt hat er viele tolle Ansätze, die durch eine Straffung der Erzählung noch viel besser hätten zur Geltung kommen können.

Bewertung vom 24.06.2024
Vor einem großen Walde
Vardiashvili, Leo

Vor einem großen Walde


weniger gut

Zu ich-weiß-nicht

Ich liebe es, wenn mich Bücher in neue Welten und unbekannte Länder entführen. Im Kopf zu reisen ist genauso gut, wie sich in den Flieger zu setzen und tatsächlich dorthin zu jetten.

Und allein für diese Reise hat sich das Buch gelohnt. Die Eindrücke und Einblicke, die man in das Land und die Kultur Georgiens bekommt, werden defintiv nachklingen und erhöhen meine Sehnsucht, vielleicht doch mal einen besuch zu wagen (allerdings erst, wenn der Zoo wieder vollzählig ist- iykyk). Verstärkt wird dieser Eindruck durch die berauschend bildhafte, fast plastische Sprache, die Leo Vardiashvilli gekonnt verwendet. Ohne zu beschönigen zeichnet er das Bild eines gebeutelten Landes, dessen Bewohner zu viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten um noch "funktionieren" zu können.

Ginge es nur darum, wäre das Buch ein 10/10.

Da gibt es allerdings noch die eigentliche Handlung. Und diese hat mich einfach zu oft verloren, verstrickt sich in (vielleicht) nebensächlichen Erzählungen und verliert den roten Faden zu oft, sodass mein Interesse immer mehr schwand.

Ich wollte es lieben, dieses Buch, musste dann aber doch nach der Hälfte abbrechen.

Bewertung vom 28.05.2024
Die Entflammten
Meier, Simone

Die Entflammten


ausgezeichnet

Völlige Überraschung

Weder das Cover noch der Klappentext klangen für mich sonderlich reizvoll. Wenn ich es nicht geschenkt bekommen hätte, hätte ich es im Buchladen definitiv links liegen gelassen. Was für ein Fehler wäre daas gewesen!

Nicht nur ist die Geschichte von Jo van Gogh-Bonger, der Schwägerin Vincent van Goghs, interessant und bietet mit ihrer Familiengeschichte und ihren Verbindungen in die Pariser Boheme einen tiefen Einblick in die Geschichte rund um 1900.

Das allein hätte mich auch nicht zu hundert Prozent fesseln können.

Aber Simone Meier hat einfach einen dermaßen stimmungsvollen, emotionalen, bildhaften Schreibstil- sie könnte mir damit sogar das Telefonbuch verkaufen.

Man liebt und leidet mit Jo, lacht und trauert. Und auch, wenn Jo die Hauptfigur ist, so ist sie nicht die einzige Frau die hier in den Mittelpunkt gerückt wird.

Das Buch ist eine Hommage an die starken Frauen der Familien Bonger und van Gogh, die hier als Beispiel für die Rolle der Frau Ende des 18. Jahrhunderts stehen. Ich selbst habe mich beim Lesen auf seltsame Weise empowert gefühlt und mich des Öfteren dabei erwischt wie ich insgeheim dachte "Yes, Girl!".

Deshalb gibt es von mir ein ganz klares "Yes, Girl" an jede*n, der zu diesem Buch greifen mag!

Bewertung vom 20.05.2024
Selbe Stadt, anderer Planet
Meindl, Dominika

Selbe Stadt, anderer Planet


gut

Ruhig und nett

Ärztin Johanna kehrt zurück nach Hallstatt, als ihr Vater stirbt und übernimmt die Praxis. Gleichzeitig trifft sie wieder auf ihre Zwillingsschwester Doris, die ihre Heimat nie verlassen hat. Auch Patrick kehrt zurück nach Hallstatt, mit dem Auftrag der chinesischen Regierung, eine Kopie dieses Ortes zu entwerfen.

In diesem Heimatroman geht es um viele verschiedene Dinge wie Heimatgefühl, Massentourismus und den Kontrast zwischen Stadt und Dorf. Getragen wird er von den Hauptfiguren, die immer wieder auftauchen, lose miteinander verknüpft.

Beworben wird das Buch mit Worten wie "eindringlich" oder "bissig". Dem würde ich vielleicht bedingt zustimmen. In typisch österreichischer Manier besticht der Roman mit einer gewissen emotionalen Zurückhaltung und eher dunklem Humor. Dafür zeigt er stellenweise eine gewisse Wortakrobatik, die mich ziemlich begeistern konnte.

Trotzdem hat er streckenweise Längen, die bei 200 Seiten schon ins Gewicht fallen. Mit seiner ruhigen Art wird er sicherlich nicht jeden Lesenden begeistern können.

Bewertung vom 16.05.2024
Die Stimme der Kraken
Nayler, Ray

Die Stimme der Kraken


gut

Futuristischer Öko-Thriller

Schon beim ersten Blick auf das Buch springt einen die Hauptattraktion sofort ins Auge.

Es geht um Kraken. Nicht irgendwelche Kraken, sondern eine weiterentwickelte, bisher unentdeckte Art, die es um jeden Preis zu schützen gilt.

Aber das ist noch längst nicht alles. Worum es sonst noch so geht, kann man leider nicht sofort erfassen- zumindest mir ist es schwergefallen. Denn hier kommt eines der großen Probleme dieses Buches: es hat einfach zu viele Handlungsstränge. In jedem Kapitel wird eine andere Figur ins Spiel gebracht. Die meisten davon sind genauso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht sind. Aber eben nicht alle.

So hat das Buch Probleme, in Schwung zu kommen, ebenso wie den Lesenden an sich zu fesseln. Dafür ergeht es sich zu sehr in Andeutungen.

Zum Ende hin wird es dann aber endlich spannend. Nur leider ist das Buch zuende, bevor man emotional dazu bereit ist. Wo das Buch am Anfang Längen hat und Seiten hätte sparen können, fehlen sie mir zum Schluss.

Bewertung vom 16.05.2024
A Tempest of Tea / Blood and Tea Bd.1
Faizal, Hafsah

A Tempest of Tea / Blood and Tea Bd.1


gut

Zu hohe Ziele gesetzt

Ich bin mir wirklich zunehmend unsicher, ob Büchern die übertriebene Bewerbung und der größenwahnsinnige Vergleich mit erfolgreichen Bestsellern wirklich so gut tut oder ob man den Autorinnen und ihren Büchern damit wirklich einen Gefallen tut.

"A Tempest of Tea" wird bereits vor Veröffentlichung mit Genregrößen wie "Das Lied der Krähen" und "Peaky Blinders" verglichen, soll sich angeblich an Oceans Eleven anlehnen und mit Arthie Casimir ein kriminelles Superhirn als weibliche Hauptfigur haben. Meiner Meinung nach schürt das Erwartungen, die das Buch absolut nicht erfüllen kann, die es aber vielleicht auch gar nicht hätte erfüllen müssen um gemocht zu werden.

Die Waise Arthie hat sich mit Jin zusammengetan und ein Teehaus eröffnet, in dem sie tagsüber die Menschen mit Tee und nachts die Vampire mit Blut bewirten. Ihre Monopol- und Machtstellung begründet aber vor allem auf den Geheimnissen, die sie dabei sammeln und mit denen sie die Mächtigen der Stadt erpressen. Bis der herrschende Widder irgendwann genug hat und den Laden dem Erdboden gleich machen will. Ihre einzige Chance sehen sie darin, ein Buch zu klauen, mit dem sie die ultimative Erpressung starten können.

Das klingt erstmal alles ganz toll und aufregend. Man ahnt natürlich von vornherein, dass es nicht so ablaufen wird, wie geplant. Und da liegt auch schon der Knackpunkt: zu viele Wendungen lassen sich vorhersehen, zu viele unwichtige Nebenschauplätze verstellen den Fokus auf das wesentliche.

Nicht nur bleiben die Figuren dabei bedauerlicherweise blass, auch die romantischen Entwicklungen wirken unnötig und konstruiert.

Man merkt dem Buch an, dass es einen zweiten Band geben wird, denn allein für die Vorbereitung des eigentlichen Coups lässt sich die Autorin viel zu viel Zeit. Die überflüssigen Seiten hätte sie eher dazu verwenden sollen, mehr Details über diese Welt einzubauen. Denn das Worldbuilding bleibt leider ebenso blass wie Arthie und ihre Truppe.

Das Ende konnte mich dann zwar erstaunlicherweise doch wieder überraschen, aber ich bin mir noch unsicher, ob ich diese Dilogie abschließen möchte.