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Bücherliese
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Querbeetleserin

Bewertungen

Insgesamt 13 Bewertungen
12
Bewertung vom 12.08.2017
Die Lieferantin
Beck, Zoë

Die Lieferantin


gut

In Londons baldiger Zukunft ist der Drogenmarkt aufgeteilt: Drei führende Drogenbosse haben den Handel fest in der Hand. Es bleibt der Luftraum und den erobert still und leise Ellie Johnson. Mit ihrem Start-up hat sie nicht nur hochleistungsfähige, kleine Drohnen entwickelt, die unter dem Radar der Ermittlungsbehörden bleiben, sondern auch die dazu gehörige App. Ein paar Wischer auf dem Smartphone und die Drogenlieferung kommt in kürzester Zeit unauffällig zu jedem beliebigen GPS-Punkt im Freien Londons. Was die oftmals hochkarätigen Kunden nicht ahnen: Auch eine Kamera ist an Bord der fliegenden Boten. Parallel dazu verschwindet plötzlich der Schutzgeldeintreiber Gonzo. Ein bedauerlicher Arbeitsunfall hat ihm eine Beerdigung der ganz besonderen Art beschert. Wogen der Unruhe schwappen durch Londons Unterwelt und diese wollen geglättet werden. Die Lieferantin muss, ebenso wie Gonzo, gefunden werden. Und zwar ohne großes Aufsehen.
Ein relativ kurzen Kapiteln nimmt „Die Lieferantin“ zügig Fahrt auf. Die Personen werden nach und nach in die Geschichte eingeführt und nehmen ihre Plätze ein. Die Drogenkonsumentin ist mit an Bord, die Handlanger der Drogenmafia hauen ordentlich zu, Kollateralschäden inbegriffen, und auch eine „Betreuerin“ der über London verteilten Drohnen spielt eine Rolle. Diese Figuren sind allerdings nur ein Teil der Besetzung, die groß, aber auch außerordentlich geschickt miteinander verknüpft ist. Besonders gut gelungen dargestellt ist für mich der Restaurantbesitzer Leigh, der an seinem hausgemachten Problem zu knabbern hat. Der schwarze Humor, der zu Beginn des Romans zu spüren war, hat sich in Leigh am durchgängigsten gespiegelt. Leider waren die anderen Figuren dann nach dem ersten Drittel des Buches teilweise etwas fad. Im Gegensatz zur eigentlich Suche nach Ellie und Gonzo wurden den Nebenfiguren und deren Geschichten viel Raum gegeben. Interessant war allerdings die eingebrachte Idee des Druxit, ein Referendum für oder gegen die Legalisierung von Drogen. Die ergänzenden Erklärungen, welche Konsequenzen die freie Verfügbarkeit von bisher illegalen Drogen für die Wirtschaft und den Staat hätten, sind sicher nicht neu, aber die Interessenkollisionen im Rahmen der Geschichte gut erläutert. Für mich gar nicht nachvollziehbar der Grund, aus dem die Lieferantin ins Drogengeschäft eingestiegen ist: Ihr Bruder war in die Drogensucht geraten und schlussendlich an einer Überdosis verstorben. Ellie hat es sich fortan zur Mission gemacht, London mit sauberem Stoff und einem beigefügten Aufklärungsblatt zu versorgen. Für mich war das nach dem Tod des Bruders keine logische Konsequenz. Für mich war es das erste Buch von Zoë Beck. Im Ganzen erwarte ich von einem Roman, auf dem Thriller aufgedruckt ist, deutlich mehr Tempo und/oder Spannung, aber unterhaltsam war es allemal.

Bewertung vom 12.08.2017
Der Freund der Toten
Kidd, Jess

Der Freund der Toten


ausgezeichnet

Der Prolog führt den Leser ins Jahr 1950. Mahony, der 26 Jahre später aus einem ihm zugespielten Brief erfahren wird, wie sein wirklicher Name ist, ist gerade erst geboren, als seine Mutter brutal aus dem Leben geprügelt wird. 1976 sieht er seine Mutter auf einem Foto. Fast noch ein Kind, hält sie ihn behutsam auf dem Arm. Mahony macht sich mit Sack und Pack auf die Suche nach den Spuren seiner Herkunft. Entspannt macht er sich auf nach Mulderrig, um in Erfahrung zu bringen, warum er und seine Mutter getrennt wurden, und findet in Mrs Cauley rasch eine Verbündete. Die thront in der örtlichen Pension in einem Zimmer voller Bücher und Zeitschriften auf ihrem Bett, das sie nur mit Hilfe ihres Gehwägelchens verlassen kann. Alljährlich inszeniert die alte Dame das unkonventionelle Theaterspektakel im Dorf. Und wie sich das der gemeine Leser vorstellt, halten alle Dorfbewohner auch beinhart zusammen. Ein Verbrechen? In ihrem Dorf? Unmöglich! Aber nach und nach tauchen die Untoten auf, die für Mahony nach und nach die Schleier der Vergangenheit lüften.
Jess Kidd erzählt von einem Mann, den man einfach mögen muss. Nach einem brutalen Einstieg in den Roman schlendert Mahony in die Geschichte und mit ihm bekommt „Der Freund der Toten“ genau die Spur Leichtigkeit und Humor, die es braucht, um das Buch nicht mehr aus der Hand legen zu wollen. Im ersten Moment haben mich die Untoten etwas verschreckt. Ich mag es eigentlich nicht so gern lesen, bin aber für einen kleinen Sprung über meinen Lesegewohnheitsschatten mit einer großartigen Geschichte belohnt worden. Besonders sympathisch war mir die kleine Ida, die vor vielen Jahren starb und ihr Jojo noch heute vermisst. Und natürlich ist das kleine gelbe Ding eine Spur zu den damaligen Ereignissen. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 12.08.2017
Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
Kalfar, Jaroslav

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt


ausgezeichnet

Wir schreiben das Jahr 2018. Auch Tschechien möchte endlich große Geschichte schreiben. Die Amerikaner und die Sowjets haben es vorgemacht: Ein Flug ins Weltall soll endlich die 10 Millionen Einwohner in den Fokus der Welt rücken. Jakub Procházka ist erwählt, seinem Land Ruhm und Ehre zu bringen. Auf seinem Flug ins All soll er direkt in die violette Wolke Chopra fliegen und Partikelproben nehmen. Und so beginnt eine einsame Reise ins vermeintlich unendliche Weltall.
Einsamkeit schafft viel Raum für Gedanken. Und so lässt Jakub den Leser an seinem Leben teilhaben. An seiner Kindheit, seiner Jugend, seiner Ehe mit Lenka. Als Sohn systemgetreuer Eltern geboren, wuchs er ab seinem zehnten Lebensjahr bei seinen Großeltern auf. Ein Autounfall hatte ihn zum Waisen gemacht. Während gerade in Berlin die Mauer fiel und Europa im Umbruch war, verschlug es Jaroslav von Prag in ein tschechisches Dorf. Hier war er nicht nur der unbeliebte Junge aus der Stadt, sondern auch Spross ehemaliger Staatsdiener und somit geächtet. Später seine Heirat und der unerfüllte Kinderwunsch. Doch die Fahrt ins All verläuft nicht ohne Komplikationen ab. Als Jakub die Wolke Chopra erreicht, nimmt die Mission eine dramatische Wendung.
Jakub war mir ein sehr sympathischer Protagonist. Wohl schon der bestqualifizierte Wissenschaftler für diese Aufgabe, ist er im Herzen doch ein großer Junge geblieben. Um die Geschichte nicht zu eintönig werden zu lassen, hat der Autor Jakub Hanuš zur Seite gegeben. Ein dicker Körper, acht Beine, rote Lippen, gelbe Zähne und ein Schwäche für Schokoaufstrich von den Erdlingen. (Unterstützt durch Produktplatzierung? ;-) ) So bekommen ernste Betrachtungen über das Leben die Leichtigkeit, die das Buch zu einem Lesevergnügen machten. Warum streben wir nach immer weiteren Zielen, nach höheren materiellen Werten? Ist das, das wir als das Beste für unser Gegenüber wollen, nicht eher das, das uns am dienlichsten ist? Kein Buch für zwischendurch und ein tolles Debüt!

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