Benutzer
Benutzername: 
MB
Wohnort: 
Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 28.10.2025
Huth, Peter

Aufsteiger


sehr gut

Macht nachdenklich. Peter Huths neuer Roman „Aufsteiger“ (ich finde den Titel etwas unglücklich gewählt…) stellt viele Fragen und stellt gleichzeitig vieles in Frage, ohne dabei aber auf gute Unterhaltung zu verzichten. Die Story ist eigentlich ganz simpel, wäre da nicht der tiefschwarze Hintergrund. Nach vielen aufopferungsvollen Jahren in der Redaktion des bedeutsamen Wochenmagazins ‚Das Magazin‘ macht sich Felix Licht aus nachvollziehbaren Gründen Hoffnung auf den Posten des Chefredakteurs. Allerdings werden seine Hoffnungen enttäuscht – eine Liebe aus alten Tagen – Zoe Rauch, jung, hübsch, woke - bekommt den Posten. Licht gerät in eine Krise, seine Familie steht vor der Auflösung und er schlittert in den Dunstkreis eines Rechtsanwalts und Rechtsaußen-Meinungsmachers, der ihm empfiehlt, wegen eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgesetztes gegen den Inhaber des Magazins zu klagen. Erst spät merkt Licht, wie er für rechtspopulistische Meinungsmache und Hetze missbraucht wird. Die Situation spitzt sich zu und steuert einer regelrechten Katastrophe entgegen. Ein Augenöffner in Sachen ‚Fake-News‘ und menschenverachtender, rechtspopulistischer Manipulation. Ein Lob an den Autor, dass es ihm gelungen ist, seine eigene Positionierung aus der Geschichte herauszuhalten. Auch wenn es heute wichtiger ist denn je, Position zu beziehen!

Bewertung vom 28.10.2025
Schmitt, Caroline

Monstergott


gut

Ruckelt ein wenig. Also die Story... Vom Aufbau her eher ein wenig 'versatzstückartig'. Ich frage mich nach dem Ende der Lektüre, was die junge Berliner Autorin Caroline Schmitt wohl dazu bewogen haben mag, den Roman "Monstergott" zu schreiben. Eine Story über den Druck einer extrem verstandenen christlichen Religion, die die totale Hingabe an Gott und die Gemeinde, vor allem aber die persönliche und zwischenmenschliche sexuelle Enthaltsamkeit fordert. Das Geschwisterpaar Ben und Esther wird daran scheitern. So resumiert Ben am Ende "Da wo Gott mal war, war jetzt Leere." Und auch Esther fühlt sich am Ende hintergangen und um einen Teil ihres Lebens betrogen. Welche Leerstelle soll die strenge christliche Lehre im Leben füllen? Vielleicht dazu gedacht ein verbindliches und bindendes Identitätsangebot zu machen, in einer Welt, in der alles zunehmend beliebiger zu werden droht? Das Angebot von Stabilität als Gegenleistung für Disziplin, Selbstverzicht und Selbstverleugnung - um stark zu sein, wie ein Fels in der Brandung? Caroline Schmitt entlarvt und demaskiert zwar, was ja schon der Buchtitel "Monstergott" auf den Punkt bringt. Aber letztendlich erzählt sie keine neue Geschichte über Menschen, die durch ihre extreme Glaubensüberzeugung in dem Versuch scheitern, ihre allzu menschlichen Bedürfnisse nach gelebter Liebe, Zuwendung und körperlichem Kontakt aus ihrem Leben auszublenden oder zumindest erst im Rahmen des Bundes der heiligen Ehe realisieren zu dürfen. Auch darf nie die Dominanz des Mannes, die Unterordnung der Frau und die Verpflichtung zu einer rein heterosexuellen Orientierung in Frage gestellt werden. Das Buch kommt gefühlt einige Jahrzehnte zu spät...

Bewertung vom 28.10.2025
Williams, Hattie

Bittersüß


ausgezeichnet

Weit mehr als nur eine Geschichte. Ein 425-seitiger Roman, der mich hineingezogen und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen hat… wo ich sagen würde – ganz nah am Leben dran. Darüberhinaus auch wunderbar leichtgängig erzählt und kein einziges, auch noch so kleines Fünkchen Kitsch, was bei einer Geschichte, die, nimmt man die Grundstruktur des Plots, schon häufig erzählt worden ist: Junge Frau und verheirateter, um einiges älterer und berühmter Mann ‚verlieben sich‘ ineinander. Klar – Gegensätze ziehen sich zunächst einmal an, ganz zu Schweigen davon, welche unbewussten Motive bei der Wahl unserer Partner eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen mögen. So ergeht es der jungen Charlie, die seit kurzem für die Pressearbeit eines renommierten Londoner Verlages zuständig ist. Das Schicksal meint es gut mit ihr, sie darf die Betreuung der Veröffentlichung des neuen Romans ihres absoluten Lieblingsschriftstellers Richard Aveling übernehmen. Charlie ist aufgeregt und kann ihr Glück kaum fassen, haben ihr doch die Bücher gerade dieses Autors und Booker-Prize-Trägers in einigen Phasen ihres Lebens viel bedeutet. Es dauert dann auch nicht allzu lange und es funkt zwischen den beiden… - nur: Ihre Beziehung muss geheim bleiben, was es den beiden erschwert neben der gegenseitigen Attraktion den zweiten wichtigen Faktor für eine erfolgreiche Beziehung mit Leben zu füllen: Die Entwicklung von Gemeinsamkeiten. Charlie entfremdet sich zusehends von sich selbst und merkt erst spät, was sie eigentlich von Anbeginn an weiß – dass es kein gutes Ende nehmen wird. Mit „Bittersüss“ ist Hattie Williams ein wunderbarer Roman gelungen, der gänzlich auf irgendeine Form des Moralisierens verzichtet. Die weibliche Leserschaft ist Hattie Williams gewiss – für Männer ist „Bittersüss“ eigentlich DIE Pflichtlektüre des Herbstes!

Bewertung vom 03.10.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


sehr gut

Nachdenklich zurückgeblieben. Laura Laabs entführt uns mit ihrem im Rahmen des diesjährigen Ingeborg-Bachmann- Preises gelesenen Textes "Adlergestell" zurück in die Vor- und Nachwendezeit am Rand von Berlin - in die Siedlung am 'Adlergestell', der längsten und vielbefahrenen Strasse in Berlin. Der Name "Adlergestell" bezieht sich auf eine alte Forstschneise. Die Legende besagt, dass die Bäume entlang des Weges in der Zeit der Kurfürsten mit einem Adler geschmückt waren - und der Reichsadler wird auch im weiteren Text eine Rolle spielen. Laabs nimmt uns mit in die Kindheit und Jugend dreier Freundinnen 'vom Stadtrand'. Da ist zunächst Lenka, die mit einem Vater zusammenlebt, dessen bevorzugtes Kleidungsstück das Unterhemd und dessen Haltung die eines Meckerers ist; da ist Chaline, die wohl am meisten Benachteiligte des Trios - sie lebt bei ihrer deppressiven Mutter, die wechselnden Männerbesuch verzeichnet. Und schließlich die Ich-Erzählerin, die zumindest eine sich sorgende Mutter hat. Erzählt wird die Schulzeit, die Bemühung, sich einen Platz zu verschaffen, der ein oder andere nicht immer glimpflich ausgehende Steich und der große Bruch, die Ernüchterung, mit der Wende zukünftig zu den eher Abgehängten zu gehören. Die Kapitel sind eingeleitet durch präzise beschriebene Glücksversprechen der bundesdeutschen Werbeindustrie. Zwar handelt der Text die zumeist in der Zeitphase rund um die Wende, lässt die Lesenden aber auch wissen, welch unterschiedliche Wege die drei in ihrem weiteren Leben beschreiten werden. Ein Erklärungsversuch, welche Prägungen die Wendezeit ausgelöst haben und wohin diese führen können?

Bewertung vom 03.10.2025
Zwickau, Dora

Gesellschaftsspiel


ausgezeichnet

Ein wahrer Demokratiediskurs. Ein belletristischer Blick in die nahe Zukunft, welcher die gegenwärtige Realität treffsicher abbildet. Dystopie oder Utopie - und wie heißt eigentlich das Dritte dazwischern? Zukunft?! Darum geht es in "Gesellschaftsspiel", dem äußerst anregenden gleichwohl aber auch unterhaltsamen Roman von Dora Zwickau. Weil es den Grund-Ton der Geschichte so gut trifft: "Man kann sich eher vorstellen, dass sich unser Smartphone mit der Küchenmaschine verbindet und uns attackiert, als dass wir nochmal als Gesellschaft zusammenkommen..." Ein milliardenschwerer Techunternehmer aus den USA möchte in der Stadt Weimar mithilfe einer App ein soziales Experiment starten - die Selbstbestimmung der Bürger*innen mit der Unterstützung seines Geldes. Eine zweite 'Weimarer Republik'? Das ist die Szenerie, in der die Schwestern Isabelle, Lehrerin, Annika, in einem amerikanischen Unternehmen arbeitend, und Dagmar, die Tante und Hochschuldozentin, sich anlässlich des Todes der Mutter bzw. Schwester Gerda zusammenkommen... Die App nimmt gewaltig Fahrt auf und ruft, wie zu erwarten, auch die 'Hater' auf den Plan. Dora Zwickau versteht es hervorragend, in ihrem Roman das individuelle Schicksal der Protagonistinnen mit dem Schicksal der Demokratie zu verbinden. Einer der gelungensten Gegenwartsromane in diesem Jahr!!!

Bewertung vom 28.09.2025
Everett, Percival

Dr. No


ausgezeichnet

Verrückt... und durchgeknallt... und philosophisch... und ein Roadmovie... und mit einem Seitenhieb auf die gegenwärtige, amerikanische Regierung... ein Showdown der Spione am Ende... skurile Figuren... sympathische Hauptpersonen... ein sprechender Hund mit nur einem Bein, Trigo genannt - oder auch liebevoll 'Fettgesicht' -... Unverständliches aus dem Bereich der höheren Mathematik... Wortwitz... mitreißender Schauplatzwechsel... und eigentlich geht es nur um nichts, um rein gar nichts (gar nicht wird gar nicht zusammengeschrieben)... In Percival Everetts neuem Roman "Dr No" ist Wala Kitu Mathematikprofessor, sein Spezialgebiet ist nichts, er besitzt einen einbeinigen Hund und ist nicht nur ohne Führerschein, sondern auch in anderen lebenspraktischen Dingen ziemlich unerfahren, dafür aber ungeheuer pragmatisch und gelassen. Nichts kümmert ihn - gewissermaßen. Sein großes Abenteuer beginnt, als er für den schwerreichen Oberschurken Sill eine Kiste aus Fort Knox stehlen soll, die nichts enthält... weil nichts für Oberschurken wichtiger ist, als Tonnen von Gold. Kaum jemand in der Geschichte ist wirklich diejenige Person, die sie zu sein vorgibt. Aber keine Sorge... in dem fantastisch verrückt-absurden Buch ist nicht nichts enthalten, vielmehr ein lesenswertes Etwas ;-))

Bewertung vom 27.09.2025
Tuokko, Kaisu

Gerächt sein sollst du / Die Morde von Kristinestad Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein guter Auftakt... zu einer neuen Reihe. Diesesmal kein 'Schwedenkrimi', sondern einer aus Finnland: "Gerächt sein sollst du" von Kaisu Tuokko. (Die Morde von Kristinestad. Band 1). In Band 1 hat es zwischen den Hauptpersonen, dem Kriminalkommissar Mats Bergholm und seiner Jugendfreundin, der Journalistin Eevi Manner zwar wieder gefunkt, aber nicht geklappt... da war der erste Fall dann schon gelöst... aber die beiden haben ja noch Zeit. Die finnische Autorin bringt die einzelnen Handlungsstränge gut auf den Punkt, legt Fährten für ihre Leserschaft und lässt uns zappeln... und das Beste - sie verliert sich nicht endlos in Details, um Seiten zu schinden. Im Wasser treibend wird die Leiche des 17-jährigen Jonas gefunden, in seiner Klassengemeinschaft eher ein Aussenseiter mit Mobbingerfahrung. Auf der Suche nach dem Mörder werden andere Dinge offenbar... Jonas soll ein Mädchen vergewaltigt haben, und sich deshalb selbst das Leben genommen haben... aber stimmt das? Es spricht einiges dagegen...

Bewertung vom 19.09.2025
Horncastle, Mona

Peggy Guggenheim


sehr gut

Inspirierend. Wer "Peggy Guggenheim. Freigeist - Mäzenin - Femme fatale" von Mona Horncastle in Händen hält wird sofort denken - welch ein wunderbar gestaltetes Buch: Großzügig mit schwarz-weißem Bildmaterial ausgestattet, übersichtlich gestaltete Kapitel mit orientierungsgebenden Headlines und einem Buchcover, welches ein regelrechter 'eyecatcher' ist. So sollten Biografien sein. Die durchaus detailverliebte Darstellung des Lebensberichtes über Peggy Guggenheim spannt den Bogen von ihren Vorfahren und deren Auswanderung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis hin zu Peggys Tod im Jahre 1979. Es ist immer eine große Herausforderung, ein komplettes Leben für eine begrenzte Seitenzahl zwischen den Buchdeckeln verfügbar zu machen... aber das ist der Autorin in ausgezeichneter Weise gelungen. Peggys Herkunft schafft die Voraussetzungen für ihren Lebensstil, Peggys Persönlichkeit ist der Grundstein dafür, was sie für Kunst und Kultur getan hat und ohne weiteres als herausragendes Lebenswerk bezeichnet werden kann. Im Text haben wir Begegnung mit einer Vielzahl von Künstler, Malern und Autor:innen ihrer Zeit - welch bewegte und bewegende Jahre! Besonders beeindruckt hat mich der Einsatz von Peggy Guggenheim für die Frauen in einer von Männern dominierten (Kunst-) Welt. Der Effekt: Ich habe begonnen, mich weiter für die Kunstszene ab der 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts zu interessieren...

Bewertung vom 06.09.2025
Rubik, Kat Eryn

Furye


sehr gut

Eine Story, der man sich kaum entziehen kann... Der 1981 in Sankt Petersburg geborenen und in Berlin lebenden Autorin Kat Eryn Rubik gelingt es, mit ihrem Roman "Furye" einen Sog zu erzeugen, dem man sich als Leser kaum entziehen kann! Über zwei Zeitebenen hinweg darf der Leser als stiller Beobachter an einer jahrzehnte überdauernden Lebensspanne der zunächst namenlosen Hauptperson partizipieren, mit ihr die aufregend bewegenden Jugendjahre einer 17-jährigen und schließlich das fordernde Erwachenenleben einer fast 40-jährigen Frau mit Mutterschaftswunsch teilen. Die Geschichte entfaltet sich auf zwei Zeitebenen. Die Protagonistin, eine sich nahe am Burnout befindliche Musikmanagerin im Bereich Neoklassik, erfährt vom tödlichen Autounfall der Familie des Jugendfreundes Romain. Sie beschließt, den Ort ihrer Jugend aufzusuchen. Dabei werden alte Erinnerungen wach; an die Zeit, als sie mit den Freundinnen Tess und Meg die 'Furien' waren - gemeinsam beschlossen hatten, etwas gegen diejenigen Menschen zu unternehmen, die ihnen nicht nur nicht wohlgesonnen waren, sondern darüber hinaus ihre männliche Macht ausgeübt und ihren höheren Status haben spüren lassen. Nicht alles klärt sich, aber darum geht es in diesem Buch auch nicht; vielmehr wird der Leser in einer äußerst anregenden Erzählform dazu gebracht, über gesellschaftliche Privilegien, Statusunterschiede, Machtmissbrauch, Liebe und toxische Beziehungen nachzudenken. Ein Buch, dass einen nicht ruhen lässt!

Bewertung vom 04.09.2025
Foenkinos, David

Das glückliche Leben


sehr gut

Wie das Leben so spielt... Alles hat einen tieferen Grund - und doch spielt der Zufall im Leben eine nicht unerhebliche Rolle. Vielleicht eines vorab: Ich bin Fan des Autors David Foenkinos... und insofern hatte sein neuer Roman "Das glückliche Leben" Vorschusslorbeeren. Ich liebe die Leichtigkeit seines Schreibstils und die zwischen den Zeilen versteckte Tiefgründigkeit. Und dass es sich stets um das eine große Thema dreht - die Liebe. Und die Liebe und ihr Scheitern spielen auch in seiner neuen Story eine große Rolle; vielleicht aber dieses Mal aus einer etwas anderen Perspektive heraus: So beleuchtet Foenkinos anhand seiner beiden Hauptfiguren Éric Kherson, der seinen guten Job bei Decathlon aufgegeben hat um Regierungsmitarbeiter bei Amélie zu werden, das Scheitern der Liebe (Éric lebt getrennt von seiner Frau und seinem Sohn, Amélies Ehe und zweifache Mutterschaft dümpelt vor sich hin) aufgrund von Überarbeitung und mangelnder Selbstfürsorge. Auf einer gemeinsamen beruflichen Reise nach Seoul kommen sich die beiden zwar näher, die Reise (kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie) mündet aber zunächst in ein Jobdesaster. Éric beschäftigt schon länger die Frage nach dem Sinn; in Seoul stößt er auf ein Institut, welches ein glücklicheres Leben verspricht, indem man seine eigene Beerdigung inszeniert; Éric vollzieht das Ritual, sein Leben ist danach ein anderes. Erst Jahre später begegnen sich Éric und Amélie ein weiteres Mal. Nun ist dies kein wahnsinnig neuer Gedanke, dass das Leben im Bewusstsein des eigenen Todes das Leben selbst verändern kann; jedoch versteht es der Autor in genialer Weise, eine locker-leicht-tiefgründige Geschichte zu komponieren, die ohne den erhobenen 'Life-Coach-Zeigefinger' auskommt. Eine wunderbare Sommerlektüre.