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Blümchen
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Dresden

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Insgesamt 193 Bewertungen
Bewertung vom 10.05.2025
Clarke, Lucy

The Surf House


ausgezeichnet

Spannende Geschichte + Urlaubsflair = Lucy Clarke

Marokko - das klingt geheimnisvoll und aufregend zugleich. Für Bea ist es nur ein weiterer Ort, von dem sie nicht viel sieht, obwohl sie dort arbeitet. Das junge Model ist ausgebrannt.

Eine Kurzschlussreaktion führt allein durch die Straßen Marrakeschs - mit fatalen Folgen. Ihre Retterin in der Not nimmt sie mit in ihr Hostel am Meer und hier, unter Surfern und Aussteigern, findet Bea endlich etwas Ruhe. Doch diese währt nicht lange, denn sie spürt, das etwas nicht stimmt. Als dann noch ein junger Mann auftaucht, der nach seiner spurlos verschwundenen Schwester sucht, stellt sich Bea die Frage, auf wie vielen Lügen diese Gemeinschaft aufgebaut ist.

Die Bücher von Lucy Clarke ziehen mich immer sofort mitten hinein in ein neues Land, eine Stimmung, eine spannende Geschichte - so auch hier wieder. Nachdem ihre letzten beiden Romane (leider) sehr ähnlich aufgebaut waren, konnte mich dieses Buch wieder richtig begeistern, weil es wieder etwas unvorhersehbarer konzipiert war. Ich habe das Buch in nur zwei Tagen verschlungen und wurde mit einer spannenden Geschichte und trotzdem einem gewissen Urlaubsflair unterhalten - das begeistert mich immer wieder bei Lucy Clarke. Tolles Setting, gute Story - ich hab es sehr gemocht!!!

Bewertung vom 03.05.2025
Carver, Caro

Bad Tourists (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Urlaubsstimmung meets Spannung – toll umgesetzt!

Ich glaube, so langsam werde ich zu einem Fan der sogenannten „Destination Thriller“. Spannende Plots treffen auf Settings mit viel Urlaubsflair und garantieren beste Unterhaltung. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist nach meinem Empfinden dieses Buch.

 

Caro Carver lässt in diesem Roman drei Freundinnen eine Reise auf die Malediven antreten. Grund der Reise ist die Scheidung einer der Protagonistinnen – denn nicht nur bei einer Hochzeit gibt es etwas zu feiern, sondern auch, wenn man den mittlerweile verhassten Ehemann wieder losgeworden ist 😉

Und das tun Kate, Darcy und Camilla. In einem Luxusresort auf den Malediven wollen sie eine Woche lang die Korken knallen lassen. Doch dann werden sie von der Vergangenheit eingeholt – denn ein unschönes Jubiläum steht an. In die Zeit ihres Urlaubs fällt der 22. Jahrestag eines Verbrechens. Und das ist der Grund, weshalb sie sich überhaupt kennen. 22 Jahre vorher war Kate die einzige Überlebende eines Massakers in einem Gästehaus an der englischen Küste. Und Darcy und Camilla haben dabei jeweils nahestehende Menschen verloren. Das Verbrechen verbindet sie und scheint auch auf der Urlaubsinsel immer noch präsent zu sein…

Caro Carver strickt hier eine undurchsichtige Geschichte, die schon einen mysteriösen Ausgangspunkt hat. Denn die Beweisführung im damaligen Prozess gegen den mutmaßlichen „Gästehaus-Mörder“ war lückenhaft und man kann sich nicht richtig sicher sein, was damals wirklich passiert ist. Als Leser vermutet man schnell, dass alles anders gewesen sein muss, als es im Gerichtsprozess letztlich dargestellt wurde.

Doch die Autorin versteht es geschickt, (falsche) Fährten zu legen und immer wieder neue Ansätze ins Spiel zu bringen. Dadurch werden auch die Protagonistinnen zu unzuverlässigen Figuren und man kann auch gegen jede der drei ein gewisses Misstrauen hegen…

 

Aus unterschiedlichen Erzählperspektiven, einschließlich einer weiteren Frau, die gerade ihre Flitterwochen auf den Malediven verbringt, lernt man immer wieder neue Details die es zu bewerten und zusammenzufügen gilt. So entsteht ein spannender Thriller zum Miträtseln.

 

Die Auflösung hat für mich zwar nicht zu 100 %, sondern nur zu 90 % alle Fragen beantwortet. Aber das Gesamtpaket war einfach so gut, so stimmungsvoll und so unterhaltsam, dass ich hier gern 5 Sterne vergebe. Von solchen Thrillern würde ich definitiv gern mehr lesen!

Bewertung vom 29.04.2025
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn


ausgezeichnet

Unter jedem Dach ein Ach…

Ich kenne Freya Sampsons Romane als wunderbar warmherzige Bücher, die die Gemeinschaft und die Hilfsbereitschaft zwischen (zunächst fremden) Menschen in den Mittelpunkt stellen. Und diesem Rezept bleibt die Autorin auch in diesem Buch treu.

Diesmal geht es um die 77jährige Dorothy Darling, die seit Jahrzehnten die Geschicke des Shelley House lenkt, indem sie tatkräftig Parksünder, Müll-Schweinchen und Lärmverursacher meldet und alle Vorfälle akribisch in ihrem Notizbuch vermerkt. Als bei ihrem langjährigen Nachbarn Joseph die junge Kat als Untermieterin einzieht, ist Dorothys Argwohn geweckt. Und als merkwürdige Briefe des Vermieters bei allen Hausbewohnern eintrudeln, vermutet Dorothy das Schlimmste. Und sie hat recht. Die Räumungsaufforderung steht im Raum. Und dann wird ihr Nachbar Joseph mit einer schlimmen Kopfwunde in seiner Wohnung aufgefunden. Dorothy vermutet eine Verschwörung…

Es sind sicherlich keine neuen Zutaten, aus denen Freya Sampson diesen Roman erschaffen hat. Doch wie immer erzählt sie mit einer Herzenswärme, die ihresgleichen sucht und erschafft Charaktere, die einem im Gedächtnis bleiben. Allen voran die schroffe und resolute Dorothy. Bei ihren Szenen weiß man oftmals nicht ob man entsetzt Luft holen oder in lautes Lachen ausbrechen soll. Doch wie immer hat die Autorin ihrer Figur eine Geschichte gegeben und nach und nach versteht man, warum Dorothy genau so ist wie sie ist. Und auch die Nebenfiguren sind wieder liebevoll gezeichnet. Von der sanftmütigen und hilfsbereiten Teenagerin Ayesha bis zum hyperaktiven Hund Reggie bekommen alle einen eigenen Charakter und man fühlt sich schnell, als wären es die eigenen Nachbarn, von denen man hier liest. Und hinter jeder geschlossenen Wohnungstür verbirgt sich eine ganz eigene Geschichte, die die Autorin Stück für Stück ans Licht holt.

Ich habe mich mit diesem Buch wieder wunderbar unterhalten gefühlt und finde, es steht dem Vorgänger „Menschen, die wir noch nicht kennen“ in Nichts nach. Auch jetzt freue ich mich schon darauf, wenn (hoffentlich!) das nächste Buch der Autorin erscheint und ich wieder abtauchen kann in eine Schicksalsgemeinschaft, in der ich neue Figuren mit interessanten Geschichten kennenlerne und mit ihnen durch Höhen und Tiefen gehen kann. Ein tolles Buch für mehr Mitmenschlichkeit.

Bewertung vom 16.04.2025
Mahler, Nico

Die Sternenforscherin


sehr gut

Der Weg zu den Sternen

 

Eigentlich hieß sie Nancy. Warum hier im Roman mit einem Pseudonym gearbeitet wurde, kann ich nicht sagen. Nancy Grace Roman war in den 1960er Jahren die erste Chef-Astronomin der NASA – ein Beruf, den sie sich mit Sicherheit hart erarbeiten musste. Viel härter, als es ein Mann hätte tun müssen.

 

Hier im Roman heißt diese Frau Maureen und stammt aus einer gut situierten Familie. Da diese sie – wie in dieser Zeit für höhere Töchter üblich – gern am Musikkonservatorium ausbilden lassen möchten, damit sie eine Karriere im kulturellen Bereich anstreben kann, greift Maureen zu einer List und schreibt sich in New York an zwei Colleges ein. Am Konservatorium studiert sie Musik, an einer anderen Universität treibt sie ihre wissenschaftliche Karriere voran.

 

Völlig erschöpft muss sie sich jedoch irgendwann für eines von beiden entscheiden – und sie wählt ihre große Liebe, die Astronomie.

 

Fortan geht sie zielstrebig ihren Weg und ist später maßgeblich daran beteiligt, Teleskope zu bauen und die Apollo-Missionen der USA zu betreuen.

 

Es ist unheimlich interessant, den Lebensweg dieser klugen, zielstrebigen und engagierten Frau zu verfolgen. Das Buch macht Spaß, es zieht einen in seinen Bann und man fliegt durch die Seiten, um Maureen auf ihrer „Reise zu den Sternen“ zu begleiten – durch Erfolge und Misserfolge, Gefühlschaos und politische Tänze auf dem Vulkan.

 

Und hier steckte für mich das große Manko: ich hatte die ganze Zeit keine Ahnung, was von den erzählten Handlungen wahr ist und was fiktional. Wird hier wirklich das Leben der ersten Chef-Astronomin der NASA erzählt (lt. Klappentext „Roman über eine der brillanten, aber lange vergessenen Frauen in der Wissenschaft“)? Oder ist es doch ein rein fiktionales Werk, das nur den Titel „erste Chef-Astronomin der NASA“ aufgreift, aber sich nicht wirklich an deren Lebensweg orientiert? Leider gibt es weder ein Nachwort noch sonstige erklärende Worte, also muss man recherchieren und googeln, um sich ein Bild darüber machen zu können, welche Komponenten des Romans „echt“ sind und welche fiktional. Das habe ich bei anderen Romanen, die auf realen Persönlichkeiten basieren, schon deutlich besser umgesetzt gesehen. Schade.

 

Im Großen und Ganzen bietet das Buch aber einen guten Einblick in das wissenschaftliche Arbeiten dieser begabten Wissenschaftlerin. Zu Recht wird ihr ein Denkmal in Buchform gesetzt, auch wenn ich es schöner gefunden hätte, sie dann auch tatsächlich bei ihrem Namen zu nennen, damit dieser nicht in Vergessenheit gerät bzw. überhaupt erst einem größeren Personenkreis bekannt wird.

Bewertung vom 01.04.2025
Broad, Chris

Abroad in Japan


ausgezeichnet

 

Vom Kulturschock zur neuen Heimat

 

Mittlerweile lebt der gebürtige Brite Chris Broad seit 13 Jahren in Japan und das Land ist zu seiner neuen Heimat geworden. Wie sich sein Leben in diesem Land entwickelte, kann man auf seinem YouTube-Kanal „Abroad in Japan“ verfolgen, wo er regelmäßig Videos postet. Jetzt hat er die Anfänge seiner verrückten Japan-Reise in Worte gefasst und zu einem Buch verarbeitet.

 

Denn der Beginn war gänzlich unspektakulär – er kam im Zuge eines Austauschprogramms für junge Lehrer nach Japan und hatte sich akribisch hierauf vorbereitet. Akribisch hieß in dem Fall, er hatte schon mal gehört, dass es die Städte Tokio, Kyoto oder Osaka gab. Und Sushi. Viel mehr wusste er nicht über Japan.

 

Als es dann tatsächlich klappte, dass er für den Job als Englischlehrer an einer japanischen Schule angenommen wurde, hatte er keine Ahnung worauf er sich einließ. Und so kam es wie es kommen musste – die Ankunft in Japan war begleitet von einem riesigen Kulturschock. Doch Chris-Sensei (wie ihn seine neuen Kollegen nannten („Lehrer Chris“) boxte sich durch und lernte dieses völlig fremdartige Land mit den merkwürdigen Traditionen und Gebräuchen lieben. Er blieb. Auch nachdem sein Lehrer-Programm endete und er auf sich allein gestellt war. Nicht alle Vorhaben waren erfolgreich, an vielen Punkten in seinem Leben zweifelte er. Doch immer wieder blieb er standhaft und kam wieder auf die Füße – auch dank weniger, aber sehr guter Freunde, die ihn in Japan auf seinem Weg begleiteten.

 

Für mich als Leser war es faszinierend, einzutauchen in diese fremde Kultur mit ihren für Mitteleuropäer zuweilen sehr merkwürdig anmutenden Sitten. Schon die klimatischen Bedingungen mit heißen Sommern und kalten, schneereichen Wintern waren mir so nicht bekannt und die Vielfalt der japanischen Küche war auch ein Thema für sich... ;-)

 

Am spannendsten waren aber die kulturellen Unterschiede, die es ja zuhauf gibt. Positiv beeindruckt war ich von dem Respekt vor Älteren, der sehr streng gelebt wird. Abgefahren fand ich die Love Hotels, die Kapsel-Hotels oder den Raketenalarm, der Chris eines Nachts aus dem Schlaf riss.

 

Man bekommt einen Einblick ins japanische Leben – natürlich aus der Sicht eines Menschen, der dies ebenfalls alles zum ersten Mal erlebt und das macht es so nachvollziehbar. Ich war gern mit Chris unterwegs und kann das Buch allen, die Japan ohne einen 12-Stunden-Flug kennenlernen wollen, nur empfehlen!

Bewertung vom 22.03.2025
Constable, Harriet

Die Melodie der Lagune


sehr gut

Wieviel Vivaldi steckt in den „Vier Jahreszeiten“?

 

Die Geschichte der Anna Maria della Pieta ist wahrscheinlich exemplarisch für das männlich bestimmte Erzählbild der Historie. Anna Maria war eine Ausnahme-Violinistin und während heute die Namen Anne-Sophie Mutter oder Vanessa Mae vielen Musikfreunden ein Begriff sind, wurden die großen Musikerinnen der Geschichte oft einfach vergessen… es gibt kaum Aufzeichnungen über sie und mit ihrer Generation starb üblicherweise auch die Erinnerung an sie.

 

In diesem Roman erzählt Harriet Constable anhand weniger, aber akribisch recherchierter Belege von einer außergewöhnlich begabten Frau. Anna Maria della Pieta war ein Waisenkind aus Venedig, das im dortigen Ospediale della Pieta aufwuchs. Ihr Glück: das Haus war gleichzeitig eine Musikschule und so erhielten begabte Mädchen eine besondere Förderung und hatten die Möglichkeit, Instrumente zu erlernen.

 

Anfang des 18. Jahrhunderts trafen hier zwei Menschen aufeinander und diese Begegnung hatte Folgen für die Musikwelt… ein junger Mann begann im Pieta seinen Lehrauftrag für Violine und eine junge Frau stellte sich als besonders talentierte Schülerin heraus. Ihre Namen: Antonio Vivaldi und Anna Maria della Pieta.

 

Vivaldi förderte Anna Maria und bezog sie und ihre Kolleginnen des Musikschul-Orchesters sogar immer wieder ein, wenn er an neuen Stücken oder Auftragswerken komponierte. Doch die fertigen Stücke trugen immer (nur) seinen Namen… Niemand kann sagen, wie viele Ideen oder Passagen seiner Werke tatsächlich von Vivaldi selbst stammen – auch bei seinem bekanntesten Werk muss man mittlerweile wohl zumindest für möglich erachten, dass es von den Kompositionen seiner Schülerinnen beeinflusst oder mit diesen angereichert wurde.

 

Nachdem Anna Maria im Erwachsenenalter mitbekommt, wie schamlos ihre Ideen ausgenutzt werden, entfernt sie sich von ihrem Mentor und wird selbst zur Musiklehrerin.

 

Die Autorin muss Anna Marias Geschichte an vielen Stellen ausschmücken oder fiktional gestalten, da nur sehr wenig über sie schriftlich festgehalten ist (wie das Nachwort verrät). Sicher ist jedoch, dass sie eine außergewöhnlich gute Musikerin und Komponistin war – und mit diesem Buch erfährt sie endlich die Aufmerksamkeit, die ihr seit Jahrhunderten gebühren würde.

 

Ich bin froh dieses Buch gelesen und Anna Maria „kennengelernt“ zu haben. Ich finde es sehr wichtig, dass zumindest in der jetzigen Zeit versucht wird, den „vergessenen“ Frauen der Geschichte eine Stimme zu geben. Daher kann ich nur jedem mit historischem Interesse empfehlen: lest dieses Buch.

Bewertung vom 16.03.2025
Arth, Julius

Die Brücke von London


ausgezeichnet

Toller Historienschmöker

 

Wer das Abenteuer zwischen den Buchdeckeln sucht und abtauchen will in eine farbenprächtige historische Welt, der sollte unbedingt „Die Brücke von London“ zur Hand nehmen.

 

Die Zeile „London Bridge is falling down“ kennt man irgendwie, aber die wenigsten wissen wo dieses alte Lied herrührt. Die historische London Bridge muss in der damaligen Zeit ein gigantisches Bauwerk gewesen sein, eine riesige Brücke, die mit Häusern überbaut war. Sogar eine Art Kirche gab es mitten auf der Brücke – das sogenannte Kapellhaus. Es war ein Handelszentrum mit teuren Geschäften in den Brückenhäusern und gleichzeitig ein Nadelöhr, weil so ziemlich jeder, der trockenen Fußes über die Themse wollte, diese Verbindung nutzen musste. Die Verwaltung der Brückenhäuser war ein lukratives Geschäft und so könnte man sich gut vorstellen, dass hier – wie auch heute mit lukrativen Immobilien – der eine oder andere unsaubere Trick den Umsatz noch steigerte…

 

In diesem Spannungsfeld setzt Julius Arth mit seiner Geschichte an und erzählt eine Geschichte, die sich durchaus so oder ähnlich zugetragen haben könnte. Im Mittelpunkt: ein Angestellter der Brückenverwaltung, eine junge Witwe, die das Tuchgeschäft ihres verstorbenen Mannes weiterführt und eine Bande von Kindern und Jugendlichen, die sich als Taschendiebe in den Gassen von London über Wasser halten. Gute Zutaten für einen dichten und opulenten historischen Roman.

 

Ein zweiter, aber nicht so ausführlicher Zeitstrang setzt im Jahr 1202 an und erzählt von der Zeit, in der die London Bridge erbaut wurde.

 

Mich hat die Story sofort in ihren Bann gezogen, ich war mittendrin in der Geschichte und folgte Oliver, Juliana, Alder & seinen Freunden mit Vergnügen durch die engen Gassen, über die Brücke und ins aufstrebende Westminster, wo bereits an einer zweiten Brücke gebaut wurde. Die Hauptfiguren schließt man schnell ins Herz, besonders der gewitzte 14jährige Alder ist eine Figur, die man absolut lieb gewinnt.

 

Dem zweiten Zeitstrang konnte ich zunächst nicht so viel abgewinnen und fragte mich lange Zeit, welche Aussagekraft er für das Buch haben sollte. Ich dachte mir, das Buch wäre auch wunderbar ohne diesen zweiten Erzählstrang ausgekommen – erst ganz zum Schluss erschloss sich, warum es dem Autor wichtig war, dort anzusetzen und auch die Geschichte der esoterisch begabten Schwestern Estrid und Sibilla zu erzählen. Nur soviel: ganz am Ende macht alles wirklich Sinn.

 

Mich hat dieser Roman in eine Zeit entführt, die wir uns kaum noch vorstellen können und zu einem Bauwerk, das leider so nicht mehr existiert (es ist ein Jammer). Vor dem inneren Auge wird die historische London Bridge lebendig und ich konnte mein Wissen auf unterhaltsame Weise erweitern. So muss ein historischer Roman sein!

Bewertung vom 13.03.2025
Dalton, Chloe

Hase und ich


sehr gut

Wir brauchen mehr Natur in unserem Leben

 

Chloe Dalton berichtet in diesem Buch, wie sie zurück zur Natur gefunden hat, obwohl ihr Lebensentwurf davon meilenweit entfernt war. Als Beraterin für Persönlichkeiten aus der (politischen) Öffentlichkeit war sie permanent auf dem Sprung, in Hotelzimmern zu Hause und hat ihr persönliches Leben dem Job völlig untergeordnet. Bis Corona kam und die Welt gefühlt still stand.

 

Chloe zog sich in eine umgebaute Scheune auf dem Land zurück, mit nichts um sich herum als der englischen Hügellandschaft und Natur. Und völlig unverhofft stolperte sie im wahrsten Sinne des Wortes über ein Hasenkind, von dem sie vermutete, dass es Hilfe benötigt. Mit viel Enthusiasmus, aber zu diesem Zeitpunkt noch wenig Wissen über Feldhasen versuchte sie das kleine Wesen aufzupäppeln – und entgegen aller Unkenrufe aus ihrem Umfeld gelang das tatsächlich.

 

Der kleine Hase wurde zu ihrem täglichen Begleiter, ohne zum Haustier zu werden, nahm das Haus und den Garten in Beschlag und half der Autorin bei ihrer persönlichen Entschleunigung in der Corona-Zeit.

 

Über die Monate wurde Chloe zum wandelnden Lexikon, was Feldhasen betrifft und fing an, die Welt aus einem anderem Blickwinkel zu sehen – dem eines Fluchttieres, dem überall in der modernen Welt Gefahren drohen – und sei es nur durch das gut gemeinte Umsetzen eines Hasenbabys an einen vermeintlich sichereren Ort zwei Meter weiter.

 

Gemeinsam mit der Autorin erleben wir drei spannende Hasen- und Menschenjahre mit Übermut und Freude, aber auch Sorge und schlaflosen Nächten. Wie notwendig es auch in unserer modernen Welt (noch) ist, sich der Natur um sich herum bewusst zu werden und die Bedürfnisse aller lebenden Wesen zu respektieren, davon handelt dieses Buch.

 

Natürlich würde man nach dem Lesen am liebsten selbst sofort ein kleines Hasenbaby adoptieren. Warum das im Grunde das Falscheste ist, was man machen könnte, wird im Laufe der Lektüre ebenfalls deutlich. Und noch vieles mehr.

 

Unwillkürlich fängt man an, auch den Zustand vor der eigenen Haustür zu reflektieren und im besten Fall kommt man auf Ideen, was man den Lebewesen in seinem Umfeld mit kleinen Gesten Gutes tun könnte. Besonders auf den letzten Seiten hat die Autorin dafür auch einige Impulse parat. Für alle, die die Natur mögen und die eine ehrliche Erzählung ohne Vermenschlichung des vermeintlichen „Kuschelhasen“ schätzen, ist dieses Buch jetzt im Frühjahr eine sehr gute Wahl fürs Osternest 😊

Bewertung vom 03.03.2025
Crouch, Sarah

Middletide - Was die Gezeiten verbergen


ausgezeichnet

Der Vergleich mit den „Flusskrebsen“ drängt sich auf…

 

Nach vielen Jahren kommt Elijah in seinen Heimatort zurück. Hier ließ er seinen alkoholsüchtigen Vater zurück, seine Kindheit und seine erste große Liebe, die indigene Nakita. Ein gefeierter Schriftsteller wollte er werden – doch er kommt zurück, nachdem sein Buch floppte und die Geldmittel nicht mehr reichen, um sein Leben in San Francisco zu finanzieren. Nach dem Tod des Vaters zieht er in dessen Hütte mitten in der Natur und baut sich ein bescheidenes, aber fast unabhängiges Leben auf. Doch dann wird auf seinem Grundstück die Ärztin des Ortes erhängt aufgefunden – und die Umstände ihres Todes gleichen haargenau dem Verbrechen, das Elijah in seinem Roman geschildert hatte. Für ihn beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn alle Indizien sprechen gegen ihn…

 

Sarah Crouch versucht in ihrem Roman dem Beispiel von „Der Gesang der Flusskrebse“ zu folgen. Das Buch lebt von ausladenden Naturbeschreibungen, der Protagonist versucht sich inmitten dieser Natur ein weitgehend autarkes Leben aufzubauen. Mit einem mysteriösen Todesfall kommt Spannung in den Roman und der Protagonist wird zum Verdächtigen. Die Zutaten sind also die gleichen, nur der Schauplatz – in diesem Fall die Westküste der USA nahe Seattle – ist ein anderer. Doch gelingt es Sarah Crouch genau so gut wie Delia Owens, diese Zutaten zu einem „perfekten Dinner“ zu verarbeiten? Aus meiner Sicht nicht ganz.

 

Eigentlich sollte man Bücher nicht vergleichend bewerten, aber da die Vergleichbarkeit hier scheinbar sehr bewusst gewählt wurde, muss das Buch dem auch standhalten... Während ich an Delia Owens Protagonistin Kya ganz nah dran war und mit ihr mitgefiebert und -gelitten habe, blieb ich zu Elijah aus irgendeinem Grund auf Distanz. Er hat mich einfach nicht so für sich einnehmen können. Die Nebenfigur der Nakita fand ich wiederum sehr gut getroffen – hier hätte ich mir gewünscht, noch mehr über das Leben indigener Personen in einem Reservat in den USA zu erfahren. Auch Elijahs väterlicher Freund Chitto war eine wunderbare Figur, die ich sehr gemocht habe. Umso mehr ärgert es mich, dass es mir nicht gelang, die gleiche Verbundenheit zu Elijah aufzubauen.

 

Spannendes Lesevergnügen stellte sich bei mir leider erst im letzten Drittel ein, als es um den Mordprozess gegen Elijah ging. Da nahm die Dramatik noch mal richtig Fahrt auf und hat für einen Abschluss des Buches gesorgt, der mich teilweise mit der etwas behäbigen Handlung zwischendurch versöhnt hat.

 

Als Leser sollte man noch wissen, dass der Roman viele Zeitsprünge beinhaltet, und zwar nicht nur in eine Richtung. Dieses Hin- und Herspringen innerhalb der Jahre 1988 bis 1994 könnte es Hörbuch-Hörern schwer machen, die Geschichte zu verfolgen. Ich würde daher zum Lesen, nicht zum Hören raten.

 

Insgesamt war es eine Geschichte, die von Inhalt und Aufbau sehr deutlich an „Der Gesang der Flusskrebse“ erinnert, ohne jedoch dessen grandioses Lesegefühl vermitteln zu können. Wer das Buch aber vorbehaltlos zur Hand nimmt und Nature Writing mit einem Hauch Spannung mag, wird an dem Buch sicher Freude haben.

Bewertung vom 20.02.2025
Rosen, Renée

Ein Leben für Barbie


sehr gut

Barbie und ihre „Erfinder“ - eine polarisierende Geschichte

 

Barbie-Puppen sind aus Kinderzimmern seit Jahrzehnten nicht wegzudenken. Zuletzt bekam die berühmteste Puppe der Welt durch den gleichnamigen Film noch einmal einen richtigen Popularitätsschub. Pink ist in und Barbie ein größerer Star denn je. Doch wer kam eigentlich auf die Idee, eine Gelenkpuppe zu kreieren, die nicht - wie bisher üblich - einem Baby oder Kleinkind nachempfunden ist, sondern einer erwachsenen Frau mit Modebewusstsein?

 

Die Antwort wird überraschen und sie ist nicht so eindeutig, wie der Untertitel des Buches das suggeriert. Denn man kann sich durchaus seine ganz eigenen Gedanken dazu machen, ob man das, was Ruth Handler und ihre Mitarbeiter getan haben, als „Erfindung“ der Barbiepuppe werten will. Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte selbst lesen, was es damit genau auf sich hat.

 

Und zu diesem Buch sollte man noch etwas wissen, denn ich finde er ist nicht nur „ein Roman über eine bemerkenswerte Frau“, wie der Klappentext suggeriert, sondern vor allem die Unternehmensgeschichte von Mattel, der Herstellerfirma von Barbie. Ruth Handler stand an der Spitze dieser Firma und diese war - vielleicht mehr als ihre eigenen zwei Kinder - ihr „Baby“. Sie ordnete dem Unternehmen ihr Privatleben deutlich unter und die Firma hatte immer Priorität. Doch in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts schossen auch Aktiengesellschaften wie Pilze aus dem Boden, die Wall Street boomte und wer etwas sein sollte, musste ein börsennotiertes Unternehmen haben… Das machte Mattel noch größer - aber auch anfällig für Skandale.

 

Der Roman, den Renée Rosen hier geschrieben hat, beleuchtet mehr die Unternehmensgeschichte als das Privatleben von Ruth (vielleicht auch, weil ersteres vielmehr hergibt als letzteres). Es bezieht die tatsächlich beteiligten Mitarbeiter, den engsten Kreis, ein und geht auch auf deren Lebensgeschichten ein - z.B. Jack Ryan, den genialen Chefentwickler, der für den Erfolg von Barbie und auch anderen Spielzeugen von Mattel verantwortlich war. Aber auch Charlotte Johnson, die Chef-Designerin von Barbies umfangreicher Garderobe, findet sich im Buch wieder.

 

Und so handelt es sich bei diesem Roman um eine interessante Mischung aus Romanbiografie(n) und Betrachtung der Geschichte eines Großunternehmens. Mit allen Höhen und Tiefen. Letztlich ist es - wie bei vielen solcher Firmen - eine Geschichte von Kapitalismus und Macht(gier). Auch wird beleuchtet, was Geld und Ruhm mit einem Menschen machen können (Beispiel Jack Ryan). Die Story ist unterhaltsam aufbereitet und macht Spaß zu lesen - wenn ich auch eine etwas andere Geschichte erwartet hatte.