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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 163 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2023
Mord im Christmas Express
Benedict, Alexandra

Mord im Christmas Express


weniger gut

Ein Krimi, der weder inhaltlich noch in Sachen Stimmung überzeugen kann

Am frühen Weihnachtsmorgen entgleist ein Schlafwagenzug in den Highlands und setzt so den Plänen und der festlichen Stimmung der Zugreisenden ein jähes Ende. Der Zug steckt mitten im Nirgendwo im Schnee fest und unter den Reisenden geht nach dem vermeintlichen Mord an einer bekannten Influencerin die Angst um. Doch es bleibt nicht bei der einen Leiche. Die sich an Bord befindende ehemalige Met-Detektivin Roz Parker, die eigentlich auf dem Weg zu ihrer Tochter war, begibt sich auf Mördersuche.

Die Prämisse des Krimis ist gut, es fühlt sich an wie ein Agatha-Christie-Klassiker - Mord im Zug, verschlossener Raum, viele Verdächtige, die alle irgendwie miteinander verbunden sind, aber die Umsetzung ist enttäuschend.

Der Kriminalroman lässt sich Zeit für den Aufbau der Geschichte, bevor es die erste Leiche gibt, gefolgt von weiteren in rascher Folge, sodass die eigentliche Aufklärung der Verbrechen gegen Ende ziemlich überstürzt wirkt.
Zunächst werden viele Hintergründe und Charaktere oberflächlich eingeführt. Die meisten sind davon unsympathisch und treffen seltsame Entscheidungen, besonders mit Roz wurde ich nicht wirklich warm. Die Leute im Zug sind größtenteils auf irgendeine Weise miteinander verbunden und befinden sich zufällig in einem Zug.
In diese Geschichte wurden so viele Dinge hineingeworfen, dass es sich wie ein Versuch anfühlt, ein Check-Liste von Themen abzuarbeiten. Da wären LGBT-Themen (In einem Satz werden so viele sexuelle Orientierungen wie möglich aufgelistet. Nicht im Kontext, einfach eine Liste, in einem Satz.) Dann eine prominente Influencerin und Details über ihre Markenwerbung, um für Aktualität zu sorgen. Eine ehemalige Met-Detektivin mit einer gezeichneten Vergangenheit. Und natürlich die Themen Mutterschaft und sexueller Missbrauch.
Nun ja, eine glaubhafter und überzeugender Handlungs- und Spannungsaufbau sieht anders aus.
Der Schreibstil ist kurzweilig, aber nichts Besonderes.

Wer auf einen gemütlichen Weihnachtskrimi hofft, wird mit "Mord im Christmas-Express" wenig Freude haben.
*Spoiler* Es kommen Vergewaltigungsdarstellungen, missbräuchlicher Beziehungen und Geburtstraumata vor, teils wenig sensibel beschrieben. Das Einzige weihnachtliche ist, dass es um die Weihnachtszeit spielt und das festliche Buchcover.

Bewertung vom 08.10.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


gut

Schwierig Mutter-Tochter-Beziehung, schwieriges Buch

Die 60-jährige Johanna kehrt nach dreißig Jahren nach Norwegen zurück, wo sie als Malerin inzwischen so erfolgreich ist, dass ihr in ihrem Heimatland eine Retrospektive gewidmet wird. In jungen Jahren entfloh sie einem Leben, das bereits von ihren Eltern, insbesondere ihrem Vater, vorgezeichnet war, um mit ihrem Kunstlehrer Mark, mit dem sie ihren Sohn John bekam, nach Utah zu ziehen. Das Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer Schwester, das nicht gerade idyllisch ist, kühlt sich nach ihrem ersten Werken ab, da sie der Meinung sind, dass es die Familie verunglimpft. Ganz bricht es schließlich dann zusammen, als sie zur Beerdigung ihres Vaters nicht nach Hause zurückkehrt.
Zurück in Norwegen versucht sie, ihre Mutter anzurufen, aber sie reagiert nicht auf ihre Anrufe. Also macht sie sich auf die Suche nach ihrem Wohnort, spioniert sie aus, verfolgt sie, um ihre neuen Gewohnheiten zu ergründen. Nach und nach tauchen Erinnerungen an ihre Kindheit auf, vor allem im Zusammenhang mit ihrer Mutter, die sich als scheinbar sorglose Frau dem Familienleben verschrieben hat, aber in Wirklichkeit unglücklich ist. Das Bedürfnis nach einer klärenden Konfrontation zwischen Johanna und ihrer Mutter wird immer dringender, aber die alte Frau will nichts mehr mit ihrer Tochter zu tun haben.

Obwohl mir bestimmte Elemente des Romans sowie das Gesamtkonzept gefielen, fiel der Roman insgesamt ein wenig flach aus, besonders das Ende konnte mich nicht überzeugen.
Anfangs passiert zunächst nicht viel und der Beginn der Erzählung lässt, für mich an Tempo missen, nach und nach nimmt die Handlung dann aber an Fahrt auf.
Johanna, die Ich-Erzählerin, ist als Erzählerin unzuverlässig, was jedoch den Reiz der Geschichte ausmacht. Etwa die Hälfte der Handlung besteht darin, dass die Ich-Erzählerin Hypothesen über ihre entfremdete Beziehung zu ihrer Mutter und ihrer Schwester heraufbeschwört. Die Protagonistin ist einerseits blind gegenüber sich selbst, andererseits intelligent, einfühlsam, aber insgesamt unsympathisch und etwas nervig. Genau diese ambivalenten Gefühle gegenüber Johanna hielten mein Interesse an der Geschichte wach. Johanna ist regelrecht besessen in Bezug auf ihre entfremdete Mutter, was auf eine beklemmende und bedrückende Art und Weise erzählt wird. Kurze Kapitel und Naturschilderungen, die den Gedanken- und Erinnerungsstrom der Erzählerin über ihre Mutter gelegentlich unterbrechen, tragen zu diesem klaustrophobischen Gefühl bei.

Bis kurz vor Ende des Romanes, war die Entwicklung des Handlungsverlaufs noch vielversprechend, doch dann kam das antiklimatische Ende. Der Roman zeigt bis dahin auf, dass die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern viel komplexer sind, als es den Anschein hat, und dann löst sich das Ende eines Jahrzehnte alten Konfliktes in einem einzigen Ereignis auf. Der lang ersehnte Höhepunkt verpufft regelrecht und beantwortet keine Frage so richtig, was einen unbefriedigt zurücklässt.

Alles in allem ist "Die Wahrheit meiner Mutter" sprachlich und stilistisch ein gut erzählter Roman über eine schwierige Beziehung zwischen Tochter und Mutter, tempomäßig und inhaltlich kann er aber nicht komplett überzeugen, vor allem das Ende ist enttäuschend.

Bewertung vom 08.10.2023
Meine Männer
Kielland, Victoria

Meine Männer


gut

Sprachlich ansprechend, aber inhaltlich zu oberflächlich

Der in abstrakter und leicht verträumter Prosa erzählter Roman "Meine Männer", der auf der wahren Geschichte einer der ersten weiblichen Serienmörderin Amerikas basiert, handelt eigentlich nicht wirklich von der Serienmörderin Belle Gunness, sondern ist eine Meditation über Leidenschaft, Einsamkeit und geistige Instabilität.

1876 verlässt Brynhild Størset im Alter von 17 Jahren Norwegen in Ungnade und geht in die USA, nachdem sie schwanger war und eine Fehlgeburt erlitten hatte. Im Mittleren Westen zieht sie zu ihrer Schwester, die sie noch mehr missbilligt, und nimmt einen neuen Namen an: Belle. Um sich zu arrangieren und nicht aufzufallen, konzentriert sie sich auf ihre Arbeit als Näherin und die Kirche. Sie sehnt sich nach einer Beziehung und einem Kind und lernt Mads Sørensen kennen, der sie zu lieben beginnt. Doch in Belle wächst die Paranoia, sie kann sich nicht niederlassen und rechnet mit Verrat. Trotzdem heiraten sie und bekommen drei kleine Kinder, bevor Mads plötzlich stirbt.

"Meine Männer" ist in einem dichten literarischen Prosa-Stil geschrieben, düster-poetisch, gelegentlich chaotisch und manchmal fast in Form eines Bewusstseinsstroms. Der unscharfe Stil passt zu der Darstellung einer verwirrten Protagonistin, die zunehmend in den Wahnsinn abgleitet. Es ist eine fiktive Wiedergabe einiger Lebensabschnitte von Belle, keine umfassende Biografie von ihr.
Die meiste Zeit befindet man sich in der Gedankenwelt von Belle, der kein schöner Ort ist. Der Eindruck, den man beim Lesen von Belle bekommt, ist der, dass es sich bei ihr um eine kalte und unnahbare Person handelt, die geistig instabil ist, was auf Dauer sich etwas monoton liest. Zwar befindet man sich sehr viel im Kopf der Protagonistin, doch so richtig greifbar wurde beim Lesen Belle für mich nicht. Verstärkt wird dies dadurch, dass die Geschichte ziemliche Zeitsprünge vor und zurück macht und es nicht immer einfach ist, den Überblick zu behalten.

Einen Blick in den Kopf einer Mörderin zu bekommen ist sicherlich, was den Reiz an "Meine Männer" ausmacht, die literarische Umsetzung jedoch konnte mich nicht ganz abholen. Der poetisch angehauchte Schreibstil schafft es zwar gut eine düstere und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, doch verbleibt er inhaltlich und emotional nur an der Oberfläche. Die zeitlichen und inhaltlichen Sprünge lassen die Handlung zu fragmentiert erscheinen, sodass ich am Ende des Romanes, das Gefühl hatte, es würde etwas fehlen.

Interessant und sprachlich ansprechend, aber nicht von der emotionalen Wucht, die ich mir erhofft habe.

Bewertung vom 08.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Virtuos erzählter Roman über G. W. Pabst

Daniel Kehlmanns neuer Roman stellt den einst gefeierten und heute weniger bekannten deutschen Regisseur Georg Wilhelm Pabst ins Rampenlicht, um ihn dann wieder in den Schatten zu stellen, entsprechend seiner Rolle als Regisseur hinter der Kamera.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven, darunter z.B. die von Pabsts Frau Trude, seinem Sohn Jakob und die seines Assistenten, wird nicht nur ein interessantes Porträt von G. W. Pabst, sondern auch von der damaligen Zeit gezeichnet.

Am Anfang des gewohnt virtuos erzählten Romans steht jedoch der fiktive Franz Wilzek, der mit Pabst zusammen gearbeitet hat und eine bedeutende Rolle im Falle des verschollenen Pabst Film "Der Fall Molander" gespielt hat.
Danach taucht man in die 30er- und 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Zunächst emigriert Pabst nach Hollywood und versucht dort sein Glück, jedoch sein Film "A Modern Hero" scheitert krachend. Er kehrt nach Österreich zurück, um dort sich um seine kranke Mutter auf Schloss Dreiturm zu kümmern. Währenddessen versucht Goebbels Pabst für sich gewinnen, damit er Filme für Nazideutschland dreht. Zunächst versucht Pabst nicht dem Werben von Goebbels nachzugeben, doch mit Kriegsbeginn ändert sich seine Einstellung diesbezüglich.

Ähnlich rasant geschrieben wie ein spannendes Drehbuch, zieht die Handlung, in der geschickt tatsächliche Ereignisse zu einer fiktiven Geschichte verwoben werden, den Lesenden in ihren Bann.
Anfangs noch leicht verwirrend setzen sich nach und nach die einzelnen Erzählperspektiven zu einer Geschichte zusammen, in der es um Kunst, Macht und auch um die Frage nach Verantwortung geht.
Darf man im Namen der Kunst auch für ein menschenverachtendes Regime arbeiten oder wird dadurch das eigene künstlerische Werk unwiderruflich beschmutzt? Beim Lesen stellt man sich diese Fragen, ohne dabei so richtig eine Antwort darauf zu bekommen, wie G. W. Pabst darüber gedacht hat, denn der Roman lässt die Gedanken und Gefühle von Pabst seltsam außen vor. Allen anderen Charaktere sind greifbarer als die Hauptfigur des Romans selbst.

Hätte Kehlmann es geschafft, Pabst noch mehr hervortreten zu lassen, hätte "Lichtspiel" ein großartiges Werk werden können, so ist es besonders sprachlich und stilistisch immer noch großartig, aber inhaltlich hat es nicht die Wucht, die ich mir erwartet habe.
Dennoch hat mir "Lichtspiel" ein tolles Lesevergnügen bereitet und ist nicht nur für Fans von Kehlmann lesenswert.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2023
Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam (eBook, ePUB)
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam (eBook, ePUB)


gut

Einem Mordclub, dem es an Schwung und Charme fehlt

Mrs. Potts Mordclub ermittelt wieder und die 78-jährige Rentnerin Judith, die 40-jährige Becks, Frau des örtlichen Pfarrers und Suzie, jetzt Moderatorin bei Marlow FM, kommen zusammen, um den Mord an Sir Peter Bailey aufzuklären. Sir Peter hatte Judith zu seiner Feier einen Tag vor seiner Hochzeit eingeladen, weil er befürchtete von seinem Sohn umgebracht zu werden. Neben Judith sind auch Suzie und Becks auf der Feier, die durch Sir Peters Tod ein jähes Ende findet. Sir Peters Leiche wurde in einem verschlossenen Raum aufgefunden, auch gab es keine Zeugen. Die Polizei glaubt nicht an einen Mord und so ermitteln die drei und sammeln Hinweise auf den Täter.

Kurzweilige und humorvolle Unterhaltung habe ich mir vom zweiten Buch der Reihe erhofft, doch leider konnte mich der neue Fall für Mrs. Potts Mordclub nicht so richtig überzeugen.
Anfangs geht es noch hoch her, denn der Mord an Sir Peter Bailey lässt nicht lange auf sich warten. Doch als es dann an die Ermittlungsarbeit der drei Damen geht, verliert der Kriminalroman zunehmend an Schwung und verliert sich unnötigen Nebensächlichkeiten und Gesprächen. Mit einem verschlossenen Mordzimmer und einer angespannten Familiendynamik, die die ganze Zeit über brodelt und ein paar überraschenden Wendungen, weiß der Kriminalfall durchaus für spannende Momente zu sorgen, auch wenn die Struktur des Verbrechens schon zu Beginn des Buches ziemlich offensichtlich ist. Enttäuschenderweise können die drei Damen diesmal jedoch nicht so richtig überzeugen, besonders Judith fand ich mit zunehmender Buchlänge leicht nervig und irritierend. Sie waren alle drei nicht so charmant wie im ersten Band und mischten sich meiner Meinung nach auch zu sehr in das Leben anderer ein.

Ein Mordfall, der alle Zutaten für einen spannenden und unterhaltsamen Krimi hatte, aber zu viele Seiten brauchte, um von dem diesmal weniger charmanten Mrs. Pott Mordclub aufgelöst zu werden, so präsentierte sich "Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam" für mich.

Bewertung vom 08.10.2023
Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2
Storm, Andreas

Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2


ausgezeichnet

Kurzweiliger Kunstkrimi

3.5 von 5

Ein surrealistisches Gemälde wird gestohlen, womit für Lomberg eine Reise nach Spanien und in die eigene Vergangenheit beginnt. Bei dem entwendeten Gemälde handelt es sich um eines, dass den deutschen Verteidigungsminister in starke Bedrängnis bringen könnte, wenn nämlich bekannt werden würde, wie er in den Besitz davon gekommen ist. Denn eng verbunden mit dem Gemälde sind politische Verstrickungen bis in höchste Ebenen und Korruption, die bis in die Franco-Diktatur in Spanien zurückreichen, in denen auch der Vater des Verteidigungsministers seine Hände mit im Spiel hatte. Lomberg beginnt im Auftrag des Ministers zu ermitteln und wird dabei von seiner Tochter, seiner Sekretärin und der Kriminalrätin und seiner Liebespartnerin Röhm tatkräftig unterstützt.

Ähnlich wie im ersten Band der Reihe, gibt es parallel zur Handlung im Jahr 2016 mehrere Rückblicke in die Vergangenheit, in denen man mehr über die Geschichte des Gemäldes kennenlernt und was es mit den politischen Verstrickungen alles auf sich hat. Und das sind einige. Beginnend mit der Künstlergruppe rund um Dali, über die Nazi-Zeit, die Franco-Diktatur in Spanien bis in tief in die 1960er-Jahre hinein, wird eine spannende Geschichte vor historischem Hintergrund gesponnen, die so oder so ähnlich auch wirklich sich hätte ereignen können.

Dank kurzer Kapitel und wechselnder Erzählperspektiven baut "Die Akte von Madrid" nach und nach Spannung auf und man wird schnell in das Mysterium rund um das verschwundene Bild hineingezogen. Unterbrochen wird der Lesefluss jedoch hie und da durch den etwas zu beschreibenden und ausschweifenden Erzählstil, wodurch der Krimi sich eher wie eine gut erzählte Geschichte mit Kriminalelementen liest. Fans des ersten Bandes werden trotzdem auf ihre Kosten kommen.

Insgesamt ist "Die Akte von Madrid" ein gut durchdachter Krimi, dessen Stärke in der Vermischung von Kunst-, Krimi- und historischen Elementen liegt. Eine gute Charakterdarstellung sowie ein eingängiger und leicht zu lesender Schreibstil tun ihr Übriges. Am Ende löst sich der Fall für mich zwar etwas zu einfach und zufällig, aber die Entwicklungen im Epilog machen neugierig auf den dritten Band.

Bewertung vom 30.09.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


sehr gut

Bedrückend und fesselnd zugleich

In dem überraschend fesselnden Roman "Ich, Sperling" begleitet man einen Sklavenjungen unbekannten Alters, unbekannter Herkunft und unbekannten Namens von seiner frühen bis mittleren Kindheit, wie er zunächst als Haushaltssklave und dann als Kinderprostituierte im heutigen Cartagena in einer Taverne lebt. Als er Jahrzehnte später aus Großbritannien schreibt, erinnert sich Sperling an sein damaliges Leben.

Dank der ausführlichen bildlichen Beschreibung bekommt man ein Gefühl für den Ort und die Zeit, in der das Buch spielt. Der begrenzte Lebens- und Handlungsraum von Sperling erwacht zum Leben, wenn er sich in den Straßen von Karthago Nova bewegt oder in den engen und bedrückenden Wänden des Bordells, in dem er lebt. Manchmal hindert jedoch der bildhafte Erzählstil die Handlung am Vorankommen, besonders am Anfang dauerte es etwas, bis die Geschichte wirklich in Gang kommt.

"Ich, Sperling" ist eine gut geschriebene, atmosphärische und teils auch deprimierende Lektüre.
Sperling durchbricht an einer Stelle die vierte Wand und sinniert darüber, dass wahrscheinlich niemand jemals seine Gedanken lesen wird, was meiner Meinung nach das Thema dieses Romans, die völlige Hoffnungslosigkeit, auf den Punkt bringt. Es gibt kein Happy End, keine Antworten auf die offenen Fragen, wodurch der Schluss des Buches im Vergleich zum Rest des Buches etwas abfällt.
Die verschiedenen Charaktere sind mehr oder weniger komplex, was aber auch an der gewählten Erzählperspektive aus der Sicht von Sperling liegen könnte. Bedingt dadurch, dass man das Alter von Sperling nicht weiß, fällt es oft schwer, die Geschehnisse zeitlich einzuordnen, was teils für Verwirrung sorgt.
Es ist kein leichter Roman, er schreckt nicht davor zurück, das harte Leben eines Sklavenjungen in einem antiken römischen Bordell darzustellen. Doch so schrecklich manche Szenen auch sind, so fliegt man ähnlich wie ein Sperling über die Dächer von Rom fliegt durch die Seiten des Romanes.

Fazit: Ein toller historischer Roman aus der Sicht eines Sklavenjungen im alten römischen Reich, der trotz kleiner Schwächen im Erzähltempo und der Charakterdarstellung, zu überzeugen und zu berühren weiß.

Bewertung vom 30.09.2023
Ingenium
Trussoni, Danielle

Ingenium


weniger gut

Verworren und langatmig - ein fesselndes Rätsel sieht anders aus

Träume, Rituale, Puzzles, Rätsel, Porzellanpuppen, Gebetskreise, ein zweigeschlechtlicher Gott, das Gottesrätsel, künstliche Intelligenz, Quantenphysik und ehe man sich versieht, steht die Zukunft des Universums und der Menschheit auf dem Spiel.
Wer dabei noch den Überblick behält und nicht verwirrt zurückbleibt, der könnte Gefallen an "Ingenium" finden.
Mir war es jedoch zu verworren, die unterschiedlichen Puzzleteile (verschiedene Handlungsstränge, Wendungen und Botschaften) fügten sich für mich nicht zu einem kompletten Puzzle zusammen.

Der Anfang des Buches hat noch neugierig gemacht.
Zu Beginn lernt man Mike Brink kennen, einen Rätselersteller, bei dem nach einer traumatischen Hirnverletzung das Savant-Syndrom diagnostiziert wurde. Diese seltene Krankheit erlaubt es ihm, Muster in allem zu sehen, und verleiht ihm die einzigartige Fähigkeit, Rätsel bzw. Puzzle zu konstruieren und zu lösen. Auf Veranlassung eines Psychiaters wird er in ein Frauengefängnis im Bundesstaat New York gerufen, dessen Patientin Jess Price kein Wort mehr gesprochen hat, seit sie wegen des Mordes an ihrem Freund verhaftet wurde. Doch nun hat Jess eine Nachricht für Mike, die ihn in ein komplexes altes Rätsel und ein tödliches Spiel mit höchstem Einsatz verwickelt.

Durch die Einbeziehung von Auszügen aus Jess' Tagebuch und Briefen, die ein mysteriöser Puppenmacher vor mehr als hundert Jahren geschrieben hat, wird zu Anfang Spannung aufgebaut. Doch dann kamen immer mehr verschiedene Handlungsstränge und Nebenschauplätze hinzu, bis alles unglaublich verworren und esoterisch wird. Was als Rätselabenteuer mit faszinierenden historischen Elementen beginnt, entwickelt sich schnell zu einer verworrenen Handlung mit Quantenphysik, künstlicher Intelligenz und verschiedenen religiösen Aspekten. Alles interessante Themen - aber sie gehören nicht alle in die Handlung dieses Buches. Es schien, als würde Trussoni immer wieder neue Ideen einführen und dann die vorherigen Ideen sofort wieder verwerfen.
Außerdem sind die Charaktere sehr flach. Zu keinem Zeitpunkt sind sie als dreidimensionale Personen greifbar. Sie bleiben farblos und blass und das trotz interessanter Hintergrundgeschichten. Ebenso konnte die Liebesgeschichte und wie sie zustande kommt, nicht überzeugen, von den problematischen Aspekten einmal abgesehen.
Anteil daran hatte auch der sehr beschreibende Schreibstil. "Show, don't tell" scheint der Autorin nicht wirklich ein Begriff zu sein.

"Ingenium" macht für mich den Eindruck, dass versucht wurde, etwas Kluges und Rätselhaftes zu schreiben, dass dann in einem verwirrenden und langatmigen Mix aus Thriller, Fantasy, Science Fiction und Mystery endete und dabei keinem Genre so richtig gerecht wird.
Auch von Spannung kann keine Rede sein. Trotz der zahlreichen Wendungen und endlosen übernatürlichen und mysteriösen Fäden fehlt der Nervenkitzel.
Die stilistischen Probleme, zusammen mit einigen Handlungslücken und der chaotischen Natur der zu vielen Handlungsstränge machen "Ingenium" zu einer enttäuschenden, wenig fesselnden Lektüre und nicht zu dem anfangs erwartenden spannenden Rätsel.

Bewertung vom 30.09.2023
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


sehr gut

Eiskalte Spannung am Polarkreis

Es ist Ferienzeit im Wintersportort Are. Die weiße und friedliche Idylle wird jedoch von einem männlichen Leichenfund gestört. Die Leiche des ehemaligen Skirennfahrers Johan Andersson weist starke Misshandlungen auf und scheint zu Lebzeiten keine bekannten Feinde gehabt zu haben. Hanna und Daniel übernehmen die Ermittlungen in dem Mordfall und finden sich bald in einem Vermisstenfall, in dem es um Leben und Tod geht, wieder.

Wie aus dem ersten Band gewohnt, sorgen kurze Kapitel, die aus wechselnden Perspektiven erzählt werden, dafür, dass die Spannung konstant hochgehalten wird. Zudem tragen zahlreiche Wendungen bzw. neue Handlungsentwicklungen dazu bei, dass es schwerfällt, mit dem Lesen aufzuhören.
Dazu kommt eine gut durchdachte und überzeugende Krimihandlung, die einen bis zum Ende hin zu fesseln weiß.
Die Autorin schafft es außerdem gut, die Gefühle der handelnden Charaktere sowie die Stimmungen einzufangen, wodurch ein atmosphärischer und fesselnder Krimi entsteht. Dabei hält sie gut die Waage zwischen Einblicken in das Privatleben der einzelnen Personen und den Ermittlungen. Man fühlt sich regelrecht in die kalte Landschaft von Are versetzt und kann Daniels Schwierigkeiten Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sowie Hannas schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter gut nachvollziehen.

Weniger gut gefallen hat mir, dass zum einend durch die wechselnden Perspektiven manche Handlungsaspekte leicht wiederholt wurden, was jedoch beides nicht zu großartigen Abstrichen im Spannungsaufbau führt. Zum anderen ist die Handlung in der Gegenwart im Präsens geschrieben, woran ich mich anfangs erst gewöhnen musste.

Wer schon Gefallen am ersten Band gefunden hat, den wird auch der zweite Band der packend erzählten Polarkreis-Krimi-Reihe rund um die beiden Ermittler Hanna und Daniel begeistern. Auch Fans gut geschriebener atmosphärischer Krimis mit Spannung bis zum Schluss werden mit "Tief im Schatten" auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 30.09.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


gut

Kurzweiliger Schwedenkrimi

An einem kalten Wintermorgen beobachtet eine ältere Frau, wie eine junge Frau auf das dünne Eis eines Sees läuft. Das Eis bricht ein und die Frau ertrinkt. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau neu in Harlösa ist und niemand sie näher zu kennen scheint. Die ältere Frau, die das Einbrechen der Frau beobachtet hat, ist die Großmutter der Polizistin Fredrika Storm. Frederika ist nach einem Vorfall bei ihrer vorherigen Polizeibehörde wieder in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Gemeinsam mit ihrem neuen Kollegen Henry Calment nimmt Fredrika die Ermittlungen auf. Doch schnell werden die Ermittlungen für Fredrika verkompliziert, denn es kommen Hinweise auf, die auf dunkle Geheimnisse in ihrer eigenen Familiengeschichte hindeuten. Ihr an sich schon schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie wird dadurch noch mehr belastet.
Bekommt Fredrika nun endlich Antworten auf die Frage, warum ihre Mutter vor 20 Jahren aus dem Dorf verschwand? Gibt es eine Verbindung zwischen dem Verschwinden ihrer Mutter und der toten Frau?

"Schwarzvogel" ist ein atmosphärischer Kriminalroman und der Auftakt einer neuen Reihe um die Ermittler Fredrika Storm und Henry Calment.
Der Erzähstil des Kriminalromans ist flüssig und bildhaft und sorgt dank der unterschiedlichen Erzählperspektiven und kurzen Kapitel, dass sich das Buch schnell wegliest.
Anfangs noch etwas gemächlich, nimmt die Handlung nach und nach an Fahrt auf und gewinnt vor allem zum Ende hin deutlich an Spannung.
Gut gefallen hat mir die lebendige Landschafts- und Charakterbeschreibung. Die Autorin schafft es gekonnt, das Leben und die Mentalität in einer schwedischen Kleinstadt einzufangen. Die verschiedenen Charaktere und ihre Beziehungen untereinander werden auf glaubwürdige Art und Weise geschildert, sodass die Figuren insgesamt glaubwürdig, sympathisch, lebendig und vielschichtig wirken. Besonders Fredrika und Henry sind gut ausgearbeitet. Man lernt beide näher kennen und man merkt schnell, dass beide facettenreiche Charaktere zu sein scheinen. Vieles wird zwar nur angedeutet, wodurch aber die Neugier geweckt wird, in den folgenden Bänden mehr über die beiden als Einzelperson und wie sich beide als Team weiterentwickeln werden, zu erfahren.

Einzig die Handlung konnte mich nicht ganz überzeugen. Besonders die Tatsache, dass Fredrika trotz möglicher familiärer Verstrickungen lange in die Ermittlungsarbeit eingebunden ist, ist wenig glaubwürdig. Auch sorgen ihre Alleingänge zwar für Spannung, stehen aber nicht gerade für Professionalität. Realistisch sieht anders aus.
Was mir auch weniger gut gefiel war, dass zum Ende hin, manches sich zu einfach auflöste. Plötzlich brachen Leute ohne wirklich ersichtlichen Grund ihr langes Schweigen und der Fall löste sich wie aus Zauberhand. Ein paar mehr Seiten hätten dem Krimi am Ende sicherlich gutgetan. Immerhin macht eine Entwicklung am Ende neugierig auf den nächsten Band.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen Krimi mit stimmungsvoller und authentischer Landschafts- und Charakterbeschreibung ist und ein neues vielversprechendes Ermittler-Team kennenlernen will, macht mit "Schwarzvogel" sicherlich nicht viel falsch.