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Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 29.12.2024
Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte
Moers, Walter

Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte


ausgezeichnet

Eine Sammlung für eingefleischte Zamonien-Fans

„Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ ist eine zamonische Flabel-Sammlung von Walter Moers. Wer Walter Moers kennt, weiß, dass er sich in seinem zamonischen Oeuvre an Gattungen der Weltliteratur abarbeiten: Dieses Mal hat er sich – wie der Titel nahelegt – mit der Gattung der Fabel beschäftigt, die er hier persifliert. Wie bereits in anderen Zamonien-Romanen bedient sich Moers hier einer Autorfiktion: Moers gibt sich nur als Übersetzer der Flabeln aus, die eigentlich der große zamonische Dichter Hildegunst von Mythenmetz geschrieben hat. Die Flabeln thematisieren unterschiedliche Figuren aus dem zamonischen Kosmos: Neben Einhörnchen treten Ubufanten, Birkenfüchse oder Musiktiere auf. Behandelt werden kleine Episoden der Figuren, die fabel-haften Charakter besitzen: Ein Biber und ein Kristallskorpion befinden sich in einer ausweglosen Situation, ein Ubufant will fliegen, ein Werwolf ist auf der Sinnsuche und eine fleischfressende Pflanze will vegetarisch leben. Gerade in den Moralen der Geschichten (ja, das ist die Mehrzahl von „Moral“, was ich bis eben auch nicht wusste), die nicht unbedingt so enden, wie man von Fabeln gewohnt ist, findet sich immer eine Spur Gesellschaftskritik. Wie von Moers gewohnt werden die Flabeln mit viel Wortwitz erzählt. Ein Highlight ist vor allem Moers‘ Nachwort, das eine poetologische Reflexion über Arten des Humors beinhaltet. Die Flabelsammlung hat einen Umfang von ca. 150 Seiten; zudem finden sich wieder Moers-typische Illustrationen, die dieses Mal recht raumgreifend sind und auch ganze Seiten in Anspruch nehmen. Dementsprechend ist das Lesevergnügen eher kurz (bei gemütlichem Lesen kann man die Flabeln an einem Abend durchlesen). Für mich ist „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ daher insgesamt eher ein Moers für zwischendurch: Ein netter Ausflug nach Zamonien, der aber natürlich – bedenkt man allein schon den Umfang – nicht an „Rumo“, „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“, „Die 13 ½ Leben des Käpt‘n Blaubär“ herankommen kann (und ich denke: auch gar nicht will). Für eingefleischte Zamonien-Fans definitiv ein Muss; die Lesenden, die noch Fans werden möchten, sollten erstmal zu einem anderen Roman aus dem Zyklus greifen.

Bewertung vom 29.12.2024
Die Geschichten in uns
Wells, Benedict

Die Geschichten in uns


ausgezeichnet

Ein emphatischer Schreibratgeber

„Die Geschichten in uns“ ist ein autobiografischer Schreibratgeber von Benedict Wells. Die Bezeichnung „Schreibratgeber“ trifft es dabei eigentlich nicht ganz; der Begriff greift zu kurz, was hoffentlich im Laufe der Rezension deutlich wird (In Ermangelung eines griffigeren Begriffes nutze ich diesen aber dennoch). „Die Geschichten in uns“ setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Die ersten ca. 100 Seiten mit dem Titel „Der Weg zum Schreiben“ thematisieren Wells Autoren-Werdegang – vom Aufkeimen des Wunsches, Schriftsteller zu werden, über einsame Nächte in der Berliner Wohnung, euphorische Momente des Flows, die von kritischen Stimmen wieder gedämpft wurden, und unzählige Überarbeitungen bis zum Verlagsvertrag bei Diogenes (der Wells Wunschverlag war). Dieser Teil ist besonders interessant für Wells-Leser*innen, zeigt Wells sich hier doch sehr persönlich und nahbar. Der zweite Teil richtet sich eher an Schreiberlinge. Denn: Wells zeigt hier exemplarisch auf, wie er schreibt. Dabei spricht er Prozesse wie das „Finden“ einer Idee und das Überarbeiten der Handlung an. In diesem Kontext thematisiert er außerdem konkrete Werkzeuge zum Überarbeiten einer Geschichte (wie bspw. Dialoge, Timing, doppelte Schleifen oder auch das Nichtschreiben). Dieser zweite Teil schließt mit konkreten Einblicken in den Entstehungsprozess von zwei Romanen, die aus Wells' Feder stammen: Wells stellt frühere Fassungen von Auszügen aus „Vom Ende der Einsamkeit“ sowie „Hard Land“ vor. Obwohl der zweite Teil sich eher an Schreiberlinge richtet, gilt auch hier: Wells-Leser*innen kommen nicht zu kurz. Immer wieder verweilt Wells bei seinen eigenen Romanen, exemplifiziert seine Ratschläge an diesen und gibt Insights in den Entstehungsprozess seiner Beststeller, was durchaus für Nicht-Autor*innen interessant ist. In beiden Teilen geht Wells sehr offen mit seinem Leben und dem Schreiben um, ist selbstkritisch- und reflexiv. Immer schlägt er einen emphatischen Ton ein und schreibt anschaulich, sodass sich der eher theoretische zweite Teil nicht wie Theorie liest, sondern wie die Ratschläge eines lieben Freundes. Insgesamt ist „Die Geschichten in uns“ ein informatives Buch für Fans von Benedict Wells, ein Mutmacher für Autor*innen sowie ein emphatischer Ratgeber für alle Schreiberlinge.

Bewertung vom 29.12.2024
Haus des Vergessens
Carrisi, Donato

Haus des Vergessens


ausgezeichnet

Ein hochspannender Thriller, dessen Ende für mich allerdings zu offen war
Inhalt: Toskana. Ein Junge wird allein in einem Waldstück gefunden. Schnell wird offenbar: Es handelt sich um den zwölfjährigen Nico, der seit Monaten spurlos verschwunden war. Äußerlich scheint es Nico verhältnismäßig gut zu gehen, doch er ist verstummt. Um zu erfahren, was mit Nico geschehen ist, wird der renommierte Kinderpsychologe Pietro Gerber hinzugezogen, der Nico unter Hypnose ein Geständnis entlockt: Nico behauptet, seine Mutter, die mit ihm verschwunden war, getötet zu haben – doch Pietro Gerber ist sich sicher, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Vielmehr vermutet Gerber, dass Nico – während er verschwunden war – von einer Person manipuliert worden ist, die Nico als Sprachrohr für ihre Botschaften nutzt…

Persönliche Meinung: „Haus des Vergessens“ ist ein Thriller von Donato Carrisi. Es handelt sich nach „Haus der Stimmen“ um den zweiten Band, in dem Pietro Gerber die Hauptrolle spielt. Zwar wirken die Ereignisse aus Band 1 auf das Leben von Gerber ein, allerdings spielt die Handlung des ersten Bandes ansonsten kaum eine Rolle im aktuellen Fall, sodass man die Bände auch unabhängig voneinander lesen kann. Wie im Inhaltsteaser bereits angedeutet, erwartet die Lesenden mit „Haus des Vergessens“ ein fesselnder wie komplexer Thriller, der mit mehreren Erzählstrangen auftrumpft: Im Haupthandlungsstrang begleiten wir in personaler Perspektive Gerber, der – einer Schnitzeljagd gleich – Hinweise sucht, mit denen er Nico die Botschaft, die ihm von seinem Entführer einprogrammiert worden ist, entlocken kann. Diese Botschaft des Entführers, die aus der Ich-Perspektive erzählt wird, bildet den zweiten Handlungsstrang: Hier behauptet der namenlose Entführer Nicos, ein Fremder habe vor Jahrzehnten – als der Entführer selbst noch ein Kind war – seine Eltern ermordet und ihn gefangen gehalten. Diese Erzählung des Entführers ist wirklich spannend, da sie einem Vexierspiel gleicht, bei dem man nicht weiß, was gelogen und was real ist. Zudem finden sich innerhalb der Handlung mehrfach Cliffhanger und überraschende Wendungen, sodass man den Thriller kaum weglegen kann. Soweit also eine perfekte Thrillerlektüre – und jetzt kommt leider, leider, leider das „aber“: für mich nicht bis zum Schluss. Das Ende schließt nicht alle Handlungsfäden ab, nicht jede ausgelegte Brotkrume wird schlussendlich wieder aufgesammelt, sodass man als Lesender zuletzt stellenweise ein bisschen ratlos zurückbleibt. Meine Hoffnung ist hier, dass der dritte Band, den das Ende des 2. Bandes anteasert, etwas mehr Klarheit schafft, sodass auch die Handlung von „Haus des Vergessens“ runder wird. Insgesamt ist „Haus des Vergessens“ ein fesselnd geschriebener, komplexer und hochspannender Thriller, dessen Auflösung leider für mich hinter der fulminanten Handlung zurückbleibt.

Bewertung vom 29.12.2024
Das größte Rätsel aller Zeiten
Burr, Samuel

Das größte Rätsel aller Zeiten


ausgezeichnet

Ein einfühlsam erzählter Roman über Freundschaft, Liebe und das Finden des Selbst

Inhalt: Seit 25 Jahren, als man ihn als Säugling in einer Hutschachtel vor Creighton Hall fand, ist Clayton Mitglied der „Gemeinschaft der Rätselmacher“ – einer Gruppe leicht eigenwilliger Menschen, die die Liebe zum Kreieren von Rätseln aller Art (seien es Puzzle, Kreuzworträtsel oder Irrgärten) eint. Allerdings ist Clayton bei weitem das jüngste Mitglied: Alle anderen könnten seine Großeltern sein. Da die anderen Mitglieder nicht mehr die Jüngsten sind, drängt die Zeit: Will Clayton das Geheimnis um seine Herkunft lüften, muss er sich beeilen – und als unverhofft ein Hinweis auf die Identität seiner Eltern auftaucht, verliert Clayton keine Zeit: Er begibt sich auf das Abenteuer seines Lebens…

Persönliche Meinung: „Das größte Rätsel aller Zeiten“ ist ein Roman von Samuel Burr. Erzählt wird er in zwei Handlungssträngen: Im ersten Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, begleiten wir Clayton auf der Suche nach seiner Herkunft. Im zweiten Erzählstrang begegnen wir Pippa, der Gründerin der „Gemeinschaft der Rätselmacher“. Dieser Strang spielt in der Vergangenheit: Thematisiert wird hier die Geschichte der „Gemeinschaft der Rätselmacher“ – über die Gründung dieser, den Zusammenschluss der Rätselmacher in eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft, das Überstehen von unterschiedlichen Krisen bis hin zum Auffinden des Findelkindes Clayton. Sowohl Pippa und Clayton als auch die anderen Mitglieder der Gemeinschaft werden lebendig geschildert: Sie haben ihre Ecken und Kanten, sind unbedarft, haben allerdings ihr Herz am richtigen Fleck. Erzählt wird die Handlung des Romans behutsam, immer auf eine einfühlsame Art und Weise. Inhaltlich wird eine Vielzahl verschiedener Themen angesprochen (ohne, dass der Roman überladen wirkt): So spielen neben Identitätskonflikten unterschiedlicher Art u.a. das Älterwerden, der Verlust geliebter Menschen, die Veränderung von Freundschaften sowie die Liebe eine wichtige Rolle innerhalb des Romans. Eine Besonderheit des Romans ist, dass sich immer mal wieder kleine Rätsel zum Selberlösen, wie Kreuzworträtsel oder Labyrinthe, innerhalb der Handlung finden. Am Ende findet sich zudem eine schöne Wendung, mit der man nicht rechnen kann. Insgesamt ist „Das größte Rätsel aller Zeiten“ ein einfühlsamer Roman über Freundschaft, Liebe und das Finden des Selbst.

Bewertung vom 16.08.2024
Finster
Menger, Ivar Leon

Finster


ausgezeichnet

Ein filmreifer Thriller!

Katzenbrunn, ein kleines Dorf irgendwo im Odenwald, im Mai 1986. Nikolaus, ein 13-jähriger Junge, verschwindet spurlos vom Jahrmarkt. Ein Umstand, der im Dorf häufiger vorkommt: In unregelmäßigen Abständen schlägt der „Greifer“, wie der Entführer genannt wird, zu und nimmt Jungen mit sich. Die Polizei tappt im Dunkeln, sodass Hans J. Stahl, Kriminalkommissar a.D., seine früheren Ermittlungen aufnimmt und nach Katzenbrunn zurückkehrt. Doch während Stahl das Rätsel um Nikolaus‘ Verschwinden zu lösen sucht, schlägt der „Greifer“ wieder zu…

Persönliche Meinung: „Finster“ ist ein Thriller von Ivar Leon Menger. Erzählt wird der Thriller aus zwölf unterschiedlichen Erzählperspektiven (hauptsächlich personal, z. T. auch aus der Ich-Perspektive). Aber keine Sorge: Die Perspektivwechsel werden deutlich markiert; jede Figur hat ihren eigenen Ton, sodass man während der Lektüre nicht durcheinanderkommt. In den verschiedenen Perspektiven wird gewissermaßen der gesamte kleinstädtische Mikrokosmos abgebildet: So kommen – neben Stahl – auch die Wirtin des lokalen Gasthofes, ein kürzlich Zugezogener, ein Arzt sowie der Pfarrer Katzenbrunns zu Wort (um nur ein paar Perspektiven zu nennen). Dabei wird schnell klar: Fast jede Figur besitzt ein Geheimnis, ist irgendwie suspekt, sodass eine hohe Spannungskurve entsteht und man permanent miträtselt, wer denn jetzt der „Greifer“ sein könnte. Falsche Fährten werden dabei geschickt gelegt, was die Spannung weiter erhöht. Daneben ist die Handlung – eiskalt – wendungsreich. Ohne hierzu zu viel verraten zu wollen: Wirklich ganz großes Kino! (Diejenigen, die den Thriller bereits gelesen haben, wissen genau, was ich meine; alle anderen: greift (no pun intended) zum Buch, ums zu erfahren 🙃). Zusätzlich ist „Finster“ sehr atmosphärisch: Katzenbrunn mit seinem verbarrikadierten Fotogeschäft, dem eigenartigen Brunnen, seinen Wäldern und absonderlichen Bewohnern wirkt permanent bedrohlich und bizarr. Der Schreibstil von Ivar Leon Menger ist anschaulich und sehr flüssig zu lesen; passagenweise auch beklemmend, was die Atmosphäre des Thrillers dichter macht. Kurz: „Finster“ ein wendungsreicher, fesselnder sowie atmosphärischer Thriller, den man kaum beiseitelegen kann.

Bewertung vom 15.08.2024
Schrei am Main
Nähle, Kirsten

Schrei am Main


ausgezeichnet

Ein fesselnder Krimi mit hoher Spannungskurve

Inhalt: Seit Jahren war Robert nicht mehr in seinem Heimatdorf nahe Würzburg. Der ungeklärte Mord an seiner Schwester Marlene, der mittlerweile 20 Jahre her ist, saß zu tief. Doch nun ist seine Mutter schwer erkrankt, sodass er sie besuchen möchte. Im Dorf hat sich kaum etwas verändert: Robert trifft auf damalige Freunde seiner Schwester sowie auf ehemals im Mordfall Verdächtigte. Als seine Mutter ihm offenbart, dass sie nicht sterben möchte, ohne zu wissen, wer ihre Tochter ermordet hat, wendet sich Robert an die Privatdetektivin Valentina Wallrapp. Gemeinsam versuchen die beiden, den Cold Case zu klären…

Persönliche Meinung: „Schrei am Main“ ist ein Regiokrimi von Kirsten Nähle, der in und um Würzburg spielt. Erzählt wird die Handlung auf zwei, sich in einem stimmigen Tempo abwechselnden Zeitebenen aus drei Ich-Perspektiven. Während man in der Gegenwart (hier: im Jahr 2019) Robert und Valentina bei ihren Ermittlungen begleitet, erfährt man in einem zweiten, im Jahr 1999 spielenden Handlungsstrang aus der Perspektive von Marlene, was an ihrem Todestag geschah. Der Krimi startet schön undurchsichtig und spannend: Ein anonymer Brief wirft ein neues Licht auf den Mord, eine Person legt am Todestag Marlenes eine Rose auf deren Grab, einzelne Menschen im Dorf scheinen mehr zu wissen, als sie zugeben möchten, und auch Robert trägt ein Geheimnis mit sich. Zum weiteren Verlauf des Krimis möchte ich darüber hinaus gar nicht zu viel verraten. Nur: Die Spannungskurve ist sehr hoch, die Lektüre fesselnd, man wird zum Miträtseln eingeladen und es finden sich Wendungen, mit denen man nicht unbedingt rechnet. Der Schreibstil von Kirsten Nähle ist anschaulich sowie flüssig und angenehm zu lesen. Insgesamt ist „Schrei am Main“ ein fesselnder Regiokrimi mit einer hohen Spannungskurve.

Bewertung vom 08.08.2024
Death. Life. Repeat.
Finch, Louise

Death. Life. Repeat.


sehr gut

Ein spannender Jugendroman, der ein gesellschaftlich wichtiges Problem behandelt

Inhalt: Es ist der Jahrestag des tödlichen Unfalls von Spencers Mutter. Verkatert erwacht er in seinem Auto auf dem Schulparkplatz: Clara, eine Mitschülerin, hat sein Auto touchiert – eigentlich kein großer Schaden, doch Spencer trifft dieser umso stärker, da der Wagen ein Erinnerungsstück an seine Mutter ist. Zu allem Überfluss hat sein bester Freund Anthony für heute eine seiner legendären Partys geplant, von der Spencer sich – obwohl er gerne würde – nicht entziehen kann. Die Party endet grauenvoll: Clara, die während der Party von Anthony bedrängt wurde, flieht aus dem Haus, läuft vor ein Auto – und stirbt. Spencer ist fassungslos. Doch: Am nächsten Tag erwacht er erneut auf dem Schulparkplatz, wieder hat Clara sein Auto touchiert. Der Tag wiederholt sich…

Persönliche Meinung: „Death. Life. Repeat“ ist ein Jugendroman mit Science-Fiction-Elementen von Louise Finch. Dargestellt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive von Spencer, den der Tod seiner Mutter psychisch stark belastet. Der Roman nutzt ein spannendes dramaturgisches Mittel: die Zeitschleife. Spencer steckt in einer solchen fest, wobei der Tag jeweils meist mit dem Tod von Clara endet. Daher setzt Spencer sich zum Ziel, Clara zu retten, um der Zeitschleife entkommen zu können. Dabei lernt er nicht nur Clara besser kennen, sondern entwickelt sich selbst weiter und hinterfragt mehr und mehr seinen Freundeskreis. Denn: Dieser ist geprägt von toxischer Männlichkeit, die sich insbesondere in harten Beleidigungen, übermäßigen Alkoholkonsum, Sexismus und Mobbing ausdrückt. Bei aller Fiktionalität/Sci-Fi wird in „Death. Life. Repeat“ dementsprechend – auf sehr eindringliche Weise – auch ein gesellschaftlich relevantes Thema behandelt. Der Schreibstil, der im Roman genutzt wird, ist – passend zu den jugendlichen Protagonisten – sehr umgangs- und jugendsprachlich. Besonders die Sprache der männlichen Figuren ist dabei sehr vulgär und derb, woran man sich erst gewöhnen muss (Auch wenn die Sprache teilweise grenzwertig ist, ist sie passend gewählt, da die Derbheit die Toxizität der männlichen Figuren unterstreicht.) „Death. Life. Repeat“ ist insgesamt eine spannende Lektüre, die eindringlich ein gesellschaftlich relevantes Problem näherbringt. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber: Am Ende der Handlung bleiben einzelne Fragen offen (insbesondere in Bezug auf die Zeitschleife), sodass der Roman auf mich nicht so rund wirkte, wie er hätte sein können.

Bewertung vom 17.07.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


ausgezeichnet

Ein fesselnder Thriller

Inhalt: Henrik und Nora reisen mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn nach Västernorrland, um den Alltag hinter sich zu lassen. Während Henrik Inspiration für sein neues Kinderbuch sucht, möchte Nora Abstand gewinnen. Denn: Sie hat einen Fehler begangen, von dem niemand erfahren soll. Anderswo in Västernorrland gibt sich Rosa Lundqvist ihren forensischen Forschungen hin, um sich davon abzulenken, dass sie ihren Bruder pflegen muss. Bei einer Grabung entdeckt sie unvermittelt das Skelett eines Kindes. Als Fynn plötzlich verschwindet, wird Rosa von der Polizei als Ermittlerin eingesetzt, um den Fall zu lösen. Denn: Nur sie kennt sich wirklich in den Wäldern Schwedens aus.

Persönliche Meinung: „Das Baumhaus“ ist ein Thriller von Vera Buck. Erzählt wird der Thriller aus mehreren Ich-Perspektiven: So wird neben den Perspektiven Henriks, Noras und Rosas auch die Sichtweise von Marla, einem jungen Mädchen, das in einem Baumhaus lebt, eingenommen. Der Thriller ist durchweg spannend: Das Haus, in dem Henrik und Nora den Urlaub verbringen möchten, sowie die Wälder Västernorrlands werden atmosphärisch dicht beschrieben und weisen eine gewisse Bedrohlichkeit auf. Zusätzlich gibt es mehrere potentielle Täterfiguren, die für die Entführung Fynns verantwortlich sein könnten, wodurch man mehrmals auf falsche Fährten geführt wird. Daneben erweist Henrik sich als unzuverlässiger Erzähler: Mehrfach dichtet er seine Erlebnisse aus, lügt offen und scheint Erinnerungslücken zu besitzen. Zuletzt finden sich innerhalb der Handlung auch einige richtig überraschende Wendungen, die einen eiskalt erwischen. Der Schreibstil von Vera Buck ist sehr lebendig und anschaulich, sodass während der Lektüre ein schönes Kopfkino entsteht. Insgesamt ist „Das Baumhaus“ ein spannender sowie rätselhafter Thriller, in dem wenig so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Bewertung vom 17.07.2024
Mord im Antiquitätenladen / Siggi Malich ermittelt Bd.1
Lehnertz, Waldi

Mord im Antiquitätenladen / Siggi Malich ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannender Cosy Crime

Inhalt: Als Antiquitätenhändler Siggi vom Angeln zurück in sein Geschäft kommt, traut er seinen Augen nicht. Jemand ist in sein Geschäft eingebrochen und hat eine Leiche mitten in einem Verkaufsraum drapiert. Schnell ruft Siggi die Polizei, doch als diese eintrifft, befindet sich in dem Raum keine Leiche mehr (dafür allerdings eine seltsame Bildweberei). Die Polizei geht von einem Streich Siggis aus und verweigert die Ermittlungen; Siggi hingegen fühlt sich nicht mehr wohl in seinem Laden, sodass er – gemeinsam mit ein paar Freunden – dem Geheimnis der Bildweberei und der verschwundenen Leiche auf die Spur kommen möchte…

Persönliche Meinung: „Mord im Antiquitätenladen“ ist ein Kriminalroman des „Bares für Rares“-Händlers Waldi Lehnertz, den dieser mit Miriam Rademacher geschrieben hat. Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive von Siggi. Eine große Stärke des Romans ist seine atmosphärische Dichte: Besonders Siggis Antiquitätenladen (ein vollgestelltes Sammelsurium an Antiquitäten und Trödelschätzen) wird bildhaft und anschaulich beschrieben. Ähnlich dicht ist die Beschreibung des fiktiven Eifeldorfes, in dem sich Siggis Antiquitätenladen befindet. Die Handlung wird – einem Cosy Crime folgend – eher langsam erzählt, wodurch der Krimi für mich teilweise kleinere Längen besaß. Dennoch ist die Handlung von einer latenten Spannung durchzogen: So fragt man sich permanent, wer die Leiche ist, wo sie abgeblieben ist und was es mit der Bildweberei auf sich hat. Mit der Zeit finden sich einzelne Mosaikstücke, die diese Fragen schrittweise beantworten, sodass nach und nach ein Gesamtbild entsteht. Die Auflösung ist dabei durchaus überraschend und kaum vorhersehbar. Die Figuren, die in „Mord im Antiquitätenladen“ auftreten, sind eher unkonventionell: Jede Figur besitzt eine Charaktereigenschaft, wodurch sie aus dem Rahmen fällt und teilweise ins Karikatureske abdriftet (dies führt teilweise dazu, dass die Figuren innerhalb der Handlung nicht immer logisch handeln). Der Erzählstil des Romans ist anschaulich, sodass man sich insbesondere die Handlungsorte dreidimensional vorstellen kann. Insgesamt ist „Mord im Antiquitätenladen“ – trotz einzelner Längen – ein spannender Kriminalroman mit unkonventionellen Figuren. Wenn man Waldi, Antiquitäten, Trödel und „Bares für Rares“ mag, wird man auch „Mord im Antiquitätenladen“ mögen.

Bewertung vom 17.07.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Ein spannend konstruierter Kriminalroman

Inhalt: Um das „Dorf der acht Gräber“ rankt sich eine blutige Legende: Im 16. Jahrhundert suchten acht Samurai Zuflucht im Dorf, wurden anfangs von den Dorfbewohnern auch freundlich aufgenommen, doch mit der Zeit trachteten die Dorfbewohner nach dem Reichtum der Samurai – und töteten sie. Seitdem soll ein Fluch auf dem „Dorf der acht Gräber“ liegen: Immer wieder kommt es zu grausamen Massakern innerhalb der Gemeinschaft – zuletzt vor 26 Jahren. Doch nun scheint der Fluch erneut zuzuschlagen…

Persönliche Meinung: „Das Dorf der acht Gräber“ ist ein Kriminalroman von Seishi Yokomizo. Es handelt sich um den dritten Band der „Kosuke Kindaichi“-Reihe, die sich um einen eher unkonventionellen Privatdetektiv dreht. Anders als in den vorherigen beiden Bänden spielt Kindaichi in „Das Dorf der acht Gräber“ allerdings eher eine Nebenrolle: Zwar tritt er manchmal in das Geschehen ein und löst am Ende der Handlung auch den Fall, allerdings ist Hauptfigur und Ich-Erzähler der Handlung ein junger Mann namens Tatsuya, der eher unverhofft in die Mordserie, die sich im „Dorf der acht Gräber“ ereignet, hineingezogen wird. Tatsuya nimmt – aus Gründen, die ich hier nicht spoilern möchte – die Rolle der Ermittlerfigur ein und erzählt aus der Retrospektive von den Ereignissen, die sich im Dorf der acht Gräber zugetragen haben. Selbst ist er kein professioneller Ermittler, sodass er teilweise unbedarft und blauäugig auftritt, was einen ganz besonderen Charme hat. Die Handlung des Romans entfaltet sich behutsam: Man lernt schrittweise die einzelnen Dorfbewohner und den Handlungsort kennen, wobei recht früh deutlich wird, dass mehrere Figuren Geheimnisse verbergen. Nach und nach entfaltet sich eine Mordserie, die einerseits Rätsel aufgibt, andererseits mit falschen Fährten gespickt ist, sodass nicht leicht zu durchschauen ist, was im Dorf gespielt wird. Zudem findet sich in der Handlung die ein oder andere überraschende Wendung. Der Erzählstil des Romans ist unaufgeregt: Es wird nicht reißerisch erzählt, das Tempo des Romans ist – trotz seiner spannenden Handlung – eher bedächtig. Einziger Wermutstropfen: Das Ende wurde recht schnell abgehandelt. So behutsam die gesamte Handlung konstruiert und entfaltet wird, so abrupt wird sie aufgelöst. Insgesamt ist „Das Dorf der acht Gräber“ ein spannender, schön konstruierter Kriminalroman, der durch seine eher unbedarfte Ermittlerfigur reizvolle Wege geht, die man nicht so häufig liest.