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icey
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LE

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 31.01.2021
Darling Rose Gold
Wrobel, Stephanie

Darling Rose Gold


gut

Starker Beginn mit eher enttäuschendem Ende

„Darling Rose Gold“, der Debütroman von Stephanie Wrobel greift ein verstörendes, schwer nachvollziehbares Verhalten von Eltern auf: Kindesmisshandlung. Ein an sich sehr komplexes Thema, dass sich hier allerdings auf eine Mutter ohne Reuegefühl und eine nach Liebe suchende Tochter beschränkt, deren Gefühle eine 180 Grad Wende hinlegen, als die Mutter ihr jegliche Entschuldigung zu verweigern scheint. Eine recht eindimensionale Betrachtung, die das Ende der Story zwar nicht besser, aber zumindest ein klein wenig plausibler macht.

Das Buch war für mich am Anfang wirklich fesselnd und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Allerdings nicht, weil ich es bis zum bitteren Ende spannend fand, sondern weil ich einfach nur noch wissen wollte, wie es endet und ob sich meine Vermutung zum ungefähren Ausgang der Handlung bestätigt.

Das Geschehen wird während des gesamten Buches aus zwei Perspektiven betrachtet. Auf der einen Seite begleitet man die Tochter Rose Gold ab dem Tag, an dem ihre Mutter ihre Gefängnisstrafe antritt. Auf der anderen Seite erzählt die Mutter Patty ihre Sicht auf die Dinge ab ihrer Entlassung aus dem Gefängnis nach fünf Jahren. In beiden Zeitlinien helfen Rückblicke, die Hintergründe zu verstehen und die Geschehnisse und Sichtweisen besser einzuordnen. Im Laufe des Buches nähern sich die Zeitachsen an, bis sie sich am Ende in der Gegenwart treffen.

Das Buch selbst ist gut geschrieben und das Thema hätte viel Potential für einen spannenden Psychothriller mit komplexen Charakteren und einer unvorhersehbaren Handlung geboten. Doch leider sind die Charaktere recht eindimensional gestaltet, hier wäre schon allein aufgrund ihrer Dysfunktionalität wesentlich mehr drin gewesen. Für keine der beiden Hauptfiguren kam wirklich Sympathie auf und so blieb bei mir auch ein gewisses Mitfiebern aus – es war mir sozusagen egal, wer dieses Katz- und Mausspiel gewinnt. Die letztendliche „Gewinnerin“ war damit auch keine Überraschung für mich.

Hinzu kommt, dass mir das Ende nicht wirklich stimmig erschien. Es fühlte sich ein wenig so an, als hätte die Autorin plötzlich schnell fertig werden müssen. Im realen Leben hätten einige Ungereimheiten den Ausgang der Geschichte in der dargestellten Form vermutlich verhindert oder zumindest fragwürdig erscheinen lassen.

Alles in allem kein schlechtes Buch, das stark beginnt, dann aber leider deutlich nachlässt.

Bewertung vom 27.12.2020
Miss Bensons Reise
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


sehr gut

Miss Bensons Reise zu sich selbst

1950: Margery Benson, eine Lehrerin mittleren Alters, führt ein unauffälliges, angepasstes Leben. Und eben dieses schmeißt sie hin, nachdem ihr von ihren Schülern schmerzhaft vor Augen geführt wird, dass sie sich und ihre Träume vor langer Zeit aufgegeben hat. Sie beschließt, sich auf die Suche nach dem goldenen Käfer zu begeben und damit ihren Kindheitstraum zu verwirklichen. Nach einer Verkettung unglücklicher Umstände tritt sie ihre Reise nach Neukaledonien mit Enid als ihre Assistentin an – einer Frau die nicht gegensätzlicher zu Margery sein könnte und eigene, konträre Probleme und Träume mitbringt.

Auch wenn der englische Titel des Buches „Miss Bensons Beetle“ es suggeriert: es geht eigentlich nicht so sehr um den goldenen Käfer, sondern vielmehr um Toleranz und Freundschaft, Vertrauen, Mut und Selbstverwirklichung. Der deutsche Titel beschreibt den Inhalt des Buches deutlich besser: Reisen - nicht nur in ferne Ländern, sondern vor allem zu sich selbst, zu dem Menschen der man war, der man ist und der man gerne sein möchte.

Diese Reise führt bei Margery zu einigen schmerzlichen Erkenntnissen und es ist ausgerechnet die anfangs von ihr so ungeliebte Enid, die ihr sowohl die Augen öffnet als auch ihr bei ihrer Wandlung beisteht hin zu der Marge, die mit sich selbst und der Welt im Reinen ist.

Rachel Royce beschreibt einfühlsam den schwierigen Weg der unterschiedlichen Charaktere von einer notgedrungenen Zweckgemeinschaft hin zu einer wunderbaren, bedingungslosen Freundschaft. Einer Freundschaft, die unter normalen Umständen niemals entstanden wäre. Ihr gelingt das vor allem durch eine anfänglich überzeichnete Beschreibung und Typisierung der Charaktere. Kaum hat man sich jedoch in diese Stereotypen eingelesen und meint, darauf basierend ihre nächsten Handlungen und Reaktionen voraussehen zu können, beginnt die Autorin, sie nach und nach aufzuweichen und zeichnet ein Bild zweier vielschichtiger Frauen mit mehr Tiefgang, als man ihnen anfangs zugetraut hätte.

Das Buch lässt sich gut und flüssig lesen und wechselt mit Bravour zwischen Leichtigkeit und Tiefgründigkeit. Manchmal scheint die Geschichte ihre Längen zu haben. Doch liest man sie unter dem Aspekt, dass es weniger um die Suche nach dem Käfer als um die Suche nach sich selbst geht, relativiert sich dieser Eindruck wieder ein wenig. Konzentriert man seine Wahrnehmung noch dazu statt auf die Handlung mehr auf die Entwicklung der Charaktere und ihre Beziehung zueinander, sind die Längen kaum noch spürbar (ja, ich habe das Buch gleich zweimal gelesen). Und wer bis zum Ende durchhält, wird noch mit einem Sprint in Sachen Handlung belohnt – meiner Meinung nach fast schon ein bisschen zu viel des Guten.

Das Ende ist Geschmackssache, ich fand es gar nicht so schlecht. Mehr kann und will ich an dieser Stelle nicht dazu sagen (Spoileralarm).

Für mich war es das erste Buch von Rachel Joyce und es wird wohl nicht das letzte gewesen sein. Trotz kleiner Schwächen ist es ein Buch, dass Ja sagt zum Leben und auffordert, sein Leben zu hinterfragen, seine Ziele und Träume zu verfolgen und mit mehr Toleranz und offenen Augen und Herzen durchs Leben zu gehen.

Bewertung vom 09.12.2020
Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1
Blum, Antonia

Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1


sehr gut

Gutes Buch, aber es wäre mehr drin gewesen

Berlin, 1911 - die Waisen und Schwestern Marlene und Emma bekommen eine Ausbildung als Lernschwestern an einer Kinderklinik. Für Waisenkinder eine eher außergewöhnliche und damit nahezu einmalige Chance, die die beiden Schwestern natürlich ergreifen. Auf ihrem Weg begegnen ihnen Hass und Intrigen, Standesdünkel, Unterstützung genauso wie Ablehnung oder Verrat und – erwartungsgemäß - auch die Liebe. Politische Themen dieser Zeit werden im Verlauf der Erzählung kaum angesprochen. Im Vordergrund stehen eher die gesellschaftlichen Ansichten und Rollenbilder.

Die Kinderheilkunde (Pädiatrie) steckte zu dieser Zeit noch in ihren Anfängen. Die Autorin hat die Erkenntnisse aus ihren Recherchen zu diesem Thema immer wieder in die Handlung einfließen lassen. Diese medizinischen Fakten in Verbindung mit den historischen Fakten zu den örtlichen Gegebenheiten und einigen agierenden Personen geben bereits ein vages Bild davon, mit welchen Herausforderungen die Medizin seinerzeit konfrontiert war.

Aber hier wäre mehr drin gewesen. Das eigentlich hochinteressante Thema Pädiatrie kommt meines Erachtens etwas zu kurz bzw. geht unter zwischen dem Auf und Ab der zwischenmenschlichen Beziehungen dieses Romans. Für einen historischen Roman hätte ich mir noch mehr Fokus auf die geschichtlichen Hintergründe gewünscht und weniger Klischees (z. B. arme Waisenmädchen/verzogene Mädchen der Oberschicht), Kitsch und Herzschmerz. Die Geschichte war zumindest im zwischenmenschlichen Bereich leider sehr oft vorhersehbar.

Das Ende des Buches lässt ein paar Fragen offen, aber nicht in dem Maße, dass man sich deswegen den zweiten Teil herbeisehnt. Man kann das Buch ganz gut ohne Fortsetzung lesen und hat trotzdem ein meiner Meinung nach ganz passables Ende.

Im Nachwort erfährt man nochmal einige historische Details und inwieweit es sich bei den Personen und Schilderungen im Buch um Fiktion oder Fakten handelt. Der Teil hätte gern etwas ausufernder sein können.

Trotz meiner Kritikpunkte habe ich das Buch ganz gern gelesen. Die Schilderungen sind anschaulich, es kommen keine wirklichen Längen auf und insgesamt schreibt die Autorin in einem Stil, der sich leicht und flüssig lesen lässt. Gut geeignet für einen grauen, verregneten Nachmittag.

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Bewertung vom 30.11.2020
Die Djurkovic und ihr Metzger
Raab, Thomas

Die Djurkovic und ihr Metzger


weniger gut

Es hätte spannend und hochgradig unterhaltsam sein können

Für die eingeschworene Fangemeinde ist „Die Djurkovic und ihr Metzger“ bereits der achte Band um den Restaurator Willibald Adrian Metzger. Ich dagegen kannte bisher weder den Autor Thomas Raab noch die Metzger-Reihe. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die vorangegangen Bände auch nicht mehr kennenlernen werde. Vielleicht (oder hoffentlich?) sind sie besser als dieser Band, anders könnte ich mir deren augenscheinlichen Erfolg zumindest nicht erklären.

In diesem Band dreht sich alles um die bisher scheinbar totgeschwiegene Vergangenheit von Metzgers Lebensgefährtin Daniela Djurkovic. Ich will nicht zu viel verraten, aber man sollte sich bereit machen für Albanien, die Mafia, Clan-Rivalitäten und jede Menge – meiner Meinung nach zu viele - Leichen. Dabei werden einige Klischees bemüht, die man aber durchaus verzeiht, weil sie einfach zur ganzen Geschichte und Erzählweise passen und das Ganze irgendwie abrunden.

Es hätte wirklich spannend werden können, aber die anfangs noch gut nachvollziehbare Handlung wird vor allem gegen Ende immer mehr zerstört durch undurchsichtige Wechsel von Personenidentitäten, das Auftauchen unzähliger Querverbindungen und eine Anhäufung von Ereignissen in verschiedenen Zeitlinien. Teilweise beschlich mich das Gefühl, dass die eigentlich eher simple Handlung absichtlich verwirrend erzählt wird, um überhaupt eine Art Spannung zu erzeugen.

Bereits von Beginn an störend empfand ich die Protokollierung des Funkverkehrs zwischen diversen „Vögeln“ zur Beobachtung von „Dachs“ und „Füchsin“. Anfangs habe ich noch versucht, die Funkprotokolle nachzuvollziehen, habe es aber im späteren Verlauf aufgegeben und sie nur noch halbherzig überflogen. Sollten sie die Handlung entscheidend vorangebracht haben, würde das erklären, warum es mir immer schwerer fiel, dieser zu folgen und die einzelnen Figuren und ihre Rolle in der ganzen Geschichte korrekt einzuordnen.

Der gewöhnungsbedüftige Schreibstil des Autors hat in meinem Fall auch nicht unbedingt dazu beigetragen, mir den Zugang zu diesem Krimi zu erleichtern. Dialoge in österreichischer Mundart wechseln sich ab mit Schachtelsätzen und Sätzen, die gar keine sind - lassen sie doch wahlweise grundlegende Satzbestandteile wie Subjekt, Prädikat oder Objekt vermissen.

Aber es ist nicht alles schlecht. Die Figuren sind wirklich herrlich herausgearbeitet, einzigartige Charaktere von liebenswert bis skurril – selbst den Bösen kann man irgendwie etwas abgewinnen. Und von dem immer mal durchscheinenden schwarzen Humor gepaart mit tropfender Ironie hätte ich mir sogar mehr gewünscht.

Der Krimi war kurzweilig und langatmig gleichzeitig, die Handlung schlicht aber durch die Erzählweise und Sprache des Autos verwirrend und der Humor kam mir etwas zu kurz. Alles in allem ist dieses Buch wohl eher etwas für Fans der Metzger-Reihe, zu denen ich auf absehbare Zeit wohl nicht gehören werde.

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