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Forti

Bewertungen

Insgesamt 211 Bewertungen
Bewertung vom 26.04.2017
Kidd, Jess

Der Freund der Toten


sehr gut

"Überall in Mulderrig geschehen die seltsamsten Dinge."

Jess Kidd hat mit ihrem Debüt 'Der Freund der Toten' ein ungewöhnliches, nicht leicht einzuordnendes Buch geschrieben. In der Geschichte um ein Dorf gibt es auch Bestandteile eines Krimis oder Thriller und ebenso Fantasyelemente. Mir hat diese gut erzählte Mischung sehr gut gefallen.

Mulderrig in Irland, 1976: Der Mittzwanziger Mahony kommt auf der Suche nach seiner Vergangenheit in das Heimatdorf seiner Mutter. Hier stößt er auf viel Skepsis​ und Ablehnung, aber auch auf neue Freunde, die ihm bei den Nachforschungen helfen. Der Leser wird auch durch Rückblenden über die Geschehnisse vor einem Vierteljahrhundert informiert. Langsam kommt Licht in die Geschichte um Mahonys Herkunft.

Wir befinden uns hier in einer Realität wo einige wenige Menschen Tote sehen können und auch sonst immer wieder Übernatürliches passiert. Diese Begebenheiten werden meist ganz nebenbei erwähnt, als wäre es nichts besonderes. Hierbei erinnerte mich das Buch etwas an 'Willkommen in Night Vale', wo diese Art der Beschreibung auf die Spitze getrieben wurde.

Ich fühlte mich manchmal wie im Film (das meine ich positiv): Die bildhaften Beschreibungen von Jess Kidd erinnerten mich oft an filmische Darstellungen.
Ungewohnt der Erzähltempus: der Hauptteil der Geschichte wird im Präsens erzählt. Die Blicke in die Vergangenheit hingegen sind in der Vergangenheitsform geschrieben.
Mir gefällt die ausdrucksstarke, bildgewaltige Sprache der Autorin sehr.

Kleines Manko: im Mittelteil hatte das Buch seine Längen, bei denen sich die Geschichte um sich selbst drehte ohne wirklich voran zu kommen. Ansonsten fühlte ich mich sehr gut unterhalten.

Bewertung vom 18.04.2017
Booy, Simon van

Mit jedem Jahr


gut

Simon Van Booy erzählt in "Mit jedem Jahr" die Geschichte von Harvey und ihrem Onkel Jason, der sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert. Jason, dessen Vergangenheit von Gewalt, Alkohol, einer Haftstrafe und wenig menschlichen Bezugspersonen geprägt war, fällt es nicht leicht, die Vaterrolle für ein kleines​ Mädchen zu übernehmen, dennoch nimmt er sich der Aufgabe gewissenhaft an.
In Rückblenden wird episodenhaft das gemeinsame Leben der beiden erzählt.

Hierbei ist die Geschichte insgesamt vorhersehbar und klischeehaft, hin und wieder an der Grenze zum Kitsch. Es ist eigentlich eine schöne, ungewöhnliche Familiengeschichte, die leider das Potential nicht ganz ausschöpft. Die Stärke des Romans liegt deshalb eben nicht in der Rahmengeschichte, sondern in den kleinen Situationen im alltäglichen Familienleben von Jason und Harvey, die für sich genommen einfühlsam beschrieben werden. Insgesamt gesehen ergeben sie allerdings ein zu perfektes Bild ab.

Vor allem Jason wuchs mir mit der Geschichte ans Herz, während die Jugendliche und Erwachsene Harvey etwas farblos blieb und es so schwer war, mich in sie hinein zu versetzen. Vielleicht ist das auch Absicht von Simon Van Booy, der den Fokus auf Jason legen wollte? Bei beiden Personen hätte die Darstellung der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung aber gerne mehr in die Tiefe gehen können.

Der Schreibstil ist flüssig und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Sprachlich ist es (im besten Sinne) einfach verfasst. Kleine Zeitsprünge innerhalb der einzelnen Episoden haben mich manchmal stutzen lassen, gehören aber wohl bewusst zum Erzählstil des Autors.

Fazit: Eine schöne Geschichte über eine ungewöhnliche Vater-Tochter-Beziehung, leider mit deutlich​en Schwächen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2017
Smith, Dominic

Das letzte Bild der Sara de Vos


sehr gut

Die Hardcover-Ausgabe von Dominic Smiths "Das letzte Bild der Sara de Vos" macht schon von außen einen wertigen Eindruck. Die Struktur des Schutzumschlags wirkt wie eine Leinwand, das Papier im Inneren des Buches erinnert ein wenig an Büttenpapier. Hierzu passt dann allerdings der relativ enge Satzspiegel nicht so ganz - der Text ist aber gerade noch gut lesbar. Die insgesamt hochwertige Ausstattung des Buches passt gut zum Thema Kunst und Kunstgeschichte.

Die Geschichte einer Fälschung wird auf drei Ebenen erzählt: die fiktive niederländische Künstlerin Sara de Vos im 17. Jahrhundert und die Fälscherin Ellie und der Sammler Marty im 20. Jahrhundert.

Es ergibt sich eine spannende Geschichte über Kunst, Kunstfälschungen und menschliche Beziehungen, die scheibchenweise aufgedeckt wird. Dem Autor gelingt es dabei gut, Spannung aufzubauen und über das Buch hinweg aufrecht zu erhalten.

Die Beschreibungen z.B. des 17. Jahrhunderts und der Einzelheiten einer Kunstfälschung bleiben allerdings oberflächlich. Das wird einigen Lesern vermutlich nicht gefallen, die anderen Leser langweilt der Autor so aber nicht mit Details.

Im Text bin ich immer wieder auf für mich ungewohnte Worte gestoßen ("eingeratscht", "Ehegespons", ...), die mich im Lesefluss manchmal haben stocken lassen, und bei denen ich mir nicht sicher bin, ob sie dem englischen Originaltext geschuldet sind oder vom Übersetzer aus anderen Gründen gewählt wurden. Sollen sie den Text interessanter bzw anspruchsvoller wirken lassen? Das wäre eigentlich nicht nötig. Für mich mutet das etwas seltsam an, es konnte den insgesamt positiven Eindruck des Romans aber nicht nennenswert trüben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2017
Basener, Anna

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte


sehr gut

Anna Baseners literarisches Debüt "Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte" ist die schräge und tragikomische Geschichte von Bianca in Berlin und ihrer Omma aus Essen. Omma hat nicht nur als Wirtschafterin im Puff schon einiges erlebt und besucht nach dem Tod der besten Freundin Mitzi ihre Enkelin Bianca in Berlin. Während Bianca und Omma sich an das enge Zusammenleben gewöhnen, wird in Rückblicken die Geschichte von Omma und zwei Huren aus Essen erzählt.

Prostitution wird hier gleichzeitig schonungslos aber ohne Betroffenheit geschildert. Dadurch gelingt der Autorin der Drahtseilakt, dieses heikle Thema mit einem Roman zu verbinden. Es ist ein schwieriges Thema mit vielen Facetten​ - für einen unterhaltenden Roman finde ich die Darstellung aber gelungen.

Sprachlich verkörpert Omma das Ruhrgebiet - Hochdeutsch spricht sie nie. Bianca erzählt ihrer beide Geschichte etwas schnodderig - was sowohl ihrer Geburtsstadt als auch ihrem aktuellen Wohnort entspricht. Für mich sind beide Figuren sehr gelungen. Nicht unbedingt sympathisch, aber mir sind sie dennoch ans Herz gewachsen. Manchmal haarscharf am Klischee vorbei, aber insgesamt doch glaubhafte Charaktere.

Das Buch verfügt über drastische Szenen: Gewalt, Sex, Leben außerhalb der Norm. Somit ist der Roman trotz allen Humors nichts für ganz zarte Gemüter - insbesondere Sympathisanten des Ruhrgebiets (incl Sprache) und Liebhaber ungewöhnlicher, schräger Geschichten und Charaktere werden sich aber prächtig amüsieren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.02.2017
Chirovici, Eugene O.

Das Buch der Spiegel


sehr gut

Achtung! Diese Rezension kann je nach Sichtweise Spoiler enthalten! Ich verrate so wenig wie möglich, aber es lässt sich nicht vermeiden, mehr über den Inhalt und Erzählweise preis zu geben, als der Klappentext verrät. Ich fand es schön, das Buch ohne die Informationen zu lesen, die ich hier preisgeben muss, um etwas sinnvolles über das Buch schreiben zu können. Wen also der Klappentext und/oder der Hype rund um Buch und Autor schon neugierig gemacht hat, der sollte "Das Buch der Spiegel" lesen ohne zuvor meine Rezension zu lesen ;-)

***

Mitte der achtziger Jahre, Princeton: der Universitätsprofessor Joseph Wieder wird ermordet. Dreißig Jahre später schreibt der damaliger Student Richard Flannigan seine Erinnerungen an den Fall auf und schickt den ersten Teil des Manuskripts an den Literaturagenten Peter Katz. Dieser sieht Potential in der Geschichte und macht sich auf die Suche nach dem verschwundenen Autor, die dann zur Suche nach der Wahrheit wird, an der sich schließlich auch ein Journalist und ein ehemaliger Polizist beteiligen.
E.O. Chirovici lässt in seinem "Buch der Spiegel" drei ganz unterschiedliche Ich-Erzähler die Geschichte eines Mordes aufklären. Was als Suche nach einem Manuskript beginnt, wandelt sich im Laufe der Geschichte und mit Wechsel der Ich-Erzähler zu einer Mord-Ermittlung.

E.O. Chirovicis Sprache liest sich sehr gut und flüssig - die Übersetzung ist meiner Meinung nach auch gelungen. Diese gelungene sprachliche Umsetzung ist für mich ein Highlight dieses Buches.
Der Autor versteht es, Spannung aufzubauen, bei der ich mich manchmal gefragt habe, wie sie eigentlich zustande kam - warum ist eine Suche nach einem Manuskript und ein alter Mordfall so spannend? Ich denke, selten wurde ein 30 Jahre alter Mordfall spannender beschrieben - der Autor versteht sein Handwerk. Seine Sprache und seine Erzählweise ist für mich das herausragende Merkmal von "Buch der Spiegel". Die perfekt aufgebaute Spannung macht es schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Der Autor streut viele Hinweise, die es immer schwerer machen, die beteiligen Personen einzuschätzen. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Wer hatte welche Interessen? Und wer ist der Mörder?

Passend hierzu zieht sich das Thema Erinnerungen in all seinen Facetten durch das Buch. Der Professor beschäftigte sich beruflich mit dem Thema Erinnerungen und war an einem mysteriösen geheimen Projekt zu diesem Thema befasst. Außerdem wird auch von anderen Protagonisten das Thema Erinnerungen immer wieder aufgegriffen. Wie schnell kann die Erinnerung täuschen? Kann sie geschickt manipuliert werden?

Das Ende - das hat mich etwas enttäuscht. Hier wird nicht alles aufgeklärt. Viele Spuren verlaufen im Sand - teilweise weil sie vom Autor geschickt gelegt wurden und sich für die Protagonisten und somit auch den Leser dann doch als Sackgasse herausstellten, teilweise aber auch, weil sich die Wahrheit nicht klären lässt. Das mag realistisch sein, kann aber als Lektüre enttäuschen.

Insgesamt aber ein besonderes Buch, das es wert ist zu lesen.

Bewertung vom 26.02.2017
Knapp, Radek

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß


gut

Radek Knapps schmaler Erzählband mit dem langen Titel "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß" ist die Coming-of-age-Geschichte des polnischstämmigen Walerian. Als Jugendlicher kam er mit seiner Mutter nach Wien und schlägt sich als junger Erwachsener mit allen möglichen Jobs durch. Dabei behält er immer eine Gelassenheit, vielleicht sogar Zufriedenheit.
Die Person Walerian ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Irgendwie scheint er aus der Zeit und der modernen Realität gefallen.

Sprachlich gekonnt und gewitzt umgesetzt - nie übertrieben, selten nah am abgedroschenen Wortwitz.

Für Radek-Knapp-Fans sicher eine schöne Lektüre, Lesern, die Rade Kann noch nicht kennen, würde ich aber erstmal einen seiner Romane empfehlen.

Bewertung vom 26.02.2017
Janssen, Freddie

Saures


ausgezeichnet

Freddie Janssen hat ein ganz anderes Kochbuch geschrieben. Mit Einlegen und Fermentieren habe ich mich bisher wenig beschäftigt und auch nicht in Erwägung gezogen, das selbst zu wagen. Das hat sich mit "Saures" geändert.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Zunächst die Rezepte zum Einlegen und Fermentieren (größtenteils vegetarisch bis vegan). Schließlich Rezepte für (fast ausschließlich nicht-vegetarische) Gerichte, deren Zutaten u.a. aus den zuvor eingelegten Lebensmitteln besteht. Hier gibt es außerdem noch Rezepte für Getränke mit und ohne Alkohol.

Mein Problem: die Zutaten. Diese sind zu einem Großteil nicht im Supermarkt zu erhalten und auch in anderen Geschäften meiner mittelgroßen Stadt wurde ich nicht immer fündig. Hier heißt es zu improvisieren - das wäre einfacher, wenn die Autorin auch Alternativen aufzeigen würde.

Im Gegensatz zu den Zutaten sind die Gerätschaften, die man benötigt, in den meisten Haushalten vorhanden: vor allem Tupper -Dosen und Einmachgläser und natürlich ein Kühlschrank. Es lohnt sich also vorher leere Konserven- und Marmeladengläser zu sammeln - eventuell sollte man noch ein 1-Liter-Einmachglas kaufen.

Bei den von mir ausprobierten Rezepten fand ich die angepeilte Menge viel zu hoch für meinen Zwei-Personen-Haushalt. Insbesondere zum Ausprobieren kann man die Mengenangaben der Rezepte deshalb meiner Meinung nach problemlos halbieren oder sogar vierteln.

Teilweise fühlte ich mich innerhalb des Rezeptes etwas allein gelassen. Rührt man Kimchi während der Fermentierung gelegentlich um oder lieber nicht? Soll eine Sauce entstehen und wenn ja wie flüssig?
Dass mir die Gerichte trotzdem gelungen sind, hat mir aber gezeigt, dass Einlegen kein Hexenwerk und auch keine Wissenschaft allein für absolute Profis ist. Auch beim Einlegen und Fermentieren sind Variationen und Improvisation möglich.
Wertvolle allgemeine Tipps der Autorin z.B. zum Sterilisieren der Gläser und dem richtigen Salz sind hier auch noch als gute Hilfestellung zu nennen.

Mein Highlight bisher: Das Sesam-Kimchi! Die Kombination aus Kohl, Chili und Sesam passt perfekt. Zusammen mit gekochtem Reis ergibt sich ein schnelles, einfaches und vor allem leckeres Winter-Essen. Im Buch finden sich insgesamt vier Kimchirezepte, von denen ich bestimmt noch das ein oder andere ausprobieren werde.

Auch optisch macht sich das Buch gut. Ob der deutsche Titel so gut gewählt ist, ist fraglich, aber er macht bestimmt neugierig. Das Covermotiv ist wohl Geschmacksache, aber der Einband aus für Kochbücher ungewöhnlichem Halbleinen ist wertig und die Photos sind gelungen. Kleine Zeichnungen lockern das Design zusätzlich auf.

Mir hat das Buch gezeigt, das Einlegen und Fermentieren auch als Laie ohne Riesen-Aufwand machbar ist - ich mache definitiv weiter! Ich hätte mir aber mehr Rezepte mit gewöhnlicheren Zutaten und mehr vegetarische Rezepte und Kombinationsvorschläge gewünscht.

Bewertung vom 13.02.2017
Hoechst, Mirja

Mia liebt Pasta


ausgezeichnet

Mirja 'Mia' Hoechst hat in ihrem Kochbuch vielseitige Pasta-Rezepte zusammen gestellt. Wie das Cover schon ankündigt, finden sich hier nicht nur warme und kalte herzhafte Rezepte, sondern auch süße Gerichte. Die Rezepte sind nicht nur von der italienischen Küche beeinflusst, sondern haben auch asiatischen und internationalen Touch. Enthalten sind sowohl Klassiker wie Tomatensauce als auch aktuelle Trends wie One-Pot-Pasta und Nudeln aus Gemüse. Alle Rezepte sind vegetarisch - einige auch vegan. Die vegetarischen Rezepte sind meist nicht so einfach zu veganisieren: Mirja Hoechst verwendet gerne Eier und natürlich Käse.

Die Autorin beginnt das Buch mit verschiedenen Rezepten für Nudelteig. Hier sollten sich Leser, die Pasta nicht selbst herstellen möchten oder können, nicht abschrecken lassen: Die meisten Rezepte kann man aber auch problemlos mit gekaufter Pasta kochen. Somit sind die Rezepte machbar und auch alltagstauglich. Die Zubereitung der Gerichte ist in meist wenigen Schritten erläutert und einfach umzusetzen. Die von mir bisher ausprobierten Rezepte sind mir beim ersten Kochen problemlos gelungen und sie waren echt lecker. Auch Menschen, die wenig kochen, werden hier Rezepte finden, die sie einfach umsetzen können.

Die Zutaten sollten in mittleren bis Großstädten (je nach Saison) einfach zu beschaffen sein - exotische Zutaten sind die Ausnahme, fast alle Zutaten findet man im Supermarkt. Im Einkauf sind die vielen frischen Kräuter wohl die größte Herausforderung.

100 Gramm Nudeln, die die Autorin pro Person veranschlagt, können bei hungrigen Menschen etwas wenig sein. Ggf sollte man also etwas mehr kochen als im Buch vorgeschlagen wird.

Die Gestaltung des Buches ist etwas verspielt und erinnert mich an die Aufmachung von Frauenzeitschriften. Das müsste für mich nicht so sein, ist aber ok. Die Photos sind gelungen und machen Appetit.

Insgesamt ein gutes Kochbuch, das das Rad zwar nicht neu erfindet, dafür aber leckere, unkomplizierte und abwechslungsreiche Nudelgerichte sammelt.

Bewertung vom 26.01.2017
Gavalda, Anna

Ab morgen wird alles anders


sehr gut

Die fünf Kurzgeschichten in Anna Gavaldas "Ab morgen wird alles anders" unterscheiden sich stark in Thema, Sprache und Umfang. Gemeinsam ist ihnen die Erzählperspektive: alle Geschichten verfügen über einen Ich-Erzähler.
Die Geschichten spielen in Frankreich - teilweise in Paris, teilweise ist die Stadt nicht weiter erwähnt. Anders als das Cover vermuten lässt, handelt es sich also nicht um ein typisches Paris-Buch.

So unterschiedlich die Protagonisten in Alter, Beruf und sozialer Herkunft, so verschieden auch ihre Sprache. Das ist für mich das Highlight dieses Buches: Anna Gavalda gibt jedem Ich-Erzähler seine eigene Ausdrucksweise und Sicht auf die Welt. Dabei trifft sie den Nerv der Zeit: Menschen auf der Suche nach sich selbst und auf ihrem Weg durch unsichere Zeiten. Interessanterweise spielt Terror hier keine Rolle - vielleicht auch, weil die Originalausgabe bereits 2014, also vor den großen Anschlägen in Frankreich, erschienen ist. Stattdessen sind wirtschaftliche Sorgen, prekäre Arbeitsverhältnisse, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Thema. Wem das zu düster klingt, dem sei gesagt, dass Anna Gavalda diese Themen keinesfalls in deprimierenden Texten verpackt.

Insgesamt kann ich sagen, dass Sprache und Gedankengänge der Protagonisten vor der eigentlichen Handlung stehen. Hier gibt es schöne Sätze und Absätze. Wer sich an Sprache erfreut, vielleicht sogar gerne Passagen anstreicht oder herausschreibt, dem gefällt dieses Buch bestimmt.

Ich finde es aber schade, dass dafür der Plot der Geschichten hintenan steht. Wer große Überraschungen und Action erwartet, wird hier enttäuscht. Manche Geschichte ließ mich etwas ratlos zurück. So ist die Geschichte eines Familienvaters in "Meine Kraftpunkte" schon ziemlich lapidar.
Die beiden längeren Geschichten "Mathilde" und "Yann" (jeweils ca. 100 Seiten) gefielen mir hingegen gut. Liegt es daran, dass mir diese beiden Protagonisten am sympathischsten waren und nahe stehen oder eventuell auch daran, dass ich (im Vergleich zu den drei weitaus kürzeren Geschichten) mehr als doppelt so viele Buchseiten Zeit hatte, sie so gut kennen zulernen? Trotz der reduzierten Handlung fieberte ich hier mit den Protagonisten und konnte mich gut in sie hinein versetzen. Beide sind Anfang/Mitte zwanzig und sehen trotz Studium wenig Perspektive für ihre Zukunft.

Ein nicht ganz runder Geschichten-Band, bei dem es sich aber lohnt auf die Feinheiten zu achten.