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R. S.

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Insgesamt 178 Bewertungen
Bewertung vom 26.08.2022
Carter, Chris

Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12


sehr gut

Ein Mentor, der einem das Fürchten lehrt

In Chris Carters neuen spannenden Thriller “Blutige Stufen” trifft man auf ein einen Mörder, der sich selbst der Mentor nennt und bei seinen Verbrechen so bösartig und akribisch vorgeht, das nicht nur die Leser*innen sondern auch die einiges an Grausamkeiten gewöhnten Detective Robert Hunter, sein Partner Detective Carlos Garcia und das restliche Team der UV-Einheit des LAPD an ihre Belastungsgrenze gebracht werden. Der Mörder lebt von der Angst seiner Opfer, foltert diese auf brutalste Art und Weise, bis sie schließlich tot sind. Zusätzlich hinterlässt er immer einen Teil eines Gedichtes bei der Leiche, auf das sich Hunter zunächst keinen Reim machen kann. Doch quält er nicht nur seine Opfer, sondern auch die Angehörigen, indem kurz nach dem Mord eine Videobotschaft an diese sendet, deren Inhalt so grausam ist, dass es sie um den Verstand bringt. Zunächst ohne Spur, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der dann in einem großen Showdown endet.

Robert Hunters 12. Fall ist blutig, grausam, fesselnd von Anfang bis Ende und definitiv nichts für schwache Nerven. So angewidert man von dem grausamen Vorgehen des Mörders auch sein mag, Carter schafft es mit seinem atmosphärische düsteren Schreibstil und einer wendungsreichen Handlung einen in seinen Bann zu ziehen, sodass man nicht aufhören kann zu lesen. Beim Lesen positiv aufgefallen ist mir auch, dass nicht nur auf die Morde eingegangen wird, sondern auch auf deren psychische Auswirkungen auf die Hinterbliebenen. Mit entsprechender Sensibilität werden hierbei Themen wie Trauer, Trauma und Selbstmord angesprochen und teils auch ausführlicher behandelt.

Leider passt jedoch die Grausamkeit des Mentors nicht ganz mit seinem Motiv hinter seinen Taten überein, meiner Meinung nach ist seine Reaktion zu extrem, wodurch die Glaubwürdigkeit der Handlung im Nachhinein etwas leidet. Nichtsdestotrotz ist „Blutige Stufen“ ein blutiger und fesselnder Psychothriller, bei dem Fans von Chris Carter definitiv auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 25.08.2022
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Fesselnder Krimi über NS-Raubkunst

Im April 2016, erhält der Kunstexperte Dr. Lennard Lomberg einen mysteriösen Anruf von einen gewissen Monsieur Dupret. Dupret ruft ihn im Auftrag einer Stiftung an, die ein kubistisches Gemälde, bei dem es sich um NS-Raubkunst handelt, zurückgeben will und an dem Lomberg persönliches Interesse hat. Mehr Informationen sollen bei einem weiteren Treffen geliefert werden, doch zudem kommt es nicht, denn bevor er sich mit Dupret treffen kann, wird dieser tot aufgefunden und das BKA steht vor seiner Tür und verdächtigt Lomberg mehr über den Fall zu wissen. Infolgedessen begibt sich Lomber auf die Suche nach Antworten und kommt so einem dunklen Familiengeheimnis auf die Spur.

Auf drei Zeitebenen und in mehreren Handlungssträngen wird dann das Rätsel um das neunte Gemälde nach und nach aufgelöst, und die Geschichte, die sich dahinter verbirgt, hat es in sich. Als Leserin reist man in die Vergangenheit nach Paris zur Zeit der deutschen Besatzung in die junge Bundesrepublik und in die Gegenwart, wo man Lomberg quer durch Europa dabei begleitet, wie er Lichts ins Dunkle bringt. Unterstützung erhält er auch durch seine Tochter und der Kriminalrätin Sina Röhm. Es geht um Beutekunst und die Rolle, die Lombergs Vater in Paris gespielt hat und wie er in den 60er-Jahren dann Karriere machte.

Die Handlung ist komplex aber logisch aufgebaut und wenn man sich an den leicht anspruchsvollen und dialoglastigen Schreibstil gewöhnt hat, ist es schwer sich dem Bann des Buches zu entziehen. Dem Autor ist es hierbei auch gut gelungen, geschichtliche Fakten und Ereignisse gut mit fiktiven Inhalten zu mischen, sodass authentische Charaktere und eine glaubwürdige Geschichte entstanden sind, die sich so auch in Wirklichkeit so hätte zutragen können.

Alles in allem ist „Das neunte Gemälde“ von Andreas Storm ein vielschichtiger Krimi, der vor allem durch seine interessanten und gut gezeichneten Charaktere sowie einer gut konstruierten und fesselnden Handlung überzeugen kann. Klare Leseempfehlung für all diejenigen, die sich für Kunst, insbesondere Raubkunst, interessieren und Fans von anspruchsvollen Krimis sind.

Bewertung vom 25.08.2022
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


sehr gut

Trauer surreal dargestellt

3.5/5

Familie Mohn trauert, denn sie hat die Mutter Johanne verloren. Doch die Art und Weise, wie sie trauert, gefällt nicht jedem, dass Traueramt melden sich bei ihnen und sie stehen im Verdacht, die Trauerarbeit zu verschleppen. Doch der Vater Adam und die Kinder Linne, Steve und Micha halten sich nicht daran. Sie wollen und können noch nicht Abschied nehmen von ihrer Mutter, haben sie doch Angst, sie zu vergessen. Familie Mohn will die Erinnerung an Johanne wachhalten und das mutet mitunter sehr skurril an, da werden z. B. Tagebucheinträge der Mutter gegessen, um sie in Erinnerung zu behalten, auch scheinen die Dinge der Familie Mohn um Johanne zu trauern.

All das wird in einer surrealen und märchenhaften Geschichte erzählt, bei der man manchmal zweimal lesen muss oder pausieren muss, um das Geschriebene auf einen wirken zu lassen. Ausdrucksstark und voller Metaphern wird der Trauerprozess der Familie aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Als Leser*in ist man fasziniert, teilweise aber auch verwirrt.

Es ist kein rein trauriges oder bedrückendes Buch, auch wenn es um Trauer geht, sondern auch ein Buch voller Liebe und Hoffnung auf bessere Zeiten. Wie die ganze Familie in der Trauer wieder einander näherkommt, sich nach außen hin öffnet und Johanne in Geschichten weiterleben lässt, zeigt dies deutlich.

„Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte ist ein eigenwilliges, aber kraftvolles Buch über Trauer, das einen nach Beenden des Buches noch länger begleiten wird. Aber sicherlich auch ein Buch nicht für jedermann, den der poetisch, aber teils distanziert und abgehakte Schreibstil sowie das skurrile märchenhafte der Geschichte machen das Lesen nicht leicht. Ein Roman, auf dem man sich einlassen muss, damit er seine Wirkung entfalten kann, doch es lohnt sich.

Bewertung vom 19.08.2022
Redondo, Dolores

Todesspiel. Die Nordseite des Herzens


ausgezeichnet

Atmosphärischer und mystischer Psychothriller

In den USA treibt ein Serienmörder sein Unwesen, der auch der „Komponist“ genannt wird. Er ermordet ganze Familien und zwar immer mit der Waffe des Vaters und richtet seine Opfer nach Norden aus. Er tarnt seine Morde als Unfälle, indem er Naturkatastrophen wie Hurrikans benutzt, um so den Eindruck zu erwecken, die Verwüstungen des Sturmes hätten sie umgebracht. Amaia Salazar ist eine Subinspectora aus Spanien, die beim FBI trainiert, als der zweite Mordfall bekannt wird. Aufgrund ihrer einzigartigen Sichtweise und Intelligenz wird sie von Aloisius Dupree, einem FBI-Agenten, ausgewählt, um den Mörder zu fangen. Aber sie ist nicht nur auf der Jagd nach dem Mörder, sie muss auch Hurrikan Katrina überleben sowie bedingt durch ein Familienereignis sich den aufkommenden schrecklichen und teils verstörenden Erinnerungen aus ihrer Kindheit in Spanien stellen. Dann ist da auch noch Dupree, ihr FBI-Mentor, der seine eigenen Ermittlungen in einem für ihm wichtigen Fall durchführt.

Gleich von Beginn an zieht der Thriller einen in seinen Bann und schafft es auf über 600 Seiten die Spannung konstant hochzuhalten. Seine Stärken liegen in der glaubhaften, teils auch psychologischen Charakterzeichnung aller handelnden Personen und der atmosphärischen sowie authentischen Beschreibung des Hurrikans Katrina und seinen Auswirkungen sowie der mythischen und okkultistischen Elemente.
Besonders gut gefallen hat mir Subinspectora Amaia. Sie hat eine große Intuition wie einen sechsten Sinn, wenn es um Verbrechen, Mörder und das Motiv des Mörders geht. Da sie von Orten kommt, an denen der Geist zu leben scheint und sich Monster in den Körpern der Menschen verstecken, ist sie die richtige Person, um dieses Verbrechen aufzuklären. Ihr Partner Dupree sieht sich in ihrem Verhalten und ihren Handlungen reflektiert und sie bilden ein Team, das mehr sehen kann als andere Menschen.
Auch der psychologische Aspekt der Handlung in Bezug auf die Täteranalyse sowie von menschlichen Verhalten in Momenten der Widrigkeiten werden mit einer bemerkenswerten Tiefe behandelt und machen den Thriller zu etwas Besonderen. Hier passt einfach alles zusammen.

Insgesamt ist „Todesspiel“ nicht nur ein atmosphärischer, düsterer und spannender Psychothriller über einen bösartigen Familienserienmörder, der sich in einer 18-jährigen Karriere trotz eines festgelegten Musters jeder Verfolgung entzieht, um dann doch schließlich von Amaia und Co. zu Strecke gebracht zu werden, sondern bietet er auch ein fesselndes und beängstigendes Porträt der Verwüstung und des Leids, die durch den Hurrikan Katrina verursacht wurden. Auch sind die mystischen Beschreibungen wie die baskischen Legenden und der Voodoo sehr lebhaft und glaubhaft dargestellt.

Klare Leseempfehlung für alle, die komplexe und außergewöhnliche Psychothriller mögen.

Bewertung vom 19.08.2022
Jean, Emiko

Prinzessin auf Probe / Tokyo ever after Bd.1


sehr gut

Wenn Märchen wahr werden

Izumi „Izzy“ Tanaka hat sich immer irgendwie fremd gefühlt als japanisch-amerikanisch in ihrer kleinen Stadt im Norden von Kalifornien, in der sie mit allein mit ihrer Mutter lebt. Doch dann entdeckt sie eines Tages zufällig einen Hinweis auf die Identität ihres bis dahin unbekannten Vater… Ihr Vater ist niemand Geringeres als seine Hoheit der japanische Kronprinz persönlich. Ehe sie sich versieht, befindet sie sich als japanische Kronprinzessin auf dem Weg nach Japan, um dort ihren Vater näher kennenzulernen, sowie Land und Leute. Doch dort angekommen merkt Izzy, dass es nicht so einfach ist, Prinzessin zu sein und dass auch nicht alle nur ihr Bestes wollen. Bald findet sie sich zwischen zwei Welten gefangen – zwischen der normalen bürgerlichen Izzy und der royalen Prinzessin Izumi. Auch fühlt sie sich nicht japanisch genug für Japan. Wäre das alles nicht schon genug, ist da noch ihr Bodyguard Akio, den sie zwar anfangs gar nicht leiden mag, aber eigentlich doch gar nicht so schlecht ist… Drama, Intrigen und Gefühlschaos sind vorprogrammiert.

Aus der Ich-Perspektive von Izzy erzählt, taucht man gemeinsam mit Izzy in das neue Leben als Prinzessin ein, mit all ihren schönen und schlechten Seiten. Nebenbei bekommt man auch einen authentischen wirkenden Einblick in die japanische Kultur, streift durch Tokio und gewinnt einen Eindruck vom Leben in Japan. Humorvoll und angenehm geschrieben, macht es Spaß dabei zuzusehen wie aus der anfangs teils etwas naiven Izzy eine selbstbewusste junge Frau wird. Sie ist nicht perfekt und macht teils auch dumme Fehler, aber sie kommt glaubhaft und liebevoll rüber.
Toll sind auch die schönen Freundschafts- und Familienmomente, die ohne großartiges künstliches Drama auskamen. Jedoch hätte manches vertieft werden können. Besonders die Vater-Tochter-Beziehung wurde gut dargestellt. Herrscht anfangs noch Unsicherheit im gemeinsamen Umgang miteinander vor, nähern sich beide langsam an und lernen sich immer besser kennen. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf auf Akio, ihren Bodyguard. Nur stehen da Gefühle anderer Art wie Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch nach und nach immer mehr im Vordergrund. Vor allem ihre Momente allein sind einfach nur süß.

„Tokyo ever after“ liest sich wie ein modernes japanisches Märchen. Es ist bei Weitem nicht perfekt, besonders die Handlung hat paar Schwächen in Bezug auf Tiefe und Glaubhaftigkeit. Ebenso bleiben manche Nebencharaktere etwas zu blass, aber insgesamt ist es ein unterhaltsames und gefühlvolles Jugendbuch mit Anklängen an „Plötzlich Prinzessin“.

Bewertung vom 17.08.2022
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

Wenn eine Seereise zum Albtraum wird

Spätsommer 1929, Marseille: Der Fotograf Theodor Jung begibt sich gemeinsam mit seiner Frau Dora Rosterg und den Schwiegereltern auf das Luxuskreuzfahrtschiff Champollion mit Maskat als Zielhafen ihrer Reise. Jung erhofft sich von der Reise, dass sie seine Ehe wieder aufleben lässt und zu Beginn scheint auch alles gut zu verlaufen, einmal abgesehen von den Anfeindungen und Vorbehalte seiner Schwiegereltern ihm gegenüber, bis jedoch Dora plötzlich spurlos verschwindet. Das Seltsamem, niemand will Dora überhaupt je auf dem Schiff gesehen habe, auch sind alle Spuren, die sie auf dem Schiff hinterlassen hat, verschwunden. Angeblich befindet sich Dora auch noch in Berlin und kümmert sich um das Gewürzgeschäft der Familie. Hat Jung sich alles nur eingebildet? Doch mit der Zeit häufen sich die Geheimnisse rund um Dora und ihre Familie, auch scheinen andere Schiffsgäste etwas zu verbergen und so macht sich Jung gemeinsam mit der Stewardess Fanny auf der Suche nach Antworten hinter Doras mysteriösen Verschwinden.

Anfangs noch etwas gemächlich folgt man Jung auf dem Schiff entlang und gewinnt einen Eindruck von der Stimmung und den Gästen an Bord, unter denen sich berühmten Persönlichkeiten über Boxer bis hin zu zwielichtigen Geschäftsmännern befinden. Als dann jedoch Dora verschwindet, nimmt die Geschichte immer mehr an Tempo auf und verliert dieses auch nicht mehr bis zum spannenden Ende. Des Weiteren sorgt das Mysterium um Doras Verschwinden für einen konstant hohen Spannungsbogen.

Die Stärke des Romans liegt eindeutig in der Authentizität der Orts- und Zustandsbeschreibung sowie der Charakterzeichnung. Rademacher lässt die Stimmung der damaligen Zeit aufleben und schafft lebendige und vielschichtige Charaktere. So wird z. B. auch die gesellschaftliche Situation wie die Unterschiede zwischen erster und dritter Klasse angesprochen oder auch der Hass zwischen Deutschen und Franzosen.
Auch die gut konstruierte Kriminalhandlung enttäuscht nicht und hat es in sich, auch wenn mit kleinen Schwächen, die jedoch dem Lesevergnügen nicht schaden.

Mit „Die Passage nach Maskat“ hat Cay Rademacher einen fesselnden Mix aus historischem Roman und Krimi vorgelegt, der vor allem durch seinen atmosphärischen und detailreichen Schreibstil in Bezug auf Szenen- und Charakterbeschreibung sowie einer gut durchdachten und wendungsreichen Handlung zu überzeugen weiß.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2022
Orriols, Marta

Sanfte Einführung ins Chaos


sehr gut

Unterschiedliche Lebensentwürfe

„Sanfte Einführung ins Chaos“ von Marta Orriols erzählt einfühlsam und nuanciert von Dani und Marta, die seit zwei Jahren ein Liebespaar sind und gemeinsam in Barcelona leben. Dani ist Drehbuchautor für Fernsehserien und Marta freie Fotojournalistin und sie führen ein normales Leben bis zu dem Tage, an dem Marta Dani von ihrer Schwangerschaft erzählt. Martas Entscheidung, dass Kind nicht haben zu wollen, stürzt beiden in ein großes Gedanken- und Gefühlschaos. Dani wünscht sich im Gegensatz zu Marta, dass sie das Kind behält und sieht sich selbst schon als Vater. Seine Sicht hängt wird auch dadurch beeinflusst, dass er sich geschworen hat, nie ein Kind von ihm im Stich zu lassen. Marta dagegen will nicht Mutter werden, sie ist sich unsicher, ob sie überhaupt eine gute Mutter sein würde und im Moment ist ihr auch ihre berufliche Zukunft wichtiger.
Was folgt, sind sechs Tage des Nachdenkens über die Zukunft, was es heißt, Vater bzw. Mutter zu sein, der Zweifel und der Entscheidungsfindung auf beiden Seiten. Sie müssen sich darüber klar werden, was sie von ihrer Zukunft und ihren Leben wollen.

Aus Sicht von Dani und Marta wird schnörkellos, elegant und prägnant die Entscheidungsfindung von Marta und Dani erzählt. Langsam und mit guter Entwicklung werden einem die Gefühle und Argumente von beiden von dem Moment an übermittelt, in dem Marta Dani sagt, dass sie schwanger ist, aber die Schwangerschaft nicht fortsetzen möchte. Orriols schafft es hierbei, einen an den Gedanken und Gefühle von Dani und Marta teilhaben zu lassen und ein authentisches Bild von ihren Sehnsüchten, Unsicherheiten, Einstellungen und Plänen zu zeichnen.

„Sanfte Einführung ins Chaos“ von Marta Orriols behandelt überzeugend und sprachlich ansprechend ein komplexes Thema mit großer Sensibilität. Die Themen und Konflikten sind zwar nicht neu, müssen sie aber auch nicht sein, um Wirkung zu entfalten. Auch fängt der Roman gut den aktuellen Zeitgeist einfängt und sich u. a. mit der Schwierigkeit von Familie und Beruf zu vereinbaren und das Recht auf die freiwilligen Entscheidungen in Bezug auf den eigenen Körper beschäftigt.

Bewertung vom 11.08.2022
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3


sehr gut

Höhen und Tiefen einer Liebe poetisch erzählt

„Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe“ von Bettina Storks ist ein poetisch geschriebener und gefühlvoller, fiktiver Roman über die Liebe zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch. 1958 in Paris lernen sich die beide Ikonen der Literatur kennen und der bodenständige Frisch verliebt sich auf den ersten Blick in die sensible und freiheitsliebende Bachmann, die zu der Zeit ein Star der Literatur war. Was folgt, ist eine Liebesbeziehung zwischen München, Rom und die Schweiz, die geprägt ist von Leidenschaft und Eifersucht seitens Frisch. Einfühlsam beschreibt die Autorin zunächst, wie sich beide ineinander verlieben und dann wie mit der Zeit ihre große Liebe am Alltag scheitert-

Abwechselnd aus Sicht von Bachmann und Frisch erzählt, erhält man einen Einblick in die Gedanken und Gefühle der beiden und spürt, wie unterschiedlich beide sind. Frisch liebt Klarheit und Ordnung und kann wenig mit Bachmanns Hang zum Geheimnisvollen und ihren Drang nach Freiheit anfangen. Auch ihre unterschiedlichen Arbeitsweisen werden immer mehr zum Stolperstein für ihre Beziehung. Schnell wird deutlich, dass die Liebesbeziehung zwischen beiden keine ist, die glücklich enden wird. So kommt es dann auch 1962 wenig überraschend zur Trennung der beiden.

„Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe“ ist kein Roman, den man so nebenbei liest und es ist keine Liebesgeschichte mit Happy End. Gespickt mit Zitaten ist er eine gelungene literarische Annäherung an Bachmann und Frisch als Schriftsteller und als Personen dahinter. Leicht melancholisch und bewegend geschrieben kommt man auf über 400 Seiten den beiden näher und wird Zeuge einer großen und leidenschaftlichen Liebe, die leider nicht hielt. Nicht nur für Literaturliebhaber lesenswert.

Bewertung vom 09.08.2022
Mentges, Jennifer

Elternhaus (eBook, ePUB)


sehr gut

Wenn die Vergangenheit an der Tür klopft

Ein Hamburger Herrenhaus verbirgt so einige Geheimnisse oder besser gesagt, die Personen, die dort wohnen bzw. es aufsuchen. Allen voran Yvette Winkler und Tobias Hansen. Yvette Winkler ist gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Mann erst vor Kurzem in die alter Hamburger Villa eingezogen. Der Umzug sollte ein Neuanfang für sie sein und so ihre kriselnde Ehe zu retten. Tobias Hansen hingegen hat es schon vor dem Einzug der Winklers allabendlich zur alten Villa hingezogen und sie aus dem Auto heraus beobachtet. Nachdem die Familie Winkler eingezogen ist, macht sich Hansen daran, selber Teil der Familie zu werden und da er selber Pianist ist, gibt er den Kindern bald Klavierunterricht und freundet sich mit Yvette und ihren Mann an und gewinnt immer mehr ihr Vertrauen sowie Zugang zum Haus. Doch dann eines Tages, wenn er allein ist mit Yvette und den Kindern, zeigt er sein wahres Gesicht…

„Elternhaus“ von Jennifer Mentges ist ein spannender Psychothriller, der ganz ohne blutige Szenen auskommt und dessen Stärken in der detaillierten Charakterzeichnung und der atmosphärischen und leicht poetischen Sprache liegen. Anfangs noch etwas gemächlich, wird langsam Spannung aufgebaut und dann konstant über den weiteren Handlungsverlauf hochgehalten. Ebenso ist von Beginn an eine unterschwellige geheimnisvolle und leicht bedrohliche Stimmung spürbar. Aus den sich abwechselnden Perspektiven und Rückblicken in die Vergangenheit wird nach und nach das Geheimnis um Tobias Hansen, Yvette Winkler und der Villa gelüftet.
Auch wenn manche Handlungsstränge hierbei vorweggenommen werden, weiß der Spannungsroman zu überraschen und Gänsehautmomente zu erzeugen sowie insgesamt mit einer schlüssigen Handlung zu überzeugen.

Ein Psychothriller, der auf leisen Pfoten daherkommt und nach und nach seine volle Wucht entfaltet. „Elternhaus“ von Jennifer Mentges zieht einen in seinen Bann und lässt einen nicht mehr los genau wie das alte Herrenhaus im Buch.

Bewertung vom 05.08.2022
Nealon, Louise

Snowflake


sehr gut

Coming-of-Age-Story auf Irisch

3.5/5

„Snowflake“ von Louise Nealon ist die Coming-of-Age-Geschichte der 18-jährigen Debbie White, die im ländlichen Irland aufgewachsen ist und dort mit ihrer Mutter und ihrem Onkel auf einem Milchbauernhof lebt und nun auf das Trinity College in Dublin geht, um dort Englisch zu studieren. Der Übergang vom Land- zum Stadtleben bringt wenig überraschend Herausforderungen und neue Erfahrungen und Bekanntschaften mit sich. So freundet sie sich mit Xanthe an, deren wohlhabende Erziehung in Süd-Dublin weit entfernt von Debbies Erfahrungen ist. Während Debbie beginnt, sich am College zurechtzufinden, ereignet sich eine Tragödie auf der Milchfarm, wodurch ihr bisheriges Leben auf den Kopf gestellt wird.

Das Buch liest sich leicht und flüssig und ist in einen leicht poetischen und humorvollen Schreibstil geschrieben. Die Autorin schafft es gut, die Gedanken und Gefühle von Debbie einzufangen und zu beschreiben, wie es ist, eine junge Frau zu sein, die das Leben neu kennenlernt. Auch ist Debbie ein sehr sympathischer Charakter. Ihre Unschuld und die Fehltritte, die sich macht, wenn sie versucht, aus ihrer ländlichen Hülle herauszukommen, lassen sie zutiefst menschlich erscheinen. Zusammen mit einigen typischen Merkmalen des irischen Lebens ist dies eine schöne, ehrliche Geschichte über das Erwachsenwerden. Neben der Reise der Selbstfindung spricht Nealon auch ernstere Themen wie z. B. psychische Krankheiten, Suizid und Alkoholismus an. Trotz der – oft unbequemen – Thematik verliert der Roman jedoch nichts an seiner Leichtigkeit, allein der subtile Humor trägt dazu bei.

Allerdings fühlte sich die Geschichte manchmal etwas unzusammenhängend an und ich hätte mir gewünscht, dass einige Dinge und einige der Themen etwas ausgiebiger behandelt worden wären. So passierten z. B. manche Ereignisse oft wie aus dem Nichts, während andere Handlungspunkte als Schlüsselereignisse angesehen wurden, jedoch später auf diese nicht mehr großartig eingegangen wurde. Auch manche Veränderungen Debbies kamen ziemlich abrupt.

Insgesamt ist „Snowflake“ von Louise Nealon ein überzeugendes Debüt, das die chaotischen Emotionen und Erfahrungen des frühen Erwachsenenalters gut einfängt. Man folgt Debbie gerne, wie sie ihren Weg findet, lernt sich selbst zu lieben und beginnt ihre eigene Identität zu formen.