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Verena

Bewertungen

Insgesamt 164 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2022
Leuthner, Aja

Via Torino


gut

Potential nicht ausgeschöpft

Ich liebe es ja, wenn mich ein Buch mitnimmt nach Italien. Mehrgenerationenroman und auch das atmosphärische Cover haben mich sofort angesprochen. Es geht um drei Frauen, Eleonora, Rosalia und Milena. Eleonora möchte sich in den 60er Jahren aus den Fesseln ihrer spießigen bürgerlichen Münchner Familie befreien und findet sich in Turin wieder, mitten im Kampf der dortigen Fiat-Arbeiter um bessere Entlohnung. Die Studentin trifft dort Valerio und während um sie herum Gewalt ausbricht, verlieben sie sich. Das Paar muss schließlich Italien verlassen, bekommt Töchterchen Rosalia und führt in München ein beschauliches Leben. Rosalia liebt ihre italienischen Wurzeln, auch wenn sie deswegen als Kind häufig Diskriminierung erleiden muss. Letztlich bricht sie aber mit Italien, aus enttäuschter Liebe zu Milenas Vater, den sie kurz nach dem Abitur in Florenz kennenlernt. Milena wiederum wächst hauptsächlich bei ihren Großeltern Eleonora und Valerio auf, während Rosalia ihrer wissenschaftlichen Karriere nachgeht. Die Enkelin liebt die gemeinsamen Reisen ins Haus in der Toskana und versucht mit allen Mitteln herauszufinden, wer ihr Vater ist, aus dem ihre Mutter ein Geheimnis macht.

Obwohl alle drei Frauen spannende Geschichten haben, die kulturellen und politischen Dimensionen des Romans sehr interessant sind, empfand ich eine gewisse Distanz zur Erzählung. Emotional konnte mich der Roman nicht berühren. Was genau der Grund war, kann ich nicht sagen, aber manchmal verliert sich die Autorin in seltsamen Schachtelsätzen. Einige Episoden ziehen sich sehr, während gegen Ende plötzlich alles auf einmal passiert. Die Story um Rosalias Bruch mit ganz Italien nach der Geschichte mit Milenas Vater fand ich arg konstruiert und als kurz vor Schluss auch noch die Mafia auftaucht, war das too much. Ein Roman, der sein Potential leider nicht ganz ausschöpft.

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Bewertung vom 16.02.2022
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


gut

Die Macht der Worte

“Warum lasen die Menschen Bücher? Warum gingen sie ins Kino und ins Theater? Doch nicht, weil sie die Wahrheit wollten. Sie wollten träumen, sich in den Geschichten der anderen wiedererkennen. Und er, Hartung, half ihnen dabei.”

Michael Hartung, der “Held” dieses Romans, sieht sich als eine Art Geschichtenerzähler. Er will ja eigentlich gar kein Held sein. Im September 2019, kurz vor dem 30. Jubiläum des Mauerfalls, bekommt der Videothekbesitzer Besuch von einem Journalisten, der Hartungs Namen in alten Stasi Akten gefunden hat. Missverständnisse, Geldsorgen und die Hoffnung auf einen großen Scoop sorgen letztendlich dafür, dass ganz Deutschland glaubt, Hartung habe als Stellwerkmeister am Bahnhof Friedrichstraße eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR eingefädelt, indem er einem S-Bahn-Zug in den Westen verhalf. Wirklich recht ist es Hartung nicht, als die Story plötzlich größer ist als gedacht. Aber plötzlich bekommt er, ein eher verschlafener Taugenichts, Anerkennung von allen Seiten. Dabei ist es ihm fast wichtiger, dass seine erwachsene Tochter plötzlich Kontakt zu ihm aufnimmt, als die Einladungen in Talkshows und beim Bundespräsidenten. Dann taucht auch noch eine Frau auf, die als Teenagerin mit ihren Eltern in jener S-Bahn saß und während sich Hartung immer weiter in Lügen verstrickt wird gleichzeitig klar, dass es unmöglich ist, sie weiter aufrecht zu erhalten.

Ein wenig erinnerte mich das Grundthema dieser Hochstaplergeschichte an “Lila, lila” von Martin Suter; doch der Fokus von “Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße” ist auch immer wieder auf unserem Umgang mit Erinnerungskultur. Zwar ist die Betrachtungsweise häufig überspitzt, aber doch irgendwie recht zutreffend, zum Beispiel beim Umgang der Medien mit den Themen, denen es weniger um die tatsächlichen Inhalte geht, sondern es fast zu einem Überbietungswettkampf kommt, wer die reißerischste Story hat. Immer wieder gibt es richtige gute Szenen, aber irgendwie konnte mich die Geschichte als Ganze nicht richtig packen.

Bewertung vom 16.02.2022
Hazelwood, Ali

Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe


sehr gut

Olive ist Doktorandin im Fachbereich Bio und muss unbedingt ihre beste Freundin Anh überzeugen, dass sie kein Problem damit hat, dass diese in Olives Exfreund verliebt ist. So erzählt sie von einem Date, das es in Wahrheit gar nicht gibt, und wird dabei von Anh überrascht. Kurzerhand küsst Olive also die erstbeste Person, die ihr über den Weg läuft: Professor Adam Carlsen. Der junge Dozent ist gefürchtet bei den Biologie-Student:innen, gilt als feindselig und unnahbar. Olive, die zwar nicht von ihm unterrichtet wird, aber dennoch seinen Ruf kennt, ahnt Schlimmes. Doch erstaunlicherweise erklärt er sich bereit, ihr zu helfen. Denn auch er kann der Scharade etwas Positives abgewinnen. Da die Uni denkt, dass er von einem anderen Institut abgeworben wird, haben sie die Fördergelder für seine Forschung eingefroren. Eine feste Freundin vor Ort könnte die Verantwortlichen überzeugen, ihn doch finanziell zu unterstützen. Und Olive kann endlich Anh beweisen, dass sie über den Ex hinweg ist. Die folgende Romcom ist amüsant und steamy, erfindet dabei das Fake-Dating Prinzip nicht neu, spielt aber damit. Das Setting im Unialltag und das wissenschaftliche Arbeiten der Protagonist:innen kommt sehr realistisch rüber und nimmt auch viel Platz ein – kein Wunder, denn die Autorin ist selbst Neurowissenschaftlerin und arbeitet als Professorin. Einziges Manko: der Roman hat durch einige Wiederholungen Längen und die letzte Szene war mir zu übertrieben. Obwohl ich durchaus behaupten würde, in der Welt der Populärkultur zuhause zu sein, habe ich witzigerweise erst nach dem Lesen kapiert, dass der Roman ursprünglich eine Star Wars Fanfifction, genauer gesagt, eine Reylo Fanfic, war. Ich lache jetzt noch, dass mir das nicht früher aufgefallen ist, habe ich doch in meinem Leben die ein oder andere Star Wars Fanfic gelesen. Anyway, fellow ich-finde-Adam-Driver-null-attraktiv-Menschen, habt keine Angst, die Autorin schafft es Buch-Adam durchaus ansprechend zu charakterisieren.

Bewertung vom 12.01.2022
Fontaine, Naomi

Die kleine Schule der großen Hoffnung


ausgezeichnet

Rückkehr
Dieser autobiografische Roman von Naomi Fontaine, einer der bekanntesten indigenen Autorinnen Kanadas, schafft es, die wenigen Seiten voller großer Themen mit Bedeutungsschwere zu füllen. Yammie, eine junge Lehrerin, aufgewachsen in Québec, gibt ihr Leben in der Großstadt auf und kehrt zurück in das Innu-Reservat, das sie als Kind verließ. In Uashat muss sie nicht nur ihren Alltag mit den Schüler:innen bewältigen, sondern auch sich selbst neu kennenlernen. Sie kennt ihre Herkunft nicht, die Traditionen, das Land, die Menschen sind ihr fremd. “Zwei Tage in der Wildnis sind nicht genug. Zu kurz, um mir all das, was ich als Kind verloren habe, wieder anzueignen.” Doch die Rückkehr zu ihrer Herkunft konfrontiert sie nicht nur mit der eigenen Identität, sondern auch mit einem Leben, das aus jahrhundertelanger Unterdrückung resultiert. Drogen, Alkohol, Teenagerschwangerschaften, Suizide sind omnipräsent. Überhaupt ist das Thema “Schule” in der indigenen Gemeinschaft belastet, haben doch Staat und Kirche bis in die Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts in den residential schools kulturellen Genozid an der indigenen Bevölkerung Kanadas verbrochen. Doch die Lehrenden, einschließlich Yammie, geben sich Mühe, den Kindern ein positives Umfeld zu schaffen. Der Titel im französischen Original lautet “Manikanetish, Petite Marguerite”. Die kleine Marguerite war eine Frau im Reservat, die keine eignen Kinder hatte, sich aber stets den der anderen angenommen hatte und diese mitaufzog. Um sie zu würdigen, wurde die Schule nach ihr benannt. Sinnbildlich verkörpert auch Yammie, kaum älter als die Schüler:innen, viel mehr als nur eine Lehrerin. Je mehr sie sich mit ihrer eigenen Herkunft, den Innu und ihren Traditionen beschäftigt, desto wichtiger wird sie für ihre Klasse. Sie wird zu einer Vertrauten, Freundin, Mutter für die ihr anvertrauten Kinder. Ein kleiner, leiser Roman, der trotz der Schwere der Themen nie seine erzählerische Leichtigkeit verliert. “Jeden Tag begegnete ich einem weiteren Unbekannten, mit dem ich verwandt war. … Mein Stammbaum bekam immer mehr Äste, und die Äste verzweigten sich immer weiter. Durch alle mit allen verwandt.”

Bewertung vom 18.12.2021
Heron, Farah

Eine Prise Salz für die Liebe


weniger gut

Bisher konnte Reena sich erfolgreich zur Wehr setzen, als ihre Eltern ihr potentielle Heiratskandidaten vorstellten. Doch als plötzlich Nadim als ihr Nachbar auftaucht, kann sie nicht mehr standhaft bleiben. Obwohl sich alles in ihr sträubt, dem Wunsch der Eltern nachzugeben, fühlt sie sich zu dem gutaussehenden, erfolgreichen neuen Wunsch-Ehemann hingezogen. Und Nadim ist gar nicht der perfekte traditionsbewusste Schwiegersohn, den die Eltern sich vorstellen. Bald beginnen die beiden eine leidenschaftliche Affäre, doch nicht nur die gemeinsame Liebe zu indischem Essen und vor allem der Zubereitung von Brot schreit nach mehr. Obwohl sie eigentlich erstmal nur alles ganz casual halten wollten, geben sie sich als Paar aus, um an einem Online-Kochwettbewerb mitmachen zu können.

Ich hatte gehofft auf eine unterhaltsame Romcom mit Einblicken in den kulturellen Background der Protagonist:innen, dazu natürlich ganz viel Foodie-Liebe. Am besten sind tatsächlich die Szenen, in denen gekocht und gebacken wird. Auch die Problematik zwischen Eltern, die in ein anderes Land einwandern (in diesem Fall Kanada), und dem culture-clash, dem ihre Kinder bei der Identitätssuche ausgesetzt sind, kam teilweise gut rüber. Aber gleichzeitig verlor sich der Roman in seiner Timeline. Die Handlung spielt sich in vier Wochen ab. In dieser Zeit passiert ALLES. Viel zu viel um es auch nur annähernd glaubhaft rüberbringen zu können. (SPOILER) Kennenlernen, Abneigung, Affäre, gemeinsame Abende, Kennenlernen der Freunde, Familienessen, viel Kochen und Backen, Online-Kochshow, Verlobung der Schwester, GROSSES DRAMA, Auflösung des großen Dramas, Versöhnung, Hochzeit. Puh. Weniger ist meistens mehr.

Bewertung vom 18.12.2021
Cousens, Sophie

Unsere Zeit ist immer


sehr gut

Schöner Schmöker

Unsere Zeit ist immer

Minnie hätte nicht nur das erste Neunzigerjahre-Baby sein sollen, sie hätte auch den von ihrer Mutter ausgesuchten Glücksnamen “Quinn” tragen sollen. Doch im selben Londoner Krankenhaus kommt ihr in der Silvesternacht ein anderes Baby zuvor, erhält die 50.000 Pfund und lebt im Gegensatz zu Minnie – so stellen sie und ihre Mutter es sich vor – ein vom Glück gesegnetes Leben, während bei Minnie selbst alles schiefläuft, was nur schieflaufen kann, vor allem an ihrem Geburtstag. Den verbringt sie deshalb am liebsten eingeigelt, zuhause, allein, doch in der Silvesternacht vor ihrem 30. lässt sie sich von ihrem Freund überreden, zu einer exklusiven Party zu gehen. Hier lernt sie durch einen Zufall eben jenen Quinn kennen, der ihr Namen und Glück gestohlen hat und natürlich ist er attraktiv, charmant, erfolgreich – genauso, wie Minnie es sich immer vorstellte. Doch der erste Blick trügt nicht selten. Minnie und Quinn finden schließlich im Laufe des Jahres zueinander. Eine süße Liebesgeschichte, die ihren Protagonist:innen tatsächlich Zeit gibt, sich kennenzulernen statt innerhalb weniger Wochen zum Happy End zu eilen. Ein bisschen besorgt war ich, dass die vom Pech verfolgte Minnie eine weitere tollpatschige Romcom-Heldin sein könnte, aber der Autorin gelingt es, diesen zentralen Aspekt der Geschichte umzusetzen, ohne unrealistisch zu übertreiben. Schön gezeichnet ist auch, wie die Mütter der beiden als Nebenfiguren das Leben ihrer Kinder stark prägen: Minnie, die sich in ihrer negativen Denkweise stark von ihrer Mutter beeinflussen lässt, die nie darüber hinweggekommen ist, dass die Frau, mit der sie auf der Entbindungsstation das Zimmer teilte, den Namen geklaut hat; und Quinn, dessen nach außen hin perfekt scheinendes Leben von Kindheit an dominiert wird von der psychischen Erkrankung der Mutter. (Inhaltswarnung: Angststörung und Depression)

Einzig das Finale hätte weniger groß sein können, ansonsten ein sehr schöner Schmöker. Von Sophie Cousens werde ich sicher mehr lesen.

Bewertung vom 01.12.2021
Avallone, Silvia

Bilder meiner besten Freundin


gut

Der italienische Roman “Bilder meiner besten Freundin” klingt sehr interessant: die Geschichte zweier Freundinnen, geprägt vom Zeitalter der sozialen Medien. Die introvertierte, Bücherliebende Elisa und die extrovertierte Beatrice, Profi der Selbstinszenierung lange bevor es alle tun, was sie bald zur allseits bekannten Influencerin aufsteigen lässt. Hinzu kommt ein wirklich grandioses Cover, das zu den tollsten gehört, die ich dieses Jahr gesehen habe. Tatsächlich spielen die sozialen Medien aber nur eine untergeordnete Rolle, viel mehr geht es um die toxischen Beziehungen der Ich-Erzählerin Elisa, vor allem die zu Bea. Los geht’s als die beiden 14 Jahre alt sind. Zunächst ist es (auch wenn ich mir etwas ganz anderes vorgestellt hatte) spannend darüber zu lesen, bald aber verliert sich die Autorin in einer Endlosschleife an Wiederholungen. Eine Message fehlt und es ist wirklich erstaunlich, wie sowohl Elisa als Beatrice zwar erwachsen werden, sich aber kein bisschen weiterentwickeln. Das macht den Roman stellenweise sehr langatmig. Mir hat das besondere Etwas gefehlt. Das Ende – ohne spoilern zu wollen – habe ich gehasst. Bei einer italienischen Rezensentin habe ich gelesen, dass die Story als eine einzige Chiara Ferrangi Fanfiction anmutet; da ich mich in der Welt der Influencer:innen nun wirklich nicht auskenne, kann ich nicht beurteilen, wie sehr diese Aussage zutrifft.

Bewertung vom 25.11.2021
Schier, Petra

Kleines Hundeherz sucht großes Glück / Der Weihnachtshund Bd.1


weniger gut

Darum geht’s: Lidia übernimmt die Stelle als Vertretungsköchin in einer Sozialstation. Dort arbeitet Noah als Street Worker. Die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen, jedoch stammt Noah aus schrecklichen Verhältnissen und hat Angst, sich in einer Beziehung irgendwann genauso zu verhalten wie seine Eltern einst. Aber da ist ja noch ein kleiner, süßer Hund.

Was ich erwartete hatte: eine süße, kitschige Weihnachtsromanze mit flauschigem Vierbeiner. Ganz habe ich das nicht wirklich bekommen.

Unterhaltsam waren tatsächlich die Szenen, in denen der Weihnachtsmann und seine Elfen das Zusammenfinden von Lidia und Noah mithilfe des kleinen Streuners Amor “planen”. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, aber hey, es ist Weihnachten, da darf es auch gerne mal over the top sein. Am liebsten mochte ich die Kapitel und Szenen aus der Perspektive von Amor, so niedlich, davon hätte ich gerne viel mehr gehabt.

Was ich nicht mochte wiegt leider umso schwerer. Noah wird natürlich als mürrischer, zu bändigender Typ dargestellt. Aber ich kann es einfach nicht ab, dass in der heutigen Zeit immer noch Sätze à la “wenn sie jetzt nicht geht, kann ich für nichts garantieren” auftauchen. Ständig soll Lidia doch besser die Flucht vor ihm ergreifen, weil er sich sonst nicht mehr kontrollieren könne. Ein absolutes No-Go solche Gedankengänge bei den männlichen Protagonisten. Erstaunlicherweise noch schrecklicher als diese Gedanken von Noah war das Verhalten von Lidias Eltern. Die beiden kennen sich erst kurze Zeit bevor sie zusammen, nachdem sie dann zwei Wochen lang zusammen sind, taucht Lidias Vater bei Noah auf und textet ihn zu, ob er Lidia liebe, zukünftiger Schwiegervater, willkommen in der Famillie, etc... Das ist so unglaublich schlecht gemacht (die Mutter macht ein paar Tage später das Gleiche), so übertrieben und unnatürlich - einfach nur cringeworthy.

Schade, da die Hinweise auf die anderen Pärchen des Romans (Lidia hat viele Geschwister und die werden wohl alle vom Weihnachtsmann mit Hunde-Hilfe verkuppelt) bereits andeuten, dass ihre Liebesgeschichten sich ähnlich entwickelt haben, werde ich wohl kein weiteres Buch der Autorin lesen.

Bewertung vom 19.11.2021
Wagamese, Richard

Der Flug des Raben


sehr gut

Heimkehr
“Ich konnte ihre Stimmen dort hören. … Stimmen aus einer Geschichte, die gelöscht worden war. Eine Vergangenheit, die nie in mir hatte leuchten können.”

Garnet Raven ist Ende der 1970er Anfang 20. Er weiß, dass er indigener Abstammung ist, aber gleichzeitig weiß er nicht, was das für ihn bedeutet. Den als er grade einmal 3 Jahre alt war, wurde er seiner Familie gestohlen. Weggebracht, von der kanadischen Regierung, in Pflegefamilien, um ihm seine Kultur auszutreiben. Er kann sich nicht an seine Eltern und Geschwister erinnern, seine Vergangenheit, seine Geschichte, wurde gelöscht. Wie geht ein Mensch damit um? Mit dem Wissen, einer Familie, einer Kultur anzugehören, über die er nichts weiß außer den weitverbreiteten meist negativen Vorurteilen und kitschigen Stereotypen? Garnet versucht alles zu sein, nur nicht das was er ist. Bis einer seiner Brüder ihn ausfindig macht und ihn einlädt, nach Hause zu kommen, in das Reservat White Dog, wo im nördlichen Ontario seine Ojibwe Familie lebt.

Der erste Roman des First Nations Autors Richard Wagameses erzählt die Heimkehr Garnet Ravens. Behutsam und entschleunigt führt er nicht nur den jungen Protagonisten, sondern auch die Leser:innen an das einfache Leben im Reservat, an die (Familien)Geschichte, an die Kultur, die Traditionen der Ojibwe und die Verbundenheit der indigenen Völker Kanadas zum Land heran. Garnet, dessen Leben vor dem Reservat geprägt war von Verlorenheit, lernt seine Familie und seine Vergangenheit kennen und findet dabei auch zu seiner eigenen Identität. Die Erzählung ist dabei gespickt mit erstaunlich viel Humor (vor allem im Vergleich zu Wagameses Roman “Der gefrorene Himmel”). Ein toller Roman, bei dem ich viel lernen durfte.

[Einziger Wermutstropfen: Der 1994 veröffentlichte Roman wurde jetzt erstmals ins Deutsche übersetzt. Garnet verbringt in Toronto viel Zeit in der Schwarzen Community. Warum – ohne, dass es irgendeine inhaltliche Tragweite hat – in einer Übersetzung aus dem Jahr 2021 das N-Wort wörtlich übersetzt werden muss, erschließt sich mir nicht.]

“Das Land ist ein Gefühl. … Verlierst du die Verbindung, verlierst du das Gefühl, zu etwas zu gehören, was größer ist als alles andere. Das ist sozusagen der Zugang zum großen Geheimnis. Den Geist, die Seele des Landes zu spüren, die auch die Seele der Menschen und deine eigene Seele ist.”

Bewertung vom 02.11.2021
O'Leary, Beth

Drive Me Crazy - Für die Liebe bitte wenden


weniger gut

Mit den beiden wirklich tollen Vorgänger-Romanen von Beth O’Leary “The Flatshare” und “The Switch” kann “The Roadtrip” (Drive me crazy) leider nicht mithalten. Darum geht’s: nach einer Autopanne auf dem Weg zu einer Hochzeit müssen Addie und Dylan, die seit ihrer Trennung vor 2 Jahren keinerlei Kontakt hatten, gemeinsam weiterfahren - 500 Kilometer im engen kleinen Auto mit Addies Schwester, Dylans Kumpel und einem weiteren Gast. Dabei wird in Rückblenden die Beziehung der beiden erzählt. O’Learys Schreibstil ist wie immer angenehm und man möchte auch gerne wissen, was passiert ist, das zur Funkstille führte. Leider spielt eine große Rolle das Klischee vom Mädchen aus einfachen Verhältnissen und dem reichen Jungen. Wann immer Dylans Elite-Sprössling-Clique auftauchte, fühlte ich mich unangenehm an Logan und die Life and Death Brigade aus Gilmore Girls erinnert. Die wirklich interessanten Aspekte, die sich auch auf eine Beziehung zwischen Menschen verschiedener sozialer Milieus auswirken können, bleiben hier zum Großteil außen vor bzw. geraten durch Parties und Co. in den Hintergrund. Der Trennungsgrund wirkt nach dem großen Spannungsaufbau sehr unspektakulär. Hinzu kommt, dass Addie und Dylan sich natürlich wieder annähern, was aber nur geht, wenn sie sich weiterentwickeln. Aber das passiert alles außerhalb der Erzählung - die Entwicklung aller Figuren, auch der Nebenfiguren – allen voran Addies Schwester Deb und Kumpel Marcus –, wird den Leser:innen als fertiges Ding präsentiert, man erlebt es nicht mit, was sehr schade ist. Zudem fand ich es sehr unnatürlich, dass diese recht intimen Details sozusagen vor dem Publikum der Mitfahrenden ausgetragen wird, das passt irgendwie nicht. Enttäuschend fand ich persönlich, wie mit einem sexuellen Übergriff umgegangen wird und dass es nicht nur einen, sondern gleich zwei Stalker gibt, die ebenfalls als relativ harmlos präsentiert, teilweise sogar als comic relief verwendet werden. Das kann Beth O’Leary besser.