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Benutzername: 
meany
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Seligenstadt

Bewertungen

Insgesamt 151 Bewertungen
Bewertung vom 11.05.2023
3000 Yen fürs Glück
Harada, Hika

3000 Yen fürs Glück


sehr gut

Die ultimativ niedrige Kosten-Nutzen-Rechnung für ein Kind

Geld regiert die Welt, überall, aber ganz offensichtlich besonders in Japan. Für drei Generationen von Frauen, Mutter, Oma und Uroma dreht sich fast der ganze Lebensinhalt darum, das Vermögen zu vermehren, sei es durch einen lukrativen Job, sei es durch kluge Sparsamkeit, aber auch durch geschickte Finanztransaktionen. Das Ziel, bis zur Hochschulreife der Kinder 10 Millionen Yen anzusammeln, bestimmt existenzielle Entscheidungen zum Beispiel die Wahl des Partners und die Eheschließung betreffend. Materielle Güter wie Diamantschmuck erregen Neid, mit Geld erfüllt man seine Träume, sichert vor allen Dingen auch seine Existenz im Alter. Allgemein entsteht bei mir aber der Eindruck, dass persönliche Verhältnisse in Japan distanzierter ablaufen und stärker von formalistischen Konventionen geprägt sind als bei uns.

Noch nie habe ich ein Buch mit einer solchen Thematik gelesen, und es befremdet mich, wie anhand des Finanzgebahrens das gesamte menschliche Leben bis in die intimen Beziehungen hinein regelrecht auf eine Formel reduziert wird. Sehr detailliert erfahren wir die genauen Maßnahmen, um all dies umzusetzen, einen Download für ein Haushaltsbuch inbegriffen.

Dabei kommen auch spezielle Eigenheiten der Nation zum Tragen, wie dass Frauen häufig mit der Eheschließung ihren Beruf aufgeben. Den Wert der Personen bemessen sie anhand der Versicherungssumme. Eine junge Frau begründet die Partnerwahl ganz geschäftsmäßig: "Du hast einen guten Universitätsabschluss, du bist intelligent. Ich mag dein freundliches Gesicht und deine Persönlichkeit ... Und deine Gene sind auch nicht schlecht". (S. 134).

Gelegentlich hinterfragt aber auch jemand dieses profitorientierte Konzept: "Hätten deine Eltern nur auf Kosteneffizienz geachtet, wärst du überhaupt nicht hier." (S. 171).

Dass am Ende doch noch Familiensinn und Liebe obsiegen (was sich dann jedoch wieder in monetären Zuwendungen ausdrückt), versöhnt mich ein bisschen mit diesem materialistischen Ansatz.

Bewertung vom 04.05.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Das traurige graue Wohnhaus am Ende der Straße

Seit Matthias Brandts "Blackbird" habe ich nicht mehr einen gleichzeitig so kraftvollen wie subtilen Coming-of-age-Roman mehr gelesen.

Kaum zu glauben, wie die begabte Mathestudentin Tilda Alltag, Job und Studium wuppt, um ihre kleine Schwester Ida vor den gewalttätigen Übergriffen der alkoholkranken Mutter zu schützen. In authentischer Jugendsprache stellt das Caroline Wahl glaubwürdig dar, indem sie psychologisch stimmige Szenen ineinanderflicht. Peu à peu deckt sie dabei ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit auf, das als Spannungsbogen das ganze Werk durchzieht und den männlichen Protagonisten Viktor einschließt.

Hochbegabt sind die beiden Geschwister, die Ältere mathematisch, was ihr Freiräume verschafft, die familiären Herausforderungen zu bewältigen. Ida verarbeitet das Elend der depressiven und suchtkranken Mutter in ihren künstlerischen Zeichnungen. Die Autorin stellt Tildas Freundschaft zur von zu Hause aus wohlsituierten, mental aber über die Maßen flatterhaften Freundin Marlene sehr komplex und differenziert dar. Ihre meisterliche Sprachbeherrschung entfaltet sich in lyrischen Naturbeschreibungen.

Dass nicht alles in lauter Wehklagen versinkt, nimmt mich sehr für das Buch ein, denn das dauernde Gejammer und die Opferhaltung, die in vielen Biografien zum Ausdruck kommt, ermüdet mich inzwischen. Gerade junge Leute, an die sich Caroline Wahl vorzugsweise schon mit der Wahl der Charaktere und des Ambientes wendet, können durch die Hoffnungsschimmer ermutigt werden, ihr Schicksal trotz widriger Umstände beherzt in die Hand zu nehmen.

Bewertung vom 03.05.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


sehr gut

Für die Wahrheit ist es nie zu spät

Mit einer großen Erwartungshaltung nahm ich das neue Buch des Starautors Martin Suter in Angriff. Viele Seiten lang konnte ich den Hype nicht nachvollziehen, der dem Roman gleich nach Erscheinen Bestsellerstatus verlieh, denn anfangs erschien mir die ganze Story etwas statisch, aufgebläht durch die endlosen Aufzählungen luxuriöser Speisen und Getränke, die dem Studenten Tom im Laufe seiner Tätigkeit mehr oder weniger aufgezwungen werden und seine Gesundheit belasten.

Was will Suter damit bezwecken: seinen edlen Geschmack präsentieren oder seinen Protagonisten Dr. Stotz in eine Aura des Exklusiven hüllen? Wie Tom wurde ich dessen bald überdrüssig, und erst nach über der Hälfte des Buchs nahm ich die Lektüre einigermaßen mit Spannung auf.

Suter führt uns durch die Wendungen der Geschichte wie durch einen Irrgarten, in dem Tom falschen Spuren folgt, wieder umkehrt und wie durch Zufall neue Fährten aufnimmt. Die ausgeklügelte Dramaturgie windet sich in Form einer Spirale zum Ende hin in immer engeren Kreisen. Diese geschickt angelegte Konstruktion besteht aus einem Vexierspiel aus Wahrheit und Lüge. Die Personen erscheinen mir jedoch in all ihrer Rätselhaftigkeit blass, kaum mit Leben erfüllt und keineswegs zur Identifikation einladend.

Bewertung vom 24.04.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


ausgezeichnet

Die Hoffnung ist die Schwester der Dummheit

Ein Pandämonium von Sonderlingen breitet Seethaler da vor uns aus in Situationen und Momentaufnahmen - alles, was das Wiener Viertel so an Originalen hervorgebracht hat und in Simons Café verkehrt. Robert Simon, im Zweiten Weltkrieg verwaist, renoviert eine aufgegebene Gaststätte und betreibt sie fortan zunehmend erfolgreich mit einem sparsamen Angebot, aber gern aufgesucht als Treffpunkt verlorener Seelen, deren Lebensgeschichte wir Kapitel für Kapitel erfahren.

Das gestaltet er häufig auch in inneren Monologen oder mit einem regelrechten Stimmengewirr, aus dem die Volksseele spricht. Feinsinnig entwickelt er die Charaktere: die Kriegerwitwe als Vermieterin, den benachbarten Fleischermeister, den Hauseigentümer Vavrovsky, Mia, die Hilfsnäherin und Bedienung, den Ringer René Wurm, Wessely mit dem Glasauge und viele andere mehr. All die Geschichten drehen sich um existenzielle Themen wie Liebe und Leid, Leben und Tod, Erfolg und Scheitern, Krankheit, Charakter und Sucht, eingesponnen in das unaufhaltsame Mühlrad der Zeit.

Die durchaus dramatischen Ereignisse scheinen mir wie mit Pastellkreide skizziert, unterlegt mit abgeklärter, menschenfreundlicher Weisheit. So spricht er folgendermaßen über einen heruntergekommenen Säufer: "Aber er hat einen Stolz. Und damit hat er so manch einem anderen schon vieles voraus." (S. 61)

Anhand von Episoden erkennt man die Zeitumstände, kann die erzählte Zeit auch mit Hilfe von Schlagertiteln identifizieren, die Orte der Handlung werden durch Straßen- und Gebäudenamen definiert.

Ultimative Paukenschläge kommen nicht vor, die Menschen richten sich ein in ihrer jeweiligen Situation und stützen einander. Über allem schwebt das Prinzip Hoffnung, und das ist ja auch nicht gerade das Dümmste.

Bewertung vom 13.04.2023
Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3
Seeburg, Uta

Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3


ausgezeichnet

Kandinskys blaues Fahrrad

Ein Kriminalfall vor dem Hintergrund des sich anbahnenden Konflikts zwischen Deutschland und Frankreich, der schließlich in den Ersten Weltkrieg mündet, zweigleisig verfolgt abwechselnd im Abstand von zwanzig Jahren von Vater und Sohn, der diesen als Spionageauftrag wieder aufnimmt: diese äußerst rätselhaften Vorgänge halten die Leser in Atem.

Die Schauplätze München, Paris und Sankt Petersburg, die beiden Handlungssträngen gemein sind, beschreibt die Autorin so plastisch, dass man anhand eines Stadtplans die Wege nachverfolgen kann und beinahe eine optischen Eindruck vergegenwärtigt. Dabei hat jedoch das Ambiente während des Kriegs selbstverständlich einen völlig anderen Charakter als der gleiche Ort zwanzig Jahre davor.

Seeburg spielt auf höchst vergnügliche Art mit den Parallelen: das Café Flore, überraschende Bekanntschaften, aber auch mit dem Kontrast zwischen den Luxushotels und einer primitiven Absteige.

In einer surrealen Szenerie schließt sich endlich der Kreis, nach einem eher gemächlichen Beginn spitzt sich die Angelegenheit zu. Dass sich dabei ständig Zufälle ereignen, geht etwas zu Lasten der Glaubwürdigkeit, ist aber insgesamt einfallsreich ausgedacht und klärt sich gegen Ende teilweise auf.

Verblüffend spielt die Autorin mit falschen Identitäten und unterschiedlichen Wahrnehmungen der Realität, wobei sie die spannende Kriminalgeschichte in überwältigend farbige Kulissen stellt, die sie sicherlich auf sorgfältige Recherchen gründet.

Nach einem langen, nervenaufreibenden "Wandeln in trüben Grauzonen" lichtet sich allmählich der Nebel, und am Schluss staune ich über die kühne Konstruktion und die verwegene Logik dieses historischen Krimis.

Bewertung vom 08.04.2023
Die letzte Erzählerin
Barba Higuera, Donna

Die letzte Erzählerin


sehr gut

Auf einen neuen Ursprung

Das Mädchen Petra begibt sich mit ihrer Familie auf eine interstellare Reise, weil die Erde durch einen Kometeneinschlag von Zerstörung bedroht ist. Dabei verknüpft sie die für uns futuristischen Erlebnisse mit den archaischen Sagen ihrer Großmutter.

Jahrhundertelang in den Schlaf gelegt, um die weite Strecke zu überdauern, findet sie nach ihrem Erwachen kurz vor der Ankunft auf dem Zielplaneten radikal veränderte Bedingungen im Raumschiff vor. Während sie von Anfang an um die Bewahrung ihrer Erinnerungen kämpft, wollen die neuen Machthaber diese radikal löschen, um einen kompletten Neuanfang zu initiieren, der die Fehler der alten Erdbevölkerung vermeidet. Wollen sie vielleicht ein ganz neues Menschengeschlecht heranzüchten? Immerhin hat das alte den blauen Planeten heruntergewirtschaftet, das soll nicht noch einmal passieren. Aus diesem Grund steht auch über allem Individuellen die Gemeinschaft. Es mutet fast an wie ein Kollektiv, dem sich alles unterzuordnen hat.

An Science Fiction-Romanen gefällt mir besonders, dass unsere gegenwärtigen Probleme gelöst sind, aber ganz ungeahnt neue auftauchen. Und dem wird das vorliegende Buch gerecht.

Dabei dreht es sich gar nicht in erster Linie um technische Finessen, sondern um die durch die Umstände bedingten Formen des Zusammenlebens und deren Konsequenzen für die einzelnen Charaktere. Diese sperren sich gegen die Vereinnahmung durch das Regime mit Hilfe des Geschichtenerzählens, das überhaupt die Persönlichkeit in seiner Entwicklung ausmacht. Deshalb soll das ja von höchster Stelle unterbunden werden.

Und wie auch immer die Story nach einigen spannenden Volten ausgeht: diese Erkenntnis und die daraus entstehende tiefer gehende Solidarität sind doch schon einmal ein Hoffnungsschimmer.

Bewertung vom 02.04.2023
Animal Jack - Das Herz des Waldes
Miss Prickly;Kid Toussaint

Animal Jack - Das Herz des Waldes


sehr gut

Der Wald lieben seine Kinder auch

Sehr ansprechend fällt schon das Titelbild ins Auge mit den glänzenden Elementen auf matter Oberfläche. Ausdrucksstark akzentuiert sind auch die Illustrationen. Von Anfang an gefallen mir die witzigen Sprachspielereien, die unsere Ausdrucksweise durchleuchten - das ist auch ein Verdienst der Übersetzerin. Pointen entstehen ebenfalls aus dem Kontrast zwischen dem, was die Umgebung so wahrnimmt, und dem phantastischen Erleben des Helden. Die ironischen Diskrepanzen zwischen den Dialogen der Erwachsenen und den entlarvenden Zeichnungen sind sehr erhellend für jugendliche und ältere Personen, überfordern jüngere Kinder jedoch.

Hier wurden eine sehr originelle Idee und eine gewichtige Botschaft künstlerisch hervorragend umgesetzt, aber aufgrund der Doppelbödigkeit empfehle ich diesen Comic entgegen der Verlagsangabe erst ab ungefähr zwölf Jahren.

Bewertung vom 29.03.2023
Waraka
Goldfarb, Tobias

Waraka


ausgezeichnet

Die Hoffnung, die Würde und die Zukunft

Ein tyrannisches Regime will in einer grausamen Zeremonie den Prinzen Arkyn vor seinen Karren spannen - es erinnert entfernt an die Tribute von Panem. Dieser entzieht sich und flieht, wobei er mit seinem Seelentier Hurakan martialische Gefechte zu bestehen hat und das Mädchen Saga vom anderen Ende der Welt trifft.

In den Gesprächen mit ihr gewinnt er immer mehr Klarheit über den Ursprung dieses Unrechtsstaats, der entstanden ist aus extremer Gier nach Gold und der damit verbundenen Unterjochung der Ureinwohner dieses Kontinents und dessen gesamter Natur, alles aufgebaut auf einem geschickt konstruierten Lügengebäude, das in erster Linie der Verbreitung von Angst dient.

Regelrecht philosophische Passagen bilden den Überbau. Wenn zum Beispiel der Smilo den Gebrauch des Feuers und des Sprengstoffs in den Bergwerken kritisiert, kann man den Zusammenhang zu unserer heutigen Technikgläubigkeit herleiten. Überhaupt klingt in Hurakans Einwürfen gelegentlich Ironie durch, die die Abgründigkeit der Geschichte auflockert.

Die Rolle der Träume bei der Aufklärung der Zusammenhänge stört mich: es ist meiner Ansicht nach ein billiges Mittel und dramaturgisch nicht sehr elegant. Aber in diesem Buch rechtfertigt sich deren Bedeutung durch die grundsätzliche Anlage der Story, die zwischen Traum und Wirklichkeit oszilliert und das auch immer wieder zum Thema macht ("Doch ein Traum einmal geträumt wird zu einer Wahrheit ..." S. 220).

Als sich alle Wesen des Waldes miteinander verbünden, kommt es zum großen Showdown.

Diesem spannenden Fantasyabenteuer mit Tiefgang und einer überzeugenden Botschaft wünsche ich viele jugendliche und erwachsene Leser.

Bewertung vom 25.03.2023
Völlig übergeschnAPPt! / SWITCH YOU. Völlig übergeschnAPPt! Bd.1
Fesler, Mario

Völlig übergeschnAPPt! / SWITCH YOU. Völlig übergeschnAPPt! Bd.1


sehr gut

Ich wollte coole Apps

Der 12jährige Fred hat es nicht leicht mit seiner ökobewegten Mutter, dem abwesenden Vater und seinem verhaltensgestörten 16jährigen Bruder Erik, außerdem gibt es in der Schule auch so manch nervigen Lehrer.

Aus seiner Sicht erzählt er ganz locker vom Hocker von seinem Alltag und außergewöhnlichen Erlebnissen, entfaltet dabei auch eine Portion Witz, aber etwas dezenter als Greg, auf den er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen kann. Seine eher intuitive Handlungsweise ergänzt Svetlana, seine mehr wissenschaftlich bewanderte Freundin, mit der zusammen er in diesem Band zwei Herausforderungen meistert: einmal die Durchführung seiner Geburtstagsparty und dann die Bande der schwarzen Skifahrer, eine Gang maskierter älterer Schüler, die Schwächere terrorisiert, erpresst und abzockt.

Unversehens kommt ihm dabei ein magisches Handy zu Hilfe, das ihm ausgerechnet sein nichtsahnender Papa schenkt und durch das er zunächst unabsichtlich mit anderen Personen die Identität tauschen kann - in diesem Fall sein Bruder Erik.

Dadurch erhält er Gelegenheiten, Dinge geradezurücken, die aus dem Ruder gelaufen sind. Ich halte das für eine originelle Idee, wenn ich auch die Logik des Timings nicht ganz begriffen habe. Zum Glück läuft das alles nicht ganz so technikzentriert ab wie ich anfangs befürchtete.

Den reinen Fließtext unterbrechen sparsam verteilte Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die Sprache entspricht der geschilderten und angesprochenen Altersgruppe glaubwürdig und unaufdringlich.

Wenn sich auch schon eine Leseprobe für den zweiten Band anschließt, halte ich dem Titel sehr zugute, dass er die Leser am Ende mit einem Abschluss zufriedenstellt und nicht mit einem Cliffhanger ins Leere laufen lässt.

Insgesamt kann ich mir gut vorstellen, dass 10- bis 13jährige ihren Spaß daran haben werden.

Bewertung vom 23.03.2023
Dalee
Gastmann, Dennis

Dalee


ausgezeichnet

Das Herz vergisst nie

Mit dem ebenso irritierenden wie graziösen Bild eines im Meer schwimmenden Elefanten führt uns Gastmann ein in diese faszinierende Geschichte von Dalee und dessen jungen Führer Bellini.

Aus der Not heraus folgt die Familie dem Ruf nach begleiteten Arbeitselefanten zu Rodungen auf den Adamaneninseln. Schon das beinhaltet aufregende Szenen wie die qualvolle Überfahrt in engen Holzcontainern verbunden mit Krankheit und Tod und das Wettrennen der schweren Geschöpfe als Tauglichkeitsprüfung. Dalee ist stolze fünfzig Jahre alt, aber stark und erfahren. Vor Ort finden sie ausbeuterische Verhältnisse vor, vertreten durch den Verwalter Ray. Der Autor flicht immer wieder Informationen ein über die Kolonialgeschichte.

Die Inseln zeichnen sich aus durch eine paradiesische Natur voller Früchte, aber durch wilde und giftige Tiere, die das Leben der Menschen bedrohen.

Ein deutscher Direktor der Gesellschaft verschärft schließlich noch die Situation, indem er starken ökonomischen Druck aufbaut, während seine musisch begabte Ehefrau Bildung im wahrsten Sinne des Worts einbringt, indem sie die Kinder der Arbeiter unterrichtet. Sie verleiht auch den "Daak Naam", der "das kosmische Innen und Außen gebührend beschrieb" (S. 345), und ausgelöst durch ihre Initiative erhält das gealterte Tier eine Art Verklärung. Den "clash of cultures" symbolisieren zum Beispiel die mitgebrachten Uhren. Der Mentalität der Mahuts bringen die Europäer absolutes Unverständnis entgegen.

In lautmalerischer, sinnlicher Sprache voller einheimischer Begriffe breitet Gastmann die exotische Kulisse vor uns aus. Die Situationen ergeben ein Sinnbild des Lebens an sich, bis sie in eine regelrechte Apotheose münden, und ein einzigartiges Zeugnis der Symbiose von Mensch und Tier inmitten einer alles umspannenden Natur. Gastmanns große Stärke sind die Ausmalungen der Szenerie: wie er den Monsun beschreibt und den Zustand der Landschaft danach, dann den dramatischen Kampf gegen der Verlust der Holzernte. Ungemein farbige Darstellungen der Personen und Schauplätze blähen die Story auf, machen aber alles sehr anschaulich und erfreuen geneigte Leser durch meisterhafte Formulierungen. Ich staune über die akribische Recherche und das Hintergrundwissen, denn man kann kaum glauben, dass Gastmann kein "Native" ist.

Nach gelinden Anlaufschwierigkeiten wegen der ausufernden Schilderungen hat mich der Roman ungefähr nach der Hälfte völlig gepackt, dann konnte ich das Buch in atemloser Spannung nicht mehr aus der Hand legen. Die Rührung über den Schluss wird noch lange in mir nachhallen.