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carola1475

Bewertungen

Insgesamt 209 Bewertungen
Bewertung vom 12.04.2023
Eckert, Horst

Die Macht der Wölfe / Melia und Vincent Bd.4


ausgezeichnet

Hochaktueller spannender Politikthriller um Manipulation und Machtmissbrauch

Horst Eckerts neuer Politthriller handelt von Machtmenschen, „Wölfe“ nennen sie sich selbst, sie brechen alle Regeln, sind skrupellos und zielen auf die Demontage der Demokratie im Westen, sie manipulieren und gehen auch über Leichen. Sie missbrauchen ihre Macht.

Die Kapitel sind kurz und aus wechselnden Perspektiven geschrieben, so treten nach und nach die beteiligten Figuren auf, deren Rollen sich allmählich erschließen. Neben neuen Charakteren mischen auch altbekannte wieder mit.
In diesem vierten Fall der Reihe haben Melia, Vincent und die Kollegen es vordergründig mit einem Mord zu tun, bei dem Spuren in rechte Kreise führen. Und auch Vincents Mutter Brigitte bekommt es auf der Dokumenta in Kassel mit Rechten zu tun.
Horst Eckert gelingt es anschaulich, die aggressive Stimmung in der Gesellschaft darzustellen, er zeigt, wie hemmungslos verführt und manipuliert wird, gerade auch durch Medien, die für die Rechten sehr wichtig sind und die sie geschickt für sich zu nutzen wissen. Es gibt ein Netzwerk von Akteuren rund um einen rechtsgerichteten Fernsehsender, dessen Moderator und Meinungsmacher zum Aushängeschild und Chef einer neuen rechten Partei gemacht wird, für die die Zeit reif zu sein scheint. Wird er zu einem der Wölfe werden oder gewinnt doch sein Gewissen?

Horst Eckert schreib klar und nüchtern, seine Figuren werden durch Tat und Wort charakterisiert, mehr ist für den Leser gar nicht nötig, um sich ein Bild vom Politiker, ehemaligen Anwalt oder früheren Verfassungsschützer zu machen.
Die Handlung ist hochaktuell, komplex und spannend bis zum Schluss und hinterlässt bei mir ein Gefühl der Beklemmung. „Die Macht der Wölfe“ zeigt, welchen Gefahren unsere Demokratie ausgesetzt ist.

Bewertung vom 10.04.2023
Mccarten, Anthony

Going Zero


sehr gut

Unter dem Radar

Im Betatest „Going Zero“ des neuen Programms Fusion haben zehn Personen die Chance auf 3 Millionen Dollar, wenn sie es schaffen, 30 Tage unauffindbar zu bleiben. Findet Fusion alle zehn Probanden, winken Cy Baxters Social-Media-Konzern WorldShare Milliarden durch eine public-private-Zusammenarbeit mit Regierungsbehörden.

Der Bibliothekarin Kaitlyn Day werden anfangs nur geringe Chancen in diesem Versteckspiel eingeräumt, doch sie entwickelt sich für Cy Baxter überraschend zur ernst zu nehmenden Gegnerin, die es einfallsreich schafft, unter dem Radar zu bleiben. Die Geschichte konzentriert sich auf Kaitlyn, während die anderen neun „Zeros“ mehr oder weniger schnell gefunden werden mithilfe aller technischen Möglichkeiten, die den Verfolgerteams zur Verfügung stehen, wie Gesichts- und Gangerkennung, die Überwachung und Auswertung mobiler Geräte und Internetaktivitäten, Familie und Freunde, persönliche Vorlieben und Gewohnheiten.
Die Kapitel zählen den 30-Tage-Countdown runter und wechseln (abgesehen von den kurzen Kapiteln der anderen neun Zeros) zwischen Kaitlyns Perspektive und der Fusion-Zentrale, wo der Leser einen Einblick in das Vorgehen der Teams gewinnt und Cy Baxters Hintergrund und Figur besser kennenlernt. Er ist frei von Moral und hat sich ein passendes Weltbild zugelegt, er genießt die Macht, die er hat. Seine Firma hebelt jeglichen Datenschutz völlig aus, verdient viel Geld mit Überwachung, Manipulation und Desinformation und untergräbt letztendlich die Demokratie.

In der zweiten Hälfte des Buchs gibt es eine Wendung, die Geschichte bekommt eine breitere Basis und weitere Facetten und es wird klar, dass Kaitlyn das fordernde und anstrengende Vorhaben nicht nur wegen eines möglichen Gewinns von 3 Millionen Dollar auf sich nimmt.

Anthony McCartens Schreibstil ist klar, geradlinig und bildhaft, manchmal auch augenzwinkernd, die Figurenzeichnung bleibt meistens blass und eher stereotyp, die Handlung ist temporeich, durchgehend spannend und deutlich kritisch gegenüber den Einsatzmöglichkeiten von neuester Technologie. Ich könnte mir eine Verfilmung von Going Zero sehr gut vorstellen. Mich hat das Buch mit dem einfachen, aber passenden Cover gut unterhalten und ich kann es jedem Leser empfehlen, nicht nur Thrillerfans.

Bewertung vom 28.03.2023
Neidhardt, Fabian

Nur ein paar Nächte


ausgezeichnet

Lebensnahe Familiengeschichte

Ben, alleinerziehender Vater der 12jährigen Mia, sieht sich am gleichen Tag mit zwei einschneidenden Ereignissen konfrontiert. Der Vater will bei ihm 'für ein paar Nächte' unterkommen, weil er von Bens Mutter rausgeworfen wurde, da er fremdgegangen ist, und die Polizei klingelt an der Tür und bringt Mia nach Hause, die am Bahnhof aufgegriffen wurde auf dem Weg nach Hamburg, um ihre Mutter Orna zu suchen. Der Einzug des Vaters bringt Ben aus dem Gleichgewicht und Mias Plan schürt in ihm die Angst, sie zu verlieren. Ben beginnt, sich mit seiner Beziehung zum Vater und mit seiner eigenen Vaterrolle auseinanderzusetzen. Er will doch ein guter Vater sein.

Ein weiterer Erzählstrang beginnt in der Vergangenheit mit Bens und Ornas Kennenlernen und ihrer Beziehung und macht neugierig auch auf die zurückliegende Entwicklung. Immer wieder gibt es auch Rückblenden zu wichtigen Szenen zwischen Ben und seinem Vater in Bens Jugend.

Fabian Neidhardts Schreibstil ist lebendig, eindrücklich und anschaulich, er ist allen seinen Figuren sehr zugewandt, die Charaktere werden realistisch und authentisch dargestellt mit all ihren Ecken und Kanten und auch ihren Gefühlen. Der Roman schneidet wichtige Themen an und beleuchtet sie aus verschiedenen Perspektiven, so dass ich als Leserin meine zu früh gebildete Meinung zu manchen Charakteren im Laufe des Buchs revidieren musste. Man kann und darf sich als Außenstehender kein Urteil über die Beziehungen anderer erlauben. Die vielschichtigen Verbindungen innerhalb einer Familie werden einfühlsam geschildert und auch, wie Entscheidungen des einen das Leben der anderen beeinflussen können. Entstanden ist eine schöne runde Geschichte, die mich mit ihrer Komplexität und ihren Denkanstößen berührt und überrascht hat.

Bewertung vom 20.03.2023
Werrelmann, Lioba

Tod in Siebenbürgen / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.1


gut

Rückkehr nach Siebenbürgen

Der Investigativjournalist Paul Schwartzmüller erfährt durch ein Anwaltsschreiben, dass er den Hof seiner Tante Zinzi in Siebenbürgen geerbt hat. Er hat seine Heimat vor 35 Jahren verlassen und war der Meinung, seine Tante wäre ebenso lange schon tot. Erstaunt und mit vielen Fragen macht er sich auf die Reise in das Dorf, in dem er viele wunderbare Sommerferien verbracht hat.

Schon das schöne Cover mit dem wolkenverhangenen Tal und dem idyllisch im Wald gelegenen Schloss macht neugierig auf das Buch. Lioba Werrelmann schreibt lebendig und anschaulich, ihre Beschreibungen von Land und Leuten, Kultur, sowohl der Siebenbürger Sachsen als auch der Rumänen, Aberglaube, Sitten und Gebräuche sind atmosphärisch gelungen und machen Lust, Rumänien einmal selbst zu besuchen. Auch das Problem der Korruption und missbrauchter EU-Gelder wird nicht ausgespart, wie auch die düstere politische Vergangenheit unter Ceaușescu.
Pauls heftige Gefühle kann ich anfangs nachvollziehen, er hat durch die Ausreise nach Deutschland damals viel verloren und sein Vater hatte ihm wohl einiges verschwiegen. Er ist verwirrt von den Eindrücken im heutigen Siebenbürgen und den Erinnerungen, die auf ihn einstürmen.
Als ein Mord auf Schloss Bran geschieht und ihn sein unter Verdacht stehender und verhafteter Jugendfreund um Hilfe bittet, verzettelt sich Paul bei seinen Ermittlungsversuchen, er wirkt unsicher, agiert dilettantisch und scheint seine beruflichen Fähigkeiten verloren zu haben. Er schlafwandelt wieder wie in seiner Kindheit, trinkt zu viel und ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, wodurch die Krimihandlung in den Hintergrund gedrängt wird.
Andere Protagonist:innen werden leider nicht tiefer gehend charakterisiert und es bleiben Fragen offen, was ich bedauert habe, denn es sind interessante Figuren, die ich gern besser kennengelernt hätte.
Als Erzählung über Siebenbürgen ist das Buch sehr unterhaltsam, aber als Krimi hat es mich enttäuscht. Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 16.03.2023
Brownlow, John

Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1


sehr gut

Spannender Krimi um einen Auftragskiller

Seventeen ist ein namenloser Auftragskiller, der aktuell beste nach 16 Vorgängern. Die sind alle tot, bis auf Sechzehn, der irgendwann einfach von der Bildfläche verschwand und auf den Seventeen nun angesetzt wird.

Das Cover passt zum Titel und zum Buch, es zeigt halb verborgen zwischen den beiden Zahlen eins und sieben einen bewaffneten Mann.

Der Schreibstil ist packend und angenehm zu lesen, der Protagonist ist auch der Ich-Erzähler und spricht den Leser direkt an, zu Beginn voller Ironie und Sarkasmus, was mich nach der Leseprobe neugierig auf die Geschichte gemacht hat.

Neben der umsichtigen Planung und aufwendigen Vorbereitung zur Beseitigung von Sechzehn erzählt der Protagonist immer wieder auch aus seinem Leben und wie er wurde, was er ist. Dieser mittlere Teil des Buchs ist eher ruhig, bevor das Katz- und Mausspiel zwischen den beiden Killern Fahrt aufnimmt und die Spannung wieder anzieht. Neben viel Action haben mich unerwartete Wendungen mehr als einmal überrascht.
Nicht abwegig fand ich die Überlegungen der Protagonisten zu moralisch verwerflichen Vorhaben der Regierungen und zu den im Hintergrund agierenden Strippenziehern im Auftragskillergewerbe. Sicherheit gibt es in dem Bereich in keiner Hinsicht und vertrauen kann man nur sich selbst.

John Brownlow ist Drehbuchautor und Seventeen kann ich mir sehr gut auch verfilmt vorstellen. Das Buch hat mich gut unterhalten. Ich empfehle es Krimilesern, denen auch etwas blutrünstigere Szenen nichts ausmachen.

Bewertung vom 09.03.2023
Schlenz, Kester;Jepsen, Jan

Der Bojenmann / Kommissar Knudsen Bd.1


ausgezeichnet

Ein außergewöhnliches Krimivergnügen

In Hamburg haben es Kommissar Thies Knudsen vom LKA und sein Team mit einem einfallsreichen Serienmörder zu tun, der hölzerne Skulpturen durch plastinierte, kunstvoll positionierte Leichen ersetzt. Das LKA-Team hat zunächst keine Ermittlungsanhaltspunkte und Knudsen sucht den Rat seines Freundes Oke 'La Lotse' Andersen, ehemaliger Kapitän, pensionierter, belesener und scharfsinniger Lotse a.D., der den Hamburger Hafen wie seine Westentasche kennt und seinen Freund Thies tatsächlich auf die richtige Spur bringt.

Ich bin als Leserin direkt drin im Geschehen und erlebe Knudsens Überlegungen zum rätselhaften Kriminalfall hautnah mit, da die Autoren das Stilmittel der erlebten Rede einsetzen, das hat mir sehr gut gefallen, so bin ich den Figuren sehr nah. Die Protagonist:innen sind interessante Charaktere, sie erscheinen authentisch und zweifeln auch mal an der Sinnhaftigkeit ihres beruflichen oder auch privaten Lebens, damit kann sich jede:r Leser:in identifizieren, denke ich.
Neben den Perspektiven der verschiedenen Ermittler (inklusive La Lotse) gibt es eine weitere Erzählebene, mit einer anderen Schrifttype gedruckt und Anfang der 70er Jahre beginnend.
Auch mal was anderes: die unterschiedlich langen Kapitel der Krimihandlung sind nicht betitelt, sondern mit Morsezeichen überschrieben. Das düstere Cover passt zum Krimifall, der Schreibstil ist lebendig, locker und bildhaft, unterhält mit leichter Ironie und ist auch mit den gelegentlichen tiefgründigeren Gedanken leicht und angenehm zu lesen.
Der gigantische Hamburger Hafen, die Globalisierung der Schifffahrt, die Ausbeutung der heutigen Seeleute und die Bedeutung der Containerwirtschaft spielen in der Geschichte eine Rolle, Kritik an Umweltverschmutzung und Kapitalismus lassen die Autoren ihre Figuren äußern und legen so den Finger in die Wunde. Sehr gern und neugierig habe ich auch mehr über das Verfahren der Plastination erfahren und mich am Hamburger Lokalkolorit erfreut.

Auf das überraschende Ende des Krimis folgt ein lesenswertes Nachwort über das gemeinsame Schreiben und einige Hintergründe zur Geschichte.
Das erste Co-Autorenprojekt von Kester Schlenz und Jan Jepsen ist gelungen und ich kann den Krimi uneingeschränkt empfehlen. Ich freue mich auf den nächsten Krimi um Thies Knudsen und sein Team.

Bewertung vom 17.02.2023
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3


sehr gut

Endlich wieder Donnerstag!

Zum dritten Mal ermittelt der Donnerstagsmordclub in einem ungelösten Mordfall. Wer hat vor 10 Jahren die junge Journalistin Bethany Waites getötet, die einem Fall von Steuerbetrug auf der Spur war? Die Ermittlungen kommen nur langsam voran und entwickeln sich zu einem komplexen Fall mit unerwarteten Wendungen, was Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim um so mehr herausfordert. Wie gewohnt, geht das muntere Seniorenquartett einfallsreich, versiert und planvoll vor und spannt nicht nur die inzwischen befreundeten Polizisten Chris und Donna sowie den immer hilfsbereiten Bogdan ein, sondern auch eine Reihe anderer Charaktere.
Bis zum Schluss konnte ich mit rätseln, obwohl es nicht die Spannung ist, die die Donnerstagsmordclub-Reihe für mich zum großen Lesevergnügen macht ;)

Richard Osmans Schreibstil ist lebendig, gedankenvoll und unterhält mit trockenem Humor. Über viel Situationskomik, Wortwitz und skurrile Diskussionen der Mitglieder des Donnerstagsmordclub habe ich mich wieder köstlich amüsiert, über manche tiefgründigen Gedanken des Autors nachgedacht. Ein großes Lob geht auch an Sabine Roth, bei deren Übersetzung der britische Humor erhalten bleibt, sie hat hier wieder ganz wunderbar gearbeitet. Der Autor verzichtet im vorliegenden dritten Band darauf, die Senioren erneut ausführlich vorzustellen, was für Neueinsteiger in die Reihe meiner Meinung nach schade ist. Dagegen geht die Figurenzeichnung Donnas, Chris' und Bogdans mehr in die Tiefe und die Charaktere entwickeln sich, inzwischen sind sie mir ebenso ans Herz gewachsen wie das Seniorenquartett.
Ich habe die Vorgängerbücher ebenfalls gelesen und fand beide noch charmanter und warmherziger geschrieben und empfehle unbedingt, zumindest den ersten Teil des Donnerstagsmordclubs zu lesen.

Das Cover greift das Motiv der vorherigen Bände auf, unterscheidet sich durch Details und die Farbgebung und hat einen hohen Wiedererkennungswert, mir gefällt es. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall für den Donnerstagsmordclub, den ich mir natürlich nicht entgehen lassen werde.

Bewertung vom 11.02.2023
Raich, Sarah

Equilon


ausgezeichnet

Gelungene Near-Future-Dystopie

Die Klimakatastrophe hat zu neuen Strukturen geführt, Firmen haben die Führung übernommen und die Welt in wenige große Gebiete eingeteilt.
Die 20-jährige Jenna hat es geschafft, sie hat den Score für die »Eine Milliarde« geknackt und darf als eine von wenigen Privilegierten nach New Valley reisen, um an Equilon mitzuarbeiten, dem Algorithmus, der das neue Fundament der Weltordnung ist und die Erde wieder bewohnbar machen soll.
Dorian lebt noch in einem der „Grenzländer“, unfruchtbare, staubige Landstriche mit Reststädten, wo die Menschen Stürmen, Dürre und Luftverschmutzung ausgesetzt sind und wenig Chancen haben, ihren score zu verbessern.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Jennas und Dorians Ich-Perspektive erzählt, wodurch ich als Leserin ganz nah an ihren Gedanken und Gefühlen bin. In beider Leben gibt es Veränderungen, und es ist spannend und berührend zu verfolgen, wie Jenna und Dorian mit neuen Herausforderungen und starken Emotionen umgehen.
Erst gegen Ende werden die beiden Handlungsstränge zu einem und hier gibt es einen Aspekt im Verhältnis zwischen Jenna und Dorian, den ich nicht nachvollziehen konnte (ich kann das nicht näher ausführen ohne zu spoilern), mein einziger Kritikpunkt.
Auch bei den Nebencharakteren ist die Figurenzeichnung authentisch und glaubwürdig. Sarah Raichs Schreibstil ist packend, bildhaft und anschaulich. Trotz der anfangs vielen neuen technischen englischen Begriffe hatte ich keine Verständnisschwierigkeiten, alles wird erklärt oder erschließt sich aus dem Zusammenhang. Die Verwendung englischer Bezeichnungen finde ich logisch, ist das doch im technisch-wissenschaftlichen Bereich schon heute so.

Die Autorin hat ihre spannende dystopische Geschichte, deren Ende für mich nicht vorhersehbar war, glaubhaft und erschreckend umgesetzt und thematisiert neben der Zweiklassengesellschaft auch den Rohstoffbedarf einer digital hochgerüsteten Welt, die Notwendigkeit von Robotern, die Nahrungsbeschaffung und mehr. Darüber hinaus punktet das Buch mit einer interessanten Playlist.

Das Cover passt sehr gut zur Geschichte, es zeigt die beiden gegensätzlichen Welten, um die es hier geht.
Mir hat Equilon sehr gut gefallen und ich empfehle das Buch nicht nur jungen Lesern von Near-Future-Fiction und Dystopien.
Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 06.02.2023
Winter, Thilo

Der Riss


gut

Spannende Geschichte, aber ich hatte mir mehr versprochen

Vulkanologin Antonia Rauwolf soll auf der Forschungsstation Neumayer III untersuchen, ob die neu entdeckten fast 100 Vulkane in der Westantarktis aktiv werden und so das Weltklima katastrophal beeinflussen könnten. Und sie will nach ihrem seit Wochen vermissten Bruder suchen, der von einer Expedition nicht zurück kam.

Das Cover mit dem Riss im Eis, den Eisschollen und den Farben Schwarz, Weiß und Rot hat sofort meine Aufmerksamkeit erregt und mich neugierig gemacht. Besonders gefällt mir, dass „Rot“ symmetrisch verteilt ist, rechts und links vom Riss, etwas Symmetrie im Chaos, das hat was ;)

Durch den eingängigen bildhaften und lebendigen Schreibstil gelingt dem Autor Thilo Winter eine glaubhafte Beschreibung der unwirtlichen gleichförmigen Eiswüste der Antarktis, der globalen Bedeutung der gigantischen Eismassen und auch der Schwierigkeiten, dort als Mensch zu überleben.
Durch den Prolog weiß der Leser mehr als Antonia und auch durch ihre Vermutungen und Andeutungen wird von Beginn an ein Spannungsbogen aufgebaut, dazu tragen auch Perspektivwechsel und Cliffhanger an Kapitelenden bei. Der Autor verknüpft tatsächliche Ereignisse mit einer packenden Geschichte mit hohem Erzähltempo, die sich jedoch immer mehr zu einer Aneinanderreihung von übertriebenen und unglaubwürdigen Actionszenen entwickelt. Besonders im letzten Drittel des Buchs fühlte ich mich von all der Action fast überrollt. Am Ende der Geschichte bleiben Fragen offen. Der Figurenzeichnung mangelt es an Einfühlungsvermögen und Glaubwürdigkeit, sie bleibt oberflächlich und Entwicklungen, so es sie denn gibt, sind nicht nachvollziehbar. Die Protagonistin Antonia ist impulsiv, stur und rücksichtslos, so dass es mir schwer fiel, mit ihr zu fühlen.

Das Nachwort des Wissenschaftsjournalisten Thilo Winter hat mir wiederum gut gefallen, es ist sehr interessant und vermittelt gut recherchierte Informationen und Wissen über die in großen Teilen noch unerforschte, unbedingt schützenswerte Antarktis. Leider spielt im Roman Wissenschaft nicht die erhoffte Rolle, die Verknüpfung mit der Handlung ist meiner Meinung nach nicht überzeugend gelungen, ich hatte mehr erwartet.
Ich vergebe 3,5 Sterne.

Bewertung vom 16.01.2023
Arenz, Ewald

Die Liebe an miesen Tagen


ausgezeichnet

Was hält eine Liebe alles aus?

Clara und Elias sind füreinander bestimmt, das wissen beide von Anfang an und es ist auch für andere offensichtlich, dass sie zusammen gehören. Doch Clara hat eine schwierige Partnerschaft hinter sich und ist einige Jahre älter als Elias. Und Elias ist Schauspieler durch und durch, allzu oft spielt er nur das Leben. Schaffen es die beiden, ihre Liebe auch im Alltag, an miesen Tagen, zu leben?

Auf diesen Alltag spielt das schön gemachte Cover an: ein Morgen mit Zeitung und Kaffee, aber da gibt es einen störenden Kaffeefleck.
Mit klaren, bildhaften Worten schreibt Ewald Arenz abwechselnd aus Claras und Elias' Perspektive, bezieht auch die Jahreszeiten und die Natur mit ein, um Gefühle, Zweifel, Unsicherheiten atmosphärisch zu beschreiben. Die Emotionen der Protagonisten berühren, die Charaktere sind gut ausgearbeitet und sehr nahbar. Alle Figuren sind interessant und erscheinen lebendig und authentisch, vor allem Claras Familie ist liebenswert, wobei die Figur der Mutter die Geschichte um ein belastendes Thema erweitert, das der Autor offen und einfühlsam darstellt.

Für Clara als Fotografin sind visuelle Eindrücke wichtig und für Elias das Wort, die Sprache. Ewald Arenz verbindet in seinem Roman wunderbare Worte mit schönen Bildern, unterhält mit humorvollen und auch ernsthaften Dialogen und schafft eine emotionale Nähe zu den Protagonisten, so dass die Geschichte mich mitnimmt. Gespannt und hoffnungsvoll habe ich dem Ende entgegen gelesen.

Dem Autor ist eine bezaubernde gefühlvolle, niemals kitschige Liebesgeschichte mit Tiefgang und (vielleicht ein wenig zu viel) Dramatik gelungen, die auch den Konflikt zwischen Eigenständigkeit in der Lebensmitte und der Erkenntnis, unerwartet Hälfte eines Paares zu sein, ehrlich beschreibt.
Ich habe Die Liebe an miesen Tagen mit Vergnügen gelesen und freue mich, Ewald Arenz als für mich neuen Autor entdeckt zu haben.

Ich vergebe 4,5 Sterne.