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Klara

Bewertungen

Insgesamt 190 Bewertungen
Bewertung vom 31.12.2020
Das Vermächtnis / Gabriel Allon Bd.19
Silva, Daniel

Das Vermächtnis / Gabriel Allon Bd.19


sehr gut

Ein Mädchen verschwindet
In “Das Vermächtnis“, dem neuen Roman von Daniel Silva wird ein 12jähriges Mädchen trotz bewaffneter Bodyguards und gepanzerter Limousine in Genf entführt, wo es eine Privatschule besucht. Wie sich herausstellt, handelt es sich um die Tochter von Khalid bin Muhammed, dem Kronprinzen von Saudi Arabien. Dieser engagiert Gabriel Allon, den Chef des israelischen Geheimdienstes, der hier zum 19. Mal in Erscheinung tritt. Ihm steht die Kuratorin Sarah Bancroft vom MOMA in New York zur Seite, eine ehemalige CIA-Agentin, die dem Leser ebenfalls aus früheren Romanen bekannt ist. Sie ist im Roman keine sympathische Figur und gerät selbst in höchste Bedrängnis.

Der Roman erzählt eine wilde Geschichte mit vielen Nebenschauplätzen und vielen Toten. Es gibt zahlreiche Anspielungen auf real existierende Prominente wie den aktuellen Kronprinzen von Saudi Arabien, Trump und Putin. Eine gewisse Rolle spielt auch ein Gemälde, das vielleicht ein echter da Vinci ist, vielleicht aber auch nicht. Etwas befremdlich ist die Darstellung der Rolle von Frauen in der Welt der Spione. Sie haben andere Aufgaben, können mit den männlichen Helden nicht mithalten. “Das Vermächtnis“ ist vielleicht nicht Silvas stärkster Roman, aber ich fand ihn spannend und fühlte mich gut unterhalten.

Bewertung vom 05.12.2020
PASTA
Pearson, Anna

PASTA


ausgezeichnet

Pasta in höchster Vollendung
Einfach, schnell und unkompliziert wird die Pastaherstellung durch das mit viel Liebe und Wissen zusammengestellte Kochbuch der Schweizer Pasta-Expertin Anna Pearson.

Das Buch beginnt mit einem Vorwort der Kulinarikjournalistin und Kochbuchautorin Katharina Seiser, danach folgt das Vorwort der Autorin und schon geht es zum Inhalt des Buches. Es ist aufgeteilt in drei Teile: 1. Pasta machen, 2. Rezepte, Teil 3. Reise in die Toskana.

In Teil 1 erfährt der Leser alles, was er über hausgemachte Pasta wissen muss. Leicht verständlich, präzise und fast schon akribisch wird die Herstellung von Eierpasta und Hartweizenpasta erklärt. Hier wird auch der ungeübteste Hobbykoch an die Hand genommen und zum Ziel geführt. Die Seitenverweise, die zu den Stellen im Buch führen, an denen das Rezept steht, habe ich noch in keinem anderen Kochbuch so gesehen. Das ist mehr als hilfreich und führt dazu, dass das Buch mit zu den übersichtlichsten gehört, die ich je in den Händen gehabt habe. Hat man sich intensiv mit den Hinweisen und Erklärungen beschäftigt, können die 40 saisonalen Rezepte der Reihe nach nachgekocht werden. Der Rezeptteil ist in die vier Jahreszeiten untergliedert. Ich habe Sugo di Salsiccia auf S. 117 (Frühling) und Spaghetti alla Chitarra - Speck-Tomaten-Sugo auf S. 165 (Herbst) nachgekocht. Beide Gerichte haben sehr lecker geschmeckt. Ich werde mich langsam durch die anderen Rezepte kochen. Für mich steht fest, dass das Kochbuch „PASTA“ von Anne Pearson, das sie in Gemeinschaftsproduktion mit ihrer Schwester Catherine im Eigenverlag Edition gut herausgebracht hat, mit zu den besten Kochbüchern gehört, die ich besitze und wahrscheinlich eines der besten, das die Grundlagen der Pastaherstellung erklärt. Nicht umsonst wurde „PASTA“ 2019 mit jeweils einer Silbermedaille beim Swiss Gourmetbook Award und beim Literarischen Wettbewerb der Gastronomischen Akademie Deutschland (GAD) ausgezeichnet und hat beim Gourmand World Cookbook Award für die Schweiz in der Kategorie „Italien" gewonnen. In ihrem Vorwort schreibt die Autorin: "„Pasta“ ist das zweite Buch in meinem Verlag Edition gut - weitere werden folgen!“ Ich persönlich kann es kaum erwarten.

Bewertung vom 21.11.2020
Dieses ganze Leben
Romagnolo, Raffaella

Dieses ganze Leben


sehr gut

Man kann nicht mit einer Lüge leben
Im Mittelpunkt des neuen Romans von Raffaella Romagnolo, der im Original schon 2013 erschien, steht die knapp 16jährige Paola De Giorgio. Sie wächst zusammen mit ihrem jüngeren behinderten Bruder Riccardo in einer sehr reichen Familie auf. Ihre wichtigsten Bezugspersonen sind der Bruder, den sie täglich im Rollstuhl ausfahren muss, das rumänische Hausmädchen Nina und die Großmutter. Die Eltern sind lieblos, nur mit sich selbst bzw. der Firma Costa Costruzioni beschäftigt. An Paola scheint die Mutter einzig und allein das Gewicht zu interessieren, das sie täglich kontrolliert. In der Schule ist Paola eine Außenseiterin ohne Freunde. Sie wird ausgegrenzt, gemobbt und mit einem peinlichen Video bei Facebook gedemütigt. Nur der zwei Jahre ältere Antonio Ferrari aus der armen Margeriten-Siedlung begegnet ihr freundlich. Paola sieht sich selbst sehr kritisch. Sie findet sich hässlich, was ihr das Video bestätigt, hasst eine Menge Dinge, vor allem solche, die andere schätzen und schweift gern ab.
Mit vielen Zeit- und Gedankensprüngen erzählt sie von ihrer Situation und von ihrer Familie, wo das große Schweigen herrscht und niemand über wirklich wichtige Dinge spricht. Ihr Adressat ist die imaginäre Freundin Carmen. Häufiger wendet sie sich auch direkt an den Leser. Schon frühzeitig hat Paola und mit ihr der Leser den Eindruck, dass mit der Firma ihres Vaters etwas nicht stimmt und alles auf eine Katastrophe zusteuert. Warum hasst ihre Mutter die Margeriten-Siedlung so sehr, und was hat es mit dem Bauprojekt Biosolar auf sich? Am Ende wird das viele Jahre dauernde Schweigen gebrochen, und die Wahrheit kommt endlich ans Licht. Obwohl die Zukunft der Familie in jeder Hinsicht ungewiss ist, erlebt Paola diese Phase als Befreiung.
Paola ist eine sehr sympathische Protagonistin, vor allem in ihrem engen Verhältnis zum Bruder, der sie seinerseits in kritischen Situationen beschützt und keineswegs so hilflos ist, wie es anfangs den Anschein hat. Auch die Charakterisierung der übrigen Figuren ist gelungen, wobei der stets abwesende Vater am blassesten bleibt. Mir hat der Roman gut gefallen, auch wenn mir eine Dimension verschlossen blieb: die der zahlreichen Anspielungen auf Handlung und Personal der Harry Potter-Romane, die ich nicht kenne. Auch so überzeugt mich das Buch, obwohl ich „Bella Ciao“ mit seinem historischen Hintergrund ungleich gehaltvoller fand. „Dieses ganze Leben“ ist auf jeden Fall empfehlenswert.

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Bewertung vom 18.10.2020
Was uns verbindet
Gowda, Shilpi Somaya

Was uns verbindet


ausgezeichnet

Verlust und Heilung
Im Mittelpunkt von Shilpi Somaya Gowdas Roman „Was uns verbindet“ steht eine Familie, die an einer Tragödie zerbricht und sich irgendwann wieder aufeinander zubewegt. Der Investmentbanker Keith Olander ist mit der indischen Diplomatentochter Jaya viele Jahre glücklich verheiratet. Sie haben zwei Kinder, Karina, 13 und Prem, 8. Ein Unglück zerstört eines Tages ihr Glück, und die Überlebenden versuchen jeder für sich, mit Schuld und Schmerz fertig zu werden. Jaya erinnert sich an ihre indischen Wurzeln und sucht Trost in Gebeten, Meditation und Ritualen. Keith arbeitet verbissen und hat Affären. Die Eltern sind schon bald geschieden, und Karina ist auf sich gestellt. Am College hat sie ein verstörendes Erlebnis, das sie erneut aus der Bahn wirft. Sie vertraut sich niemand an, auch nicht Izzy, ihrer besten Freundin seit der Kindheit. Karina findet Zuflucht in einer Kommune, die von dem charismatischen Anführer Micah geleitet wird. Sie verliebt sich in ihn, aber auch er ist der falsche Mann. Er manipuliert die Mitglieder der Kommune und schreckt vor Gewalt nicht zurück. Karina hat erneut ein furchtbares Erlebnis, ehe sie die Oase genannte Gemeinschaft verlässt. Endlich erinnern sich auch ihre Eltern wieder an ihre Pflicht, der Tochter alle Hilfe angedeihen zu lassen, die sie benötigt.
Die Autorin erzählt diese sehr schöne, berührende Geschichte aus vier verschiedenen Perspektiven, wobei auch ein Toter das irdische Geschehen beobachtet und kommentiert – eine etwas ausgefallene Konstruktion. Der Leser ist nicht nur berührt, sondern nimmt eine ganze Reihe von nützlichen Erkenntnissen mit. Die wichtigste ist sicher, dass man irgendwann mit dem Schmerz und der Trauer über vergangene Ereignisse abschließen und nach vorn blicken muss, denn das Leben wartet. Ein sehr lohnendes Buch.

Bewertung vom 22.08.2020
Das Leben ist ein wilder Garten
Buti, Roland

Das Leben ist ein wilder Garten


gut

Aus dem Leben eines Landschaftsgärtners
Roland Butis Roman „Das Leben ist ein wilder Garten“ erzählt eine kurze Zeitspanne im Leben des Landschaftsgärtners Carlo Weiss. Er leidet unter der Trennung von seiner Frau Ana und vermisst seine Tochter Mina, die im Ausland studiert. Dann wird sein Mitarbeiter Agon von zwei Männern krankenhausreif geprügelt und erheblich verletzt. Die Männer nehmen offensichtlich Rache für Geschehnisse im Balkankrieg. Zu allem Überfluss verschwindet Carlos Mutter aus dem Altersheim. Carlo findet sie in einem heruntergekommenen ehemaligen Luxushotel in den Bergen, das inzwischen Betreuung für pflegebedürftige alte Menschen anbietet zu einem Preis, der eine echte Alternative zum Altersheim ist. Dieses Hotel hat im Leben der Mutter einmal eine wichtige Rolle gespielt. Als junges Mädchen lieferte die Bäckerstochter hier Ware aus und wurde wegen ihrer Schönheit umschwärmt. Hier traf sie unter anderem ihre erste Liebe, einen deutschen Adligen.
Carlo erkennt, dass er vieles nicht wusste, weder über seine Mutter noch über seinen Mitarbeiter Agon, den sanften Riesen, der sich nach den Kriegsjahren im Kosovo in der Schweiz eine neue Existenz aufgebaut hat. Dazu gehört auch sein Stück Land mit Hütte in einer Schrebergartenkolonie, das man ihm nun wegnimmt, um dort einen Fußballplatz zu bauen. Seine Hütte wird mit einem Hubschrauber zu einer anderen Stelle transportiert, und er muss wieder ganz von vorn anfangen.
Der Autor erzählt diese Geschichte einfühlsam und poetisch und lässt seine Liebe zur Natur und sein Verständnis für zwischenmenschliche Beziehungen durchscheinen. Das ist an und für sich nicht schlecht, aber es passiert einfach zu wenig. Ich fand die Lektüre zäh und teilweise ziemlich langweilig. Schade.

Bewertung vom 22.08.2020
City of Girls
Gilbert, Elizabeth

City of Girls


sehr gut

Menschen geschehen Dinge
In Elizabeth Gilbert Roman "City of Girls“ liefert Ich-Erzählerin Vivian Morris als alte Frau eine Lebensbeichte ab, die an eine zunächst Unbekannte namens Angela gerichtet ist. Der Bericht setzt 1940 ein, als die 19jährige Vivian Morris das Vassar College verlassen muss, wo sie sich ein Jahr lang hemmungslos amüsiert hat. Ihre enttäuschten Eltern schicken sie nach New York zu ihrer Tante Peg, die in Manhattan das Lily Playhouse leitet. Sie bringt einfache lustige Stücke in Revuen mit hübschen Revuegirls für die Bewohner des Viertels zur Aufführung. Vivian hat bei ihrer Großmutter das Nähen gelernt und fertigt Kostüme an. Sie zieht mit ihrer Freundin, der wunderschönen Celia Ray, jede Nacht durch die Clubs, betrinkt sich und macht eine Menge sexuelle Erfahrungen. Es ist für sie eine völlig neue Welt, ein starker Kontrast zu ihrer Herkunft als WASP (White Anglo-Saxon Protestant)., wobei WASP die Mitglieder der weißen protestantischen Mittel- und Oberschicht bezeichnet. Eines Tages wird ihr Leben durch einen Skandal umgekrempelt. Nach einem kurzen Aufenthalt in ihrem Elternhaus führt sie in New York mit einer Freundin erfolgreich eine Schneiderei für Brautkleider. Die Liebe ihres Lebens wird Frank Grecco, ein schwer traumatisierter Kriegsteilnehmer, dem sie als junge Frau einmal kurz begegnet war. Sie sind einander innig verbunden, aber es ist keine Beziehung wie andere.
Die Autorin zeichnet vor dem historischen Hintergrund vor allem der 40er Jahre das Porträt einer Frau, die auch durch das Vorbild ihrer Tante Peg lernt, ihr Leben so zu führen, wie sie will, ohne sich dafür zu schämen – so wie es Männern längst gestattet ist. Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann - den Krieg zum Beispiel -, aber es gibt genügend Bereiche, in denen Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen, wie es im Übrigen auch die Autorin selbst vorgelebt hat, in dem sie sich von ihrem Mann trennte und eine Liebesbeziehung zu einer todkranken Frau einging. Der Roman ist nicht durchweg spannend, aber auf jeden Fall interessant und lesenswert.

Bewertung vom 22.08.2020
Wilde Freude
Chalandon, Sorj

Wilde Freude


gut

Der Mut der Frauen
Im Mittelpunkt von Sorj Chalendons Roman “Wilde Freude“ steht die Buchhändlerin Jeanne. Sie erfährt eines Tages, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist und sich einer Chemotherapie gefolgt von Bestrahlungen unterziehen muss. Ihr Mann Matt ist ihr in dieser Situation keine Hilfe. Die Ehe ist bereits seit längerer Zeit gescheitert - seit ihr siebenjähriger Sohn Jules starb. Matt reagiert kalt und ablehnend und wird sie bald verlassen, weil er ihren Anblick nicht erträgt. Bei der Therapie lernt Jeanne in Brigitte eine Krebspatientin kennen, die sie fürsorglich und liebevoll betreut. Durch Brigitte begegnet Jeanne mit Assia und Melody zwei weiteren kranken Frauen und zieht nach einiger Zeit in ihrer WG ein.
Der Autor schildert – wohl aufgrund eigener familiärer Erfahrungen - kenntnisreich und detailliert die Symptome der Krankheit und die furchtbaren Nebenwirkungen der Therapie mit allen zum Teil unappetitlichen Begleiterscheinungen. Er kann sich zum Beispiel sehr gut in die Situation von Frauen versetzen, die den Verlust ihrer Haare fürchten und sich lieber eine Glatze scheren lassen als diesen Prozess bis zum Ende mit anzusehen. Mir persönlich gefällt diese Detailfreudigkeit nicht, im Gegenteil, sie macht mir Angst. So genau möchte ich das gar nicht wissen. Positiv ist an dem Roman sicherlich das Porträt von Solidarität und Freundschaft unter den betroffenen Frauen, das zeigt, dass man auch in schier ausweglosen Situationen nicht den Mut verlieren darf, sondern den Kampf gegen den Krebs aufnehmen muss, auch wenn der Ausgang ungewiss ist. Das wird sehr deutlich in der Figur der mitfühlenden Brigitte, aber auch in der sympathischen Jeanne, die erkennt, dass sie ihr Leben lang zu nachgiebig und unterwürfig war und nun zur furchtlosen Kämpferin wird. Insgesamt überzeugt mich der Roman neben den genannten Gründen auch wegen seines nicht immer plausiblen Plots nicht. Für mich ist dies nicht sein bester Roman.

Bewertung vom 19.07.2020
Die Mitte ist ein guter Anfang
Bloom, Franka

Die Mitte ist ein guter Anfang


gut

Schwierige Beziehungen
In Franka Blooms neuem Roman "Die Mitte ist ein guter Anfang“ verbringt die 49jährige Eva gerade ein paar entspannte Tage bei ihrer besten Freundin Carla in Spanien, als ihr langjähriger Partner Arne ihr einen Heiratsantrag samt Verlobungsring schickt. Eva und Arne sind seit mehr als 20 Jahren ein Paar und haben eine gemeinsame Tochter, die 15jährige Frida. Eva stellt sich in der Folge eine Menge Fragen und hat große Zweifel an der Richtigkeit einer solchen Entscheidung, zumal Arne völlig unromantisch nur praktische Erwägungen anstellt - Absicherung, Ehevertrag im Fall einer späteren Trennung etc. - und mit den eigentlichen Hochzeitsvorbereitungen so wenig wie möglich zu tun haben will. Er formuliert so, als ob es sich um eine unangenehme Sache handelte, die man möglichst schnell hinter sich bringen sollte. Nicht nur Evas und Arnes Beziehung geht in der Folge in die Brüche, sondern auch die Ehe ihrer Eltern und die von zwei weiteren Paaren aus dem engsten Freundeskreis - fast so, als ob Ehekrisen ansteckend wären. Wie wird das alles enden? Was soll sich der Leser unter dem guten Anfang aus dem Titel vorstellen? Renkt sich alles wieder ein, oder werden alle Romanfiguren mit neuen Partnern glücklich?
Mich haben diese in epischer Breite dargestellten Beziehungskrisen nicht besonders fasziniert - schon gar nicht 446 Seiten lang. Das ist weder neu noch wirklich spannend. Schade. Da hatte ich mehr erwartet.

Bewertung vom 16.07.2020
Die Marschallin
Del Buono, Zora;Del Buono, Zora

Die Marschallin


gut

Das eindrucksvolle Porträt einer Familie und einer Epoche
Zora del Buono erzählt in dem Roman „Die Marschallin“ die Geschichte ihrer Familie von 1919-1948. Im Mittelpunkt steht dabei ihre Großmutter, eine gebürtige Slowenin, die den gleichen Namen trägt. Nach dem Ersten Weltkrieg heiratet Zora den Radiologen Pietro del Buono, mit dem sie überwiegend in Bari in einer luxuriösen Villa lebt. Sie sind reich, aber dennoch überzeugte Kommunisten. Sie verehren Tito, dem der Arzt einmal das Leben gerettet hat. Sie bekämpfen den Faschismus unter Mussolini und unterstützen Partisanen, denen Zora Geld und Waffen zukommen lässt. Bei der Geldbeschaffung wird sie in einen Raubmord verwickelt, was langfristig Folgen für die Familie hat. Sie erleben Krieg und viel Gewalt und eine ganze Reihe von tragischen Verlusten in der Familie. Politisches und Privates sind eng miteinander verwoben, wobei die Informationen über die wechselvolle Geschichte des heutigen Slowenien besonders interessant sind: die Region ist lange Teil des Habsburgerreiches, dann Zankapfel zwischen Österreich und Italien, Teil von Jugoslawien und schließlich ein unabhängiger Staat.
Der Roman hat mir gut gefallen trotz der Personenvielfalt – hier ist das Personenverzeichnis am Anfang sehr nützlich – und der vielen zeitgeschichtlichen Details. Besonders eindrucksvoll ist die Figur der Großmutter, eine vielseitig begabte, durchsetzungsfähige Frau, die 1980 als alte Dame in einem slowenischen Altersheim in einem ausführlichen Schlussteil auf ihr bewegtes Leben zurückblickt. Nicht mühelos zu lesen, aber dennoch interessant und empfehlenswert.

Bewertung vom 10.05.2020
Wie uns die Liebe fand
Stihlé, Claire

Wie uns die Liebe fand


gut

Madame Nan blickt auf ihr Leben zurück
Im Mittelpunkt von Claire Stihlés Roman „Wie uns die Liebe fand“ steht Marie-Anne Nanon genannt Madame Nan, 92. Sie blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück, in dem der Zweite Weltkrieg mit der Phase der deutschen Besatzung des Elsass eine Rolle spielt, vor allem aber die Ereignisse des Jahres 1979, die ihr Leben komplett verändern. Madame Nan hat nach dem Tod ihres Mannes ihre vier Töchter allein aufgezogen. 1979 ist Marie, die Älteste, 20 und Coraline, die Jüngste 10 und Madame Nan selbst 52. Marie ist mit dem Algerier Malou zusammen, der eines Tages dem verwitweten Nachbarn Monsieur Boberschram das Leben rettet, als dieser überfallen wird. Darauf schenkt der Nachbar Madame Nan und ihrer Familie seinen Lebensmittelladen. Malou und Marie entwickeln sogenannte Liebesbomben, die zu einem Verkaufserfolg werden und ein ganzes Dorf die Liebe neu entdecken lassen. Nur Madame Nans späte Liebe zu Monsieur Boberschram bleibt scheinbar unerwidert, denn der Nachbar hat sein Leben lang über ein furchtbares Ereignis aus dem Jahr 1940 geschwiegen, das beide Familien betrifft. Wird die Liebe siegen?
Claire Stihlé erzählt einfühlsam und mit viel Humor eine Geschichte, in der relativ wenig passiert. Nicht die äußere Handlung steht hier im Vordergrund, sondern eine besondere Atmosphäre mit elsässischem Lokalkolorit. Eine schöne Geschichte, wenn man sich darauf einlässt.