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Miro76
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Österreich

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Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 29.12.2022
Ware, Ruth

Das College


ausgezeichnet

Hannah hat es tatsächlich nach Oxford geschafft. Voll Aufregung bezieht sie ihr Zimmer am College und trifft dort auf die bildhübsche April. Rasch schließen die Mädchen Freundschaft und gemeinsam mit Will, Ryan, Hugh und Emily bilden sie eine eingeschworene Clique.

Doch ganz unbeschwert sind diese Freundschaften nicht. April spielt gerne Streiche und kennt dabei keine moralischen Grenzen. Doch mit Geld lässt sich alles immer wieder richten.

Nach der Dernière von Aprils Stück feiern die Freunde in der Collegebar. Als April vom Umziehen nicht zurückkommt, will Hannah nach ihr sehen. Ihr Freund Hugh begleitet sie, denn Hannah geht nachts nicht gerne allein. Hat sie doch einige eigenartige Begegnungen mit dem Portier John Neville hinter sich. Hugh wartet draußen, als Hannah den schrecklichen Fund macht. Ihr Freundin April liegt tot im Wohnzimmer und besagter Hausmeister hatte kurz zuvor das Wohnheim verlassen. Die Beweise scheinen stichfest, nur ein Motiv wurde nie gefunden.

Zehn Jahre später arbeitet Hannah als Buchhändlerin. Sie erwartet ihr ersten Kind und hat sich halbwegs in ihrem Alltag eingefunden. Trotzdem denkt sie noch fast jeden Tag an ihre Freundin und meint sie immer wieder auf der Straße zu sehen. Als John Neville im Gefängnis stirbt, hat sie Angst, dass die Verfolgung durch die Medien wieder losgeht. Doch Hannah merkt auch, dass sie sich dem Ganzen langsam stellen muss. Sie kann nicht weiter weglaufen und beginnt, wie so viele, an der Schuld des Mannes zu zweifeln.

In wechselnden Kapiteln lernen wir Hannah als Jugendliche und als Erwachsene kennen. Die ersten Kapitel vor dem Mord lesen sich wie ein klassischer Collegeroman. Es geht um Freundschaften, die geschlossen werden, erste Lieben und die großen Aufregung um die Prüfungen. Oxford ist spektakulär! Manche Veranstaltungen erinnern an Hogwarts, wenn die Student*innen in ihren Talaren unterwegs sind.

Doch die "Danach" Kapitel erinnern uns immer wieder daran, dass diese gute Zeit nicht weilen wird und Hannah einen Schock fürs Leben erleidet. Im "Danach" lernen wir eine Hannah kennen, die langsam wieder stärker wird. Die beginnt nachzuforschen, Fakten zu sammeln und ihr eigenes Bild zu verändern. Als Leserin habe ich es mit wechselnden Verdächtigen zu tun. Mir ist es nicht gelungen, den tatsächlichen Mörder ausfindig zu machen, doch als sich der Vorhang lichtet, ist alles ganz klar!

Mich hat das Buch hervorragend unterhalten. Es war mein erstes von Ruth Ware, wird aber bestimmt nicht das letzte sein. Aufbau und Stil fand ich ansprechend, es liest sich flüssig und lässt sich schwer aus der Hand legen. Ich kann mir vorstellen, demnächst wieder zu einem Buch der Autorin zu greifen, wenn ich Lust auf etwas Thrill verspüre.

Bewertung vom 17.12.2022
Köhler, Anne

Nicht aus der Welt


ausgezeichnet

Stellen Sie sich vor, sie könnten mal Urlaub von ihrem Leben nehmen. Wenn Ihnen dieser Gedanke gefällt, könnten Sie vielleicht irgendwann Gast in diesem speziellen Hotel werden und einfach mal abtauchen für - so lange, wie sie eben brauchen.

Valentin hat so einen Ort geschaffen. Das Hotel liegt versteckt und man kann nur einchecken, wenn man dafür ausgewählt wurde. Es ist ein Hotel für Gestrandete, Überforderte, Verlorene.

Auch Valentin hat ein ordentliches Päckchen zu tragen und ist daher voller Empathie für "seine" Gäste.

Und dort treffen sie aufeinander. Der Mann, der einem erfundenen Traum nicht nachjagen möchte, die Frau, die irgendwas verschuldet hat, das nun ihr Gedächtnis gelöscht hat und die Frau, die mit ihrer späten Mutterschaft schlecht zurecht kommt.

Anna Köhler stellt uns hier verschiedene Menschen vor, die alle irgendwie gestrandet sind. Ihre Geschichten haben sie geformt und aus ihnen Menschen gemacht, die aus ihrer alltäglichen Situation flüchten wollen. Sie geht dabei sehr behutsam mit ihren Figuren um, erzählt uns sogar von schweren Tabuthemen so emphatisch, dass wir ihre Figur auf keinen Fall verurteilen möchten.

Und sie lässt es an Humor nicht fehlen. Als die Geschehnisse beginnen aus dem Ruder zu laufen, wird mit Skurrilem nicht gespart. Das Buch hat mich wirklich überrascht, denn ich hatte nicht damit gerechnet, mich bei der Lektüre so amüsieren zu dürfen!

Das Buch ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte und gleichzeitig so viel besser! Es ist vielleicht nicht so tiefgründig und bietet keine allwissenden Lösungen, aber es ist lustig und zeigt auf, dass man manchmal auch über sich selbst lachen soll und dadurch tatsächlich einen Schritt weiter kommt.

Das Ende kommt leider etwas abrupt, ist aber stimmig. Ich hätte mir nur einfach gewünscht, die Figuren noch etwas länger um mich zu haben, nachdem das Blatt sich gewendet hatte.

Mir hat diese Geschichte hervorragend gefallen. Ich liebe es überrascht zu werden und ich hoffe, das sich noch viele Leser*innen darauf einlassen! Ich empfehle es allen, die sich beim Lesen auch mal amüsieren wollen!

Bewertung vom 17.12.2022
Beverly-Whittemore, Miranda

Die dunklen Sommer


gut

Durch ein Unglück hat Saskia im Teenageralter ihre Familie verloren. Sie wächst bei einer befreundeten Familie ihrer Großmutter auf. Doch auch in dieser Familie trügt der Schein und die Ehe der Eltern bröckelt. So landen Xavier und Saskia in Zuhause. Eine Farm in Maine, die von Menschen bewohnt wird, die autark und naturverbunden leben möchten. Abraham der Leiter der Gruppe ist ein äußerst charismatischer Mensch, der es schafft, andere anzuleiten, ihnen Halt zu geben und ihre Stärken hervorzuheben.

Doch wie alle charismatischen Führer schafft er es ebenfalls, ordentlich manipulativen zu sein und scheut keine Mittel, um seine Ziele durchzusetzen.

Saskia findet in Zuhause endlich wieder so etwas wie Zugehörigkeit, Anerkennung und eine Art Familie. Sie fühlt sich angenommen. Ihre Freunde und sie sind begeistert von Abrahams Ansprachen und sie alle leben in dem Gefühl, dass Zuhause der einzige Ort ist, an dem sie leben können. Sie würden alles tun, um Zuhause zu erhalten und Abraham weiß das für sich zu nutzen.

Doch das wissen wir noch nicht, wenn wir beginnen dieses Buch zu lesen.

Diese Geschichte ist nicht chronologisch aufgebaut. Wir lesen in wechselnden Kapiteln und lernen so immer mehr Teile der Gegenwart und Vergangenheit der fünf Jugendlichen kennen. Von Anfang an herrscht eine bedrohliche und düstere Stimmung und die kurzen Kapitel bauen ordentlich Spannung auf. Man weiß nicht, was passiert ist und das schürt die Neugierde.

Doch dann verliert die Handlung an Fahrt und die kleinen Kapitel werden zunehmend langweiliger. Die Geschichte wirkt ein bisschen aufgeblasen und die Leere im Mittelteil reduziert den Lesegenuss. Manches ist zudem nicht ganz schlüssig und das Ende ist leider weniger spannend als erwartet. Wenn etwas sehr groß aufgebaut wird, erhöht das natürlich auch die Erwartungen an einen fulminanten Schluß.

Trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten. Deshalb vergebe ich solide 3 Sterne für gute Unterhaltung, interessanten Aufbau und angenehme Sprache.

Bewertung vom 27.11.2022
Bilkau, Kristine

Nebenan


sehr gut

Astrid ist Ärztin. Ihr Mann ist bereits in Pension, die Kinder sind ausgezogen und im Nachbarhaus wohnt auch seit geraumer Zeit niemand mehr. Einst war ihre Nachbarin ihre beste Freundin, doch die Umstände haben die beiden Frauen entzweit.

Julia ist Ende dreißig und mit ihrem Mann frisch aufs Land gezogen. Sie wünscht sich sehnlichst eine Familie, aber mit der Schwangerschaft klappt es einfach nicht. Sie hat einen Keramikladen in der Kleinstadt eröffnet, doch ihre Geschäfte laufen hauptsächlich übers Internet. Der Onlinehandel floriert und sie ist nicht auf Laufkundschaft angewiesen.

Beide Frauen haben eine eigenwilliges Verhältnis zu ihrem Nebenan. Bei Julia ist die Familie plötzlich verschwunden und das lässt sie nicht los. Sie versucht zu verstehen, was da passiert sein könnte. Liegt ein Verbrechen vor, oder sind die Leute einfach ausgezogen?

Bei Astrid ist ihre ehemals beste Freundin wieder aufgetaucht und es ist schwierig für die beiden Frauen wieder irgendwo anzuknüpfen.

In abwechselnden Kapiteln lesen wir von diesen beiden Frauenleben mit ihren Sorgen, Ängsten und Freuden, die ihren Alltag prägen. Dabei werden diverse Themen wie Umweltschutz, Stadtentwicklung, das Innenstadtsterben der Kleinstädte, unerfüllter Kinderwunsch oder alternative Lebensformen angesprochen. Ganz nebenbei fließen diese gewichtigen Themen in den Text ein und zeigen ein aktuelles Bild des Dorflebens mit all seinen Facetten.

In schlichter Sprache lässt uns die Autorin an den Gefühlen dieser beiden Frauen teilhaben. Wir erkennen Probleme und Sorgen wieder. Dieser Roman könnte in meiner Nachbarschaft angesiedelt sein.

Die wechselnden Kapitel machen den Roman abwechslungsreich, aber es dauert relativ lange, bis die Handlung vorangetrieben wird. Die lange Einleitung fand ich etwas mühsam. Doch dann verdichtet sich die Geschichte, die Protagonistinnen werden aktiver und sehr gut gefallen hat mir, wie sie sich annähern.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen. Das alltägliche an dieser Geschichte hat mir gut gefallen, doch für den 5. Stern fand ich es anfangs zu langatmig.

Bewertung vom 15.11.2022
Kucher, Lutz

Auf fliegender Mission 5 - Die Wapatumi


ausgezeichnet

Kasimir und die Kinder wollen die Manabapflanze holen, um den Siedlern im Amazonasgebiet zu helfen. Dazu müssen sie die Wapetumi finden, die versteckt im Regenwald leben.

Schon auf dem Weg dort hin gilt es das erste Abenteuer zu bestehen und die Kinder können ihr Wissen, dass sie über die Natur bereits gelernt haben einsetzen. Dabei wird auch wieder ein ernstes Umweltproblem angesprochen.

Bei den Wapetumi gibt es dann aber erst mal eine Atempause, Spaß und Abenteuer. Es darf auch mal gespielt werden. Die Kinder beweisen Mut, Zusammenhalt, Freundschaft und Hilfsbereitschaft. Mittlerweile sind sie alle an ihrer Aufgabe gewachsen und deshalb wird ihnen der Schatz der Wapetumi auch anvertraut, mit dem Auftrag, die Knollen klug zu verwenden.

Wir können uns also bereits auf den nächsten Abschnitt der Reise freuen und Kainu wird endlich zuhause ankommen.

Auch dieser Teil der Reihe hat meiner Tochter und mir ausgezeichnet gefallen. Ohne zu belehren erfahren wir eine Menge über fremde Kulturen, Natur und Umwelt und die Wichtigkeit, denjenigen zu helfen, die das selbst nicht können.

Das Buch bietet Gesprächsanstöße und so dürfen auch mal ernstere Themen aufs Tapet. Meine Tochter ist sehr aufgeschlossen dem Umweltthema gegenüber und gemeinsam können wir überlegen, wie auch wir unseren Teil dazu beitragen können, die Welt ein kleines bisschen schöner zu machen!

Bewertung vom 12.11.2022
Mathieu, Nicolas

Connemara


sehr gut

In Connemara finden wir zwei Erzählebenen: Da sind Christophe und Hélène als Mittvierziger und Christophe und Hélène als Jugendliche.

Christophe war der Star der Schule, eine Eishockeytalent am Anfang seiner Karriere, groß und gutaussehend; Hélène war immer im Hintergrund, schüchtern und schlau. Beide hatten große Ambitionen und wollten über die Kleinstadt, in der sie aufgewachsen sind hinauswachsen. Hélène schafft das mit Eifer und Ehrgeiz. Zielstrebig absolviert sie College und Studium, lebt in Hamburg und Paris und baut sich eine Karriere im Consulting auf.

Hélène hat scheinbar alles: einen erfolgreichen Mann, zwei Töchter, ein Haus und eine relativ einflussreiche Stelle in einer Beraterfirma.

Christophe hingegen schafft es nicht in die 1. Liga. Er bleibt in der Kleinstadt, ist Vertreter für Hundefutter und ballert mit seinen Freuden auf Wäscheklammern. Mit seiner ersten Liebe hat er einen Sohn bekommen, aber die Beziehung hat nicht gehalten und jetzt will sie ihm das Kind auch noch komplett entziehen.

Und doch ist Hélène diejenige, die sich langweilt und als sie zufällig Christophe wiedersieht, nimmt sie Kontakt auf und beginnt eine Affäre.

So kommt es, dass die Träume das zentrale Thema dieses Romans sind. Hélène träumte von der großen Welt, um doch wieder in ihrer Kleinstadt zu landen. Christophe läuft seinen Träumen hinterher und kommt nicht so richtig in die Gänge und wie fühlt es sich an, wenn man sich einem Jugendtraum als Erwachsene hingibt? Träume und Illusionen werden hier ganz einfach deduziert und dabei zeigen sich blanke Tatsachen, die nicht immer so glänzen wie gewünscht.

Zwischendrin finden sich spannende Wahrheiten, wenn es um Hélène Arbeit geht, oder wenn die politische Einstellung dieser Generation beurteilt wird.

Nicolas Mathieu hat wieder einen großen Roman verfasst, in dem er einen analytischen Blick in die Seelen dieser/meiner Generation wirft.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Stilistisch ist es top, wie auch die Vorgänger. Nur leider finden sich zwischendurch ein paar Längen und in den medizinischen Teilen ein paar Ungenauigkeiten, die mich so sehr gestört haben, dass ich einen Stern abziehen muss. Ansonsten konnte mich der Roman aber begeistern!

Bewertung vom 05.11.2022
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Alex muss sich eingestehen, dass seine Kinder häufig Angst vor ihm haben. Dabei erhebt er nie die Hand gegen sie. Aber Wut kann man auch anders zum Ausdruck bringen. Um dieser Wut, die immer wieder in ihm brodelt auf den Grund zu gehen, setzt er sich mit seiner Familiengeschichte auseinander und erkennt, dass alles mit seinem Großvater, dem berühmten Schriftsteller Sven Stolpe begann.

Er macht sich auf die Suche nach dem Auslöser und wird fündig in dessen Werk, seinen eigenen Erinnerungen und in Briefen einer beteiligten Person.

Sven Stolpe hat zeit seines Lebens seine Frau dominiert und diese hat es zugelassen, aus Schuldgefühlen und Angst. Auch seine Kinder hat er immer wieder schikaniert. Diese Familie hat keine Bande. Es ist eine Geschichte von gekappten Banden und schlecht vernarbten Verletzungen, die bis ans Lebensende schwelen. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen muss sich Alex seinen Vorfahren stellen.

Der Autor entspinnt hier eine spannende Suche nach dem großen Geheimnis, dass Generationen ins Unglück gestürzt hat. Er betont zwar, dass es eine fiktive Geschichte ist, bedient sich aber dennoch an den Lebensgeschichten seiner Vorfahren.

Alex Schulman erzählt die Geschichte seiner Großeltern mit Bedacht. Er verurteilt nicht; er versucht zu ergründen. Das hat mir sehr gut gefallen und imponiert mir gleichzeitig, denn es scheint viel einfacher, zu urteilen, als Verständnis aufzubringen.

Ich habe dieses Buch fast in einem Stück gelesen, denn diese Suche hat mich stark gefesselt. Diese vertrackte Ehe hat mich sehr berührt! Da das Geheimnis hier natürlich nicht gelüftet werden darf, kann ich kaum mehr verraten. Nur noch so viel: Lest dieses Buch! Es ist wirklich eine schöne, spannende und berührende Geschichte, die bestimmt mehr als einen Kern Wahrheit enthält.

Bewertung vom 19.10.2022
Roffey, Monique

Die Meerjungfrau von Black Conch


gut

Aycaiya, die Meerjungfrau aus längst vergessenen Tagen zeigt sich nach Jahren der Einsamkeit einem jungen Fischer, der seine Lieder über die Weiten des Wasser singt. Die Musik berührt sie, zieht sie an und lässt sie nach Jahrhunderten wieder die Nähe eines Menschen suchen.

Doch das wird zu ihrem Schicksal. Sie wird geangelt. Gekascht, wie es hier heißt. Eine brutale Szene, schwer verletzt und gedemütigt hängt sie an der Mole, wo David, der Fischer sie retten kann.

Ihre Verwandlung setzt ein und damit auch die aufkeimende Liebe zwischen ihr und dem jungen Mann. Eine Liebe, die alles für ihn verändern wird.

Die Autorin greift hier auf alte Legenden der verfluchten Frau zurück. Wegen ihrer Schönheit wurde sie ins Meer getrieben, damit sie den Männer nicht mehr den Kopf verdrehen kann. Der Fluch der Eifersucht lässt sie nie mehr los.

Stilistisch ist das Buch sehr gewöhnungsbedürftig. Geschrieben in alter, archaischer Sprache passt es bestimmt gut zum Lokalkolorit. Die Bewohner auf Black Conch sind einfache Menschen. Bildung stand ihnen kaum zur Verfügung.

Mir hätte das Buch mit grammatikalisch richtigen Sätzen allerdings besser gefallen. Mir war das zu hart und zu urtümlich. Auch die lyrischen Teile der Meerjungfrau konnten mich nicht wirklich überzeugen. Die Bilder, die diese Gedichte heraufbeschwören sollten, haben mich aufgrund der fehlerhaften Sprache nicht wirklich erreicht. Mir gefällt das einfach nicht.

Ich bin mir sicher, dass genau dieser spezielle, eigentümliche Stil für viele Leser*innen die Besonderheit dieses Buches ausmachen wird und ich wünsche dem Buch solche Leser*innen. Die Geschichte an sich fand ich ja gelungen und spannend, aber es lässt sich nicht ändern. Mir hat die Sprache einfach nicht gefallen. Daher vergebe ich 3 Sterne für eine tolle Story, die mich leider stilistisch abgestoßen hat.

Bewertung vom 17.10.2022
Wait, Rebecca

Meine bessere Schwester


ausgezeichnet

Vier Jahre sind vergangen in denen Alice kein Wort mit ihrer Zwillingsschwester Hanna gesprochen hat und nun treffen sie sich endlich wieder. Der Anlass ist zwar ein Begräbnis, aber Alice freut sich trotzdem. All zu nah standen sie ihrer Tante Katy ja nicht.

Alice und Hanna sehen sich nicht ähnlich und auch ihre Charaktere sind grundverschieden. Während Hanna die Welt offen steht, ist Alice zurückhaltend, vorsichtig und schüchtern. Ihr fällt es schwer Freundschaften zu schließen. Sie ist immer eine Außenseiterin in der Schule, während Hanna im Mittelpunkt steht.

Doch zuhause ist es umgekehrt. Alice ist das liebe Kind der Mutter und Hanna kann eigentlich nichts richtig machen. Am allermeisten geliebt wird allerdings der große Bruder Michael.

Die Kinder werden extrem dominiert von ihrer verbitterten Mutter, deren wichtigste Eigenschaft die emotionale Kontrolle zu sein scheint. Auch ihre Beziehung zur Schwester wird thematisiert und da kommt tatsächlich auch etwas Mitleid bei mir auf. Doch man muss nicht so werden, wie man erzogen wurde. Man kann nicht alles auf die eigene Kindheit schieben.

Auch Alice wird von Hanna gefragt, wie sie ihre Kindheit empfunden hat und noch als Erwachsene nimmt Alice die Mutter in Schutz. Sie schafft es lange nicht, sich abzunabeln. Diese toxischen Bande lassen alle drei Kinder kaum los und ich fand es spannend zu lesen, wie sich dieser irre Erziehungsstil auf sie als erwachsen werdende Menschen auswirkt. Alle drei gehen ihre Wege, doch alle drei fechten ihre Kämpfe aus. Hanna, das schwarze Schaf" schafft es am schnellsten ihre Bande zu kappen, während Alice wie in einen Spinnennetz zu kleben scheint. Sie fühlt sich immer verantwortlich für das Glück ihrer Mutter.

Mir hat dieses Psychogramm dieser speziellen Familie ausgezeichnet gefallen. Die Autorin zeichnet ein schlüssiges Bild dieser toxischen Mutter und dröselt die Folgen für ihre Kinder auf. Wie mit dem Seziermesser blickt sie unter die Haut. Sämtliche Verletzungen werden offen gelegt und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Ich fand es schön, dass alle Protagonisten zu Wort kommen und sich dadurch ein vielschichtiges Bild ergibt. .

Bewertung vom 13.10.2022
Kim, Anna

Geschichte eines Kindes


sehr gut

Daniel Truttman ist in den 50er Jahren in der Kleinstadt Greenbay geboren und wurde von seiner Mutter dem Sozialdienst übergeben, weil sie ihn nicht behalten wollte. Den Vater will sie nicht preisgeben und verschleiert seine Identität auf diverse Arten. Nur eins soll er angeblich nicht sein, ein Farbiger.

Doch Danny sieht aus wie ein Mischlingskind. Die zuständige Sozialarbeiterin verbeißt sich in die Frage der Rassenbestimmung, als gäbe es nichts Wichtigeres! Sie verhindert sogar eine mögliche Adoption, weil die Identität noch nicht geklärt ist.

Diese Abschnitte lesen wir als Protokolle der Untersuchungen und Befragungen. Im zeitlichen Kontext sind sie wahrscheinlich recht realistisch verfasst, doch für unsere heutigen Sprachgebrauch ist das manchmal echt hart zu verdauen. Es macht einen regelrecht wütend beim Lesen.

Doch die Frage der Herkunft stellt sich nicht nur in der Vergangenheit, denn die Aufdeckerin der Geschichte ist ebenfalls halb europäisch, halb asiatisch. Sie landet zufällig als Untermieterin bei Danny's Frau und man sollte annehmen, gerade sie, die ihr Leben mit einer Person of Color verbracht hat, sollte etwas sensibler damit umgehen. Doch sie beharrt immer wieder auf den Unterschieden. In der Gegenwart ist sie wohl die schlimmste Rassistin.

Zusätzlich zur Rassenthematik stellt die Autorin auch die Mutterschaft infrage. Sämtlich Mütter in diesem Buch haben ihre Kinder verlassen oder in Anwesenheit vernachlässigt. Einzig Danny's Adoptivmutter scheint eine gute Mutter gewesen zu sein.

Die Verbindungen zwischen "dem Kind" und der Ich-Erzählerin sind vielfältig und doch unterscheidet sie einiges. Die Zeit in der sie leben, verbaut nur Danny die Zukunft, doch die fehlende Mutterliebe lässt beide nicht los.

"Geschichte eines Kindes" beleuchtet Rassismus hauptsächlich in historischem Kontext und die Verfehlungen der Vergangenheit sind uns größtenteils bekannt. Daher empfinde ich dieses Buch eher als Beitrag zur Erinnerungskultur. Große Fragen zur Diskussion wirft das Buch eigentlich nicht auf. Nach Sensibilität im Sprachgebrauch muss hier nicht gefragt werden, denn das Drama spielt sich in den 50er Jahren ab und wir alle wissen, welche Begriffe damals gebräuchlich waren.

Dennoch empfehle ich das Buch, denn es ist ein weiterer Beitrag, der deutlich macht, dass es keine Rassen gibt, sonder nur Menschen, die als Menschen wahrgenommen werden wollen!