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Frau M. aus M.
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Magdeburg

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Insgesamt 118 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2022
Feyerabend, Charlotte von

Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück


sehr gut

Der Beginn der Karriere des Kinderspielzeugs

"Caroline Märklin" ist eine sehr gründlich und umfangreich recherchierte Romanbiografie über eine starke Frau, die sich in den gesellschaftlichen Zwängen Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland behaupten musste und die Geschichte geschrieben hat.

Carolins Lebensstationen werden eingehend und sehr einfühlsam in jeweils kleineren oder größeren Zeitsprüngen erzählt. Sehr gut sind die allgemeinen Lebensumstände geschildert.:
Dass von einer Frau in jedem Fall erwartet wurde, dass sie einen Mann heiratet, dem sie dann nach dessen Wünschen zur Hand zu gehen hat.
Dass mit Erfindung der Eisenbahn die Menschen erstmals mit höherer Geschwindigkeit konfrontiert waren, was sie sehr irritierte.
Dass es eine ziemliche hohe Kindersterblichkeit gab.
Welche Berufe es damals gab, die heute keine Rolle mehr spielen.
Dass die Warenkataloge handgemalt waren.
Wie die Mode und Trachtenmoce dieser Zeit im Raum Göppingen aussah uvm.
Der Leser fühlt sich direkt in diese Zeit hineinversetzt, in der sich durch die Industrialisierung der Kapitalismus entwickelte und sich viele Veränderungen abspielten. All das hat sich natürlich sehr auf Carolines Leben ausgewirkt. Sie heiratete einen Witwer mit zwei Kindern. Nachdem sie selbst drei Kinder geboren hatte, verstarb ihr Mann. Sie war gezwungen, erneut zu heiraten, da sie allein keine Geschafte machen durfte. Stets war es ihr Traum, Blechspielzeug für Kinder herzustellen und zu verkaufen. Trotz aller Widrigkeiten kommt sie immer wieder darauf zurück. Tatsächlich ist es zu ihrer Zeit noch nicht üblich, Kindern viel Spielzeug zu schenken. Es ist sehr schön beschrieben, wie beispielsweise ihre kleinen Kinder mit Reis und einigen Tassen spielen. Mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten, eine größer werdende Menge zu produzieren, entwickeln sich auch die Möglichkeiten, das Spielzeug populär zu machen und Märkte dafür zu erschließen.
Als Carolins Söhne die Firma übernehmen, ist die Zeit reif für den großen Erfolg. Sie lassen sich ihre Ideen patentieren und schließen sich mit anderen Partnern zusammen. Vor allem die Spielzeugeisenbahnen sind für sehr lange Zeit der Renner.
Die Autorin hat ihre Quellen in Anhang alle sehr genau benannt. Gerade im Fall Caroline Märklin waren diese wohl nicht so besonders zahlreich vorhanden, so dass auch viel Phantasie nötig war, um die Lücken zu füllen. Dies ist Charlotte von Feuyerabend jedenfalls sehr gut gelunngen, so dass wir hier ein sehr unterhaltsames Zeitzeugnis haben.

Bewertung vom 27.10.2022
Siehl, Harald

Schöne Zeit


ausgezeichnet

Und alles ohne Liebe

Dieser Roman liest sich mit einem gewissen pelzigen Gefühl im Hals. Arnold ist ein ziemlich verdrehter Charakter. Er kriegt nichts so richtig auf die Kette, will keine Entscheidungen treffen und sich stets alle Wege offen halten. Da er also keinen der möglichen Wege gehen will, bleibt er einfach stecken in seinem Leben. Er hat keine Freunde und auch seine Frauengeschichten bleiben im Ungefähren. Das zieht natürlich jene, meist einige Jahre ältere Damen an, deren Naturell es ist, andere herumzukommandieren und für sich zu vereinnahmen. Frauen, die nicht darauf warten, dass möglicherweise eine Nähe entsteht und eine Beziehung auf Augenhöhe daraus erwächst.
Arnold wird im Buch als Steigbügelhalter und Erfüllungsgehilfe bezeichnet. Er bringt einfach alleine nichts zustande, gehorcht den Forderungen seiner Gefährtinnen jedoch umgehend. Tatsächlich gibt es hier eben auch Deckelchen, die genau auf dieses Töpfchen passen.

Ein einziges Mal scheint sich Arnold im Alter von 45 Jahren doch noch zu verlieben. Leider gelingt es ihm jedoch auch hier nicht, sich auf die Beziehung und alles damit verbundene Ungewisse, einzulassen, so dass Edelgard sich von ihm distanziert.

Er endet in einem "kühlen Konstrukt" mit Ingrid, einer früheren Kommilitonin, die nach langer Zeit wieder Kontakt zu ihm aufnimmt. Sie verfügt eiskalt über ihn und zwingt ihn in eine Abhängigkeit, aus der es kein Entkommen mehr gibt.

"Schöne Zeit" ist eine meisterhaft und sehr elegant erzählte Geschichte, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser und gebe gern fünf Sterne.

Bewertung vom 26.10.2022
Deißenberger, Barbara

Eine Geschichte in Weiß


ausgezeichnet

Zwei interessante Frauenfiguren aus zwei Generationen

"Eine Geschichte in Weiß" kommt tatsächlich in einem sehr weißem Einband daher. Auch das Papier ist ganz besonders weiß. Und auf diesem weißen Hintergrund kommen die botanischen Malereien sehr schön zur Geltung. Diese Bilder haben mich sehr beeindruckt und ich habe mich sehr lange und immer wieder damit beschäftigt. Schlehdorn, Knoblauch, Weißtanne und viele andere Pflanzen wurden übergroß bis ins letzte Detail getreu in ihrer jeweiligen Lebensphase gemalt. Verblüffenderweise führte das bei mir zu einer veränderten Betrachtung der mich in meinem Garten umgebenden Pflanzen.

Ebenso besonders werden die Geschichten der beiden Frauen Minna und Valerie erzählt. Die beiden kennen sich, sind aber nicht wirklich miteinander verbunden. Minna, die ältere ist in den sechziger und siebziger Jahren groß geworden. Valerie könnte eine Tochter von ihr sein. Es wird aus der jeweiligen Ich-Perspektive der Protagonisten erzählt, wobei auch die Lebenspartner und die Kinder der beiden Frauen zu Wort kommen. Sehr spannend ist, wie unterschiedlich oder auch gleich die Lebensereignisse empfunden und durchgestanden werden. Besonders interessant finde ich die Schilderung der ersten Monate nach der Geburt ihrer Kinder, die ihr Leben von einem auf den anderen Tag so drastisch verändern und sämtliche Ressourcen von ihnen fordern. Sowohl Minna als auch Valerie kommen im Velaufe ihrer Entwicklung zu der Erkenntnis, wie wichtig die Natur und die Erhaltung einer gesunden Umwelt für ein gutes Leben sind. Es ist erkennbar, dass sich Valeries Generation sehr viel intensiver mit der Problematik auseinandersetzen muss, weil die Ausbeutung von Natur und Umwelt bereits viel weiter fortgeschritten ist als es noch zu Minnas Jugendzeiten war. Minna hat während ihrer Tätigkeit als Lehrerin erkannt, dass einige Kinder aufgrund häuslicher Probleme psychisch so belastet sind, dass ihr Lernen erschwert bis unmöglich ist. Als Beratungslehrerin und spätere Psychotherapeutin ist sie sehr engagiert und erfolgreich, muss aber dennoch irgendwann vor dem Ausmaß der Probleme kapitulieren, um nicht selbst kaputt zu gehen. Sie zieht sich zurück und findet in der botanischen Malerei Ruhe und Nahrung für ihre Seele.

So wie die Bilder der Pflanzen zum genauen Hinschauen einladen, so laden auch die Geschichten von Minna und Valerie zum genauen Hinschauen ein. Dadurch kann es dazu kommen, dass man bestimmte Vorgänge in seiner nahen Umgebung nach dem Lesen des Buches möglicherweise anders wahrnimmt als vorher.

Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 13.10.2022
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


ausgezeichnet

Ein großer humanistischer Roman über einen Mann namens Toni
Vor den mehr als 800 Seiten Lesestoff bin ich zunächst erstmal zurückgeschreckt. Dann interessierte mich das Thema aber doch sehr. Und es hat sich wirklich gelohnt, dass ich mich darauf eingelassen habe. Von den vielen sehr guten Büchern, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, hat mich keins so sehr berührt wie „Die Mauersegler“ von Fernando Aramburu.

Wir lernen Toni kennen, einen vierundfünfzigjährigen Gymnasiallehrer, der Spanier ist und in Madrid lebt und der sich in einer heftigen Krise befindet. Er beschließt, sein Leben zu beenden und setzt dafür einen Termin in genau einem Jahr. Bis dahin will er seine Angelegenheiten ordnen und sich von seinen Sachen getrennt haben. Er macht tägliche Notizen über die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen. Da er das nur für sich selbst tut, ist er absolut ehrlich und es entsteht „eine persönliche Chronik mit gnadenloser Wahrhaftigkeit“. So wird dieses Tagebuch zur Therapie für ihn. Ich war sehr fasziniert von Tonis Empfindungen, seinen Gedankengängen, von seiner Betrachtung der Welt aus seiner männlichen Sicht. Er lässt nichts aus. Seine Kindheit, seine Eltern, seine Ehe, sein Sohn, die Frauen im Allgemeinen und im Besonderen, seine Schüler, die politische Lage in Spanien und vieles mehr. Mit der Zeit gehen seine Betrachtungen mehr und mehr in die Tiefe. Ganz langsam über viele Seiten hinweg verliert sich Tonis Depression mehr und mehr und der Text bekommt zunehmend eine Tragikomik.

Toni hat drei Begleiter an seiner Seite. Da ist sein Freund aus Jugendtagen, den er Humpel nennt und der sein Spiegelbild sein könnte. Da ist seine Jugendliebe Agueda, die niemals aufgehört hat, ihn zu lieben und nie einen anderen Mann angesehen hat. Und da ist Pepa, seine Hündin, die er einst für seinen Sohn angeschafft hat, der sich aber nie wirklich dafür interessierte. Die drei halten zusammen und stehen einander bei.

Indem Toni alle nur denkbaren Themen seines Lebens betrachtet, manche davon kochen mehrmals und immer wieder hoch, verarbeitet er viel angestauten Schmerz und unterdrückte Enttäuschung und Wut. Er hat auch einigen Blödsinn verzapft, den er sich wohl auch zu vergeben hat. So lässt Toni Stück für Stück seine Vergangenheit hinter sich und trennt sich auch von seinen persönlichen Sachen, die er in der Stadt an verschiedenen Orten ablegt. Er tut dies ganz ohne Pathos und Geheule. Er tut dies mit „Witz und Stil“ und einer geradezu virtuosen Sprachgewandheit. Sehr schön finde ich auch die immer wieder mal eingestreuten philosophischen Betrachtungen.

Ich bin sehr begeistert von diesem Buch. Ich gebe eine absolute Leseempfehlung und mindestens 6 Sterne ;-).

Bewertung vom 28.09.2022
Zimmermann, Birgit

Die Wolkenstürmerin


sehr gut

Engagiert und leidenschaftlich
"Die Wolkenstürmerin" ist die Geschichte einr selbstbewussten jungen Frau in Hamburg Ende der neunzehnhundertfünfziger Jahre. Marlene Lilienthal ist eine der Erbinnen der Flugzeugfabrik. Der Firma geht es in den fünfziger Jahren sehr schlecht, da es im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges verboten war, in Deutschland Flugzeuge herzustellen. Marlenes Onkel will die Firma verkaufen. Doch Marlene wird dagegen stimmen. Sie ist eine leidenschaftliche Pilotin und fühlt sich der Firmengeschichte sehr verbunden. Sie begegnet während eines Besuchs im Ferienhaus der Familie an der Ostsee einem jungen Mann, in den sie sich sofort sehr heftig verliebt. Schwierig ist nur, dass Bernhard Södermann im Wismar wohnt. Das liegt in der DDR, die auch schon Ende der fünfziger Jahre ihre Bürger und ihre Grenze ziemlich streng bewacht hat.
Es ist ein leicht zu lesender Roman mit HappyEnd auf allen Ebenen. Dennoch ist es ein wichtiges Buch, das ein detailliertes Schlaglicht auf die Befindlichkeiten der Menschen in dieser Zeit wirft. Der Leser erlebt vorrangig aus der Sicht der Industriellentochter Marlene Lilienthal die Jahre des Wirtschaftswunders, die Situation der Kriegsheimkehrer, den Kummer der Heimatvertriebenen, die Probleme der deutschen Teilung, aber auch die Situation der jungen Leute, die ihr Leben gestalten und glücklich werden wollen.
Ich wünsche diesem Buch viele Leser.

Bewertung vom 16.09.2022
Böhle, Daniela

Überlebenstraining


ausgezeichnet

"Überlebenstraining" ist ein ganz wundervoller Roman über eine sehr wichtige Lebensphase von Müttern. Ellens Kinder sind erwachsen geworden und zuhause ausgezogen, um ihr eigenes Leben zu leben. Die jetzt drastisch veränderten Rahmenbedingungen ihres Lebens stürzen sie in eine tiefe Krise. Sie tat bisher viele Dinge, um das Familienleben zu managen, die jetzt weggefallen sind. Sie kann nicht mehr so weitermachen wie bisher. Ihr Leben ist neu zu justieren. Scheinbar kann sie sich ihrer Umgebung, insbesondere ihrem Mann nicht mitteilen, so dass sie ziemlich unglücklich ist. Doch dann zeigt ihr Leben ihr den Weg. Ellen bricht erstmal aus, zieht in die vorrübergeehend freie Wohnung einer Bekannten in einem anderen Stadtteil. Mit diesem Abstand wird es möglich, sich ihren Ängsten und Wünschen zu stellen. Die Menschen, denen sie dort begegnet, geben ihr wichtige Impulse. Es geht um die Herausforerungen einer sehr langen harmonischen Beziehung, um schwierige Mutter-Tochter-Beziehungen, um problematische Kollegen und den heimlichen Wunsch, eine Hutmacherin zu sein anstelle einer Job-Center-Mitarbeiterin in der Beschwerdeabteilung.
Die Protagonisten sind sehr fein gezeichnet. Die charakterlich sehr unterschiedlichen Figuren sind mit ihrer jeweiligen Geschichte sehr authentisch und vielleicht auch typisch. Mir kommen jedenfalls viele davon, Ellen an erster Stelle, sehr bekannt vor. Mit ihrer sehr leichten und bildhaften Sprache lässt die Autorin den Leser durch das Buch fliegen.
Es hat mir große Freude gemacht, dieses Buch zu lesen. Ich gebe eine klare Leseempfehlung und wünsche dem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 09.09.2022
Böhm, Wolfgang

Zwischen Brüdern


ausgezeichnet

Das Wien der Zwanziger und Dreißiger
"Zwischen Brüdern" ist ein ganz wunderbarer Roman über das Wien der Zwanziger und Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Protagonisten sind zwei Brüder, die sehr unterschiedlich sind. Der ältere namens Viktor war als Soldat im I. Weltkrieg und hat viel Schlimmes erlebt. Er ist ein ruhiger, bodenständiger Zeitgenosse, der sich ein einfaches Leben als Lehrer und Familienvater mit einem kleinen Häuschen wünscht. Der jüngere Bruder namens Hans ist vom Krieg verschont geblieben. Er ist der buchstäbliche Hans Dampf in allen Gassen. Er interessiert sich sehr für die sich neu entwickelnden Kunststile. Um als Student in der Kunstgewerbeschule überleben zu können, lässt er sich auf alle möglichen windigen Geschäfte ein. So hat er manchmal Geld im Überfluss und manchmal horrende Schulden. Sehr spannend finde ich, wie die beiden Männer diese Zeit sehr unterschiedlich erleben. Die Geschichte wird teilweise einem Tagebuch gleichend aus der Sicht von Viktor erzählt. Beide Brüder profitieren voneinander, indem sie sich gegenseitig ihre Welten zugänglich machen. Viktor ist sozusagen der Anker in diesem Buch und auch im Leben von Hans, der doch immer wieder das geordnete Leben von Viktor als Resetpoint braucht, um nicht ins hoffnungslose Chaos abzugleiten. Hans versucht mit allen Mitteln und immer wieder seine Träume von einem neuen Design in der Wohnkultur populär zu machen. Er scheitert immer wieder und fängt immer wieder neu an. Dadurch wird er immer extremer und für seine Umwelt schwerer erträglich.
Der Fokus der Geschichte bleibt konsequent auf die Beziehung der beiden Brüder konzentriert. Dennoch werden auch die anderen wichtigen Figuren und deren Lebensumstände sehr plastisch gezeichnet.
Es war eine große Freude für mich, dieses Buch zu lesen. Ich wünsche diesem Roman sehr viele Leser.

Bewertung vom 31.08.2022
Weng, Joan

Die rote Tänzerin


ausgezeichnet

Anita Berber, Inbegriff ihrer Zeit. Verfall, Schönheit und Sünde
Die Autorin schreibt im Nachwort: "Die rote Tänzerin" ist ein in großen Teilen ein fiktiver Roman, der sich ausgehend von den historischen Fakten, zahlreiche Freiheiten erlaubt, um dem Leser einen kleinen Eindruck zu vermitteln, wie Anita gewesen sein könnte. Das ist Joan Weng wirklich gut gelungen. Die Handlung rankt sich um die Entstehung des Bildes "Bildnis der Tänzerin Anita Berber" von Otto Dix im Jahr 1925. Sie wählt die Sprache und den Slang, der damals vermutlich üblich war. Das Besondere ist, dass die Figuren selbst zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer jeweiligen Perspektive erzählen. Auf diese Weise werden verschieden Fassetten der Protagonisten sichtbar. Einige Rückblenden machen die Geschichte noch plastischer. So ist es, als ob sich Puzzleteile zueinander fügen. Der Leser versteht erst nach und nach die Zusammenhänge. Auf diese Weise lernen wir Anita Berber, die sie umgebenden Personen und den Maler Otto Dix kennen. Anita und Otto haben sehr viel gemeinsam. Jeder ist auf seine Art genial und auch unverstanden. Anita ist zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich zerstört. Exzessive Auftrittte, Konsum verschiedenster Drogen, Skandale aller Art haben sie bereits sehr zermürbt. Otto, der seine Modelle am liebsten gar nicht näher kennen möchte, ist jedoch sofort in ihren Bann gezogen.
Der Roman ist ein Schlaglicht auf die sogennannten Goldenen Zwanziger und die Zeit der Weimarer Republik.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 05.08.2022
Georg, Miriam

Träume / Das Tor zur Welt Bd.1


ausgezeichnet

Zwei Frauen wie Ebbe und Flut
"Das Tor zur Welt - Träume" ist ein mitreißender, spannender und dramatischer historischer Roman mit Tiefgang. Ich hätte den Roman am liebsten in einem Stück gelesen. Die fiktiven Personen, allen voran Ava und Claire, sind in der sehr realitätsnah beschriebenen Kulisse der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Hamburg angesiedelt. Dies war die Zeit der großen Auswanderungswelle von Europa nach Nordamerika. Während Ava als Ziehkind in den sehr kargen Verhältnissen eines Torfstechers im Alten Land aufgewachsen ist, ist Claire die Tochter einer wohlhabenden Hamburger Witwe mit Hauspersonal. Beide Frauen sind extrem in Bedrängnis, wenn auch aus sehr verschiedenen Gründen. So weit ihre Schicksale auch auseinanderliegen, so sind sie doch irgendwie miteinander verbunden und ziehen sich wie magnetisch gegenseitig an. Die beiden Frauen und auch alle anderen Progagonisten sind sehr plastisch und authentisch gestaltet. Besonders eindrucksvoll sind die Lebensumstände der Menschen in dieser Zeit geschildert. Das hat meinen Blick auf unseren derzeit als selbstverständlich angenommenen Wohlstand tatsächlich verändert. Sehr schön ist, dass es im Roman diverse Andeutungen über Zusammenhänge gibt, über die man sich seine eigenen Gedanken machen kann. Auf jeden Fall ist meine Erwartung an den bereits angekündigten zweiten Teil des Romans hoch.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 25.07.2022
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


ausgezeichnet

Mit Schicksalsschlägen vertraut
Im Zentrum dieses wundervollen Romans stehen drei nigerianische Frauen, die eine jahrzehntelange Freundschaft miteinander verbindet. Funmi, Enitan und Zaninab sind sehr unterschiedlich in Charakter und Temperament. Die Jahre an der Universität, in denen sie sich stritten und einander beistanden und schließlich erwachsen wurden, haben sie für immer zusammengeschweißt. Obwohl die drei Frauen sehr unterschiedliche Wege gegangen sind, ist ihre Freundschaft unerschütterlich. Sie treffen sich nach vielen Jahren in Lagos wieder, wo die Hochzeit von Funmis Tochter Destiny stattfinden soll.
Das Geschehen inmitten von Nigeria und besonders in der Hauptstadt Lagos spiegelt die nigerianische Kultur sowie Sitten und Gebräuche, von denen sie geprägt ist, aber auch die Einflüsse der westlichen Kultur. Da ist mir das eine oder andere Mal doch ziemlich das Herz gestockt. In Lagos, "wo Scheitern buchstäblich verhungern bedeutete, durfte man keine Skrupel haben." Oder: "Vielleicht hatte Enitan vergessen, dass sie ständige Bedrohung in Nigeria einfach dazugehörte. Nigeria erinnerte einen tagtäglich an die eigene Sterblichkeit."
Die drei Frauen treffen sehr unterschiedliche Entscheidungen für ihr Leben. Sie haben sich mit den normalen Problemen, mit denen Frauen überall auf der Welt gleichermaßen konfrontiert sind, auseinanderzusetzen und müssen auch mit den konkreten Gegebenheiten in Nigeria fertig werden. Enitan fühlt sich unattraktiv und folgt dem erstbesten Interessenten, einem Oyinbo ;o), in die USA. Zainab verzichtet auf ihre berufliche Zukuft zugunsten einer Ehe mit einem Mann, den sie sehr liebt. Funmi heiratet nach dem Verlust ihrer Jugendliebe einen sehr reichen Mann, für den sie nur ein Statussymbol ist.
Ihre Tochter Destiny soll verheiratet werden. Doch wieviel Tradition ist noch sinnvoll? Und was ist das Richtige für die nächsten Frauengeneration?
Die für europäische Ohren ungewöhnlich klingenden Namen der Protagonisten finde ich sehr spannend. Es gefällt mir gut, dass typische Vokabeln in den einheimischen Sprachen Yoruba, Igbo und Hausa in den Text integriert sind, so dass die Mentalität der Sprache plastischer wird. Ein Glossar am Ende des Buches hilft bei der Übersetzung.
Auch das Cover ist wunderschön und in für Nigeria typischen kraftvollen satten Farben gestaltet.
Ich bin sehr begeistert von diesem Roman und wünsche ihm viele LeserInnen.

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