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yellowdog

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Insgesamt 2149 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2025
Leiss-Huber, Anton

Der große UFA-Bluff


sehr gut

Nach einer wahren Begebenheit

Mit diesem Roman von Anton Leiss-Huber begibt man sich auf eine Zeitreise in eine schreckliche Zeit, aus filmhistorischer Sicht aber auch eine interessante. Es vermischte sich Kunst mit Politik, wurde oft zu Propaganda.
Der Krieg ging 1944/1945 in eine finale Phase. Viele Filmschaffende hatten Angst eingezogen und verheizt zu werden.
Der Roman zeigt die waghalsige Idee einer Gruppe von Filmschaffenden, vorzugeben in Südtirol einen Film zu drehen, um sich entziehen zu können.
Der Autor hat meines Eindruck nach gut recherchiert und schafft einen Ton der Zeit. Das zeigt sich zum Beispiel auch in den Sprechweisen der Figuren. Ein paar prominente wirken auch mit, wie Erich Kästner und Marika Rökk.
Den fiktiven Figuren fehlt es ein wenig an Tiefe, aber der Gesamteindruck stimmt. Die Handlung geht mit Tempo voran und alle hoffen auf das Kriegsende.
Ein interessanter und niveauvoller Roman, den man schnell durchlesen kann.

Bewertung vom 09.09.2025
Ebrahimi, Nava

Und Federn überall (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Geflügelschlachthof

Der neue Roman der Bachmannpreisträgerin Nava Ebrahimi hat einen gediegenen Schauplatz. Ein Geflügelschlachthof in der norddeutschen Provinz. Es geht um mehrere Menschen, die damit in irgendeiner Weise verbunden sind, z.B. Sonia und ihre Tochter, die junge Ingenieurin Anna, der Manager Merkhausen und der der geflüchtete halbblinde Afghane Nassim und seine Freundin Juystina sowie Rosha. Das sind alles ganz unterschiedliche Typen.
Die Perspektiven dieser ganzen Leute wechseln.
Das Leben in dieser Schlachterei führt sie zusammen. Jeder von ihnen spielt eine andere Rolle.
Das gibt zum Teil ein ganz schönes Porträt zwischenmenschlicher Beziehungen.
Nava Ebrahimi ist eine Autorin, die weiß, wie man schreibt.

Bewertung vom 09.09.2025
Pauty, Michèle Yves

Familienkörper


sehr gut

Familienkörper von Michèle Yves Pauty ist ein Familienroman mit Schwerpunkt Krankheitsgeschichte, die sich durch die Familie zieht. Auch bei der Mutter, der Erzählerin, die zu Beginn des Romans noch ein kleines Kind war. Es wird über viele Jahre erzählt, bis sie Teenager und Erwachsene ist.
Es beginnt Anfang der Achtziger Jahre. Der Unfall bei Tschernobyl erschüttert alle. Weitere geschichtliche Ereignisse werden immer mal wieder eingeflochten.
Die Krankheiten bestimmen das Leben in der Familie mit, auch die junge Protagonistin wird nicht verschont. Sie berichtet vom Medical Gaslightning, wenn die Ärzte nicht an die Krankheiten ihrer Patienten glauben, nur weil sie nicht auf Anhieb eine Diagnose haben.
Das Krankheitsthema ist interessant, aber vielleicht ein wenig zu viel. Manche Leser könnten sich davon getriggert fühlen. Dem Gegenüber steht die große Sensibilität der Autorin.

Bewertung vom 09.09.2025
Sarid, Yishai

Chamäleon


ausgezeichnet

Der Weg zum Mitläufer

Yishai Sarid ist ein Autor, der in seinen Büchern über gesellschaftspolitische Themen in Israel schreibt. So auch hier in seinem neuen Roman über einen durchschnittlichen Mann, der sich zur falschen Seite hin verführen lässt.
Shai ist ein Journalist, der nach kurzen Erfolg in die Mittelmäßigkeit versank. Durch einen Zufall bekommt er Kontakt in politische Kreise und ist von der Aufmerksamkeit begeistert. Er ist bereit sich dem rechtsgerichteten Premierminister anzudienen und in dessen Sinne zu agieren. Er wird ein Mitläufer.

Der Autor zeigt diesen Prozess langsam, Schritt für Schritt und daher gründlich und nachvollziehbar. Da man als Leser dicht bei der Figur ist, lernt man, dessen Handeln zu verstehen, ohne es akzeptieren zu müssen.
Das ist meisterhaft gemacht. Ein intensives Buch eines klugen Autors!

Bewertung vom 08.09.2025
Donhauser, Michael

Unter dem Nussbaum


sehr gut

Ob Gedicht oder Prosa, Michel Donhauser feiert die Natur.
Blumen, Bäume, Gärten, selbst einen Misthaufen kann er ehren.

Unter den Nussbaum ist ein umfangreiches Buch, dass viel enthält. Neben langen Texten gibt es auch Dreizeiler.
Ein Text wie Zwischenjahreszeiten hingegen hat sogar mehrere Kapitel.
Auffällig und imponierend der komplexe Gedichtzyklus Sarganserland.
Dem steht auch Variationen in Prosa nicht nach.

Diese Sammlung umfasst so viel, dass man als Leser das kaum auf einmal verarbeiten kann. Das Buch wird mich noch lange begleiten.
Zusätzlich enthält es drei Teile, die erstmals veröffentlicht sind.

Bewertung vom 08.09.2025
Ulrich, Ulrike

Zeit ihres Lebens


sehr gut

Ulrike Ulrich hat eine Art gefunden, ihre Geschichte zu erzählen. Sie lässt ihre Hauptfigur Liane Steffen, eine 60zigjährige Schriftstellerin, in einen Dialog mit einer verstorbenen Freundin treten.
Schauplatz ist Paris, 2021, die Zeit der Pandemie. Corona überlagert die Handlung teilweise.
Es ist ein reflektierendes Buch, dass die Zeit ihres Lebens versucht zu beschreiben. Ulrike Ulrich macht das sensibel.
Besonders interessant fand ich die Abschnitte, in denen es um das Schreiben an sich geht. Schließlich ist nicht nur Liane Schriftstellern sondern auch ihre verstorben Freundin war eine, und auch ihr neuer Freund Carmine. Dann entdeckt Liane auch noch eine vergessene Schriftstellerin des 19.Jahrhunderts,
Die Literatur, Bücher, Autoren und das Schreiben sind tief in der Handlung verwurzelt.
Das Buch schließt, als Lianes Aufenthalt in Paris endet.
Der Roman verfügt über eine sprachliche Dichte und die Autorin hat einen überzeugenden Ton gefunden.

Bewertung vom 07.09.2025
Stauffer, Verena

Kiki Beach


ausgezeichnet

Verena Stauffer hat mit Kiki Beach ein hochkomplexes Lyrikband geschaffen, das viel bietet und weit mehr ist als nur Liebesgedichte.
Ich denke, es ist der einzige Prosatext, der ein zentrales Motiv für das Buch findet. Der Fund einer toten Ziege auf der Insel Susak in der nördlichen Adria, was die Autorin erschütterte. Ein Foto der Künstlerin Angela Andorrer dokumentiert es.

Was mich auch überzeugte, sind bei einigen Texten eine Art Fußnoten. Das trifft z.B. bei den 4 Gedichten des Abschnittes Kiki Beach zu. Diese erklären die Gedichte nicht, geben aber Quellen zu Einflüssen, da sei z.B. die Dichtern Yi Lei und griechische Mythologie genannt.
Der Abschnitt King of Persia schöpft stark aus Dylan Thomas Do not go gentle into the Goodyear night.

Vielfach finden sich auch englische Texte, manchmal ganze Gedichte, das wirkt dann wie Songs.

Bewertung vom 06.09.2025
Unterthiner, Miriam

Blutbrot


ausgezeichnet

Miriam Unterthiner ist eine Dramatikerin, die aus Südtirol stammt und ihr Text behandelt den Umstand, dass über die sogenannte Rattenlinie am Ende des Kriegs vielen Kriegsverbrechern die Flucht über den Brenner ermöglicht wurde. Darunter waren u.a. Barbie, Eichmann, Mengele.
Mit der Aufarbeitung der Schuld dieser Fluchthilfe tut sich die Figur, die hier DasDorf betitelt wird, schwer.
Trotz des ernsten Themas bringt die Autorin Leichtigkeit und einen ironischen Humor mit hinein. Zu Anfang durch ein vor ihr selbst als pathetisch benanntes Vorwort und später im Stück schaltet sie sich selbst als agierende Figur ein und ironisiert die zeitgenössischen Umstände der Theaterwelt.
Der Text wirkt frisch, hat mich thematisch interessiert und mit der Ausführung überzeugt.

Bewertung vom 03.09.2025
Travacio, Mariana

Ein Mann namens Loprete


sehr gut

Ein trockenes, karges Land

Der Roman wirkt wie ein Western, ist aber in einer unwirtlichen Gegend in der Pampa von Argentinien angesiedelt. Es ist ein Rachedrama, dass die Selbstjustiz nicht verherrlicht, aber die Wut der Beteiligten vermittelt.
Der junge Manoel hat seine Eltern verloren. Schuld hat der Clan der reichen Loprete. Als ein Loprete im Dorf auftaucht und da getötet wird, eskaliert es.

Die kurzen Kapitel prägen den Text. Manoel ist der Erzähler. Durch Form und Erzählstil entsteht eine eigenwillige Fabel über eine Spirale der Gewalt.

Die Schriftstellerin Mariana Travacio hat Potenzial, so dass man auf weitere Bücher von ihr hofft.

Bewertung vom 02.09.2025
Kurisu, Hiyoko

Der Laden in der Mondlichtgasse


gut

Vom Fuchs verhext


Das Buch Der Laden in der Mondlichtgasse von der japanischen Schriftstellerin Hiyoko Kurisu ist episodenhaft aufgebaut.
Zu Beginn: Kana, eine schüchterne Schülerin der ruhigen Art, betritt staunend eine Confiserie in einer ihr bisher unbekannten Straße.
Dann wird klar, der Laden befindet sich in einer Zwischenwelt. Ein Fuchsgeist bedient sie.
Sie kauft glücksbringende Bonbons und das wird in ihrer Beziehung zum Freund etwas ändern.
Mit den folgenden Episoden wechseln die Figuren, der Ablauf verläuft aber ähnlich.
Das Niveau der Geschichten ist gleichbleibend, d.h. eine ist so belanglos wie die andere. Mir persönlich gefällt die fünfte noch am besten.
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Das Buch ist so zuckrig wie die Zauberbonbons aus der Confiserie.
Daher empfehle ich, die sechs Geschichten des Buches nicht hintereinander weg zu lesen.