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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 411 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2025
Höck, Maria

Ein Einhorn namens Oktober


ausgezeichnet

Welch ein liebenswertes kleines Einhorn!
Das kleine Einhorn Oktober kann es kaum erwarten, ein Jahr alt zu werden, denn – wie jeder weiß – entwickeln Einhörner dann ihre magischen Fähigkeiten. Doch sein Geburtstag kommt und geht, und Oktober hat noch immer nicht entdeckt, worin seine magische Fähigkeit liegt. Zusammen mit seinem Freund Einhörnchen (der aussieht wie ein Eichhörnchen, aber ebenfalls ein kleines Horn besitzt), macht er sich auf die Suche…
„Ein Einhorn namens Oktober“ ist ein ganz besonders schönes Kinderbuch. Schon bei der Abbildung des kleinen Oktober auf dem Cover habe ich mich in dieses kleine Einhorn verliebt. Die Texte sind witzig und ideenreich und die Illustrationen unglaublich goldig. Das Buch ist perfekt für Kinder, die für reine Bilderbücher zu groß und für Bücher mit viel Text und wenig Illustrationen noch zu klein sind. Mein Enkel ist vier und er ist von diesem Buch genauso begeistert wie ich. Besonders angetan ist er von Einhorn Franzi, das sich (fast) unsichtbar machen kann. Ein Öhrchen bleibt witzigerweise immer sichtbar. Und natürlich von Oktober selbst, von dem er meinte, so einen lieben Freund hätte er auch gerne! Ich bin begeistert von diesem liebevoll gestalteten Kinderbuch, das ich inzwischen auch für die vierjährigen Zwillinge von Freunden bestellt habe.

Bewertung vom 08.08.2025
Hausmann, Romy

Himmelerdenblau


gut

Echt jetzt?
Die beiden Podcaster Liv und Phil wollen in ihrem True-Crime-Podcast einen alten Vermisstenfall, der sich in Bälde zum 20. Mal jährt, in ihrer Sendung behandeln. Damals verschwand die sechzehnjährige Julie Novak aus ihrem Elternhaus. Auf dem Computer der Familie fand man ein Erpresserschreiben, in dem 30.000 Euro Lösegeld verlangt wurden, doch die Entführer nahmen keinen Kontakt zur Familie auf, vielleicht auch, weil sich die Eltern nicht an die Anweisung hielten, keine Polizei einzuschalten.
Liv möchte gerne Julies Vater Theo interviewen. Das Problem ist, dass der 74jährige Theo an Demenz leidet und nur ab und zu klare Momente hat. Aus diesem Grund ist Theos jüngere Tochter Sophia vehement dagegen, dass ihr Vater mit Liv spricht. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Unter anderem kommt auch Daniel zu Wort, der in Julie verliebt war und nie darüber hinwegkam, dass die Beziehung auseinanderging. Er war damals der Hauptverdächtige, doch konnte ihm die Entführung nie bewiesen werden.
Die Bezeichnung „Thriller“ trifft auf „Himmelerdenblau“ nicht ganz zu, denn stellenweise ist die Handlung einfach nicht spannend genug. Erst in der zweiten Hälfte kommt etwas Bewegung in die Geschichte, doch die Auflösung hat mich enttäuscht, da ich sie einfach nicht glaubhaft finde. Ich fühle mich davon an der Nase herumgeführt. Für dieses Ende habe ich fast 500 Seiten gelesen? Leider kann ich mich daher den Lobeshymnen für Romy Hausmanns neues Buch nicht anschließen.

Bewertung vom 05.08.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

Meisterin der Manipulation
Neben ihrem eigentlichen Job im Tourismusbüro der kleinen Schwarzwaldgemeinde Herzogsbronn kümmert sich Lisa um die Buchhaltung im Hotel ihres Vaters. Das Hotel hat seine besten Tage längst hinter sich, der Renovierungsstau ist offensichtlich. Momentan hat das "Alte Forsthaus" nur einen einzigen Gast, eine junge Frau namens Daniela, die ausgerechnet in dem beschaulichen Örtchen ein neues Leben beginnen will. Daniela tut Lisa leid, weshalb sie sich um sie kümmert, indem sie sie zu einer Chorprobe mitnimmt und ihr Leute vorstellt. Die schüchterne Daniela verwandelt sich schnell zu einer selbstbewussten Frau, die sich überall einzubringen weiß. Spätestens als Lisas Ehemann Simon seltsam auf Daniela reagiert, wird Lisa klar, dass Daniela nicht mit offenen Karten spielt und es kein Zufall ist, dass sie ausgerechnet in Herzogsbronn gelandet ist.
"Schattengrünes Tal"ist ein ungemein spannendes und fesselndes Buch. Nur das doch ziemlich plötzliche Ende fand ich etwas unbefriedigend. Im Übrigen könnte ich mir diesen Roman sehr gut als Film vorstellen, ein Psychodrama vor dem Hintergrund des Schwarzwalds! Ein wirklich lesenswerter Roman!

Bewertung vom 17.07.2025
Wagner, Jan Costin

Eden


sehr gut

Trauerarbeit - Die zwölfjährige Sofie liebt die Musik von Ariana La Vega. Obwohl die Sängerin auf ihrer Deutschlandtournee kein Konzert in der Nähe von Sofies Wohnort gibt, will ihr Vater Markus ihr eine Freude machen und kauft Tickets für ein Konzert in Stuttgart. Mit dabei sind Sofies Cousine und deren Mutter. Dann passiert das Unfassbare: als die Konzertbesucher die Halle verlassen, wird ein Terroranschlag verübt und Sofie kommt ums Leben.
Markus macht sich Vorwürfe, denn der Konzertbesuch war seine Idee. Er ist einerseits wie benommen und will den Tod seiner Tochter nicht wahrhaben, andererseits versucht er, jede Kleinigkeit über den Anschlag und den Attentäter Ayoub in Erfahrung zu bringen. Er geht sogar so weit, Ayoubs Familie aufzusuchen und zur Rede zu stellen.
Sofies Mutter Kerstin geht den entgegengesetzten Weg. Ihre Tochter ist tot und das Wissen um Details bringt sie nicht zurück. Sie will sogar ihre demente Mutter, die im Pflegeheim lebt, von Sofies Tod erzählen, weil sie meint, ihrer Mutter nichts vormachen zu dürfen. Der unterschiedliche Umgang mit dem Tod der Tochter stellt die Beziehung von Markus und Kerstin auf eine harte Probe.
„Eden“ ist ziemlich schwere Lektüre, es fiel mir teilweise schwer, mich in die manchmal sehr verworrene Gedankenwelt und die Handlungen von Markus hineinzuversetzen.
Ein sehr sympathischer Protagonist ist Sofies Mitschüler Tobias, der in Sofie verliebt war und trotz aller Trauer sein Leben normal weiterlebt. Sofies Tod bringt ihn ihrer Familie näher und er vertraut seine familiären Probleme Markus an, dem der Kontakt zu Tobias auch guttut.
In kurzen Kapiteln wird auch der Attentäter Ayoub vorgestellt und versucht, seine Beweggründe zu beleuchten. Ein interessanter Versuch, vielleicht sollte gezeigt werden, dass er auch nur ein Mensch mit Problemen ist, doch diese Kapitel habe ich sehr ungern gelesen. Ein interessantes Buch mit schwieriger Thematik.

Bewertung vom 09.07.2025
Friese, Inka

Wieso? Weshalb? Warum? Meine Vorlesegeschichten, Band 3 - Wer ist hier im Einsatz?


ausgezeichnet

Nachdem ich meinem Enkel bereits den zweiten Band der Reihe „Wieso, weshalb, warum?“ vorgelesen habe, haben wir uns beide auf den dritten Band gefreut, in dem lauter Geschichten rund um Einsatzkräfte erzählt werden.
Die Geschichten spielen in dem kleinen Ort Hoppelstedt, wo die Kinder Toni, Kojo, Abena und Lenny mit ihren jeweiligen Familien wohnen. Was die Familiensituation anbelangt, sind die Bücher äußerst politisch korrekt, indem sie alle Arten von Lebensgemeinschaften abbilden, beispielsweise hat der sechsjährige Lenny zwei Mütter. Auf den ersten Seiten lernen wir die einzelnen Personen mit Abbildungen kennen, für kleine Kinder finde ich das sehr hilfreich. Auch der Stadtplan von Hoppelstedt ist eine gute Idee. Mein Enkel zeigt mir bei jeder Geschichte, wo sie stattfindet und welchen Weg die Kinder von ihrem Zuhause genommen haben.
Die Geschichten decken das ganze Jahr ab, vom Weihnachtsmarkt bis zu einem Einsatz im Hochsommer am Badesee. Dabei erlernen die Kinder spielerisch Wissen, beispielsweise, dass man nicht mit vollem Magen ins Wasser gehen soll und dass man niemals auf einer Luftmatratze im Wasser einschlafen sollte. In den Geschichten trifft man immer wieder auf dieselben Personen, zum Beispiel den Rettungssanitäter Jan oder Tonis Nachbarin Frau Heine. Diesen Effekt des Wiedererkennens finde ich auch gelungen.
„Wer ist hier im Einsatz?“ ist ein wirklich schönes Buch für Kinder im Vorschulalter, bei dem sie spielerisch lernen, welch wichtige Rolle Einsatzkräfte ausüben und wie man sich in bestimmten Situationen (nicht) verhalten sollte.

Bewertung vom 06.07.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


weniger gut

Hat mich nicht erreicht
Toni lebt mit ihrem Partner Jacob in einer kleinen hellhörigen Altbauwohnung in Berlin. Sie wünschen sich ein Kind, doch trotz Hormonbehandlung klappt es nicht. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch beschließt Toni, es dabei zu belassen und zu akzeptieren, dass sie kinderlos bleibt. Am nächsten Morgen wacht sie in einer modernen und geräumigen Wohnung auf. Auf ihrem Bauch liegt ein Baby und Toni denkt zunächst, sie träumt. Wo ist sie, wieso befindet sie sich in dieser fremden Wohnung mit einem fremden Baby? Toni, bzw. Antonia, wie sie in diesem parallelen Leben heißt, wird panisch…
Den Beginn des Buchs fand ich sehr vielversprechend. Zwei Lebensentwürfe werden einander gegenübergestellt. In dem Leben mit Baby hat Antonia ihr Heimatdorf nicht verlassen und ihre Jugendliebe Anton geheiratet, ein Mann, von dem sich Toni im anderen Leben gleich nach der Schulzeit getrennt hat.
Wer hätte sich nicht schon mal gefragt, was wäre, wenn ich damals eine andere Entscheidung getroffen hätte? Die Idee für das Buch gefiel mir gut, aber die Umsetzung weniger. Toni und Antonia sind beide in ihrem Leben unzufrieden. Was ist die Botschaft, die dieses Buch vermitteln will? Möchte die Autorin damit Frauen, die ungewollt kinderlos sind, sagen: Schaut her, Mütter haben auch ihre Probleme und hadern mit ihrer Rolle, und umgekehrt? Mich hat dieses Buch weder was den Schreibstil, noch was den Inhalt anbelangt, angesprochen und für mich war es eine ausgesprochen frustrierende Lektüre. Weder Toni noch Antonia waren mir sympathisch und ich konnte mich die meiste Zeit in keine der beiden hineinversetzen. Ich habe das Buch zu Ende gelesen, weil ich wissen wollte, wie sich alles auflöst, aber auch der Schluss war sehr unbefriedigend. Offensichtlich gehöre ich nicht zur Zielgruppe, für die dieses Buch geschrieben wurde. Ich kann es nicht empfehlen.

Bewertung vom 29.06.2025
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


sehr gut

Das Massaker von Bottigalli
Die deutsche Architektin Tilda erfährt von einem ausgestorbenen Dorf auf Sardinien, in dem Häuser für einen Euro erworben werden können. Da sie gerade in einer schwierigen persönlichen und beruflichen Situation ist, bricht sie ihre Zelte in Deutschland ab und kauft ein heruntergekommenes Haus in dem kleinen Dorf Botigalli. Dass sie die einzige Bewohnerin des Dorfs ist, kommt ihr sehr entgegen. Allerdings findet sie bald heraus, dass außer ihr doch noch zwei weitere Personen dort wohnen: der alte, gebrechliche Silvio und seine Pflegerin. Silvio bekommt regelmäßig Besuch von dem Journalisten Enzo, der die Hintergründe eines vierzig Jahre zurückliegenden Massakers aufdecken will, dessen einziger Überlebender Silvio ist.
Eines Tages steht Tildas jüngerer Bruder Nino vor der Tür. Tilda ist zunächst alles andere als begeistert, doch als Nino nach einer Weile spurlos verschwindet, setzt sie alle Hebel in Bewegung, um ihn wiederzufinden.
Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Wir erleben die dramatischen Ereignisse der 1980er Jahre, als sich in Italien ganze Dörfer Geld mit Entführungen verdienten, aus der Sicht der jungen Franca. Eine dieser Entführungen endet in dem Massaker, das aus Botigalli ein Geisterdorf macht.
Ein weiterer Handlungsstrang befasst sich mit dem Journalisten Enzo. Nach und nach erkennt man die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Handlungssträngen.
Ich habe „Der dunkle Sommer“ als Hörbuch gehört. Es wird von verschiedenen Sprechern gelesen, was teilweise ein wenig verwirrend war. Die Stimme der Tilda ließ eher auf ein Teenagermädchen schließen als auf eine erwachsene Frau. Die Geschichte ist spannend und hat mich gut unterhalten. Am Schluss laufen alle Handlungsstränge zusammen und es bleiben keine Fragen offen. Interessant fand ich, dass „Der dunkle Sommer“ teilweise auf wahren Begebenheiten beruht.

Bewertung vom 22.06.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Ein mutiger Schritt
Earlon „Bucky“ Bronco ist mit seinen siebzig Jahren ein physisches und psychisches Wrack. Gegen seine Hüftschmerzen nimmt er Opioide, die in den USA ja eine Zeitlang von den Ärzten wie Smarties verteilt wurden und in kürzester Zeit zu Abhängigkeit führen. Seit Buckys Frau Maybellene vor einem Jahr gestorben ist, lebt Bucky sehr einsam, sein häufigster Kontakt ist der Verkäufer im Drugstore, wo er seine Rezepte einlöst.
In seiner Jugend schaffte Bucky ein One-Hit-Wonder, „Until the wheels fall off“. Seine Karriere nahm jedoch ein abruptes Ende und keiner kann sich inzwischen mehr daran erinnern, dass Bucky einmal eine vielversprechende Karriere vor sich hatte. Als er einen Brief vorfindet, in dem er dazu eingeladen wird, bei einem Musikfestival im britischen Scarborough aufzutreten, hält Bucky dies zunächst für einen Scherz. Er hat keine Ahnung, dass er im Norden Englands wie ein Star gefeiert wird und eine große Fangemeinde hat. Da Flug- und Hotelkosten, sowie ein großzügiges Honorar bezahlt werden, beschließt er, den Flug über den großen Teich zu wagen, zumal er die USA noch nie verlassen und auch das Meer noch nie gesehen hat. Was hat er schon zu verlieren?
In England wird er von der fünfzigjährigen Dinah in Empfang genommen, die ein großer Fan von ihm ist. Dinah ist mit einem Nichtsnutz von Ehemann verheiratet, ihr erwachsener Sohn verbringt die Nächte vor dem Computer und verschläft den Tag. So ist es für sie ein absolutes Highlight, Bucky während des Festivals betreuen zu dürfen. Bucky leidet zunächst unter Jetlag und Entzugserscheinungen, die er zu verbergen versucht. Lange Zeit ist nicht klar, ob er es überhaupt schaffen wird aufzutreten.
Für mich war „Strandgut“ das erste Buch von Benjamin Myers. Sein teilweise sehr poetischer Schreibstil und seine genauen Beobachtungen und Charakterisierungen der Personen haben mir sehr gut gefallen. In mancher Szene hatte ich das Gefühl, neben Bucky herzugehen, beispielsweise, als er nachts die dunklen Gänge des Hotels „Majestic“ erkundet, das seine Glanzzeiten längst hinter sich hat.
Im Übrigen möchte ich auch die hervorragende Übersetzung aus dem Englischen durch Werner Löcher-Lawrence erwähnen, ich habe schon lange kein so gut übersetztes Buch mehr gelesen!
Benjamin Myers ist mit „Strandgut“ ein wunderschönes, leises Buch über Freundschaft und Liebe, Verlust und Trauer, aber auch über den Mut, eigene Grenzen zu überwinden gelungen. Die Rückblicke auf Buckys Leben haben mich sehr berührt. Uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.06.2025
Wilson, Alexandra

Die feindliche Zeugin


sehr gut

Erdrückende Beweise
Die junge Anwältin Rosa bekommt ihren ersten großen Fall übertragen. Sie soll den 17-jährigen Emmett verteidigen, der einen Weißen erstochen haben soll. Die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Mehrere Zeugen haben ihn dabei beobachtet, wie er blutüberströmt neben dem am Boden liegenden Opfer stand, das Messer noch in der Hand.
Als Leser weiß man, dass er nicht der Täter ist, doch Rosas Aufgabe ist nicht leicht. Niemand meldet sich als Entlastungszeuge und Emmett selbst will keine Aussage machen, wer die anderen Schwarzen Jugendlichen waren, die bei der Auseinandersetzung dabei waren, und dies, obwohl ihm bewusst ist, dass ihn im Falle einer Verurteilung womöglich eine lebenslange Freiheitsstrafe erwartet.
Die Autorin dieses Romans ist selbst Barrister und kennt das britische Rechtssystem genau. Sie schildert daher minutiös die Abläufe dieses Strafprozesses, was zwar interessant, aber auch manchmal ziemlich ausufernd ist. Als Justizthriller kann man „Die feindliche Zeugin“ auch wahrhaftig nicht bezeichnen, denn über viele Seiten hinweg fehlt es an Spannung. Trotzdem habe ich diesen Roman gern gelesen. Ich denke, dass die Autorin viel ihrer eigenen Erfahrung in die Geschichte hat einfließen lassen, denn sie liest sich sehr authentisch.

Bewertung vom 11.06.2025
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


sehr gut

Interessant, aber sehr bedrückend
Wie schon seit Jahrhunderten ziehen die schwedischen Samen als Nomadenvolk jedes Jahr zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren hin und her. Als Inga dreizehn Jahre alt ist, kehrt sie mit ihrer Mutter Ravdna und ihrer Tante Anne ins Sommerquartier zurück, nur um festzustellen, dass im Auftrag der Regierung der See, an dessen Ufer sie wohnen, weiter angestaut wurde und das ganze Dorf bereits halb unter Wasser steht. Begründet wird diese Maßnahme durch den erhöhten Energiebedarf des Landes und den Bau eines großen Kraftwerks. Die Samen wurden über die Maßnahme nicht einmal in Kenntnis gesetzt. Die Regierung hielt es nicht für notwendig, da ihnen der Grund und Boden nicht gehört und sie daher, so die offizielle Begründung, kein Anrecht darauf haben. Inga und ihre Familie bauen sich weiter oben in den Bergen eine neue Kote, die allerdings Jahre später ebenfalls mitsamt ihrem Besitz wieder geflutet wird. Insgesamt passiert dies vier Mal. Es ist kaum zu glauben, in welchem Ausmaß die Volksgruppe der Samen diskriminiert wurde. So war es ihnen auch verboten, viereckige Häuser zu besitzen, Fenster in ihre Koten einzubauen und an die Stromversorgung angeschlossen zu sein, für die sie so viel opferten.
Ich konnte im Übrigen nicht ganz nachvollziehen, wie gleichmütig die Samen dies alles hinnahmen und sich fast kein Aufstand regte. Erst ab dem Jahr 1972 erhielten sie für den Verlust ihrer Lebensgrundlage eine lächerlich kleine Entschädigungssumme.
„Das Echo der Sommer“ gibt einen guten Einblick in das traditionelle Leben der Samen und ihre tiefe Naturverbundenheit. Die Sprache des Buchs ist sehr poetisch, oft zu poetisch für meinen Geschmack. Es werden auch sehr viele Sätze und Begriffe in der samischen Sprache verwendet, ohne dass diese erklärt werden. Das hat mich ziemlich gestört, zumal kein Glossar vorhanden ist und nicht immer aus dem Zusammenhang hervorgeht, was gemeint ist. „Inga hatte Goasttemállasa zubereitet“, „Mon jáhkán“, sagte sie, woraufhin Heaikka Biette erleichtert „Na huff“ erwidert. Und so geht das in einem fort. Mich hat dies im Lesefluss gestört. Es ist mit Sicherheit ein wichtiges Buch, da es Missstände anprangert, die wenig bekannt sind, doch liest es sich stellenweise ziemlich zäh.