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katl2

Bewertungen

Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 13.06.2025
Rubin, Gareth

Holmes & Moriarty (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Sherlock Holmes ist mal wieder einem Fall auf der Spur. Unterstützt wird er dabei, wie so oft, von seinem guten Freund, Dr. Watson, der wie immer pflichtbewusst, den Leser/die Leserin auf dem Laufenden hält. Die zuerst einfach wirkende Geschichte entwickelt sich zu einem verzwickten Fall, der nicht nur Holmes‘ gesamtes detektivisches Genie auf den Plan ruft, sondern auch seinen erbittertsten Gegenspieler: Professor Moriarty. Dieser folgt seinem eigenen Geschäft, begleitet stets von seinem ruchlosen Scharfschützen Moran. Unaufhaltsam verwebt das Schicksal ihre beiden Pfade, bis sie schließlich vor der Entscheidung stehen, gegen ihre Prinzipen und Natur, zusammenzuarbeiten. Die Zukunft der Menschheit, wie sie bis dahin existierte, liegt in ihrer Hand. Können sie ihre Unterschiede überwinden?

Handlungsstrang und Schreibstil

Gareth Rubin lässt beide Seiten gleichermaßen zu Wort kommen, und das sprichwörtlich. Abwechselnd erzählen Doktor Watson und Colonel Moran die Geschichte. Kapitel für Kapitel nähern sich ihre Pfade an und das Tempo der Geschichte verdichtet sich.

Der Schreibstil des Autors erinnert stark an die alten Klassiker von Sir Arthur Conan Doyle. Seine Art und Weise, zu beschreiben trägt den Leser/die Leserin zurück in das Jahr 1889. Die dunklen Gassen voll mit dichtem, Londoner Nebel, das Klappern der Pferdekutschen, die hohen Zylinder auf den Köpfen der Männer, der Gestank der Zeit – all dies erscheint vor dem Leser/der Leserin, so deutlich zeichnet Gareth Rubin das Bild seiner Welt und bringt damit Sherlock Holmes wieder ein Stück weit zurück in die Gegenwart.

Fazit

Sherlock & Moriarty ist eine Liebeserklärung an einen der größten und bekanntesten Detektive, die die Welt je kannte. Der Fokus liegt dabei nicht zwingend auf der berühmten Spürnase, sondern beleuchtet vor allem die Unterschiede in den Denkweisen der beiden Konkurrenten. Moriarty, dessen Genie dem von Holmes in keiner Weise nachsteht, rückt ebenfalls in das Zentrum und wird auf eine beinahe unheimliche Art beinahe sympathisch.
Für alle, die Sherlock Holmes lieben, ist dieses Buch eines, dessen Reise es absolut wert ist.

Bewertung vom 19.05.2025
McBride, Hazel

A Fate Forged in Fire - Aus Flammen geboren


ausgezeichnet

Kurz zum Inhalt

Sehnsüchtig erwartet Aemyra den Tag, an dem sich ihr Schicksal endlich erfüllen sollte. Von der Königsfamilie unbemerkt, arbeiten sie und ihr Zwillingsbruder Adarian in der städtischen Schmiede, stets darauf bedacht, ihre wahre Abstammung zu verbergen. Denn sie sind ebenfalls von königlichem Blut und Aemyra ist tatsächlich die rechtmäßige Erbin des Thrones. Tag für Tag sehnt sie sich nach dem Moment, an dem sie endlich das erhält, was ihr zusteht.

Ein gespaltenes Land

Erisocia, das Land, in welchem diese Geschichte beheimatet ist, wird in fünf Königreiche aufgeteilt: Tìr Uisge, Tìr Teine, Tìr Sgàile, Tìr Adhair und Tìr Ùir. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihre magischen Fähigkeiten, die manche Gesegnete beherrschen können und die auf die elementaren Kräfte zurückzuführen sind. Diese haben auch die Möglichkeit, sich an magische Wesen zu binden und ihre Kräfte so zu verstärken und zu stabilisieren. Doch die alte Magie wird durch das Aufkommen einer neuen Religion bedroht, die das herrschende Matriarchat gegen männliche Herrscher austauschen will und skrupellose Jagd auf alle Menschen macht, die in der Lage sind, die Elemente zu beherrschen.

Schreibstil und Spannungsbogen

Die Autorin bedient sich einer ausdrucksreichen Sprache, ohne zu blumig zu werden. Klare Sätze, die nicht ins unendliche abdriften sowie die innere Unruhe von Aemyra, die deutlich herauszulesen ist, sorgen für ein unterhaltsames Leseerlebnis und zu einem Buch, welches bereits nach wenigen Seiten so stark fesselt, dass es kaum aus der Hand zu legen ist. Die Charaktere sind authentisch und greifbar, die Handlungen dieser sukzessive greifbarerer und verständlicher. Die Autorin versteht es, die Hintergründe des Konfliktes gezielt zu erläutern, ohne langatmig zu werden. Stets erhält der Leser/die Leserin genügend Informationen, um bei den folgenden Szenen mitfiebern zu können, ohne jedoch mit Fakten zugeschüttet zu werden.

Fazit

A Fate Forged in Fire ist eine Fantasygeschichte, die für Liebhaber dieses Genre auf jeden Fall eine Reise wert ist. Sie besitzt alles, was so ein Buch haben sollte: eine sympathische Heldin, die sich mit ihrem Temperament mehr als einmal in Schwierigkeiten bringt, ein Schicksal, dem sie nicht entrinnen kann, ein Konflikt, welcher das Land in unversöhnliche Lager teilt, aber auch Verluste, Siege und Kompromisse, die dem Ganzen die benötigte Würze verleihen. Das alles, ohne abgedroschen oder langweilig zu werden.

A Fate Forged in Fire ist ein typisches Buch des Genres Fantasy und dabei so erfrischend und wunderbar zu lesen, dass die letzte Seite schneller kommt, als erwartet.

Bewertung vom 06.04.2025
Große, Lara

If We Were Gods


gut

Olivia kann es nicht fassen: als eine von wenigen Auserwählten war sie in der Arcanen Academy aufgenommen worden. Endlich hat sie die Möglichkeit, tiefer in die Risse der Welt einzutauchen. Neben ihre Freude und Ehrfurcht, die sie beim Blick auf die Akademie erfüllt, mischt sich bald auch die Furcht. Bisher war es ihr nie gelungen, ein Teil von etwas zu sein. Diesmal, so schwor sie sich, würde es anders sein. Doch war sie tatsächlich bereit, sich über jegliche Regeln hinwegzusetzen, nur um dazuzugehören?

Die Welt der Spalten

Lara Große entwickelt eine Welt, die vollkommen anders ist. Die Realität, die wir kennen und unser eigen nennen, ist durchzogen von Rissen, die bis zum Ursprung alles Lebens hinabreichen können. Aufgebaut wie eine Zwiebel verbergen sich Schicht um Schicht die Elemente, aus denen die Welt besteht: Wind, Erde, Feuer und Wasser bilden den Anfang, gefolgt von Metallen usw. Jede dieser sogenannten Ebenen ist durchzogen von Runen, die eine gewisse Eigenschaft des Elementes repräsentieren, welches damit beeinflusst werden kann. Nur wer die Rune selber findet, kann sie auch anwenden. So werden Schritt für Schritt junge Menschen dazu ausgebildet, die bekannte Realität zu verändern.

Zum Schreibstil und Charaktere

Lara Große verwendet eine einfache, bildhafte Sprache, die es möglich macht, diese ungewöhnliche Welt greifbar zu machen. Ihre Charaktere sind typische Teenager. Die gesamte Geschichte wird aus Olivias ich-Perspektive beschieben, was der Welt, wie wir sie als Leser und Leserin erleben, sofort einen subjektiven Anstrich verleiht. Während es Milo und Saxa sofort auf ihre positive Liste geschafft haben, wird Nasir, zum Beispiel, stets mit einem Anflug von Misstrauen verbunden.

Fazit

„If We Were Gods“ ist ein Fantasieroman, der einmal anders ist. Während in der Akademie lediglich die Grundlagen gelehrt werden, pirschen sich die Studentinnen und Studenten durch die unterschiedlichen Schichten und sammeln, wie bei einem Computerspiel, ihre Runen und verweben sie zu komplexen Zirkeln. Ich muss gestehen, dass es eine Weile gedauert hat, bis ich so halbwegs verstanden habe, was sie da eigentlich machen. Das tatsächliche Ziel ist mir immer noch etwas schleierhaft. Zumindest vom Rest der Akademie, denn Olivias Lehrgruppe hat sich ja ein ganz bestimmtes gesetzt. Etwas gewöhnungsbedürftig war für mich auch die Sicht einer typischen Teenagerin, die nicht nur ihre Freunde mit ihrem Bauchgefühl findet, sondern auch alles riskiert, nur um ein Teil einer Gruppe zu sein. Ungewöhnlich, aber äußerst realistisch, selbst wenn manche Entscheidungen und Gedanken von Olivia lediglich Kopfschütteln bei mir hervorriefen, war es nicht so, dass sie für mich unerklärlich waren.

Alles in allem ist es ein tolles Buch, das besonders durch eine neuartige Art der Magie als auch einem fantastischen Cover sofort ins Auge sticht.

Bewertung vom 12.11.2024
Meyer, Kai

Das Haus der Bücher und Schatten


ausgezeichnet

Geister der Vergangenheit

Das Haus der Bücher und Schatten. Bereits der Titel von Kai Meyers neuem Werk lässt die Gedanken spielen. Der dritte Teil seiner Buchreihe, die sich um Geheimnisse des Graphischen Viertels in Leipzig ranken, wird seinen Vorgängern mehr als gerecht. Die Bücher hängen nicht zusammen, das verbindende Element ist allein der Ort, an dem diese Geschichten ihre Bühne bekommen, sowie die Art ihrer Erzählung. Ein Geheimnis der Vergangenheit findet zurück ans Licht, um Geschehnisse der Gegenwart der handelnden Personen erklären zu können.
In diesem Werk wechselt der Autor zwischen den Jahren 1913 und 1933. Beide Jahre bergen die Vorboten eines neuen Krieges, der die Welt überschatten wird. Brutalität, Ideologien und Furcht prägen beide Jahre und überbrücken die zwanzig Jahre, die sie trennen.

Im Jahr 1933 wird der Polizist Cornelius beinahe Zeuge eines Doppelmordes, ein Mädchen und ein Polizist. Entgegen der allgemeinen Meinung glaubt er nicht an eine schlichte, einfache Erklärung und beginnt in der Vergangenheit des Mädchens unter die Lupe zu nehmen. Freimaurer, Okkultisten und Séancen haben das Leben des toten Mädchens geprägt, während der Polizist, ein überzeugter Nazi, bei seinen Mitmenschen alles andere als beliebt war. Was verbindet die beiden und was bedeuten die rätselhaften Buchstaben auf der Hand der Toten? Bei seinen Nachforschungen nähert er sich immer mehr den Geheimnissen von gefährlichen Männern, die ihre dunklen Geschäfte im chaotischen Deutschland zur Blüte getrieben haben und kein Interesse daran haben, diese durch einen einfachen Polizisten in die Luft gehen zu lassen.
Zwanzig Jahre zuvor begibt sich Paula zusammen mit ihrem Verlobten und Kollegen Jonathan auf die Reise ins Baltikum, um das Manuskript eines Autors zu holen. Doch in dem gewaltigen Anwesen geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Paula ist überzeugt, dass es spukt. Sie hört Schritte, wo keine Gänge sind und Stimmen, wo keine Menschen sind. Sie beginnt alles zu hinterfragen und stößt auf eine Geschichte, die besser im Verborgenen geblieben wäre.

Die Handlungsstränge beider Geschichten wechseln sich in unregelmäßigen Abständen ab, vertiefen dabei die Spannung und die Neugierde darauf, wie es weitergehen soll und wird. Beide Teile sind geprägt vom Übersinnlichen, von Geistern und Stimmen aus dem Jenseits, von Geheimnissen der Vergangenheit, die nicht ans Licht kommen sollten. Entgegen so vielen seiner anderen Werke benutzt Kai Meyer in diesem Werk zwei Protagonisten und Protagonistinnen, die es mir schwer gemacht haben, sie ins Herz zu schließen.

Cornelius ist ein verbitterter Polizist, der zuerst suspendiert und später wieder eingesetzt wurde, als seinem Arbeitgeber das fähige Personal ausging. Er verachtet den Nationalsozialistischen Staat und macht sich dadurch keine Freunde in der Stadt. Cornelius bevorzugt die Gesellschaft von Büchern deren von Menschen, mit Ausnahme seiner reizenden Verlobten. Er ist ein Einzelgänger, der alles im Alleingang erledigt, der nie um Hilfe fragt oder diese akzeptiert. Am liebsten geht er auf direkte Konfrontation mit seinem Gegenüber und er traut keinem seiner Kollegen über den Weg. Im Laufe des Buches lernte ich ihn zu schätzen, aber es dauerte.
Paula hingegen ist eine faszinierende Frau. Als einzige Lektorin des Verlags werden ihr deutlich größere Steine vor die Füße gelegt, als ihren Kollegen. Sehr zum Ärger von diesen ist sie es, die einen der bedeutendsten Autoren ihrer Zeit entdeckte und zu einem Bestseller machte. Selbst dieser Erfolg lässt die Kritiker nicht zum Schweigen bringen, im Gegenteil: die Eifersucht wird nur weiter angeheizt. Paula ist sehr sensibel und in ihren Träumen erscheinen immer wieder die Geister der Vergangenheit, um sie zu warnen oder ihr etwas mitzuteilen. Trotz ihrer beeindruckenden Geschichte wurde ich bis zum Schluss nicht richtig warm mit ihr. Fast, als würde ein Graben zwischen uns sein, der es ihr nicht ermöglicht, mich zu berühren.

Es war eine faszinierende Erfahrung für mich, von einem Buch gefesselt zu sein, mit deren Charakteren ich nicht wirklich warm wurde. Es hat der Geschichte keinen Abbruch getan. Jede einzelne Seite des Buches war eine wunderbare Reise in eine Zeit, die wir nicht erleben wollen und die aktueller scheint als je zuvor in meinem Leben.

Das Haus der Bücher und Schatten ist ein weiteres faszinierendes Buch von Kai Meyer. Es ist nicht notwendig, die vorherigen Bände des Graphischen Viertels zu lesen, da jedes eigenständig für sich steht, jedes sein eigenes Geheimnis verbirgt. Sein künstlerischer Umgang mit der deutschen Sprache und sein Talent für spannungsgeladene Handlungsbögen machen das Buch zu einem wahren Lesegenuss.

Bewertung vom 27.10.2024

Trinken wie ein Dichter


ausgezeichnet

Prost!

Der edle, leinenartige Einband verleiht dem Buch bereits bei der ersten Berührung ein edles Gefühl, das sich beim Aufschlagen nur noch verstärkt. Liebevoll aufbereitet und mit nötigen Hintergrundinformationen versehen, wurden favorisierte Getränke von bedeutsamen Literatinnen und Literaten zusammengetragen. Egal ob Tennessee Williams' Ramos Gin Fizz, der bei übermäßigem Genuss dazu verleitet, am Balkon stehend nach Stella zu rufen, die richtige Zubereitung einer Tasse Tee, die laut George Orwell elf Schritte beträgt, oder mit einem Whiskey Cock-Tail auf den Spuren von Mark Twain zu wandeln - jeder Beitrag ermöglicht es, den bekannten Namen noch eine weitere Facette zuzuordnen, durch die Drinks ihrer Wahl.

Ich bin noch weit davon entfernt, jedes Getränk ausprobiert zu haben, aber jedes davon war ein Erfolg. Auch wenn der Wodka Martini, geschüttelt nicht gerührt, stärker ist, als ursprünglich vermutet

Bewertung vom 23.07.2024
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


sehr gut

Dieses Buch ist anders. Besonders prägnant ist die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist. Anders als bei den meisten Büchern finden sich hier keine Satzzeichen, die direkte Reden oder einen Sprecherwechseln kennzeichnen. Als Leserin bzw. Leser hat man das Gefühl, außerhalb der Geschichte zu stehen. Wie hinter einer Glasscheibe, während eine neutrale Stimme alles berichtet: von den Bewegungen der Figuren, über ihre Gespräche bis hin zu ihren Klamotten. Wie Audiokommentiert. Sehr ungewöhnlich und es dauert ein bisschen, in diese Art der Erzählung hineinzufinden. Der Spannung des Buches tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Obwohl die Leserin/der Leser quasi als unbeteiligter Zuschauer an der Handlung teilnimmt, wird sie/er direkt mit hineingezogen. Die Angst, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit angesichts der Situation sind so greifbar, als wären es die eigenen Gefühle und Gedanken.

Die Geschichte, die erzählt wird ist eine, die jederzeit eintreten kann. In dem Moment, in dem der Staat beginnt, autoritär zu handeln. Ab dem Moment, wo zu viel Macht auf zu wenige Menschen aufgeteilt ist. Ab dem Moment, ab dem Angst gewinnt und die Gewalt regiert. Es sind Bilder aus dem Geschichtsunterricht, Bilder aus der Vergangenheit und Bilder, wie sie auch jetzt auf den Fernsehbildschirmen zu sehen sind. Eine Geschichte, in der die Demokratie und das Leben, das damit verbunden ist, kippen und einem unbarmherzigen und brutalen Regime den Platz überlassen.

Es ist ein erschütterndes und ehrliches Buch, das eine Geschichte erzählt, die über unserem Leben wie ein Damoklesschwert schwebt und hoffentlich nicht eintreffen wird.

Bewertung vom 12.06.2024
Winkelmann, Andreas

Hast du Zeit?


ausgezeichnet

Alles ist fremdes Eigentum, nur die Zeit ist unser. Seneca

Das erste, was mir bei dem Buch aufgefallen ist, nachdem ich es ausgepackt hatte, war, wie schön es ist. Dunkler Hintergrund, auf dem in weißen Buchstaben der aufrüttelnde Titel „Hast du Zeit?“ ins Auge sticht. Im Vordergrund prangt das untere Ende einer Sanduhr, die leicht schillernd zur Eile drängt. Die roten Seiten runden das Buch in seiner schlichten Eleganz ab.

Einundfünfzig Jahre ist es her, seit Michael Ende mit seinem Buch Momo die Zeit in den Mittelpunkt einer Geschichte gerückt hat. Andreas Winkelmann widmet sich in diesem Buch demselben Thema. Er knallt jedem, der auch nur einen kurzen Blick auf sein Buch wird, eine der essenziellen Fragen unserer Gegenwart direkt ins Gesicht: „Hast du Zeit?“ Wie oft haben wir diese Frage schon gehört oder selber gestellt. Und wie oft haben wir sie mit Nein beantwortet?

Es ist das erste Buch, das ich von Andreas Winkelmann gelesen habe und ich war nicht in der Lage, es aus der Hand zu legen. Von der ersten Seite an gelingt es dem Autor, einen bedrohlichen Unterton in seine Erzählung zu weben, die ständige Gefahr voraussagend und dennoch immer wieder überraschend in seiner Brutalität. Die verzweifelte Suche nach dem Täter, die schiere Untätigkeit der Polizei und die stets gegenwärtige Bedrohung wirken wie ein rasches Suchtmittel, dem man nicht entkommen kann. Trotz des ungeheures Erzähltempos gelingt es Andreas Winkelmann immer wieder, den Leser bzw. die Leserin zurückzuholen zu der ursprünglichen, essenziellen Frage, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und alles miteinander verbindet: Hast du Zeit?

„Ich zählte die Minuten, die Stunden, die Tage, aber je genauer ich zählte, desto langsamer verging die Zeit. Viel später begriff ich, dass Uhren einen Dreck wert waren. Ihre Gleichmut ist unerträglich und trägt der Wichtigkeit oder Unwichtigkeit der Zeit keine Rechnung. Die Menschen, das verstand ich, hatten die Zeit nie richtig begriffen. Ein grundlegender Irrtum zwingt uns dazu, die Zeit als gleichförmige Konstante zu begreifen. Dabei spürte doch jeder, dass das nicht stimmt.*

Jedem Kapitel ist eine Uhrzeit beigefügt, erinnert an das stete Ticken einer Uhr. Die Zeit rinnt durch die Finger, fließt unaufhörlich weiter und wird immer weniger.

Fazit

Ein Thriller, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann gezogen hat. Der nicht nur auf die brutalen und psychischen Seiten und Gründe des Killers konzentriert ist, sondern versucht gleichzeitig uns aufzurütteln, damit wir unsere eigene Zeit wieder bewusster wahrnehmen. Zeit ist nicht unendlich und unsere Lebenszeit ist das Kostbarste, was wir besitzen. Eine Tatsache, die wir leicht vergessen in einer Welt, in der wir Sklaven des Geldes geworden sind.

Danke für dieses Buch und für das wahre und berührende Nachwort!

*direktes Zitat aus dem Buch

Bewertung vom 13.05.2024
Ferrie, Chris

Quanten-Bullshit


sehr gut

Ein sarkastischer Zugang zur komplexen Welt der Quanten

Neben dem Titel des Buches war es vor allem die Leseprobe, die mich dazu gebracht hat, dieses Werk lesen zu wollen. Es klang so erfrischend anders...und das war es auch.

Chris Ferrie hat einen völlig anderen Zugang benutzt. Sei vorwiegender Grund, das Buch zu schreiben war nicht, Quantenphysik zu erklären, sondern vor allem klar zu machen, was es definitiv NICHT ist.

Dabei benutzt er eine Sprache, die mich an ein Gespräch erinnert, das zu fortgeschrittener Stunde stattfindet: manchmal etwas derb, häufig einfach nur witzig und definitiv sarkastisch versucht der Autor einem offensichtlichen Unwissenden auf dem Gebiet, seine Doktorarbeit zu erklären. Und stößt dabei auf Grenzen, wiederholt sich, ärgert sich und greift gelegentlich zu einem Stift, um grobe Skizzen auf die beiliegende Serviette zu kritzeln, um seine Worte zu untermalen.

Für mich ist die Quantenphysik nicht wirklich ein Neuland. So konnte ich seinen Erklärungen gemütlich zurückgelehnt genießen und mich daran zurückerinnern, dass ich das ja schon einmal gehört habe. Für Menschen, die mit dieser Materie nicht so bewandert sind, werden sich bei manchen lustig gemeinten Seitenhieben auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaften so fühlen wie bei einem Witz, bei dem man die Pointe nicht versteht. Aber wenn du dich für die Quantenphysik interessiert, schadet es wirklich nicht, deine Nase in dieses Buch zu stecken. Denn im Gegensatz zu manch anderen Werken, basiert dieses Buch auf den nackten Tatsachen und Erkenntnissen.(Stand: 2024)

Fazit

Es ist kein Fachbuch, wie man es erwarten würde. Aber es präsentiert sich auch nicht so. Quanten Bullshit versucht auf seine ganz eigene Art und Weise, Licht in ein Thema zu bringen, dass so komplex und schwer verständlich ist, dass es viel Raum für Fantasie und Science Fiction bietet. Und natürlich Kristalle. Kristalle sind auch wichtig. Nur ein kleiner Tipp: am besten genießt man das Buch in kleinen Häppchen. So kann das Gehirn zumindest versuchen, das Thema der Quanten zu verarbeiten und der beißende Sarkasmus des Autors bleibt somit stets erfrischend und unterhaltsam, anstatt anstrengend und vorhersehbar zu werden.

Bewertung vom 25.03.2024
Bullatschek, Sybille

Sie haben Ihren Rollator beim Zumba vertauscht / Haus Sonnenuntergang Bd.2


sehr gut

Direkt aus dem Leben. Oder zumindest ziemlich nah dran.

Kurz zum Buch

Langeweile ist für Sybille Bullatschek ein absolutes Fremdwort. Nicht nur in ihrem Job als Pflägekraft im Altenheim Sonnenuntergang geht es ständig hoch her, auch privat schiebt Sybille keine ruhige Kugel. Egal, ob es sich dabei um das neue Smartphone ihrer Eltern handelt, bei dem die Autokorrektur mehr als eine Unterhaltung ins Unkenntliche verzerrt oder um James Bond, der seinen Audi am Liebsten Stoßstange zu Stoßstange parkt und ein Verwenden ihres Wagens somit unmöglich macht. Nein, zur Ruhe kommt Sybille wirklich nicht. Mit ihrer direkten und tollpatschigen Ader stolpert sie von einer witzig-absurden Situation in die nächste und zeigt, wie
unglaublich komisch das Leben sein kann.

Sprache und Stil

Neben dem ungewöhnlichen Buchtitel „Sie haben Ihren Rollator beim Zumba vertauscht“, ist es vor allem der Name der Autorin, der ins Auge sticht. Denn Sybille Bullatschek ist die Protagonistin dieses Werkes und der Pseudonym von Ramona Schukraft, die ihre Pflägekraft durch das Buch selbst mit den Leserinnen und Lesern kommunizieren lässt. Die kurzen Sätze und die leicht verständliche Sprache, die immer wieder in Mundart abdriftet, machen die Geschichte leicht verständlich und sie wirkt authentisch. Es liest sich wie eine gute Comedy-Verfilmung. Das einig irritierende ist tatsächlich die offensichtlich falsche Rechtschreibung des Wortes Pflegekraft.

Sybille

Sybilles Leben ist so bunt und schillernd in allen nötigen und unnötigen Details geschildert, dass es nur so vor dem geistigen Auge vorbeizieht. Und die Pflägekraft einfach sympathisch macht. Sybille ist nicht perfekt, weder ihr Körperbau noch mit ihrer Art, ihr Leben zu meistern. Doch es sind die Hopplas, die missglückten Ausreden und ihre fröhliche Art, die sie einen ins Herz schließen lässt. Sie stellt sich ihren Herausforderungen im Leben, versucht diese gut möglichst zu umschiffen (was oft weniger gelingt als sie gerne hätte) und versucht, nicht die Geduld zu verlieren. Statt schimpfend vor ihrem Auto zu stehen, weil sie erneut zugeparkt wurde, klebt sie ein Post-it an die Scheibe, der ihrem Ärger Luft macht, aber keinen Schaden anrichtet. Statt die Geduld mit dem bösartigen und ständig schlecht gelaunten Bewohner des Seniorenheims zu verlieren, überlegt sie, wie sie diese Eigenschaften am besten nützen kann. Ich denke, von Sybille können wir alle noch viel lernen.

Fazit

Für mich war es ein eher ungewöhnliches Buch, da ich normalerweise in komplett anderen Genres unterwegs bin. Dennoch habe ich jede Seite genossen. Es war so erfrischend anders. Direkt aus dem Leben. Oder zumindest ziemlich nah dran. Die Abwechslung aus Fettnäpfchen, Zufällen und dem Leben haben ein Buch geschaffen, das zum Schmunzeln bringt. Das die Probleme und Herausforderungen des eigenen Alltags in den Schatten stellt und zeigt, dass das Leben auch mit Humor zu bewältigen ist.