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Bewertung vom 29.12.2020
Erfolgsfaktor Betriebswirtschaftslehre
Schwenker, Burkhardt;Albers, Sönke;Ballwieser, Wolfgang

Erfolgsfaktor Betriebswirtschaftslehre


schlecht

Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist in die Jahre gekommen. Und sie hat sich seit langer Zeit nicht wirklich weiterentwickelt. Der Grundgedanke, die Volkswirtschaftslehre vor etwa 100 Jahren um eine neue Perspektive zu ergänzen, war bahnbrechend. Schon bald ging man den wichtigen zweiten Schritt, die überwiegend deskriptive durch eine normative Ausrichtung zu ersetzen: Entscheidungstheorie und Systemtheorie erblickten vor etwa 80 Jahren die Welt. Die Entscheidungstheorie ist sogar genuin mit der BWL verknüpft, während die Systemtheorie anfangs belächelt und schließlich doch zugelassen wurde. Und danach: Stillstand! Ja, es gab neue Modelle und neue Ansätze, und man hat es nicht versäumt die (informations)technische Entwicklung im Auge zu behalten. Aber in wissenschaftstheoretischer Hinsicht? Im Westen nichts Neues, und das seit Generationen!

„Erfolgsfaktor Betriebswirtschaftslehre“ dokumentiert diesen Zustand in einer beeindruckend selbstherrlichen und ignoranten Art und Weise. Zu allererst werden die kürzlich vorgelegten, dringend überfälligen Reformvorschläge, die die BWL daran erinnern, dass sie eigentlich eine Sozialwissenschaft ist, als Polemik abgetan. Und dann sprechen die „universitären“ Autoren ihren Kollegen an den Fachhochschulen auch noch den Forschungsauftrag ab: „Denn [an den Universitäten] geht es um mehr als nur darum zu lehren, betriebswirtschaftliches Wissen auf bekannte Problemstellungen anzuwenden – das zu vermitteln ist Auftrag der Fachhochschulen.“ (S. 7) Das ist Ausgrenzung und Herabwürdigung frei nach Degenhardt: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“ Wie erbärmlich! Wünschenswert wäre es hingegen, dass sich die Lehrenden aller Hochschulen aufeinander zubewegen und durch Kooperation den Forschungsstandort Deutschland aufwerten.

Es sind – zumindest in Deutschland – vor allem die Fachhochschulen und sogar einige private Hochschulen, die in den letzten Jahren BWL und Wirtschaft anders denken. Dort wird gerade nicht in elitären Elfenbeintürmen mit erheblicher finanzieller Unterstützung durch Großkonzerne Auftragsforschung betrieben; vielmehr steht dort der Mensch besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) im Mittelpunkt der Forschung. Ganz nebenbei werden dabei auch grundlegende Paradigmen wie Wettbewerb, Wachstum und Gewinnmaximierung bzw. Shareholder Value, die die wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Lehre seit Jahrzehnten bestimmen, endlich als gefährliche Orientierungen entlarvt und durch menschengerechte Werte ersetzt.

Eine BWL, die allein den Zweck verfolgt, andere zu dominieren und ihnen zu zeigen, wo es lang geht, passt nicht mehr in die Zeit. Eine BWL, die sich an DAX-Vorständen und DAX-Aufsichtsräten orientiert und deren Karrieren als Vorbild für die heutigen BWL-Studenten und die künftigen Manager und Unternehmenslenker herausstellt, verkennt die Notwendigkeit zum Umdenken. Ein Buch für eine „starke BWL“, zu deren notwendiger Weiterentwicklung den Autoren gerade einmal 5 Leitlinien zur Reorganisation des Studiums (S. 140) einfallen, erscheint allzu dürftig. Wer in diesem Buch für eine „starke BWL“ Vorschläge zur Reform der Inhalte erwartet, wird leider bitter enttäuscht.

Die BWL muss sich wieder als Sozialwissenschaft verstehen und aufhören, Egoismen zu forcieren, ja geradezu zu züchten. „Leadership without Ego“ hat Bob Townsend bereits vor über 50 Jahren gefordert! Und die BWL muss aufhören, den Studierenden stattdessen Märchen, etwa von der unsichtbaren Hand des Marktes, zu erzählen. Adam Smith hat diese Geschichte vor über 250 Jahren als Gleichnis erzählt und hätte wohl kaum erwartet, dass Universitätsprofessoren der BWL sie heute noch für bare Münze nehmen.

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