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kerstin_aus_obernbeck
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Ostwestfalen

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Insgesamt 91 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

No Way Home / T. C. Boyle

Dr. Terrence Tully, Assistenzarzt im dritten Jahr in LA erhält die Nachricht, dass seine Mutter verstorben ist. Nach dem Tod des Vaters war sie von Woodland Hills nach Boulder City gezogen und hatte dort mit dem Hund Daisy in einem kleinen Haus gelebt.
 
„Seine Ausbildung … hatte ihn gelehrt, emotionale Reaktionen auszuschalten und sich dem vorliegenden Problem zu widmen, ...“ (S.13)
 
Dementsprechend macht Terry sich traurig, aber auch gefasst auf den Weg, um die Beisetzung zu organisieren sowie den Nachlass zu regeln. Er möchte nicht nach Boulder City ziehen, seine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen und auch so zieht ihn nichts in die Nähe des Hoover Damms in die Wüste von Nevada.
 
Kurz nach seiner Ankunft in Boulder City lernt er in einem Café eher zufällig Bethany kennen. Es bleibt nicht bei dieser einen Begegnung, denn sie laufen sich ein weiteres Mal über den Weg. Bethany ist jung und sehr attraktiv, nach einem gemeinsamen Getränk folgt eine gemeinsame Nacht. Nach der Trennung von ihrem Freund wohnungslos erscheint es Beth völlig logisch, dass sie in Terrys Haus zieht, um sich um den Hund zu kümmern und ihn bei der Nachlassverwaltung unterstützt. Hartnäckig verfolgt sie diese Idee und Terry hat ihrem betörenden Wesen und der Raffinesse nur wenig entgegenzusetzen.
 
„Alles, was sie sagte, …, zog ihn tiefer hinein.“ (S.52)
 
Aber da ist auch noch Jesse, der Ex-Freund, der nicht mit der Trennung einverstanden ist, Bethany als seinen Besitz und Terry als üblen, aus dem Weg zu schaffenden Konkurrenten, betrachtet.
So eine Konstellation ist niemals gut – und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
 
„Demnach hatte sie ihre Wahl getroffen. In aller Öffentlichkeit. Die Sache konnte nicht klarer sein.“ (S.221)
 
Wirklich?
 
Ja, die Geschichte „Junge trifft Mädchen trifft Junge“ ist nicht neu, aber wenn T. C. Boyle die Charaktere erschafft, bekommt so eine Geschichte eine ganz eigene Dynamik.
Terrence, Bethany und Jesse erzählen jeweils aus ihrer Perspektive und dadurch ergeben sich Ansichten, die zugleich erklären, irritieren und mitunter auch wütend machen.
 
Ist Terry das wehrlose Opfer, Beth die raffinierte Verführerin und Jesse der eiskalte Ex?
Hat Bethany unfreiwillig eine Fahrkarte für die zweigleisige Eisenbahn, ist Jesse ein literarischer Feingeist und klammheimlich der Übeltäter?
Oder ist doch Jesse der skrupellose, von seiner Ex besessene Mann, der zu allem bereit ist, Terry der Teufel und nicht Halbgott in Weiß und Bethany ausschließlich auf ihren Vorteil bedacht?
 
Es gibt nahezu keine Grenzen für die Drei, getrieben, fast gehetzt vom Willen die eigenen Ziele zu erreichen und angereichert mit jeder Menge Alkohol und anderen Substanzen nimmt die Geschichte ihren Lauf …
 
„Und dann stürzte der Nachmittag krachend in den Abend.“ (S.56)
 
Brütende Hitze, ein Leichen und Autowracks freigebender Stausee, ein Hund, der mir ans Herz gewachsen ist, liebenswerte Nebenfiguren, aber auch Charaktere, die mitunter unerträglich sind - T. C. Boyle erzählt auf seine einzigartige, detailreiche und sehr lesenswerte Art eine Geschichte aus dem Leben - nicht aus meinem Leben, aber sicher aus einem Leben, dass es irgendwie irgendwo gibt - und ich habe diese sehr gerne gelesen.

Wow!
Bin ich begeistert? Und wie!
Ist es ein Pageturner? Jawoll!
Habe ich manchmal nicht gewusst, ob ich lachen, weinen oder wütend sein soll? So sieht es aus!

Brillant erzählt T. C. Boyle eine Geschichte, die sich stets zwischen maximalem Glück und allertiefstem Abgrund bewegt. Großartig! 
Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.09.2025
Onhwa, Lee

Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei


gut

„Ich hatte schon vor einer ganzen Weile lernen müssen, dass aus gestern heute und aus heute morgen werden würde, ganz egal, ob nun jemand gestorben war oder nicht.“ (S.7)

Nach dem Tod ihrer Großmutter erfährt Yeonhwa bei der Testamentseröffnung, dass sie nicht nur deren Konditorei geerbt hat, sondern auch, das mit dem Geschäft ist ein hoher Schuldenbetrag verbunden. Die 27-jährige ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, um die Konditorei „Hwawoldang“, die die Familie schon seit Generationen betreibt und all dem, was damit verbunden ist hat sie sich jedoch nie großartig gekümmert. Die Verstorbene hat ihrer Enkelin folgende Hinweise hinterlassen:

„Erstens: Du musst das Hwawoldang wenigstens einen Monat lang vernünftig führen. Zweitens: Du darfst die Konditorei nur von 22 Uhr bis Mitternacht öffnen.
Drittens: Lebe in der Vorfreude auf alles, was dich noch erwartet.“ (S.15)

Aufgrund der Schulden und der geringen Möglichkeiten, diese durch einen Verkauf zu tilgen, entschließt Yeonhwa sich, die Konditorei zunächst einmal zu übernehmen.

In dem Laden begegnet sie Sawol, der sich als Großhändler für Zutaten aller Art und Schamane vorstellt und schon bald nach der Öffnung betritt die erste Kundin den Laden. Yeonhwa erkennt schnell, dass ihre Großmutter keine übliche Konditorei geführt hat, denn manche KundInnen haben sehr spezielle Wünsche – und auch Sawol ist enger mit ihrem Leben verbunden, als ihr zunächst bewusst war.

Wird die junge Frau die Bäckerei einen Monat führen, so dass sich die Prophezeiung ihrer Großmutter erfüllt, und sie alles im Leben bekommt, was sie braucht?

Lee Onhwa erzählt eine berührende Geschichte mit vielen kleinen zauberhaften Momenten im Dies- und Jenseits, von Verbindungen über eine Trennung hinaus und wie es ist, als Wind umherzuziehen.

Eine leise und solide Erzählung, nicht für die Ewigkeit, aber für gemütliche Lesemomente.

Bewertung vom 28.09.2025
Barchas, Janine

Jane Austen


sehr gut

Jane Austen – Ihr Leben als Graphic Novel / Janine Barchas, Isabel Greenberg

Das Buch beginnt mit einem „Hinweis an die Leserschaft“:

„Alle Austen-Biografien, …, bewegen sich in einem Graubereich zwischen Forschung und Spekulation. Mit unserem bebilderten Bericht verhält es sich ähnlich, doch im Glossar zeichnen wir akribisch die Faktenspur nach, der wir gefolgt sind.“

und ist in drei Teile gegliedert:

1796-1797 - Aufstrebende Autorin
1801-1809 – Erfolglose Künstlerin
1809-1817 – Veröffentlichte Autorin

Jane ist also zu Beginn der Geschichte 20 Jahre alt, mit ihrem Bruder in London und sie schreibt ihrer Schwester Cassandra, mit der sie eng verbunden ist, einen Brief. Die Familie lebt in Steventon (Hampshire) und Jane liebt es Geschichten zu schreiben. Zwar erhält sie das Manuskript von „First Impressions“ zurück, aber davon lässt sie sich nicht entmutigen!

Die Graphic Novel begleitet Jane Austen auf wichtigen Stationen in ihrem Leben – sei es bei Umzügen von Steventon nach Bath, Southampton und wieder zurück nach Hampshire, wo Edward Knight (geb. Austen) seiner Mutter und den Schwester Cassandra und Jane ab 1809 „Chawton Cottage“ zur Verfügung stellt und natürlich auf ihrem Weg zur Autorin. Das Buch erzählt von ersten Erfolgen sowie Rückschlägen und dem großen Durchbruch. Es zeigt ganz besonders die Beziehung der beiden Schwestern auf, lässt die Leserschaft großen und kleinen Freuden im Leben der Austens teilhaben und vermittelt ein lebhaftes Bild von dieser besonderen Frau.

„Ihr Unterrock war sechs Zoll hoch voll Schlamm“ – ich liebe diese Szene der BBC-Serie von „Stolz und Vorurteil“ und fand es großartig, Jane in der Graphic Novel ebenfalls über Felder laufen und Tore klettern zu sehen.
Man muss beim Lesen und Ansehen schon gut aufpassen, um all die wunderbaren kleinen Details zu entdecken.

Ähnlich wie in Janes Geschichten hat sich auch im Leben der Schwestern immer wieder die Frage nach dem Lebensunterhalt gestellt und dies wird ebenso in der Graphic Novel thematisiert wie die enge Bindung zwischen Cassandra und Jane.

Von der Widmung für den Kronprinz in „Emma“ habe ich euch schon mal erzählt, dies war mir durchaus bekannt. Nicht bekannt war mir jedoch, dass die Austen-Damen in ihrer Zeit in „Chawton Cottage“ flott und schnieke mit einem Esel-Einspänner unterwegs waren und Cassandra einen Hund namens „Link“ hatte. Ja, das ist jetzt eher die Kategorie „unnützes Wissen“ – aber haben ist besser als brauchen!

Das Cover hat mich auf den ersten Blick begeistert, aber ich habe mich mit manchen Zeichnungen dann doch erst anfreunden müssen; die überwiegend blau-gelbe Farbgebung, wenn es um Janes Leben geht, mutet zunächst doch ziemlich schwedisch an, wenn Jane ihre Fantasie schweifen lässt, gehen die Bilder in warme Farben über, was mir persönlich deutlich besser gefällt. Im Vorwort wird dieses Farbkonzept erklärt, es ist für mich auch nachvollziehbar – aber für mich hätte es dennoch gern etwas farbenfroher sein dürfen.

Das im Vorwort erwähnte Glossar ist großartig, es greift viele Momente in dem Buch auf und ergänzt das Erzählte um wichtige und interessante Informationen.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass mir sehr gut gefallen hat, wie die letzten Tage der Autorin in Winchester wiedergegeben werden.

Die Übersetzung ist von Eva Bonné.

Natürlich kann eine Graphic Novel nicht vollständig ein Leben darstellen, aber dieses Buch bietet einen schönen Einblick in das Leben der Autorin. Mir gefällt, dass der Lesende immer wieder angesprochen wird und die kleinen Hinweise auf Austens Werk und deren Verfilmungen.

Herzliche Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.09.2025
Schulte-Loh, Christian

Es gibt einen Gott, und ihr ist langweilig


gut

„Es gibt einen Gott, und ihr ist langweilig“ - ein sensationeller Titel, ein großartiges Cover und ein grandios formulierter Klappentext!
 
- „Es gibt einen Gott, und ihr ist langweilig.“ Mit diesen Worten begann es. Ruhig vorgetragen, aus dem Munde des ehemaligen Hafenarbeiters Jürgen Prassnik, sollten sie die Ordnung unserer Welt auf den Kopf stellen. (S.13) -
 
Von einem Moment auf den anderen ist alles anders – denn einhergehend mit dieser Information, erfahren die Menschen auch, dass ihre bisherigen Werte nun wertlos sind und stattdessen Kreativität das Maß aller Dinge ist.
 
- „Vergesst das Geld! Schreibt ein Lied, ein Buch, malt etwas, bringt Gott zum Lachen. … sie will einfach nur unterhalten werden. Und sie heißt Singu“ (S.19) -
 
Und damit’s für alle klar ist, gibt’s „Sieben Grundsätze“ für die neue Weltordnung, z.B.
 
- „Wer es schafft, Singu zu unterhalten, bekommt die Unsterblichkeit geschenkt. An einem besseren Ort, versteht sich.“ (S.37) -
 
So sieht’s aus – für eine ordentliche Mütze Kreativität gibt’s das ewige Leben; man sollte jedoch immer beachten, dass es nicht möglich ist zu schummeln und Singu alles sieht.
Tja, da steht nun manch einer dumm da, wie zum Beispiel der extrem reiche Geschäftsmann Imre Potkulcs, der sich zwar alles leisten kann, jedoch null kreativ ist.
 
„Was kann denn jemand wie ich an Künstlerischen erschaffen? Was ist da völlig ohne Vorerfahrung machbar? Ich meine, wo anfangen?“ (S.105)
 
Mit dem obdachlosen Jazzmusiker Adam und Sara, die in einem Café arbeitet und Geschichten schreibt, hat’s das Leben bisher zwar nur so semi-gut gemeint, aber nun scheint ihre große Stunde gekommen zu sein.
Wem wird es gelingen Singu zufriedenzustellen – und ist diese neue Weltordnung wirklich so toll, wie es erscheint?

Der Prolog ist kurz und knapp, über die fünf Phasen
 
Leugnen
Zorn
Verhandeln
Depression
Akzeptanz
 
führt die Geschichte zu einem interessanten Nachwort. Die Charaktere werden lebhaft und nachvollziehbar beschrieben, ich habe viel Sympathie für Sara und Adam und für letzten nicht nur, weil ihn der Autor darüber nachdenken lässt, ob ein Trimmrad, das in einen öffentlichen Park zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung steht auch „Hometrainer“ genannt werden kann. Das ist genau mein Humor!
Die Geschichte, die bisherige Werte in Frage stellt, den „weil man mit Geld nicht alles kaufen kann“-Gedanken aufgreift und Kreativität als Maß aller Dinge ausruft, ist ein interessantes Gedankenexperiment. Christian Schulte-Loh überlässt den Ausgang der Geschichte der Fantasie des Lesenden.
 
Die Idee der Geschichte gefällt mir richtig gut, für mich hätte sie jedoch durchaus eine Prise mehr vom britischen Humor und ein Hauch weniger Längen haben dürfen. Gerade diese führen ein wenig dazu, dass die Erzählung manchmal etwas lost erscheint. Das hätte echt nicht sein müssen, denn die einzelnen Handlungsstränge ansich sind interessant, jedoch wird es durch die häufigen Wechsel der Perspektiven unruhig, aber vielleicht gehört das zum Konzept und ist die Extra-Portion Kreativität für das ewige Leben.

Der Roman von Christian Schulte-Loh erzählt unterhaltsam eine unvergleichliche Geschichte angereichert mit einem speziellen Humor. Interessant, mitunter irritierend und anders unterhält das Buch auf besondere Art und Weise.

Bewertung vom 28.08.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


sehr gut

In den 1970er Jahren kommt die junge Japanerin Keiko nach Deutschland, um zu studieren. Sie lernt Karl kennen und auch wenn seine Eltern nicht begeistert sind, heiraten sie und gründen eine Familie. Die Ehe hält nicht, nach der Trennung bleiben die Kinder Kenta und Aki bei der Mutter, aber es gibt auch Kontakt zum Vater und seiner Familie.

Jahre später: Kenta ist überzeugter Single, Aki hat Felix geheiratet und sie haben zwei Kinder. In der letzten Zeit hat Keiko sich verändert, sie ist verwirrt, müde und erschöpft und die einst aktive Frau geht weniger aus dem Haus und hat Schwierigkeiten, sich im Alltag zurechtzufinden.

Es besteht ein enger Kontakt zu Keikos Bruder Masayuki und seiner Frau Akemi sowie zu Freunden. Wissend, dass es nicht mehr viele Möglichkeiten geben wird und Zeit endlich ist, organisiert Aki eine Reise für ihre Mutter und sich nach Japan - es wird nicht nur eine Reise in ein fernes Land.

„Bei uns zu Hause sitzt meine Mutter im Schaukelstuhl und liest in der immer gleichen Ausgabe der japanischen Zeitung, die wir von unserer Reise mitgebracht haben. Natsukashii, sagt sie. Das Wort ist schwer zu übersetzen, es ist ein Ausdruck für eine Wehmut, die gleichzeitig Glück und Trauer bedeutet.“ (S. 191)

Yuko Kuhn erzählt in Rückblenden aus dem Leben von Keiko, wie sie nach Deutschland gekommen ist, vom Hiersein, ohne jemals richtig anzukommen.

„Bis vor wenigen Jahren hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, warum meine Mutter nach Deutschland gekommen war. Sie war einfach da. Und eine mutige Frau war sie für mich nie gewesen.“ (S.130)

Untrennbar damit verbunden ist das Heranwachsen von Kenta und Aki, irgendwo zwischen Schrankwand in Eiche rustikal bei Oma Gesine und Opa Ludwig und Misosuppe zuhause – zwei Welten, die sich berühren, jedoch nicht verbinden lassen.

In der Gegenwart sorgen sich Kenta und Aki um ihre Mutter, sie vergisst immer mehr und die Kinder stehen dem hilflos gegenüber. Aki möchte ihrer Mutter die Gelegenheit geben, noch einmal die Familie und Freunde in Japan zu besuchen. Die erste Nacht im Hotel ist Keiko verwirrt und ängstlich, erst nachdem die beiden in das Elternhaus zu Keikos Bruder umziehen, fühlt sie sich wohl und genießt die Zeit in Japan. Aki erfährt mehr aus ihrem Leben, versteht, warum sie seinerzeit nach Deutschland gegangen ist und wie neugierig auf das Leben ihre Mutter damals war.

„Ihr Anblick lässt mich an die junge Frau denken, die sie einmal war.“ (S.60)

Lebhafte Erinnerungen an zurückliegende Zeiten, Momente unerwartet reduzierter Emotionen, Diskussionen, ob ausreichend getrunken und gegessen wurde, nicht seltene „das hast du mir nie gesagt“ und immer wieder kleine Abschiede. Yuko Kuhn beschreibt Keikos Veränderungen und die damit verbundene Traurigkeit und auch das gelegentliche Leugnen der Situation von Kenta und Aki für mich sehr nachvollziehbar.

„Onigiri“ ist die Geschichte von Keiko, Aki und ihrer Familie, eine deutsch-japanische und persönliche Geschichte, jedoch erzählt die Autorin sie so treffend und nachvollziehbar, dass ich mich, auch wenn meine Geschichte und das Älterwerden meiner Eltern ähnlich und doch anders sind, darin wiederfinde.
Yoko Kuhn beschreibt leise und einfühlsam die Geschichte ihrer Familie und Kindheit – und von dem Leben ihrer Mutter. Sie erzählt davon, wie die Kulturen oftmals schwer vereinbar waren, von Mut, Traurigkeit, Einsamkeit und Liebe.

„Draußen vor dem Haus präge ich mir das Bild meiner Mutter neben ihrem Bruder ein, es wird vermutlich ihre letzte Begegnung sein.“ (S.160)

Mich hat diese Geschichte sehr berührt, ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.08.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


sehr gut

Falls ihr ein Buch für eine schöne Lese-Auszeit sucht, dann habe ich heute einen ganz wunderbaren Tipp für euch: „Die Bibliothek meines Großvaters“ von Masateru Konishi

„Alles, was auf der Welt geschieht, ist eine Geschichte.“ (S.42)

Kaede hat ein sehr gutes Verhältnis zu ihrem 71-jährigen Großvater und kümmert sich liebevoll um den alten Mann, der sich vor gut einem halben Jahr plötzlich veränderte und bei dem eine besondere Form der Demenz festgestellt wurde. Die junge Lehrerin und der ehemalige Schuldirektor verbindet die Liebe zur klassischen Kriminalliteratur; immer, wenn es möglich ist, drehen sich ihre Gespräche um Werke von Agatha Christie bis hin zu Seishi Yokomizo und sie mögen es gemeinsam kleine Rätsel und wundersamen Begebenheiten auf den Grund zu gehen.

Zu Beginn bestellt Kaede bei einem antiquarischen Buchhandel ein Buch von Takeshi Setogawa und findet zwischen den Seiten Nachrufe des bekannten Literaturkritikers, mit dem ihr Großvater befreundet war. Was haben diese Zettel dort zu suchen? Es folgen ein mysteriöser Mord, eine verschwundene Lehrerin, ein Geist in einem Klassenzimmer – und die Gedankenspiele von Kaede und ihrem Großvater führen zu schlüssigen Erklärungen, als jedoch ihr Kollege Iwata Körperverletzung zur Last gelegt wird und Kaede von einem mysteriösen Menschen verfolgt wird und schwarze Rosen an ihrer Wohnungstür vorfindet, wird es gefährlich. Darüber hinaus scheint es ein Geheimnis um Kaedes Eltern zu geben und wie steht sie zu Iwatas Freund Shiki?

Das Buch ist am 14. August 2025 erschienen und wurde von Peter Aichinger-Fankhauser aus dem japanischen übersetzt. Das Cover und der Farbschnitt sind wunderschön gestaltet, auf dem Bild schaut eine junge Frau einem älteren Mann hinterher und ich finde diese Darstellung sehr passend, denn neben den spannenden Rätseln ist es auch eine Geschichte von einem leisen Abschied.

„Es ist also überaus wichtig, dass Sie Ihren Angehörigen mit Sanftmut und Verständnis begegnen, ...“ (S.16)

Aber es gibt auch die Momente, in denen Kaede und ihr Großvater gemeinsam Rätsel lösen und ich kann mir gut vorstellen, wie wertvoll diese Erinnerungen für die junge Frau sind.

„Es war, als wäre er wieder der Großvater, den sie kannte.“ (S.24)

Ich bin keine Expertin, wenn es um Demenz geht und kann daher vom medizinischen Standpunkt nicht beurteilen, wie korrekt die Erklärungen des Autos sind. Ich kann jedoch sagen, dass die Gefühle und Sorgen von Kaede nachvollziehbar sind und sehr berühren.

„Schließlich stand stets die Möglichkeit im Raum, dass der aktuelle Zustand ausgerechnet diesmal unumkehrbar war und man nie wieder ein normales Gespräch mit dem Kranken führen könnte.“ (S.283)

Bei dem Buch handelt es sich um den ersten Teil einer Trilogie und ich bin schon gespannt, wie es weitergehen mag, denn es gibt einen Herzschmerz-Cliffhanger, dessen Auflösung mich sehr interessiert und ich möchte auch gern erleben, wie es Kaede und ihrem Großvater weiterhin ergehen wird.

Masateru Konishi erzählt einfühlsam in sechs Kapiteln schöne Geschichten, die zum einen durch die Rätsel und durch die Bezüge zu klassischen Krimis spannend sind, zum anderen durch die besondere Verbindung der Protagonisten und die einfühlsame Schilderung der Krankheit des Großvaters, berührt.

Ganz große, herzliche Leseempfehlung!

Bewertung vom 27.07.2025
Rehm Rozanes, Stephan

Oasis. 100 Seiten


ausgezeichnet

Oasis – 100 Seiten / Stephan Rehm Rozanes
 
„Es geht here and now um zwei mittelalte Herren – … -, nach denen zuletzt nur noch wenige Hähne gekräht haben, und deren zwei mehr als 30 Jahre alten Alben, die dazu zum Großteil aus recycelten Ideen aus den 60ern und 70ern zusammengeflickt waren. Warum schlagen heute weltweit Herzen höher, wenn diese Typen sich wieder zusammentun?“ (S.5)
 
Ich kann euch nicht sagen, wie es mit den weltweiten Herzschlägen ist, ich kann diesbezüglich nur von meinem Herz sprechen und das schlägt höher, weil ich Oasis einfach großartig finde!
 
Stephan Rehm Rozanes erzählt auf 100 Seiten und in fünf Kapiteln von der Band aus Manchester, ihrem Aufstieg, großem Ruhm, ausverkauften Konzerten, wechselnden Besetzungen, Skandalen und Eskapaden, den Solo-Projekten „Beady Eye“ und „Noel Gallagher‘s High Flying Birds“ und dem „Battle of Britpop“ - und davon, wie zwei unkontrollierbare Riesen-Egos unter Zuhilfenahme einer Pflaume all das zerstörten.
 
„Primitiv, unbeholfen gereimt, teilweise idiotisch, aber lebensbejahend und eskapistisch. So muss Rock ’n’ Roll sein.“ (S.10)
 
Es ist klar, dass sich die Gallaghers mit ihrer ganz eigenen Lässigkeit elsterngleich und selbstverständlich für ihre Songs bei R.E.M., T-Rex oder den Beatles bedient haben, es bessere Sänger und bessere Songwriter gibt. Auch davon erzählt „100 Seiten – Oasis“
 
Das Buch zu lesen fühlt sich an, als ob man mit einem guten Freund über großartige Musik spricht, dem Autor gelingt es aller bestens die Faszination für Oasis auf den Punkt zu bringen, ehrlich und direkt, keinesfalls seltsam oder anbiedernd, sondern großartig formuliert und man spürt, dass auch er das „Supersonic-Feeling“ verinnerlicht hat. Stephan Rehm Rozanes erzählt in dem Buch nicht nur über eine großartige Band – er erzählt von einem Lebensgefühl!

„Der Job dieser Band ist es heute daher ganz gewiss nicht, Deep Cuts zu präsentieren, sondern das alte Lebensgefühl von Cool Britannia zu bedienen.“ (S. 6)
 
Und ich lasse mich von diesem Lebensgefühl gern anstecken und mitreißen und es hat schon seine Gründe, dass das Album „Morning Glory“ mit wenigen Unterbrechungen seit 2017 über 700 Wochen in den Top 100 ist.
Wenn Damon Albarn heute sagt: „Oasis won the battle, the war, the campaing, everything“ spiegelt es mein Empfinden wider, das „Song 2“ für alle Zeiten ein großartiges Lied sein wird, Oasis jedoch mit „Champagne Supernova“, „She’s electric“ oder „Live forever“ Lieder für die Ewigkeit geschrieben haben. Und damit man davon auch keins übersieht, findet sich in dem Buch natürlich auch eine Diskographie und eine Playlist.
 
Wunderbar zu lesen ist auch das Kapitel, in dem der Autor über seine Begegnungen mit Oasis berichtet.

„Liam ist trotz seiner Aura anschlussfähig. Ein Kind im Manne.“ (S. 20)
 
Und ja, wenn er die Dackel vom Aussterben retten will, dann sollte man den Mann davon nicht abhalten!

Wieder einmal ein großartiger neuer Band aus der 100 Seiten Serie aus dem Reclam Verlag, die mich mit Büchern zu Themen aller Art immer wieder gut unterhält!

Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.06.2025
Karl, Dirk

Kojoten in dunklen Gassen


ausgezeichnet

Kojoten in dunklen Gassen / Dirk Karl
 
Die 80er Jahre haben Leo Mahler, Phil Grindlmayer und Thomas „Toto“ Theuerkorn im Kampf gegen die Grausamkeiten der Pubertät sowie in der tiefen Verehrung zum Heavy Metal zu untrennbaren Komplizen zusammengeschmiedet.
Aber nichts ist für die Ewigkeit, das Leben, die Liebe und andere in der Jugend nicht vorhersehbare Kapriolen haben dazu geführt, dass sich ihre Wege getrennt haben. Leo hat Stuttgart vor Jahren verlassen, als Journalist ein umtriebiges Leben geführt und in eine vermögende Familie eingeheiratet. Phil und Toto sind der Stadt treu geblieben, während Toto einen fein sortieren Plattenladen betreibt macht Phil im verwegenen Outfit auf seinem Bonanzarad die City unsicher und steuert substanzenunterstützt auf einen frühen Feierabend zu.
 
Aber nun ist Leo zurück, sein Höhenflug wurde zu einer Bruchladung und er hadert mit der Situation. Er bemüht sich vergeblich Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen, ebenso erscheint es unwahrscheinlich, dass das einstige metalllastige Dreigestirn wieder zusammenfindet. Silke, eine ehemalige Mitschülerin der drei Metalheads bringt die Reunion von Leo und Phil auf den Weg und die Monsters of Rock zelebrieren standesgemäß mit Getreidesprudel-all you can drink und Vinylexzessen ihr Wiedersehen.
 
Wenn nun auch noch Toto wieder dabei wäre, wäre es perfekt.
Aber dann schleicht sich der Teufel unerwartet durch einen hochgeklappten Toilettendeckel in ihr Leben – ist es zu spät, um die Fehler der Vergangenheit zu verzeihen?
 
„Die Musik, die du liebst, sagt alles über dich aus. Ohne eine eigene gefestigte Meinung hast du keinen Charakter, kein Rückgrat.“ (S.83)
So sieht es aus!

Wenn man mit AC/DC, Motörhead, Iron Maidon und Co., dem Metal der 80er etwas anfangen kann, dann sind die Gespräche, die die Protagonisten in dem Buch führen mit vielen Flashbacks verbunden und sorgen beim Lesen für eigene Erinnerungen, sei es vinyl- oder konzertartiger Natur - und natürlich auch ans Erwachsenwerden.

„Musik war ein kostbares Gut, das noch eine gewisse Wertigkeit hatte und nicht überall und jederzeit selbstverständlich zur Verfügung stand.“ (S.36)
Ich erinnere mich noch gut an diese Zeit und waren wir nicht alle

„Headbanger mit Bartflaum auf der Suche nach der Gebrauchsanweisung für das Erwachsenwerden.“ (S.25) ?

Wie in den Büchern des Autors üblich gibt es auch in diesem Roman wieder amtlich schräge Vögel – und einen, der als ihr Vorsitzender angesehen werden kann. Ich war von Anfang an #teamphil und sehe ihn lebhaft vor mir mit dem gelben Bonanzarad, dem Patronengurt und der gewagt kurzen Gerd Müller-Gedächtnis-Hose. Daher nehme ich es ihm auch nur semi-krumm, dass er in Oasis nur „Gehypte Hochvakuumparkas“ (S.183) sieht (was natürlich nicht stimmt).
 
Wie sich Dirk Karl so einen großartigen Scheiß ausdenkt, ist mir unerklärlich, aber ich feier’ es total und bin wieder einmal von dieser ganz anderen Art zu erzählen aller bestens unterhalten worden und absolut begeistert!
 
Wieder einmal eine großartige, maximal musiklastige Geschichte von Dirk Karl und ich bin begeistert! Die Freundschaft von Leo, Phil und Toto wird nachvollziehbar erzählt, angereichert ist diese Geschichte mit jeder Menge Musik, so dass der Roman auch ein wunderbarer Soundtrack des Heavy Metals der 80er ist - und wer vielleicht nicht mehr alle Lieder von damals auf dem Schirm hat kann die Trackliste im Anhang als Fahrschein back to the 80s nutzen.
 
Ganz große Leseempfehlung!  


„Es war nicht schick, es war Überzeugung, so wie sie alles voller Überzeugung damals konsequent angegangen sind.“ (S.38)
Dass mit der Überzeugung gilt auch noch heute und darum lege ich euch aus ehrlicher Überzeugung auch die anderen Bücher von Dirk Karl ans Herz:
 
Black Mustang Squad
White Shark Squad
Klabauternächte
 
Großartig Geschichten voller Musik, mit weirden Charakteren, schräg und mit hohem Unterhaltungspotential.

Bewertung vom 26.05.2025
September, Wolf

Hunter B. Holmes - Eine Leiche zum Geburtstag


ausgezeichnet

Hunter B. Holmes – Eine Leiche zum Geburtstag / Wolf September

Die London Cosy Crime Reihe von Wolf September geht mit „Hunter B. Holmes - Eine Leiche zum Geburtstag“ in die vierte Runde und ich habe mich gefreut, dem sympathischen Ermittler erneut zu begegnen.

Hunter ist mit seinem Partner Steven, dem Butler Godric sowie David, Roberta und Lee, die für ihn mehr als nur KollegInnen sind auf dem Weg nach Rosemoor Hall, dem Anwesen der Familie Holmes, um dort seinen 44. Geburtstag zu feiern. Auf Bitten seiner Mutter, zu der er einen guten Kontakt hat, hat Hunter der Feier und dem Besuch in Rosemoor Hall zugestimmt, auch wenn das Verhältnis zu seinem Bruder und Vater eher überschaubar ist, insbesondere letzterer hat Vorbehalte hinsichtlich des privaten und beruflichen Lebensentwurfes seines Sohns.

Für Hunter ist die Reise nach Hause auch ein Trip in die Vergangenheit, in seinem Heimatort trifft er viele Menschen, die sich über das Wiedersehen freuen, aber es gibt auch andere Momente.

Das Fest wird ein voller Erfolg, aber der nächste Morgen bringt schlagartige Ernüchterung, als auf dem Anwesen der Holmes die Leiche des unbeliebten örtlichen Polizeichefs Charlie Fenton gefunden wird.

Der Mord fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich von Hunter und seinem Team, die Ermittlungen werden von Cedric Thumble übernommen. Die Beiden kennen sich seit der Ausbildung und schon das erste Aufeinandertreffen nach langer Zeit zeigt, dass Cedric nicht gut auf Hunter zu sprechen ist. Diese Animositäten nehmen erheblich Einfluss auf die Morduntersuchungen und die Holmes geraten ins Visier des Ermittlers; Hunters Vater und sein Bruder Crispin werden des Mordes an Charlie Fenton verdächtigt und Hunter sind die Hände gebunden, wenn er kein Disziplinarverfahren riskieren will.

Wer hat Charlie Fenton ermordet?

Auch der vierte Teil der Hunter B. Holmes Reihe hat mich begeistert und ich habe ihn in einem Rutsch durchgelesen. Wolf September erzählt lebendig und mitreißend eine spannende Mordgeschichte in einer Umgebung, in der die Idylle trügt. Falsche Fährten und eine kluge Auflösung, dazu Charaktere, die mir von Buch zu Buch mehr ans Herz wachsen, sorgen für allerbeste Krimiunterhaltung!

Und wenn ich die letzten Seiten richtig interpretiere, gibt es ein Wiederlesen mit Hunter, Steven, Godric & Co. und das ist gut so, denn ich möchte sehr gerne wissen, wie es mit ihnen weitergeht.

Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.05.2025
Körner, Torsten

'Wir waren Heldinnen'


ausgezeichnet

„Wenn ich doch nur einmal Fußball spielen könnte wie die Männer, dachte sie dann, so mit einem Trikot in Gelb oder Blau, mit Stutzen und richtigen Schuhen, mit großen Toren und einem Netz dahinter.“ (S.11)

Mit diesem Wunsch ist Christa Kleinhans, geboren 1937 in Dortmund, nicht allein – jedoch ist ihr Weg, bis sie 2022 in die „Hall of Fame des deutschen Fußballs“ aufgenommen wird, voller Hürden, Willkür und alter Männer, die ihr statt eines Balls vor den Fuß lieber Steine in den Weg gelegt haben.

30. Juli 1955. In der Sitzung des Bundestags des DFB findet sich „Frauenfußball“ in dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“. Für das natürlich ausschließlich männlich besetzte Gremium eine einfache Frage, in einer flotten Abstimmung entscheiden die Herren, dass Fußball kein Frauensport sein kann und damit nur ja niemand auf die Idee kommt, sich dieser Entscheidung zu widersetzen,

„…untersagte der mächtige DFB seine Vereinen Frauenfußball anzubieten, ihm Plätze zur Verfügung zu stellen oder gar Schiedsrichter dafür abzustellen. Den Vereinen drohten empfindliche Strafen, wenn sie dieses Verbot nicht befolgten.“ (S.13)

Zack, erledigt, bitte keine Widerworte und flott zurück von der Kabine in die Küche.
Nee, ganz so war’s dann nämlich doch nicht, denn es gab viele begeisterte und talentierte Frauen, die sich das Fußballspielen nicht verbieten ließen und trotz Verbot und Widerstand Vereine gegründet und (Länder)Spiele organisiert haben.


Der DFB hat das Frauenfußball-Verbot am 31.10.1970 aufgehoben, eine Anerkennung der Leistungen von Frauen wie Christa Kleinhans oder Bärbel Wohlleben, die im Oktober 1974 als erste Frau für das „Tor des Monats“ ausgezeichnet worden ist, ging mit der Aufhebung des Verbotes jedoch nicht einher. Lange hielt sich hartnäckig die Frage:

„Ist das nun Sport oder Show?“ (S.78)

und Spielberichte in den Medien zeichneten sich überwiegend durch Spott und S*xismus und nicht durch Anerkennung der sportlichen Leistung aus.

Torsten Körner beschreibt in seinem Buch eine Szene aus „Wetten, dass…?“ in dem Paul Breitner von einer Kandidatin zum Torwandschießen herausgefordert wird und dieser die Gelegenheit vor dem großen Publikum nutzt, um seine Ansicht, dass er „Damenfußball absolut unästhetisch findet“ kundzutun. Geholfen hat es ihm nicht, er hat die Wette verloren.

„Wir waren Heldinnen“ ist alles andere als nur die Geschichte, wie Frauen den Fußball eroberten, es ist ein Buch über eine Gesellschaft im Wandel, über alte Männer und Männer mit altem Denken, über Gleichberechtigung und Völkerverständigung, zu der die deutschen Fußballfrauen mit ihren Spielen gegen die Niederlande einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

„Ihr Herz schlug stetig und tapfer für den Ball, und es war rund.“ (S.14)

Durch Gespräche mit Zeitzeuginnen, Zeitungsartikel sowie Radio- und Fernsehberichte und Fotos wird das Buch zu einem lebhaften Leseerlebnis – und natürlich darf dabei auch nicht die Geschichte vom Kaffeeservice, dass der DFB den Spielerinnen 1989 zur Europameisterschaft geschenkt hat, fehlen.

Ergänzend gibt es im Anhang Literaturtipps und ein Personenregister.

Torsten Körner erzählt in diesem großartigen Buch die Geschichte des Frauenfußballs beginnend in den frühen 50er Jahren bis zum ersten offiziellen Länderspiel am 10.11.1982. Ich habe eine Menge über Fußball erfahren, riesig viel Respekt vor den Frauen, die sich nicht haben unterkriegen lassen, ich war unfassbar wütend auf den DFB und allen, die den Frauen, dass Spielen verboten haben - das Buch hat mich wirklich begeistert, es ist eine wunderbare Hommage an bemerkenswerte Frauen!

Ganz große Leseempfehlung!