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kerstin_aus_obernbeck
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Ostwestfalen

Bewertungen

Insgesamt 97 Bewertungen
Bewertung vom 29.11.2025
Uketsu

HEN NA IE - Das seltsame Haus


sehr gut

HEN NA IE - Das seltsame Haus / Uketsu
 
„Im Obergeschoss habe ich Schritte gehört, aber eigentlich dürfte dort niemand sein.“
„Immer wenn ich allein im Wohnzimmer bin, spüre ich Blicke, die auf mich gerichtet sind.“
„Im Wandschrank sind Stimmen zu hören.“
– solche und ähnliche Begebenheiten in sogenannten Spukhäusern gibt es wie Sand am Meer. Aber das, was ich nun über dieses Haus erfuhr, unterschied sich doch ein wenig von all diesen Geschichten. (S.15)
 
Der Erzähler, ein Journalist, wird von seinem Bekannten Yanaoka um einen Rat zu einem Hauskauf gebeten. Es ist ein relativ neues Haus in guter Lage zu einem vernünftigen Preis – und doch hat Yanaoka Zweifel. Der Erzähler bittet den Architekten Kurihara – ein Freund von Horror und Mystery - um Unterstützung, die beiden beginnen den Grundriss des Hauses zu analysieren. Zunächst sieht alles völlig normal aus, aber beim genaueren Hinsehen fallen seltsame Dinge auf:
 
„Außerdem hat das Kinderzimmer kein einziges Fenster.“ (S.22)
 
Und es ergeben sich weiter Ungereimtheiten, die zu der Frage führen, ob hier eine Existenz verborgen, gar ein Kind eingesperrt wurde? Ist in dem Haus ein Verbrechen geschehen?
 
Nachdem ein Journalist einen Artikel über das Haus veröffentlicht hat, meldet sich Yuzuki Miyae. Obwohl der Bericht keine Details enthielt, wirkt es, als hätte sie tiefergehendes Wissen und eine Verbindung zu dem Haus.
 
„Dieses Haus beinhaltet zwei Aspekte. Licht und Dunkelheit – so könnte man es beschreiben.“ (S.99)
 
Doch damit nicht genug – es gibt ein weiteres Haus mit einem ähnlich verstörenden Grundriss.

Eine komplexe Familiengeschichte, lang zurückliegende Ereignisse, mysteriöse Kinder und eine Familie, die plötzlich verschwindet.
 
„Dieses Haus ist vom Groll einer Frau erfüllt.“ (S.182)
 
Ein großartiger Satz in einem spannenden Mystery-Roman.
 
... und dann sind da ja noch die Leichenteile, die in der Nähe eines der Häuser in einem nahen Wald gefunden werden und der verschwundene Herr Miyae.
 
„Die linke Hand der Leiche ist samt Handgelenk abgetrennt worden“ – Diese Worte hakten sich bei mir fest. (S.65)
 
Der Journalist und der Architekt nehmen bei der Betrachtung der Bauzeichnungen immer neue Perspektiven ein und mit jedem anderen Blickwinkel scheint es weitere, unvorstellbare Erklärungen für die Unstimmigkeiten in den Grundrissen zu geben.
 
Kann eine Bauzeichnung nicht nur Wände, sondern auch Verbrechen zeigen?
Was verbirgt sich hinter der Fassade?

Nach und nach ergibt sich ein vielschichtiges Bild und es wird klar, dass die Vergangenheit bis in die Gegenwart wirkt. Aber:
 
„Nun, auch das sind alles nur Spekulationen. Nehmen Sie es daher nicht so ernst!“ (S.215)
 
Das Buch hat mich begeistert, gefesselt, fasziniert, zum Miträtseln eingeladen – aber auch in die Irre geführt, nicht wieder auf den richtigen Weg gebracht und am Ende war ich etwas lost, habe die Auflösung nicht direkt greifen können, sie war für mich zunächst nicht schlüssig, es schien, dass die Ungereimtheiten der Grundrisse ebenso auch in der Geschichte und sowieso alles zu komplex war.
Es hat also einen Moment gebraucht, „Das seltsame Haus“ ist nicht einfach ein Roman – das Buch fordert den Lesenden und genau das macht den Reiz aus.
 
Mir persönlich hat „Seltsame Bilder“ etwas besser gefallen, nichtsdestotrotz ist „Das seltsame Haus“ ein großartiger, origineller, ungewöhnlicher Roman, der mich begeistert und mit seiner besonderen Atmosphäre und der subtilen Spannung in den Bann gezogen hat. Die Skizzen laden zum Miträtseln ein und ich habe unbedingt wissen wollen, was es mit den Häusern auf sich hat.
 
Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.11.2025
Kaiser, Vea

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels


sehr gut

Fabula Rasa _ Vea Kaiser

„Aber gute Laune war auch eine Haltung. (S.34)

Angelika Moser wohnt mit ihrer Mutter Erna im Veza-Canetti-Hof in Wien, wo ihre Mutter als Hausmeisterin arbeitet. Die 20-Jährige genießt das Wiener Nachtleben der 1980er Jahre und träumt von einem besseren Leben. Sie will der einfachen Umgebung entkommen und wünscht sich ein Leben auf der Sonnenseite.

Die junge Frau bekommt eine Stelle in der Verwaltung des exklusiven Grand Hotels Frohner. Angelika arbeitet strukturiert, ist klug, gewissenhaft und weiß sich gut zu positionieren.
Schon bald wird der Hoteldirektor auf Angelika aufmerksam; er vertraut ihr und ihren buchhalterischen Fähigkeiten und aus einer besonderen Situation heraus bittet er sie, die Bilanzen „zu überarbeiten“. Dies erledigt Angelika mit viel Geschick und als Dank erhält sie eine Zuwendung, für die auf Anweisung des Inhabers ebenfalls eine nicht allzu legale Buchung getätigt wird.

In einem Club lernt Angelika den Musiker Freddy kennen, die beiden führen eine komplizierte Beziehung, feiern oft, viel und wild. Das Leben ist teuer, die junge Frau hat Träume und Wünsche, möchte ein anderes, erstklassiges Leben führen – ein Leben, dass mit dem Gehalt einer Hotelmitarbeiterin nicht finanzierbar ist.
Aber hat nicht der Chef selbst Angelika Wege aufgezeigt, um entsprechende Mittel zu beschaffen?
Eine Einmaligkeit wird mehr und mehr zur Gewohnheit, Angelika betrachtet das Geld als Darlehn und hat den festen Vorsatz es zurückzugeben, sobald die Umstände es zulassen.

Wie lange kann so etwas gutgehen?

„Der Direktor würde nie etwas merken.“ (S.355)

Es ist der Direktor des Hotels, der Angelika die „kreativen Buchführung“ näher bringt, geschickt gelingt es ihr, die Interessen des Hotels in den Bilanzen abzubilden – ebenso geschickt berücksichtigt sie auch ihre eigenen Belange und letztlich verleiten sie ihre Ambitionen zu immer gewagteren Transaktionen.

„Das der Fiat Panda vom Hotel bezahlt worden war, wusste zwar außer Angelika niemand, aber sie war zu dem Schluss gekommen, dass es so besser war.“ (S. 343)

Und bei einem Auto ist wahrlich nicht Schluss. Alle Buchungen zu ihren Gunsten notiert sie in ihrem Filofax – und es kommt eine stattliche Summe zusammen. In einem Rausch zwischen Notwendigkeit und Gelegenheit wird sie mutiger und maßloser, sie hat Angst entdeckt zu werden und plant gleichzeitig die nächste Buchung. Kalkuliert, kaltschnäuzig und dabei aber auch nachvollziehbar und gewinnend: Angelika Moser ist sympathische Heldin und egoistische Diebin in einer Person. Vea Kaiser erzählt die Geschichte lebhaft, wortgewandt und ausdrucksstark, mit ganz viel Wien, gutem Humor und nachdenklichen Momenten.

Zwischen den einzelnen Kapiteln gibt es die „Unterhaltungen in der Josefstadt“, in denen Angelika Kaiser selbst aus ihrem Leben erzählt.

Mich hat das Buch von der ersten bis zur letzten Seite aller bestens unterhalten, ich war neugierig, wie es weitergeht, habe Angelika ebenso verstanden wie verurteilt. Die Momente, in denen es um das Älterwerden und die damit verbundenen Veränderungen bei Angelikas Mutter geht, waren für mich schlüssig. Das Buch zu lesen fühlt sich an, als ob eine gute Freundin / ein guter Freund eine Geschichte erzählt.

„Angelika hatte den Aufstieg geschafft, den ihre Mutter ihr niemals zugetraut hatte. Von dem zu träumen sie ihr sogar verboten hatte. Angelika war Mitglied der Führungsriege eines Traditionsbetriebs, Eigentümerin einer Villa und einer Garçonnière, Mutter eines Sohnes, der den Opernball eröffnete, auf dem auch sie heute tanzen würde - als Teil der besten Wiener Gesellschaft.“ (S.467)

Vea Kaiser erzählt die Geschichte einer klugen Frau zwischen Mut und Übermut, Loyalität und Moral. Die Protagonistin ist für mich gleichermaßen nachvollziehbar und unverständlich. Eine spannende, unterhaltsame, mitreißende und einfach großartige Erzählung!

Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.11.2025
Austen, Jane

Liebste Freundin!


ausgezeichnet

Liebste Freundin – sämtliche Briefe / Jane Austen
 
Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Ott
Kommentiert von Beatrix Hesse und Horst Lauinger
Mit einem Nachwort von Adriana Altaras
 
Jane Austen war eine eifrige Briefeschreiberin und stand in regem Austausch mit Freunden, Verwandten und der Familie, vor allem aber mit ihrer Schwester Cassandra, wenn die beiden voneinander getrennt waren.
 
„Liebste Freundin“ beginnt mit einem Brief aus dem Januar 1796 von Jane an ihre Schwester, der letzte erhaltene Brief ist aus dem Mai 1817 an James Edward Austen.
Das Buch endet mit einem 164. Brief, dieser ist von Cassandra Austen an ihre Nichte Fanny Knight.
 
Die Briefe sind in zeitlicher Reihenfolge sortiert. Jedes neue Kapitel startet mit Angaben zum jeweiligen Jahr, darunter die Geburt und der Tod einer bekannten Persönlichkeit, die Hochzeit eines berühmten Paares sowie ein bedeutendes Werk, das in diesem Jahr entstanden ist.
 
Austens Briefe wurden von Deirdre Le Faye für eine englische Ausgabe editiert und kommentiert, darauf basierend ist die deutsche Übersetzung entstanden. Es gibt zu den einzelnen Briefen viele Fußnoten, um das Geschriebene einordnen zu können. So kann der Lesende die Personen nachvollziehen und erfährt mehr über die Orte und die jeweilige Zeit.
 
Zwischen den einzelnen Briefen wird vermerkt, wenn Schriftwechsel fehlen und sich daraus möglicherweise Zusammenhänge weniger gut ergeben.

In den Briefen geht es um familiäres und alltägliches, ein bisschen Klatsch und Tratsch – und manch Brief hätte auch wunderbar Teil einer der großen Romane von Jane Austen sein können, denn die Schriftwechsel lesen sich ein wenig, als ob sich die Jane und Elizabeth Bennet unterhalten oder Elinor Dashwood von einer Abendgesellschaft berichtet.
 
Jane Austen schreibt vorwärts und manchmal aus Spaß auch rückwärts, sie erzählt von Federball- und Kartenspielen, mal erlebt der Lesende sie fröhlich und heiter, dann wieder nachdenklich und immer wieder gibt es diese feinen, ironischen Momente, kleine Sticheleien und ein Augenzwinkern. Geistreich und lebhaft erzählt Jane Austen aus ihrem Leben, und die Briefe zeigen, wie liebevoll sie zu den Menschen war, die ihr nahestanden.
 
Besonders berührt haben mich die letzten Briefe des Buches, die Cassandra nach dem Tod von Jane geschrieben hat. Sie ordnet den Nachlass, erzählt von der Trauer und findet liebevolle Worte für ihre Schwester.
 
Die großartige Übersetzung ist von Andrea Ott und Adriana Altaras hat ein wunderbares Nachwort in Form eines Briefes verfasst.
 
Karten der Orte, an denen Jane Austen gelebt hat, ein ausführliches und informatives Personenglossar, eine Leseliste sowie eine sehr aufschlussreiche editorische Notiz ergänzen dieses wunderbare Buch mit dem hübschen Leineneinband.
 
Sie muss ein besonderer Mensch gewesen sein, ich mag ihren Humor, ihre Ironie und ihre Art zu erzählen – sei es in großen Werken, aber auch in den Briefen und diese zu lesen ist ein wenig, als ob sie zu einem spricht.
Dieses Buch ist ein wahres Schmuckstück, ich bin sehr begeistert.
 
Dieses Buch ist ein wahrer Schatz! Es ist wunderschön, informativ und es gibt einzigartig Einblicke in das Leben der Autorin.
 
Ganz große, herzliche Leseempfehlung! 💕

Bewertung vom 02.11.2025
Dische, Irene

Prinzessin Alice


weniger gut

Der Titel, das wirklich hübsche Cover und natürlich auch mein Interesse an Geschichte und an den Royals von der Insel haben mich neugierig gemacht. Nach einem Besuch im Buchladen durfte das Buch „Prinzessin Alice“ von Irene Dische schließlich mit mir nach Hause kommen. Ich war gespannt, mehr über Alice von Battenberg (später Mountbatten), die Schwiegermutter von Königin Elizabeth II. und Großmutter von König Charles III., zu erfahren.

Der Einstieg war gar nicht schlecht: Irene Dische lässt Prinzessin Alice ihre eigene Geschichte aus der Ich-Perspektiveerzählen. Das liest sich anfangs recht gut, doch je weiter ich kam, desto schwieriger fiel es mir, der Erzählung zu folgen. Mitunter war ich durch die ungewöhnliche Erzählweise sogar etwas verwirrt. Gelegentliches Hin- und Herblättern half zwar, die komplexen Familienverhältnisse zu entwirren, doch schon bald war klar, dass dieses Buch für mich kein „easy read“ werden würde.
Im Mittelpunkt stehen die Jahre im Exil in Paris, der Aufenthalt in einer Klinik am Bodensee sowie die Zeit während des Zweiten Weltkriegs. Ab und zu gibt es Rückblicke auf Alices Jugend in England oder ihre Ehe mit dem griechischen Prinzen Andreas. Schnell wird deutlich, dass sie ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie hatte, die mit ihrer Erkrankung nur schwer umgehen konnte.

Einige Passagen fand ich schwer nachvollziehbar, etwa Alices angebliche Wiedererlangung ihres Gehörs oder die Episode, in der sie sich im Nachbarhaus einmietet, um das Leben einer ihrer Töchter zu beobachten. Handelt es sich hier um Fakt oder Fiktion? Leider bleibt das auch im Nachwort unklar.

Eine faszinierende Persönlichkeit und ein spannender biografischer Hintergrund – und doch hat mich das Buch nicht wirklich erreicht. Ich empfand die Lektüre stellenweise als anstrengend und distanziert. Prinzessin Alice hat viel erlitten und durchlebt, doch ihre Erzählung wird im Verlauf zunehmend sprunghafter und weniger greifbar. So sehr ich es mir gewünscht hätte: Ich habe keinen Zugang zu dieser Geschichte und ihrer Protagonistin gefunden.

Halbherzig habe ich die rund 150 Seiten zu Ende gelesen – wissend, dass mich diese außergewöhnliche Frau eigentlich hätte fesseln können, wenn mich die Erzählung nur ein wenig mehr berührt hätte.

Bewertung vom 02.11.2025
Bowen, Marjorie;Dickens, Charles;Lovecraft, H. P.

Gruselige Weihnacht überall. Klassische Horror- und Geistergeschichten


sehr gut

Gruselige Weihnacht überall – Klassische Horror- und Geistergeschichten

„Dann herrschte wieder Stille. Nach einer Weile hörte ich abermals Geräusch, wie Schritte auf dem Flur, hohe Absätze und über den Boden schleifende Seidenschleppen.“ (S.83)

Na, wie hört sich das für euch an?
Macht es euch neugierig, was da auf dem dunklen Flur des alten Hauses vor sich geht? Möchtet ihr wissen, wer oder was gleich an der Tür klopfen oder ohne diese zu öffnen in das Zimmer kommen wird?

Oder seid ihr der Meinung:

„Es mag sie geben oder auch nicht, aber solange ihre Existenz nicht zweifelsfrei geklärt ist, weigere ich mich, etwas so Unangenehmes wie den Glauben an Gespenster zu übernehmen.“ (S.14)

Ein auf den Ruinen eines Klosters gebautes, altes Herrenhaus und ein nicht zur Ruhe kommender Mönch; Liebe weit über den Tod hinaus; Rache und tödliche Scherze; vom Weg abkommende Reisende und grausame Heimsuchungen; Brautjungfernkleider, die zu Totengewändern werden – und immer wieder Dunkelheit, Kälte und Schnee:

„Überall lagen sechs Zoll feiner Schnee, trocken wie Salz, der Himmel ein bleierner Deckel, und alles deutete darauf hin, dass noch mehr fallen würde.“ (S.10)

Mit „Gruselige Weihnacht überall“ präsentiert Jochen Veit zehn spannende Geschichten, die für schaurige Unterhaltung und echte Gänsehautmomente sorgen.
In dem Buch finden sich unter anderem Erzählungen von Charles Dickens, H. P. Lovecraft und B. M. Croker, es sind alle Sorten Grusel und für jeden Geschmack etwas dabei und gerade in der mitunter hektischen Vorweihnachtszeit sind Kurzgeschichten doch eine tolle Alternative und wunderbare vorweihnachtlich-gruselige, schneeankündigende und unterhaltsame Zwischenmahlzeit.

Verlassene Häuser, ein unerwartetes Klopfen an der Tür, eine gespenstische Gesellschaft – ich habe die Geschichten gern gelesen, mich gegruselt und finde die Zusammenstellung der Geschichten sehr gelungen!

Das Buch ist ausdrücklich nicht nur zum Selberlesen und -gruseln, sondern auch zum Vorlesen und ein tolles Geschenk!

Bewertung vom 02.11.2025
Gittins, Ian

The Cure


ausgezeichnet

Der Hannibal-Verlag hat eine Neuauflage des Buches „The Cure - Dunkelbunte Jahre“ herausgebracht. Die bisherige Fassung aus dem Jahr 2021 wurde um ein Kapitel ergänzt, dass sich dem am 1.11.2025 erschienenen neuen Album „Songs of a Lost World“ widmet – und ein wunderhübsches neues Cover hat das Buch ebenfalls erhalten.

In „The Cure – Dunkelbunte Jahre“ erzählt der Autor Ian Gittins informativ und unterhaltsam sowie ergänzt durch viele wunderbare Fotos, die Geschichte der Band und ihres Frontmannes und Mastermind Robert Smith, von Höhen und Tiefen, Alben und Konzerten. Der Autor befasst sich ausgiebig mit dem Weg der Band, mit den verschiedenen Zusammensetzungen, denn in der langjährigen Bandgeschichte gab es immer ein Kommen und Gehen, und er gibt Einblicke in den musikalischen Weg, die unterschiedlichen Schaffensphasen, er befasst sich mit den Geschichten hinter den Liedern und auch mit den Menschen, die die Band mit ihren Einflüssen geprägt haben.
Das war bereits in der ursprünglichen Fassung des Buches so und die Neuauflage setzt dies in gleichbleibend großartiger Qualität fort; das Kapitel rund um „Songs of a Lost World“ bietet viele Informationen rund um die Entstehung des Albums - wenn Robert Smith in „End Song“ singt „I am outside in the dark wondering how I got so old“ oder „I can never say goodbye“ im gleichnamigen Lied, vermittelt Ian Gittins ganz wunderbar, wie diese Songs entstanden sind, mit welchem Hintergrund man sie betrachten darf.

Die Einleitung des Buches beginnt mit einem Zitat von Stan March, der in Staffel 1, Folge 12 von South Park sagt: „Robert Smith is the greatest person who ever lived". Gut, darüber mag man geteilter Meinung sein, aber es ist Fakt, dass The Cure zu den Bands gehören, die zurecht und nach all den Jahrzehnten noch immer da sind, musikalisch immer wieder überraschen und einen tiefen Platz im Herzen ihrer Fans haben – und „Dunkelbunte Jahre“ mit seinen vielen Informationen und unzähligen schönen Fotos ist das für mich ultimative Buch über diese großartige Band.
Es bietet einen wunderbaren Einblick in die Welt und Gedanken des Robert Smith und gibt einen Ausblick auf das, was noch kommen mag.

Das Buch hat 256 Seiten und die Übersetzung ist von Kirsten Borchardt.

Große dunkelbunte Leseempfehlung! 🖤

Bewertung vom 09.10.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

No Way Home / T. C. Boyle

Dr. Terrence Tully, Assistenzarzt im dritten Jahr in LA erhält die Nachricht, dass seine Mutter verstorben ist. Nach dem Tod des Vaters war sie von Woodland Hills nach Boulder City gezogen und hatte dort mit dem Hund Daisy in einem kleinen Haus gelebt.
 
„Seine Ausbildung … hatte ihn gelehrt, emotionale Reaktionen auszuschalten und sich dem vorliegenden Problem zu widmen, ...“ (S.13)
 
Dementsprechend macht Terry sich traurig, aber auch gefasst auf den Weg, um die Beisetzung zu organisieren sowie den Nachlass zu regeln. Er möchte nicht nach Boulder City ziehen, seine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen und auch so zieht ihn nichts in die Nähe des Hoover Damms in die Wüste von Nevada.
 
Kurz nach seiner Ankunft in Boulder City lernt er in einem Café eher zufällig Bethany kennen. Es bleibt nicht bei dieser einen Begegnung, denn sie laufen sich ein weiteres Mal über den Weg. Bethany ist jung und sehr attraktiv, nach einem gemeinsamen Getränk folgt eine gemeinsame Nacht. Nach der Trennung von ihrem Freund wohnungslos erscheint es Beth völlig logisch, dass sie in Terrys Haus zieht, um sich um den Hund zu kümmern und ihn bei der Nachlassverwaltung unterstützt. Hartnäckig verfolgt sie diese Idee und Terry hat ihrem betörenden Wesen und der Raffinesse nur wenig entgegenzusetzen.
 
„Alles, was sie sagte, …, zog ihn tiefer hinein.“ (S.52)
 
Aber da ist auch noch Jesse, der Ex-Freund, der nicht mit der Trennung einverstanden ist, Bethany als seinen Besitz und Terry als üblen, aus dem Weg zu schaffenden Konkurrenten, betrachtet.
So eine Konstellation ist niemals gut – und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
 
„Demnach hatte sie ihre Wahl getroffen. In aller Öffentlichkeit. Die Sache konnte nicht klarer sein.“ (S.221)
 
Wirklich?
 
Ja, die Geschichte „Junge trifft Mädchen trifft Junge“ ist nicht neu, aber wenn T. C. Boyle die Charaktere erschafft, bekommt so eine Geschichte eine ganz eigene Dynamik.
Terrence, Bethany und Jesse erzählen jeweils aus ihrer Perspektive und dadurch ergeben sich Ansichten, die zugleich erklären, irritieren und mitunter auch wütend machen.
 
Ist Terry das wehrlose Opfer, Beth die raffinierte Verführerin und Jesse der eiskalte Ex?
Hat Bethany unfreiwillig eine Fahrkarte für die zweigleisige Eisenbahn, ist Jesse ein literarischer Feingeist und klammheimlich der Übeltäter?
Oder ist doch Jesse der skrupellose, von seiner Ex besessene Mann, der zu allem bereit ist, Terry der Teufel und nicht Halbgott in Weiß und Bethany ausschließlich auf ihren Vorteil bedacht?
 
Es gibt nahezu keine Grenzen für die Drei, getrieben, fast gehetzt vom Willen die eigenen Ziele zu erreichen und angereichert mit jeder Menge Alkohol und anderen Substanzen nimmt die Geschichte ihren Lauf …
 
„Und dann stürzte der Nachmittag krachend in den Abend.“ (S.56)
 
Brütende Hitze, ein Leichen und Autowracks freigebender Stausee, ein Hund, der mir ans Herz gewachsen ist, liebenswerte Nebenfiguren, aber auch Charaktere, die mitunter unerträglich sind - T. C. Boyle erzählt auf seine einzigartige, detailreiche und sehr lesenswerte Art eine Geschichte aus dem Leben - nicht aus meinem Leben, aber sicher aus einem Leben, dass es irgendwie irgendwo gibt - und ich habe diese sehr gerne gelesen.

Wow!
Bin ich begeistert? Und wie!
Ist es ein Pageturner? Jawoll!
Habe ich manchmal nicht gewusst, ob ich lachen, weinen oder wütend sein soll? So sieht es aus!

Brillant erzählt T. C. Boyle eine Geschichte, die sich stets zwischen maximalem Glück und allertiefstem Abgrund bewegt. Großartig! 
Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.09.2025
Onhwa, Lee

Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei


gut

„Ich hatte schon vor einer ganzen Weile lernen müssen, dass aus gestern heute und aus heute morgen werden würde, ganz egal, ob nun jemand gestorben war oder nicht.“ (S.7)

Nach dem Tod ihrer Großmutter erfährt Yeonhwa bei der Testamentseröffnung, dass sie nicht nur deren Konditorei geerbt hat, sondern auch, das mit dem Geschäft ist ein hoher Schuldenbetrag verbunden. Die 27-jährige ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, um die Konditorei „Hwawoldang“, die die Familie schon seit Generationen betreibt und all dem, was damit verbunden ist hat sie sich jedoch nie großartig gekümmert. Die Verstorbene hat ihrer Enkelin folgende Hinweise hinterlassen:

„Erstens: Du musst das Hwawoldang wenigstens einen Monat lang vernünftig führen. Zweitens: Du darfst die Konditorei nur von 22 Uhr bis Mitternacht öffnen.
Drittens: Lebe in der Vorfreude auf alles, was dich noch erwartet.“ (S.15)

Aufgrund der Schulden und der geringen Möglichkeiten, diese durch einen Verkauf zu tilgen, entschließt Yeonhwa sich, die Konditorei zunächst einmal zu übernehmen.

In dem Laden begegnet sie Sawol, der sich als Großhändler für Zutaten aller Art und Schamane vorstellt und schon bald nach der Öffnung betritt die erste Kundin den Laden. Yeonhwa erkennt schnell, dass ihre Großmutter keine übliche Konditorei geführt hat, denn manche KundInnen haben sehr spezielle Wünsche – und auch Sawol ist enger mit ihrem Leben verbunden, als ihr zunächst bewusst war.

Wird die junge Frau die Bäckerei einen Monat führen, so dass sich die Prophezeiung ihrer Großmutter erfüllt, und sie alles im Leben bekommt, was sie braucht?

Lee Onhwa erzählt eine berührende Geschichte mit vielen kleinen zauberhaften Momenten im Dies- und Jenseits, von Verbindungen über eine Trennung hinaus und wie es ist, als Wind umherzuziehen.

Eine leise und solide Erzählung, nicht für die Ewigkeit, aber für gemütliche Lesemomente.

Bewertung vom 28.09.2025
Barchas, Janine

Jane Austen


sehr gut

Jane Austen – Ihr Leben als Graphic Novel / Janine Barchas, Isabel Greenberg

Das Buch beginnt mit einem „Hinweis an die Leserschaft“:

„Alle Austen-Biografien, …, bewegen sich in einem Graubereich zwischen Forschung und Spekulation. Mit unserem bebilderten Bericht verhält es sich ähnlich, doch im Glossar zeichnen wir akribisch die Faktenspur nach, der wir gefolgt sind.“

und ist in drei Teile gegliedert:

1796-1797 - Aufstrebende Autorin
1801-1809 – Erfolglose Künstlerin
1809-1817 – Veröffentlichte Autorin

Jane ist also zu Beginn der Geschichte 20 Jahre alt, mit ihrem Bruder in London und sie schreibt ihrer Schwester Cassandra, mit der sie eng verbunden ist, einen Brief. Die Familie lebt in Steventon (Hampshire) und Jane liebt es Geschichten zu schreiben. Zwar erhält sie das Manuskript von „First Impressions“ zurück, aber davon lässt sie sich nicht entmutigen!

Die Graphic Novel begleitet Jane Austen auf wichtigen Stationen in ihrem Leben – sei es bei Umzügen von Steventon nach Bath, Southampton und wieder zurück nach Hampshire, wo Edward Knight (geb. Austen) seiner Mutter und den Schwester Cassandra und Jane ab 1809 „Chawton Cottage“ zur Verfügung stellt und natürlich auf ihrem Weg zur Autorin. Das Buch erzählt von ersten Erfolgen sowie Rückschlägen und dem großen Durchbruch. Es zeigt ganz besonders die Beziehung der beiden Schwestern auf, lässt die Leserschaft großen und kleinen Freuden im Leben der Austens teilhaben und vermittelt ein lebhaftes Bild von dieser besonderen Frau.

„Ihr Unterrock war sechs Zoll hoch voll Schlamm“ – ich liebe diese Szene der BBC-Serie von „Stolz und Vorurteil“ und fand es großartig, Jane in der Graphic Novel ebenfalls über Felder laufen und Tore klettern zu sehen.
Man muss beim Lesen und Ansehen schon gut aufpassen, um all die wunderbaren kleinen Details zu entdecken.

Ähnlich wie in Janes Geschichten hat sich auch im Leben der Schwestern immer wieder die Frage nach dem Lebensunterhalt gestellt und dies wird ebenso in der Graphic Novel thematisiert wie die enge Bindung zwischen Cassandra und Jane.

Von der Widmung für den Kronprinz in „Emma“ habe ich euch schon mal erzählt, dies war mir durchaus bekannt. Nicht bekannt war mir jedoch, dass die Austen-Damen in ihrer Zeit in „Chawton Cottage“ flott und schnieke mit einem Esel-Einspänner unterwegs waren und Cassandra einen Hund namens „Link“ hatte. Ja, das ist jetzt eher die Kategorie „unnützes Wissen“ – aber haben ist besser als brauchen!

Das Cover hat mich auf den ersten Blick begeistert, aber ich habe mich mit manchen Zeichnungen dann doch erst anfreunden müssen; die überwiegend blau-gelbe Farbgebung, wenn es um Janes Leben geht, mutet zunächst doch ziemlich schwedisch an, wenn Jane ihre Fantasie schweifen lässt, gehen die Bilder in warme Farben über, was mir persönlich deutlich besser gefällt. Im Vorwort wird dieses Farbkonzept erklärt, es ist für mich auch nachvollziehbar – aber für mich hätte es dennoch gern etwas farbenfroher sein dürfen.

Das im Vorwort erwähnte Glossar ist großartig, es greift viele Momente in dem Buch auf und ergänzt das Erzählte um wichtige und interessante Informationen.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass mir sehr gut gefallen hat, wie die letzten Tage der Autorin in Winchester wiedergegeben werden.

Die Übersetzung ist von Eva Bonné.

Natürlich kann eine Graphic Novel nicht vollständig ein Leben darstellen, aber dieses Buch bietet einen schönen Einblick in das Leben der Autorin. Mir gefällt, dass der Lesende immer wieder angesprochen wird und die kleinen Hinweise auf Austens Werk und deren Verfilmungen.

Herzliche Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.09.2025
Schulte-Loh, Christian

Es gibt einen Gott, und ihr ist langweilig


gut

„Es gibt einen Gott, und ihr ist langweilig“ - ein sensationeller Titel, ein großartiges Cover und ein grandios formulierter Klappentext!
 
- „Es gibt einen Gott, und ihr ist langweilig.“ Mit diesen Worten begann es. Ruhig vorgetragen, aus dem Munde des ehemaligen Hafenarbeiters Jürgen Prassnik, sollten sie die Ordnung unserer Welt auf den Kopf stellen. (S.13) -
 
Von einem Moment auf den anderen ist alles anders – denn einhergehend mit dieser Information, erfahren die Menschen auch, dass ihre bisherigen Werte nun wertlos sind und stattdessen Kreativität das Maß aller Dinge ist.
 
- „Vergesst das Geld! Schreibt ein Lied, ein Buch, malt etwas, bringt Gott zum Lachen. … sie will einfach nur unterhalten werden. Und sie heißt Singu“ (S.19) -
 
Und damit’s für alle klar ist, gibt’s „Sieben Grundsätze“ für die neue Weltordnung, z.B.
 
- „Wer es schafft, Singu zu unterhalten, bekommt die Unsterblichkeit geschenkt. An einem besseren Ort, versteht sich.“ (S.37) -
 
So sieht’s aus – für eine ordentliche Mütze Kreativität gibt’s das ewige Leben; man sollte jedoch immer beachten, dass es nicht möglich ist zu schummeln und Singu alles sieht.
Tja, da steht nun manch einer dumm da, wie zum Beispiel der extrem reiche Geschäftsmann Imre Potkulcs, der sich zwar alles leisten kann, jedoch null kreativ ist.
 
„Was kann denn jemand wie ich an Künstlerischen erschaffen? Was ist da völlig ohne Vorerfahrung machbar? Ich meine, wo anfangen?“ (S.105)
 
Mit dem obdachlosen Jazzmusiker Adam und Sara, die in einem Café arbeitet und Geschichten schreibt, hat’s das Leben bisher zwar nur so semi-gut gemeint, aber nun scheint ihre große Stunde gekommen zu sein.
Wem wird es gelingen Singu zufriedenzustellen – und ist diese neue Weltordnung wirklich so toll, wie es erscheint?

Der Prolog ist kurz und knapp, über die fünf Phasen
 
Leugnen
Zorn
Verhandeln
Depression
Akzeptanz
 
führt die Geschichte zu einem interessanten Nachwort. Die Charaktere werden lebhaft und nachvollziehbar beschrieben, ich habe viel Sympathie für Sara und Adam und für letzten nicht nur, weil ihn der Autor darüber nachdenken lässt, ob ein Trimmrad, das in einen öffentlichen Park zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung steht auch „Hometrainer“ genannt werden kann. Das ist genau mein Humor!
Die Geschichte, die bisherige Werte in Frage stellt, den „weil man mit Geld nicht alles kaufen kann“-Gedanken aufgreift und Kreativität als Maß aller Dinge ausruft, ist ein interessantes Gedankenexperiment. Christian Schulte-Loh überlässt den Ausgang der Geschichte der Fantasie des Lesenden.
 
Die Idee der Geschichte gefällt mir richtig gut, für mich hätte sie jedoch durchaus eine Prise mehr vom britischen Humor und ein Hauch weniger Längen haben dürfen. Gerade diese führen ein wenig dazu, dass die Erzählung manchmal etwas lost erscheint. Das hätte echt nicht sein müssen, denn die einzelnen Handlungsstränge ansich sind interessant, jedoch wird es durch die häufigen Wechsel der Perspektiven unruhig, aber vielleicht gehört das zum Konzept und ist die Extra-Portion Kreativität für das ewige Leben.

Der Roman von Christian Schulte-Loh erzählt unterhaltsam eine unvergleichliche Geschichte angereichert mit einem speziellen Humor. Interessant, mitunter irritierend und anders unterhält das Buch auf besondere Art und Weise.