Benutzer
Benutzername: 
Frau_Ke
Wohnort: 
Halle (Saale)

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 22.07.2025
Harmsen, Torsten

Nazi und Kommunist


sehr gut

Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg - und immer weniger Menschen können noch aus dem eigenen Erleben von den damaligen Ereignissen berichten. Vor diesem Hintergrund kommt Torsten Harmsens Buch genau zur richtigen Zeit. Er erzählt darin die Lebensgeschichte zweier Zeitzeugen bzw. lässt sie selbst erzählen, wie und warum sie sich den Kommunisten bzw. Nazis angeschlossen haben und wie sie auf diese Zeit zurückblicken. Harmsen selbst greift nicht in die Geschichte ein, nur an einigen wenigen Stellen finden sich Anmerkungen von ihm. Er hätte sich durchaus häufiger „einmischen“ können, um historische Ereignisse einzuordnen oder Zahlen/Fakten zu korrigieren/zu ergänzen; keinesfalls um zu werten. Denn das tun die Protagonisten selbst, in dem sie ihre Handlungen (kritisch) hinterfragen und (teilweise) rechtfertigen.


Fazit: Das Buch bietet authentische Erinnerungen mit Einblicken in politisch gegensätzliche Weltanschauungen. Interessant ist, die Entwicklung beider Protagonisten zu verfolgen - mit all ihren Träumen und Enttäuschungen. Es ist ein Buch, das zum Nachdenken, aber auch Diskutieren anregt. Wie hätte man selbst in der jeweiligen Situation gehandelt? Hatte man damals überhaupt eine Wahl?

Bewertung vom 13.06.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt


ausgezeichnet

Was bleibt, wenn wir eines Tages diese Welt verlassen? Ausgehend von dieser Frage, nähert sich Henning Sußebach seiner eigenen Familiengeschichte. Mit ein paar Fotos, Poesiealben, Postkarten, einem Kaffeeservice sowie einem Verlobungsring begibt sich Sußebach auf Spurensuche, um das Leben seiner Urgroßmutter Anna zu rekonstruieren.

Was vielleicht nach einer trockenen Biografie klingen mag, entpuppt sich Seite um Seite mehr als Aufarbeitung der Lebensgeschichte einer Frau, die in einer Zeit geboren wurde, in der für uns so alltägliche Dinge wie Telefon, Auto und Strom noch Zukunftsmusik sind.

Das Buch wirkt durchweg authentisch, obwohl Sußebach an manchen Stellen nur spekulieren, sich nur annähern kann, an das, was damals geschehen ist. Wie haben sich gewisse Ereignisse zugetragen bzw. wie hat Anne diese erlebt?

Es ist berührend und außergewöhnlich zugleich, wie viel Sußebach zusammentragen kann. Angereichert mit Informationen zum weltweiten Weltgeschehen der damaligen Zeit schenkt er Anna quasi ein zweites Leben, eines das bleibt...

Fazit: Ein vielschichtiges, bewegendes Buch, das zum Nachdenken über das eigene Leben und die Familiengeschichte anregt.

Bewertung vom 11.06.2025
Bullatschek, Sybille

Sie haben Ihr Toupet ins Glücksrad geschmissen


sehr gut

Mit dem Buch von Sybille Bullatschek verhält es sich wie mit Marzipan – entweder man mag es oder man mag es nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht.

Warum kann man das Buch mögen? Die Geschichte ist humorvoll und unterhaltsam - auch dank des Dialekts, der zum Glück gut dosiert eingesetzt wird. Die Erzählweise ist frech und selbstironisch; die Protagonistin ab der ersten Seite sehr sympathisch, weil sie sich selbst nicht zu ernst nimmt. Vorteil: Man muss die beiden Vorgänger-Bücher nicht kennen, um mit der Geschichte „mitzukommen“.

Warum sollte man das Buch lieber nicht lesen? Es ist keine tiefgründige Geschichte, es gibt weder zwischen den Zeilen versteckte Botschaften noch verschiedene Erzählebenen. Die verschiedenen Personen könnten als schrullig und überzeichnet; manche Szenen als übertrieben und realitätsfern erachtet werden.

Fazit: Wer schrägen Humor und skurrile Geschichten mag sowie leichte und lustige Unterhaltung sucht, wird dieses Buch mögen.

Bewertung vom 02.06.2025
Nolde, Chris

Vollblutspießer


sehr gut

Freigeist oder Spießer? Das ist hier die Frage! Der orientierungslose Max, Mitte 30, sucht seinen Platz in dieser Welt und stellt dabei nicht nur alles und jeden in Frage, sondern sucht auch Antworten auf die essentiellen Fragen des Lebens: Was ist der Sinn des Lebens? Welche gesellschaftlichen/politischen/persönlichen Zwänge beeinflussen unser Handeln? Und gibt es nicht immer noch einen Plan B?

Jede/r hat sich vermutlich schon einmal die gleichen Fragen gestellt. Insofern fällt es leicht, eine Beziehung zu Max aufzubauen - ohne deshalb gleich sein Handeln nachvollziehen zu können. Denn das wirkt stellenweise sehr kindisch und überzogen - man möchte ihn einfach nehmen und wachrütteln.

Der Schreibstil passt gut dazu. Er ist erfrischend und locker. Leider haben sich an einigen Stellen falsche Wörter eingeschlichen, manchmal fehlt auch ein Wort. Das stört den Lesefluss etwas. Zudem ist die Geschichte streckenweise etwas langatmig.

Ob die Entscheidung, die Max am Ende trifft, wirklich endgültig ist und er damit glücklich wird, bleibt offen. Denn so richtig glaubwürdig scheint es nicht, dass er sich zu 100 Prozent auf eine Seite schlägt.

Wie sagte schon einst Erich Kästner: „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch."

Fazit: Eine lesenswerte Geschichte mitten aus dem Leben, die zum Nachdenken über das eigene Leben anregt. Für meinen Geschmack hätte das Buch noch etwas mehr schwarzen Humor vertragen.

Bewertung vom 04.04.2025
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


sehr gut

Ruhig und feinfühlig – diese zwei Worte genügen, um den Roman zu beschreiben. Ähnlich wie bei „Die Erinnerungsfotografen“ oder „Das kleine Café der zweiten Chancen“ (beide ebenfalls von japanischen Autoren) steht auch bei diesem Roman ein Ort im Mittelpunkt, an dem Menschen innehalten und Entscheidungen treffen. Der Schreibwarenladen wird somit zum Ort der Heilung und der Neuanfänge – nicht nur für die Kunden des Ladens, sondern auch dessen Besitzerin, die sich zunehmend öffnet und Einblicke in ihr (Seelen-)Leben gibt.

Es ist ein durchweg warmherziger Roman mit einem Hauch Poesie und einer Prise Magie, ohne dabei jedoch ins Kitschige abzudriften. Wer Bücher mag, die das Herz berühren und leise Zwischentöne anschlagen, wird sich beim Lesen der Geschichte rund um Hatoko und ihren Schreibwarenladen wohlfühlen.

Fazit: Ein unaufgeregtes Buch für alle, die die japanische Erzählkunst lieben und auch ein Faible für das handgeschriebene Wort haben.

Bewertung vom 10.03.2025
Graßmann, Farina

True Crime in Nature


sehr gut

Das Cover ist ein Hingucker. Man könnte zwar im ersten Moment denken, dass es sich um ein Kinderbuch handelt, doch sobald man hineingelesen hat, wird schnell klar: Das Buch ist nichts für Zartbesaitete und daher auch nicht für die kleinsten Leser gemacht. Es geht zwar nicht um menschliche Verbrechen, dafür aber werden die raffinierten und teils recht grausamen Überlebensstrategien von Tieren und Pflanzen dargestellt - auf sehr anschauliche Art und Weise sowohl mit Worten als auch Fotos und humorvollen Illustrationen im Comic-Stil.

Die verschiedenen Kapitel haben eine gute Länge und widmen sich unterschiedlichen kriminellen Machenschaften. Die einzelnen Abschnitte sind informativ und lehrreich. Leider gelingt es nicht immer, den locker-unterhaltsamen Stil durchzuziehen. Manche Geschichten sind zu langatmig, andere gespickt mit Fachvokabular.

Fazit: Ein Buch, dass man sicher nicht in einem Zug durchlesen muss, sondern in dem man gerne mal blättert und diese oder jene Geschichte liest. Der Aufhänger ist gut. Weniger (Informationen, Fachbegriffe) wäre an manchen Stellen mehr gewesen.

Bewertung vom 05.03.2025
Hirschhausen, Eckart von

Der Pinguin, der fliegen lernte


ausgezeichnet

Eckart von Hirschhausen hat seine Pinguin-Geschichte schon oft vor Publikum erzählt: In einem Zoo sieht er einen Pinguin und stellt - vorverurteilend - fest: Das flugunfähige Tier ist eine absolute Fehlkonstruktion. Doch dann springt der Pinguin ins Wasser - und Hirschhausen muss seine Meinung revidieren. Denn in seinem Element ist der Pinguin alles andere als tollpatschig und unbeholfen.

Der Pinguin ändert Hirschhausens Perspektive nachhaltig - nicht nur in Bezug auf das Tier, sondern vor allem auch auf das Leben. In welcher Weise, darüber berichtet er in seinem Buch, das mitten ins Herz trifft und im Kopf hängen bleibt. Man lernt so einiges über Pinguine und fest verankerte Klischees, und noch viel mehr über sich selbst und wie es gelingen kann, mit den eigenen Unzulänglichkeiten umzugehen.

Sein Fazit: Finde den Pinguin in Dir - und hilf anderen dabei, ebenfalls ihre Nische, ihr Element zu entdecken, in dem sie sich und ihre Stärken entfalten können. Denn nur dann ist ein glückliches Leben möglich.

Fazit: Ein kleines, aber feines Buch, das nicht nur einen Einblick in das Leben der Pinguine bietet, sondern auch dazu anregt, in sich selbst hineinzuhorchen - und ab und zu den Sprung ins Ungewisse zu wagen.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2025
Hoven, Elisa

Dunkle Momente


ausgezeichnet

„Dunkle Momente“ zeigt, wie faszinierend das Strafrecht ist - und wie schwer es fällt, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, und das nicht nur für Außenstehende.

Inspiriert von realen Straftaten und Prozessen stellt die Autorin - selbst Professorin für Strafrecht - neun Fälle vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Bandbreite reicht von Kannibalismus über Vergewaltigung bis hin zum Mord am Bruder. Doch wer ist das Opfer und wer der Täter? Was auf den ersten Blick eindeutig erscheint, ist im nächsten Moment - mindestens - ambivalent. Und so verschwimmen die Grenzen zwischen Oper und Täter, zwischen Gewissheit und Glauben-Wollen...

Besonders gut gelungen ist die „Prozessberichterstattung“, die die einzelnen Fälle aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet - und am Ende auch auflöst, wie es sich nun wirklich zugetragen hat bzw. welche Auswirkungen der Freispruch hatte.

Fazit: Ein Buch, das ab der ersten Seite fesselt und sich auf dem schmalen Grat zwischen Gerechtigkeit und Recht bewegt. Spannend bis zur letzten Seite - und den eigenen moralischen Kompass auf die Probe stellt.

Bewertung vom 05.02.2025
Höller, Miriam

Das Leben ist ungerecht


ausgezeichnet

„Jeder Augenblick ist ein Geschenk“, schreibt Miriam Höller in ihrem Buch. Was so banal, ja, fast abgedroschen klingen mag, bedeutet so viel mehr - vor allem, wenn man die Geschichte von Miriam Höller kennt bzw. liest.

Miriam Höller scheint das Glück wohlgesonnen zu sein. Sie wächst behütet auf, kann sich ihre beruflichen Träume verwirklichen und hat einen starken Partner an ihrer Seite. Doch sie führt ein Leben auf der Überholspur und wird jäh ausgebremst. Ein tragischer Unfall und der plötzliche Tod ihres Freundes setzen sie zurück auf „Start“.

Wie sie die Höhen und Tiefen meistert und am Ende wieder „Ja“ zum Leben sagen kann, beschreibt sie in ihrem Buch - offenherzig, brutal ehrlich und unterhaltsam. Ihre Art ist einfach mitreißend. Und so fiebert, weint und lacht man mit - von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit: Miriam Höller hat weder einen Lebensratgeber noch eine klassische Biografie geschrieben. Es ist viel mehr als das. Es ist ihre ganz eigene inspirierende und motivierende Geschichte zum Umgang mit den Höhen und Tiefen des Lebens.

Bewertung vom 24.01.2025
Glattauer, Daniel

In einem Zug


gut

Ein Zug, zwei sich fremde Menschen und vier Stunden Zeit - mehr „Zutaten“ braucht Daniel Glattauer nicht für seinen neuen Roman. Inhaltlich wie auch stilistisch erinnert das neue Buch stark an andere Werke des Autors, nur leider kann „In einem Zug" nicht so ganz mit den Vorgängern mithalten.

Die Idee, die hinter dem Buch steht, ist charmant und durchaus nachvollziehbar: Man sitzt in einem Zug, beginnt ein Gespräch mit seinem Gegenüber - und die Zeit vergeht wie im Flug. Nur leider nicht in Glattauers Roman, der streckenweise etwas lahmt, zum Beispiel, wenn ER wiederholt das Trinken von Alkohol verharmlost oder SIE ihn raten lässt, wie die korrekte Schreibweise ihres Namens ist, oder ER fortlaufend die Art ihres Lächelns einzuordnen versucht. Das hätte einen verzaubern können, wenn die Protagonisten sympathisch wären. Aber SIE wirkt regelrecht impertinent und ER scheint seinen früheren Erfolgen nachzutrauern.

Gelungen hingegen sind die gedanklichen Rückblenden bzw. Erinnerungen von Eduard sowie die unerwartete Wendung am Ende.

Fazit: Nette Lektüre für eine Zugfahrt, aber ganz sicher nicht Glattauers bestes Werk. Glattauer Fans dürften sich trotzdem freuen, denn offenbar enthält das Buch autobiografische Züge - zumindest liegt die Vermutung nahe.