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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Milli11
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 98 Bewertungen
Bewertung vom 21.01.2024
Eine halbe Ewigkeit
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit


ausgezeichnet

Vom Leben und Altwerden
Ich habe mir das Buch bewusst für die Weihnachtsfeiertage aufgehoben und vorher noch schnell den „Mondscheintarif“ gelesen, in dem die Hauptfigur Cora Hübsch ihre damaligen Probleme als Anfang-30-jährige Frau thematisiert. Und im Rückblick erscheint nun wirklich vieles lächerlich, was damals aber eine große Katastrophe war. Das alte Buch endet mit dem ersehnten Anruf des Traummannes und hätte ein schönes Happy End sein können.
Aber nun erleben wir Cora als Frau Mitte 50, mit einem mittel spannenden Mann, der nicht der Traummann aus dem ersten Buch ist und 3 Kindern, die das Haus verlassen haben. Da kommt der glückliche Zufall, dass Cora die Hochzeit einer Bekannten fotografieren könnte und auf diesem Weg entdeckt sie alte Nachbarn wieder und findet eine Art neue Wahl-Familie. Alle haben ihre Probleme, Krankheiten, Glück und Unglück in ihren ganz unterschiedlichen und unterschiedlich langen Leben erlebt und man findet auch als Leser diverse Parallelen und Anregungen, das eigene Leben in diesen Spiegeln zu betrachten.
Das ist durchaus nicht alles lustig und rosarot geschrieben, gerade das Thema Sterbehilfe und unser Umgang in der modernen Medizin ist sehr kontrovers und schwierig und ich würde mir wünschen, dass es nicht so heimlich wie in diesem Buch ablaufen müsste.
Und wie sehr lässt man sich von Anderen und Äußerlichkeiten gängeln und beeinflussen und Zwängen unterwerfen, von denen man sich doch gerade im fortgeschrittenen Alter lösen könnte und sollte. Und trotzdem sollte man nicht alles hinwerfen, wenn neue Verlockungen auftauchen. Auch diese Entscheidung hat Cora nun zu treffen.
Mein Fazit: wieder ganz hinreißend geschrieben und locker und oft sehr witzig formuliert, aber mit vielen guten Denkanstößen und Anregungen, das eigene Leben und eigene Einstellungen zu hinterfragen. Deshalb 5 Sterne und ich werde mir das Buch gleich noch einmal vornehmen.

Bewertung vom 07.09.2023
Porträt auf grüner Wandfarbe
Sandmann, Elisabeth

Porträt auf grüner Wandfarbe


ausgezeichnet

Europäische Geschichte über 4 Generationen

Die Übersetzerin Gwen bekommt ganz überraschend von ihrer Tante Lily das nicht abschlagbare Angebot, mit ihr auf eine Reise in die deutsch-polnische Heimat eines Teils der Familie zu reisen. Nachfolgend blättert sich ein sehr verwickeltes und weitreichendes Familiengeflecht auf, mit jüdischen Vorfahren, aus italienischen Adelsgeschlechtern stammenden Ahnen und dazu noch die Lebensgeschichten von sehr engen Freunden und Bekannten, das ist erstmal durchaus fordernd zu lesen.

Nach einer Weile bekommt man langsam einen Überblick. Gwen findet nach diesem ersten Anstoß, sich mit der Familiengeschichte zu befassen, Briefe und Tagebücher, die ihr auch Erklärungen zum Verhalten ihrer engeren Familie geben. Ihr Mutter war ein nahezu depressiver Mensch und ist unter sehr unklaren Verhältnissen in Gwens Kindheit in den Alpen verunglückt, das war natürlich ein sehr gravierender Einschnitt in Gwens Leben.
Und die Reise nach Pommern bringt weitere Erkenntnisse, nicht alle glücklich und schön, aber immer interessant und mit sehr überraschenden Wendungen. Ganze Verwandtschaftsgrade und –verhältnisse ordnen sich neu.

Man sieht, wie eng damals ganz unterschiedliche Volksgruppen zusammengelebt haben, Polen, Kaschuben, Bayern, Engländer, Italiener, Juden, Katholiken und viele weitere und wie unnötig und brutal dieses funktionierende Geflecht durch die Nazizeit im 3. Reich zerrissen und zerstört wurde. Und dass diese Taten und Ereignisse noch Auswirkungen bis in die heutige Zeit haben.

Das Buch ist definitiv keine leichte Ferien-Sommerlektüre, manche Passagen lesen sich wirklich schwer und trotzdem hat es mir Freude gemacht. Es wird ein ganz großer Bogen über fast ein ganzes Jahrhundert mit all seinen historischen Ereignissen und über den halben europäischen Kontinent gespannt, sehr interessant und auch lehrreich.
Und natürlich gibt es auch für Gwen ganz privat ein Happy End, soviel Spoiler muss dann doch sein. Dafür von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 25.07.2023
Eine Lady hat die Wahl
Irwin, Sophie

Eine Lady hat die Wahl


sehr gut

Freiheit und Liebe?
Die junge Lady Eliza hat nach dem überraschenden Tod ihres ungeliebten Ehemanns zum ersten Mal in ihrem Leben die Möglichkeit, frei und unabhängig über ihr Leben zu entscheiden. Denn ihr Mann hat ihr völlig überraschend ein sehr beträchtliches Vermögen hinterlassen, wenn auch nicht ohne eine einschränkende Klausel. Und sie ist erstmal völlig überfordert von den Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Zum Glück hat sie ihre Cousine Margaret an ihrer Seite, die ihr bei den ersten Schritten hilft. Sie kehrt nicht in das Haus ihrer herrschsüchtigen Familie zurück, sondern zieht mit Margaret nach Bath, natürlich nur der Gesundheit zuliebe.

Und trifft dort neue Bekanntschaften, unter anderem auch das aufregende Geschwisterpaar Lady und Lord Melville. Und es dauert nicht lange, bis ihr Melville den Hof macht. Allerdings ist Elizas Herz noch an ihre Jugendliebe Lord Somerset gebunden und so befindet sie sich bald in einem tiefen Zwiespalt.
Und gleichzeitig entdeckt sie auch die Freuden eines unabhängigen selbstbestimmten Lebens, ein überaus großes Privileg für eine Frau in dieser Zeit. Möchte sie dieses wirklich wieder für einen Mann aufgeben? Oder wäre mit einem der Kandidaten Liebe und Freiheit möglich?

Das Buch liest sich flüssig und leicht und es macht großen Spaß zu sehen, wie sich Eliza langsam aus einer verschüchterten grauen Maus zu einer lebensfrohen jungen Frau entwickelt. Und auch Margaret entdeckt ganz neue Welten. Wenn nur nicht immer Gefühle dazwischenkommen würden und für Probleme und Verwicklungen sorgen würden. Und dieses Thema ist heute genauso aktuell wie damals, wieviele Kompromisse geht man für eine Beziehung ein, wieviel Selbständigkeit und Unabhängigkeit kann man sich erhalten? Da eine gute Balance zu finden ist auch heute noch eine Schwierigkeit.

Also ein amüsantes Sommerbuch in netter historischer Kulisse, dafür von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 29.06.2023
Der Freiheit entgegen / Die Gutsherrin-Saga Bd.3
Graw, Theresia

Der Freiheit entgegen / Die Gutsherrin-Saga Bd.3


sehr gut

3 junge Frauen suchen ihren Weg

Die beiden Freundinnen Clara und Sanni haben gerade die Schule beendet und beginnen einen neuen Lebensabschnitt, Clara will Fotografie studieren und Sanni ein Schauspielstudium beginnen. Doch bei Sanni legen sich die Eltern quer, sie soll in der elterlichen Bäckerei helfen und Clara verliert nach anfänglichen Erfolgen über ihre ganz frische Liebe zu Freddy wichtige Termine an der Hochschule aus den Augen und wird aus dem Studium ausgeschlossen.

Überhaupt ist der unkonventionelle und lockere Freddy nun ihr Lebensmittelpunkt und dieser zieht eines Tages wieder zurück nach Hamburg. Und da den beiden Mädels München insgesamt verleidet ist, machen sie sich ganz einfach auch auf den Weg in den Norden. Glücklicherweise treffen sie auf der Reise auch noch auf 2 junge Italiener, Dino und Maria, die den beiden zu echten Freunden werden. Denn das Leben in Hamburg lässt sich bei weitem nicht so einfach an wie gedacht.

Leider ist für eine Frau so etwas wie Karriere in den 60iger Jahren nicht vorgesehen, sie sollen zu Hause ordentlich den Haushalt führen und die Kinder brav erziehen. Aber weder Clara, noch Sanni und Maria geben sich damit zufrieden und kämpfen sich durch manche Schwierigkeiten. Die nicht zuletzt auch durch ihre Männer kommen und deshalb wird aus manch einer großen Liebe eine große Enttäuschung mit bitteren Tränen. Manchmal möchte man vor allem Clara gerne die Augen öffnen, wenn sie wieder und wieder wegen Freddy Probleme bekommt.

Zugleich werden auch historische Teile der westdeutschen Nachkriegsgeschichte mit in den Roman verwoben, zum Beispiel die ersten Beatles-Auftritte in Hamburg, der Besuch von Kennedy in West-Berlin und der große Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Diese Teile geben dem Buch eine gewisse Tiefe und das gefällt mir sehr gut. Der Schreibstil ist locker und flüssig, das Buch liest sich sehr gut weg, wenn man erst einmal im Roman drinnen ist.

Deshalb von mir sehr gute 4 Sterne.

Bewertung vom 08.05.2023
Tod in Siebenbürgen
Werrelmann, Lioba

Tod in Siebenbürgen


sehr gut

Mord im Dracula-Schloss in Siebenbürgen

Der Investigativ-Journalist Paul Schwartzmüller ist gebürtiger Siebenbürgen-Sachse, ist aber mit seinem Vater schon als Kind in die BRD umgesiedelt und hat seine Herkunft und Familiengeschichte seither verdrängt. Aber irgendetwas arbeitet trotzdem in seinem Unterbewusstsein und das bricht sich Bahn, als er die Nachricht vom Tod seiner einzigen Tante bekommt und ihr Erbe antreten soll.

Er fliegt kurzerhand nach Rumänien und ist sogleich verzaubert von der großartigen Landschaft, von Gerüchen seiner Kindheit und Erinnerungen, die auf ihn hereinstürzen. Und auch sein alter Kinderfreund Sorin freut sich sehr, Paul wiederzusehen und es beginnt ein fröhliches Zechen.
Allerdings endet die Nacht mit der Verhaftung Sorins, der blutüberströmt neben einer Leiche gefunden wird und Paul nur noch bitten kann, Nachforschungen anzustellen. Das tut Paul auch, aber findet einfach keinen Zugang zu der Geschichte. Alle wissen scheinbar mehr als er und alle haben irgendwelche dunklen Geheimnisse, nicht zuletzt auch die sonderbare Frau, die auf dem Hof seiner Tante lebt.
Aber dann erhält Paul Unterstützung von ganz unerwarteter Seite und so langsam, wie er Licht ins Dunkel um den Mordfall bringt, so sehr offenbaren sich ihm auch Geheimnisse seiner eigenen Familiengeschichte, die nicht wirklich schön sind.
Mir hat der Roman sehr gefallen, da er vieles zusammenbringt: die Landschaft in Siebenbürgen, die ganz unterschiedlichen Volksgruppen, die mehr oder weniger friedlich miteinander leben, aber auch die Auswirkungen des furchtbaren Ceaucescu-Regimes, die noch heute zu spüren sind und auch in Pauls Familie ihre Spuren hinterlassen haben. Ebenso ist mir Paul recht sympathisch, wie er so leicht unbeholfen durch das ganze Buch wandelt und immer einen Schritt hinter den Ereignissen herläuft. Und zum Schluss auch noch zarte Gefühle für die überraschende Maia auf seinem Hof entdeckt, die auf eine Fortsetzung der Buchreihe hindeuten.
Dafür von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 27.03.2023
Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2
Burton, Jessie

Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2


ausgezeichnet

Konventionen oder selbstbestimmtes Leben
Leider hat mir hier der Hinweis gefehlt, dass es sich um die Fortsetzung eines früheren Romans handelt und die ganzen Vorgeschichten der handelnden Personen bleiben leider größtenteils im Dunkeln, sind aber aus meiner Sicht ziemlich wichtig.
Die junge Thea lebt als Mischlingskind im Amsterdam des 17. Jahrhundert in einer vorgeblich wohlhabenden Kaufmannsfamilie mit ihrem verwitweten Vater Otto, ihrer Tante Nella und ihrer alten Kinderfrau Cornelia, aber das Ganze ist ein ständiger Kampf um das liebe Geld, die Familie versetzt nach und nach die gesamten Wertgegenstände, um zu überleben und um den Schein zu wahren. Dazu wird die Geschichte um diverse Skandale der Familie konsequent totgeschwiegen, was es sowohl für Thea wie auch den Leser nicht einfacher macht.
Eine Heirat zwischen Thea und einem möglichst wohlhabenden Mann scheint da die nahe liegendste Lösung, aber Thea hat nicht nur einen eigenen Kopf, sondern auch viele große Rosinen darin und ist dazu noch unsterblich verliebt in das Theater an sich und einen jungen Bühnenmaler im Besonderen. Leider erweist sich dieser als intrigantes und betrügerisches Ekel, was Thea einen ganz beträchtlichen Schlag versetzt.
Andererseits ist die Familie aber auch nicht bereit, auf ihr Ansehen und Prestige zu verzichten und der ganzen bürgerlichen Stadtwelt den Rücken zu kehren und so läuft alles auf eine Katastrophe zu.
Leider hat mich dieses Buch nicht so richtig gepackt, ich finde zwar die Beschreibung der mittelalterlichen Stadt sehr gelungen, kann aber die Handlungen der Hauptpersonen oft nicht nachvollziehen und verstehen. Vielleicht fehlt mir hier eben der erwähnte Hintergrund aus dem ersten Buch und wirklich sympathisch ist mir hier auch niemand.
Das schlägt sich auch in meiner Bewertung mit 3 Sternen nieder.

Bewertung vom 22.02.2023
Bissle Spätzle, Habibi?
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi?


sehr gut

Marokko meets Hamburg meets Schwaben
Amaya ist die Tochter einer marokkanischen Einwandererfamilie und lebt eigentlich ganz glücklich als Single in Hamburg. Sie ist Anfang 30 und arbeitet als Darstellerin in einer Daily Soap, aber das alles missfällt ihren Eltern sehr. Amaya muss wie ihre beiden Geschwister möglichst zeitnah unter die Haube gebracht werden und dafür kommt nur ein Muslim in Frage.
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf: Mutter und Schwester organisieren Amaya einen passenden muslimischen Date-Partner, aber leider trifft nicht dieser in Amayas Herz, sondern sein biodeutscher atheistischer Freund Daniel, der sich auch von Amaya begeistert zeigt. Aber wie bringt sie nun diesen unmöglichen Partner ihren Eltern nahe?
Ich war doch sehr erstaunt, wie traditionell und konservativ offenbar auch schon lange in Deutschland lebende Einwandererfamilien noch sind. Und wie sehr sich auch hier geborene Kinder von den alten Leitbildern gängeln und einschränken lassen, ob es nun Partner- und Berufswahl ist oder so alltägliche Sachen wie Ernährung. In Rückblenden werden Szenen und Ereignisse aus Amayas Vergangenheit beschrieben, wo sie mir sehr leid tut. Die Kinder bzw. jungen Erwachsenen stehen in einem sehr schwierigen Zwiespalt zwischen ihrem „normalen“ Leben und dem, was sie ihren Eltern mehr oder weniger vorgaukeln. Wenn auch durchaus mit schlechtem Gewissen.
Aber auch Daniel muss hier einiges einstecken, was mir nicht besonders glaubhaft erscheint. Er stellt Amaya seinen Eltern vor und lebt mit ihr in einer Wohnung, aber Sex gibt es nicht, das kann ich mir über einen längeren Zeitraum nicht vorstellen. Amaya verstrickt sich immer mehr in ihren Lügen gegenüber Eltern und Daniel und natürlich fliegt irgendwann alles auf.
Das Ganze liest sich durchaus flüssig und unterhaltsam, manches kommt mir doch etwas übertrieben vor, aber insgesamt gibt mir das Buch doch ganz spannende und interessante Einblicke in das Leben von Mitmenschen mit anderem kulturellen Hintergrund. Dafür von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 22.02.2023
STONE BLIND - Der Blick der Medusa
Haynes, Natalie

STONE BLIND - Der Blick der Medusa


ausgezeichnet

Griechische Mythologie mal ganz anders

Ich muss gleich bekennen, dass ich von diesem Buch sehr begeistert bin. Ich kenne mich recht gut in der griechischen Sagenwelt aus und das ist natürlich eine recht männliche Sicht auf die Welt. Die Helden wie z. B. Perseus ziehen durch die Lande und töten Ungeheuer und befreien unschuldige Jungfrauen, die Götter greifen gerecht und ausgleichend ein.
Und nun dagegen die Sicht von Natalie Haynes: der Held stolpert relativ dusselig durch die Welt, weiß weder, warum er etwas tut noch wie er von A nach B kommt, um dieses oder jenes zu tun. Ohne die mehr oder weniger hilfreichen Eingriffe der Götter wäre er vermutlich nicht mal von seiner Insel heruntergekommen.
Die Götter Athene und Hermes wiederum, die sich untereinander nicht wirklich grün sind, haben auch keinen rechten Plan, warum sie ausgerechnet diesem Mann helfen sollen, die Interessen innerhalb des Olymps sind sehr unterschiedlich und gerade die Beschreibung des Binnenverhältnisses zwischen Zeus und Hera hat mich jedes Mal wieder zum Lachen gebracht. Gerade die ganzen Eifersüchteleien, Intrigen und Zwistigkeiten sind so wunderbar menschlich und realistisch, einfach herrlich.
Die meisten Handlungen der Götter sind von großer Irrationalität geprägt, Athene z. B. bestraft Medusa dafür, dass diese von Poseidon in Athenes Tempel vergewaltigt wird und damit der Tempel geschändet ist. Anstatt ihren berechtigten Zorn am Verursacher Poseidon auszulassen, wird das Opfer Medusa zum 2. Mal zum Opfer gemacht.
Und Medusa ist als sterbliche Halbgöttin eine für mich sehr positive Figur, sie liebt ihre absonderlichen Gorgonenschwestern und diese ihre kleine seltsame Schwester ebenso. Diese Beziehung ist sehr anrührend beschrieben.
Mir hat das Lesen dieses Buches sehr viel Spaß gemacht, allerdings würde ich anderen Lesern doch eine gewisse Grundkenntnis der griechischen Sagenwelt empfehlen, dann bereitet das Buch sehr viel mehr Vergnügen, mal eine ganz andere, weniger heroische Sicht gezeigt zu bekommen. Deshalb von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 09.01.2023
Die Tochter der Hungergräfin
Spratte, Annette

Die Tochter der Hungergräfin


ausgezeichnet

Kampf um das Erbe

Mir hat schon der Vorgängerroman von Anette Spratte gut gefallen und hier hat mich das Thema um den Kampf einer Gräfin um ihr Erbe gegen die männlich dominierte Umwelt sehr angesprochen.
Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein ist eine historische Figur, sie war verwitwet und ihr Sohn, der die Erbfolge eigentlich halten sollte, ist schon als Kleinkind verstorben, nur die beiden Töchter überlebten. Und aus Sicht der älteren Tochter, Ernestine, wird dieser Roman erzählt. Schon kurz nach dem Tod des kleinen Erbgrafen wird der Gräfin der Besitz sowohl von kirchlicher wie auch weltlicher Seite, besonders aus der eigenen Verwandtschaft streitig gemacht. Sie verschanzt sich in einem Schloss und alle Bewohner leiden durch die Belagerung schrecklichen Hunger, bis der Gräfin samt Töchtern die Flucht gelingt. Dabei ist die Gräfin durchaus hart und streng auch zu ihren eigenen Kindern, Sonderbehandlungen gibt es nicht und Ernestine wird schon sehr zeitig mit den Regeln und Verhaltensvorschriften der Mutter vertraut gemacht. Das gefällt dem Mädchen durchaus nicht immer, aber schlussendlich lernt sie ungeheuer viel und versteht mit der Zeit auch die Gründe ihrer Mutter.
Es beginnt eine lange Zeit des Kampfes um das Erbe, viele können nicht verstehen, warum die Gräfin so hartnäckig insistiert und sich nicht einfach mit einer Abfindung zur Ruhe setzt, aber Aufgeben ist nicht ihre Sache. Sie fühlt sich auch der Bevölkerung verpflichtet, die sehr unter dem 30jährigen Krieg gelitten hat. Ob dem wahrhaftig so war, bleibt nur zu vermuten.
Aber auch ein bisschen Liebe und Gefühle gehören zum Roman, immerhin ist Ernestine eine hübsche junge Frau, die es allerdings schwer hat auf dem Heiratsmarkt.
Es hat mir Spaß gemacht, das Buch zu lesen, deshalb von mir gute 4 Sterne.

Bewertung vom 09.01.2023
Ein Abend mit Marilyn
Wildner, Maxine

Ein Abend mit Marilyn


ausgezeichnet

Diva und unsicheres kleines Mädchen

Marylin Monroe wird 36 und es soll eine kleine Party zu ihren Ehren stattfinden. Alle Gäste sind schon da, nur das Geburtstagskind fehlt. Wie immer zu spät und es ist wie immer auch unsicher, ob sie überhaupt noch erscheint. Während der Wartezeit springt das Buch in die gemeinsamen Zeiten der einzelnen Gäste mit Marylin. Und immer wieder zeigt sich, dass es ungute, enttäuschte, verratene Beziehungen sind.
Ob es sich um ihre Mutter handelt, die Norma Jeane schon als Baby an fremde Menschen abgibt, ob es ihr gewalttätiger Ehemann Joe DiMaggio ist oder Kollegen wie der Schauspieler und Regisseur Lawrence Olivier, für den und mit dem die gemeinsamen Filmdrehtage eine einzige Katastrohe waren.
Und man wundert sich, wie aus einem kleinen, ständig nur hin- und hergeschobenen, vernachlässigten und missbrauchten Mädchen doch ein so großer Weltstar werden konnte, der ganze Generationen verzauberte. Mir tut sie zutiefst leid. Mit diesem Hintergrund erscheint es fast zwangsläufig, dass sie keine stabile gesunde Beziehung zu anderen Menschen aufbauen konnte und zum Missbrauch durch andere geradezu eingeladen hat. Viele wollten lediglich an ihrem Ruhm teilhaben, die Männer wollten das Sexsymbol und kamen dann nicht mit der unsicheren Frau hinter der Fassade klar.
Das Buch ist natürlich keine Biografie, ob diese Feier in dieser Zusammensetzung wirklich stattgefunden hat, weiß ich nicht, aber ihr Tod nur wenige Wochen nach diesem Geburtstag kündigt sich schon sehr deutlich an. Sie ist schwer alkohol- und medikamentenabhängig und sie hat Angst vor dem Alter, zumal aufgrund ihrer Unzuverlässigkeit und ihrem schwierigen Verhalten während der Filmdrehs ein Ende ihrer Karriere nahezu zwangsläufig erscheint.
Das Buch hat mir sehr gefallen, es liest sich einfach und bringt mir den Menschen Marylin sehr viel näher, daher von mir 5 Sterne.