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Benutzername: 
katharina.51
Wohnort: 
Kaiserslautern

Bewertungen

Insgesamt 67 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2024
Akikos stilles Glück
Sendker, Jan-Philipp

Akikos stilles Glück


sehr gut

"In der Stille finden wir zu uns"
In einem Land, in dem man bestrebt ist, die Norm zu wahren, werden Dinge getan, die sich, zumindest aus westlicher Sicht,völlig außerhalb der Norm bewegen, Hochzeiten mit sich selbst, Mietväter, Mietverwandschaft für Beerdigungen und alle anderen Anlässe, alles um der Norm zu entsprechen, um nicht aus dem Rahmen zu fallen. "Der Nagel, der hervorsteht wird eingeschlagen", ein japanisches Sprichwort, dass nur allzugut auf unsere Protagonistin Akiko zutrifft. Von Kind an, war sie durch ihr Schreibtalent hervorstehend, wie der sprichwörtliche Nagel, wie auch ihr Klassenkamerad Kento durch sein großes musikalisches Talent und abweichendes Verhalten ein hervorstehender Nagel war.
Beide treffen sich zufällig des nachts im riesigen Tokio auf der Straße.
Kento war zum berüchtigten Hikikomori geworden und Akiko hielt sich in ihrem gewählten Beruf als Buchhalterin an Zahlen fest. Beider Talente lagen brach.
Akiko beginnt sehr behutsam eine federleichte Beziehung zu Kento aufzubauen, der ihr die entscheidenden Fragen stellt, die dazu führen, dass sie ihr Leben radikal umkrempelt.

Auch wenn das Buch nicht von einem Japaner geschrieben wurde, kann man eine Menge über das moderne Leben in japanischen Großstädten erfahren.
Der Autor hat sein Werk mit viel Verstehen und Empfinsamkeit geschrieben.
Ein schönes Buch dessen Einband ein wahrer Blickfang ist.
Ich habe es sehr gerne gelesen.

Bewertung vom 28.08.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Ein Buch, wie das Ballett "Boléro von Maurice Ravel.
Ein Buch, aufgebaut ähnlich dem Ballett "Boléro" von Maurice Ravel. Eine ständige Wiederholung im gleichen Rythmus mit wachsendem Crescendo, bis zum dramatischen, misstönenden Paukenschlag der Wahrheit.
Der Leser besteigt eine Wendeltreppe der Wochentage und Gedanken, deren immer geiche Spiralen sich im Raum nach oben bewegen, einer Höhe entgegenstreben, einem Endpunkt zu.
Eine Frau von vierzig Jahren, die vermeintlich alles hat, jagt einem Phantom hinterher, dem ewigen Verliebtsein. Sie hat sich durch ihre Ehe die Heilung von all ihren Ängsten versprochen. "In Wahrheit hat mir die Heirat keinen Frieden gebracht." "Verpflichtungen fand ich überall, aber die Liebe nirgends."
Ihr Leben sieht sie von außen, wie ein Theaterstück, in dem jeder eine Rolle spielt. Durch ihr Beharren in ihren inneren Defiziten nimmt sie sich die Chance, eine wahre, umhüllende, tiefe Liebe kennenzulernen, die nicht vom Äußeren lebt.
Ihr Leben ist wie ein Tanz auf einem Seil, gespannt zwischen griechischer Tragödie und Komödie, zum Lachen und zum Fürchten, von süßester Romantik bis zu klarster Berechnung, zwischen Intelligenz und Unreife, zwischen glasklarer Logik und tiefster Verunsicherung, zwischen Aufopferung und grenzenloser Egomanie. Ein Buch zwischen Ideal und Psychiatrie.
Ein Buch, über das man ein Buch schreiben könnte.

Das Buch hat ein anziehendes Cover von einer schönen jungen Frau, die erstaunliche Ähnlichkeit mit der Autorin selbst hat, so wie auch in dem Buch eigene Erfahrungen der Autorin ihren Niederschlag finden

Bewertung vom 23.08.2024
Klippo
Goldfarb, Tobias

Klippo


sehr gut

Fantasie entfaltet ihre Flügel, Abenteuer bahnt sich an
Von katharina.51

Ein wunderbares Buch mit einem traumhaft schönen Cover. Vom ersten Wort an zieht es die Kinder in seinen Bann. Von allem ist die Rede, was Kinder lieben, die Fantasie beginnt vom ersten Wort an ihre Flügel zu entfalten. Abenteuer, Fantastisches, ein Tier, ein Junge ein Mädchen, Bösewichte, Geheimnisse, wunderbare Wörter, es gibt Piraten auf eisernen Schiffen, die aus dem Nebel auftauchen und ihre Geschützrohre mit einem hässlich knirschenden Geräusch aufrichten. Wer zittert nicht mit Klippo und dem Mädchen, wenn sie erscheinen?
Das Buch ist wunderbar geeignet, zum dramatischen Vorlesen.

Etwas ist mir gleich zu Anfang aufgefallen, ein kleiner Satz:
"...die meisten können nicht einmal richtig lesen."
Es ist von den Dorfkindern die Rede, die nicht die Fähigkeiten haben wie die Hauptperson Klippo.
Man sollte bedenken, dass es in der Welt Kinder gibt, die aus den verschiedensten Gründen nicht richtig lesen können, die sich von dieser Aussage herabgewürdigt fühlen könnten.

Bewertung vom 20.08.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


gut

Leben im Laufe der Weltgeschichte
Das neue Buch der Autorin ist die Fortsetzung ihrer Familiensaga von der Hofmühle aus ihrer Heimat, dem österreichischen Mühlviertel, das man auch ohne den vorangegangenen Band lesen kann.
Elisabeth, die Tochter des Hauses ist ein Kind aus der Zeit der Belle Epoque.
Sie durfte Bildung geniessen, wurde von Kind an gefördert selbständig zu denken und gehörte zu den ersten Generationen von Frauen, die das Abitur ablegen durften. Auch konnte sie Medizin studieren, trotz vehementer Gegnerschaft von Seiten der Professoren, die generell der Frau die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Denken absprachen. Es ist eine Zeit, in der das Frauenwahlrecht als Entartung galt, wider die Natur der Frau.
Sie schreibt ihr Leben auf, das von den zwei großen Weltkriegen geprägt wurde. Sie verdeutlicht, welche Dramatik diese Katastrophen in das Leben der Menschen und deren Schicksal brachte und das es trotzdem weiterging.
Sie ist alt geworden und schreibt aus der Warte eines abgeklärten Menschen, der vieles versteht, weil er vieles gesehen und vieles erlebt hat.

Die Autorin lässt Elisabeth in einem meist sachlichen Ton schreiben, ohne Überschwang oder poetische Schwärmerei, sie ist Ärztin, und somit dem nüchternen Denken verpflichtet. Sie nimmt den Leser mit, in Geschichte und deren Geschichten.
Durch die Aneinanderreihung vieler biographischer Daten, geht öfter die unmittelbare Spannung verloren. Es fehlt dem Buch ein wenig an literarischer Inspiration und Esprit.

Bewertung vom 05.08.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


ausgezeichnet

"berührende Erzählkunst"
Die Autorin, eine junge Frau, die sowohl naturwissenschaftliche Forschung betreibt, als auch Literatur studiert hat, erstaunt den Leser, auf wie meisterliche Weise sie diese beiden akademischen Fächer zusammenbringt.
Eine Zartheit und Zärtlichkeit für die Schöpfung der Natur spricht aus ihren Worten, die sich trotzdem an der reinen Lehre der Wissenschaft orientieren.
Sie übersetzt die blanken Fakten der Wissenschaft in die schönste Literatur.
In ihrem federleichten, poetischen Stil bringt die Autorin dem Leser die Geschichte um die Entdeckung der Stellerschen Seekuh nahe, deren "Begegnung mit dem Menschen kurz und schrecklich war", wie auch bei vielen anderen Kreaturen, die der Gier des Menschen zum Opfer gefallen sind.
Der Ansatz der Wissenschaft war vor dreihundert Jahren ein anderer, niemals hätte man gedacht, dass es durch die Hand des Menschen möglich sein könnte, eine so tiefgreifende Änderung, wie die Ausrottung von Arten herbeizuführen.
"Selbst der größte wissenschaftliche Geist ist fehlbar."
Naturwissenschaft und Literatur - eine gelungene Marriage

Bewertung vom 27.07.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


gut

Satire
Ben ist ein Jude, ein Jude wie er im Buche steht und zwar in dem unsäglichen Buche von Maurice Fishberg von 1913, das er zitiert.
Er ist intelligent und "blickt durch", auch hypochondrisch, ängstlich und schwermütig, "Glück ist für ihn ein befremdlicher Zustand".
Wie Stefan Zweig, über den er als Autor schreibt, wird er getrieben von einer drängenden Sehnsucht nach dem fernen Ideal.
Aber das Leben hat ihn am Wickel, Frau, Kinder und Freundin haben Erwartungen an ihn, die er nicht erfüllen kann, da er, obwohl schon an die Fünfzig, immer noch verstrickt ist, in die Betrachtung und Beurteilung seiner selbst. Sein Ich und sein Penis regieren ihn.
Auf der Flucht vor dem Dritten Weltkrieg nach Brasilien wird vielleicht alles anders, oder auch nicht.
Das Buch ist eine ironische Betrachtung eines Juden über sein Leben und das Weltgeschehen.
Leicht zu lesen, vieles zum Lachen, doch nicht den bitteren Ernst dahinter zu vergessen. Seine sexuellen Betätigungen hätte er gerne für sich behalten können.

Der Autor hat seinem Werk ein Wort von Leon Uris vorangestellt, das besser nicht passen könnte!

Bewertung vom 16.07.2024
Die Unvollkommenheit des Glücks
Bagus, Clara Maria

Die Unvollkommenheit des Glücks


gut

Anfänglich hat mich der Text sogar begeistert. Der Aufbau des Buches, mit den naturwissenschaftlichen und zeitgeschichtlichen Einschiebungen, den kurzen Kapiteln über psychologische und allgemeine Erkenntnisse der Welt und der Menschheit hatten mir gefallen, all dies ist eingebunden und zusammengefasst in der Lebensgeschichte zweier Menschen.
Ohne diese romanhafte Erzählung, hätte man das Buch auch als Aphorismensammlung der Autorin herausgeben können.
Als Psychologin weis sie, wie sie mit ihrer depressiven Protagonistin Ana umgehen muss. Wie aus einem der vielen Lebensratgeber hören sich ihre Sätze an. Wenn nur die Umsetzung so einfach wäre.
Manchmal erscheinen ihre Sätze kryptisch, gewollt poetische Umschreibungen von inneren und äußeren Zuständen, postuliert ihre Erkenntnisse als Wahrheiten, die einer kritischen Erörterung bedürften.

Ich bin an einen Punkt gekommen, wo ich das Gelesene als kitschig empfinde und nicht mehr weiterlesen will, zuviel honigfarbenes Licht.

Bewertung vom 10.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


ausgezeichnet

Pures Lesevergnügen!
Von katharina.51

Das Buch von Amor Towles beginnt mit einem kultivierten Parlando der verschiedenen Protagonisten, das sich langsam, ohne, dass der Leser es ahnt, zu einem literarischen Kriminalstück entwickelt. Die Szenen spielen im Hollywood der dreissiger Jahre und sind verknüpft mit den großen Filmstudios der Zeit, die auch heute noch existieren und sowohl ihren Zauber als auch ihre Macht ausüben. Eve, die Titelheldin war die "neueste Nachtigall in der Stadt" und eine Frau par excellence.
Eine leichte Lektüre in eleganter Sprache, gewürzt mit Humor und Schmerz, die direkt nebeneinander liegen.
Ein Autor, der schon lange Jahre den Menschen in der Gesellschaft beobachtet hat, seine klugen Schlüsse daraus zieht und fein formuliert, in einer geschliffenen und durchdachten Sprache, die von Bildung, Weltläufigkeit und Kultiviertheit zeugt.
Ein absolut unterhaltsames Buch, das mir großes Lesevergnügen bereitet hat!
Von diesem Autor werde ich sicher noch mehr lesen.

Bewertung vom 04.07.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


sehr gut

Ein Weckruf!
Wenige Autoren sind mit sovielen Literaturpreisen bedacht wie Elif Shafak. Mit großer Leidenschaft, Mut und Mitgefühl für das Schicksal der Eziden hat sie dieses Buch geschrieben. Sie hat dafür eine umfassende Recherche betrieben, die sie ausführlich in ihren Anmerkungen beschreibt. Eine Fundgrube an Literatur, für alle die sich für die Vielzahl der, in ihrem Buch angesprochenen Themen weitergehend interessieren.
Alles beginnt in Mesopotamien, dort wo der Garten Eden war, wo die Wiege der Zivilisation und Kultur stand, dort wo die Sintflut ihren Anfang hatte und die Erzählung von Gilgamesch in Hieroglyphen in Lehm gedrückt, oder in Lapislazuli geschnitten wurde.
Am Ufer des Tigris fällt ein Regentropfen in Assurbanipals Haar und landet tausende Jahre später als Schneekristall an der Themse, auf dem Körper von Arthur, dem Entzifferer von Hieroglyphen, der sich aufmacht nach Mesopotamien und unterwegs die religiöse Rechtfertigung erfährt, aus welchem Grunde man die Eziden töten soll. Dieser Grund gilt heute noch und wurde auch bei dem letzten Massaker durch den IS angewendet.
Die Autorin setzt in ihrem Buch einen Gedenkstein für dieses Volk.

Bewertung vom 05.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

Die Autorin ist sechzig geworden, vor ihr liegen der Lebensabschnitt des Alterns und der Tod, der schon früh in ihrem Leben eine Rolle gespielt hat.
Ihr Vater starb durch einen Autounfall, als sie gerade ein paar Monate alt war.
Sie kannte ihn nicht und doch war die Tatsache eines toten Vaters und eines vaterlosen Kindes immer in ihrem Leben präsent.
Ihr wurde früh bewusst, dass das Schicksal plötzlich zuschlagen kann, dass der Tod an jeder Ecke lauert, dass sich von einer Sekunde auf die andere alles radikal ändern kann. Nie kann man sicher sein.
Eine schreckliche Erfahrung und Gewissheit, die das Leben und Denken prägt.
Die Autorin ist aus ihrem anderen Leben, dass sich in Berlin und sonstwo auf der Welt abgespielt hat zurückgekehrt in ihre Heimat, zur Mutter, in die Schweiz.
In wöchentlicher Kaffehausrunde reden sie und ihre Freunde über alles, über das Leben und den Tod.
Immer wieder plagt sie die Frage, wie ihr Leben verlaufen wäre, wäre der Vater nicht getötet worden und die Frage nach dem Anderen, dem Unfallverursacher, dem Töter, hat er sein Leben lustig und in Freuden einfach so weitergelebt, wer ist er überhaupt.
Sie will sich nach so langer Zeit auf die Suche nach ihm machen, "Rede mit ihm, schließlich hat er tief in dein Leben eingegriffen", so bestärken sie ihre Freunde in ihrem Vorhaben.