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pw

Bewertungen

Insgesamt 114 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2024
Leute von früher
Höller, Kristin

Leute von früher


ausgezeichnet

Leseerlebnis zum Wohlfühlen

Dieser Roman ist voller Herzenswärme und ich habe mich beim Lesen richtig wohl gefühlt.

Kristin Höller schreibt auf ganz besondere Art. Immer wieder stieß ich auf Formulierungen, die ich als unheimlich treffend und gleichzeitig schön empfand. Auf den Anfang „Es war ein Wetter ohne Jahreszeit“ muss man erst einmal kommen. Oder dass jeder in Polyester nur ein „Glitch“ in dieser altertümlichen Welt ist.

Der Schauplatz ist eine Insel in der Nordsee, deren Geschäftsidee zu 100% aus Erlebnisgastronomie besteht. So wechselt die Handlung zwischen altertümlichen Kulissen und dem Drumherum, z. B. den Baracken, wo die Saisonkräfte wohnen, die den altertümlichen Teil immer in Kostümen betreten müssen.

Die queere Liebesgeschichte zwischen der Hauptheldin Marlene und der Einheimischen Janne nimmt einen zentralen Platz in diesem Roman ein, und beim Lesen erleben wir mit, wie sich hier etwas ganz Besonderes entwickelt.

Aber dieser Roman ist viel mehr als das. Keine Nebenfigur überflüssig, keine Detail zu viel. Immer wieder war ich erheitert, vor allem über gewisse Blicke hinter die Kulissen. Auch den witzigen Briefwechsel zwischen Marlene und ihrer Oma fand ich zum Schmunzeln, allein schon die Art, wie dieser stattfindet: Marlene schreibt Postkarten und die Oma antwortet per SMS.

Die Sache mit einem Geheimnis, das sowohl Janne als auch andere Einheimische betrifft, wird insbesondere zum Ende hin immer spannender. Die Auflösung bzw. das Ende des Romans haben mich ziemlich überrascht.

Kurz gesagt: Ein ungewöhnlicher Pageturner mit unerwartetem Ausgang. Dabei war es für mich die ganze Zeit ein Leseerlebnis zum Wohlfühlen. Einfach zu schnell vorbei.

Bewertung vom 11.04.2024
Das Resort
Goodwin, Sarah

Das Resort


gut

Fragliche Konstruktion

Was ist das für eine spannend geschriebene Geschichte! Das hatte ich schon nach wenigen Abschnitten gedacht. Denn die in der Kurzbeschreibung vorgestellte Situation tritt recht schnell ein: Gruseliges Szenario – die Protagonistin allein in einem verlassenen Dorf.

Die Autorin hat die Ängste und überhaupt die Gefühle der Hauptfigur Mila sehr anschaulich und fesselnd beschrieben.

Ich dachte zwar nach einer Weile: Hoffentlich geht das jetzt nicht nur so weiter mit Mila panisch allein im Wald. Aber nein, abwechslungsreiche Rückblenden und weitere gruselige Erlebnisse lockern alles auf.

Es scheint zwar zunächst irgendwie horrormäßig und mystisch zu sein, aber es ist ein Thriller und in so etwas hat doch letzten Endes alles seine rationale Erklärung. So auch hier.

Ein wenig an der Nase herumgeführt hat mich die Autorin dabei und so etwas erwarte ich von einem guten Thriller.

Die Story ist sehr spannend und hat mich sehr gut unterhalten. Trotzdem weiß ich nicht so richtig, wie ich dieses Buch bewerten soll.

Im Nachhinein betrachtet ist es an vielen Stellen äußerst unrealistisch. Ich kann sie nicht aufzählen, denn dann würde ich spoilern.

Nur diese allgemeine Anmerkung: Ich bin der Meinung, so etwas ist in Bayern nicht möglich. Hätte es irgendwo in der kanadischen Wildnis gespielt, wäre es etwas anderes gewesen. Aber derart verlassene Ecken, wo jemand regelrecht verschwinden kann, gibt es in Deutschland wohl kaum.

Ich weiß, mit diesem Einwand stelle ich die ganze Konstruktion in Frage.

Deshalb kann ich auch nur drei von fünf Sternen vergeben.

Bewertung vom 31.03.2024
Gnadenkalt
Klink, Isa

Gnadenkalt


sehr gut

Spannender Krimi mit ein wenig Grusel

Dieses Buch ist zwar als Schwarzwald-Thriller deklariert, aber ich empfinde es weniger als Thriller, sondern mehr als soliden Kriminalroman.

Meiner Meinung nach hätten für einen Thriller spektakulärere Twists dazugehört. Aber das macht nichts, denn auch gute Kriminalromane lese ich sehr gerne.

Die Autorin hat einen wunderbar eingängigen Schreibstil, so dass ich zwischendurch kaum aufhören konnte.

Die Hauptfigur der Kriminalpsychologin Cora Brecht fand ich sehr sympathisch und ich habe direkt mit ihr mitgefiebert.

Gefallen haben mir auch die Perspektivwechsel zwischen Opfer, Ermittlern und Tätern. Das hat die Geschichte sehr gut aufgelockert und immer wieder neue Fragen aufgeworfen.

Bis auf ein paar Kleinigkeiten, wo ich die Motive nicht zu 100% nachvollziehen konnte, wurden diese Fragen für mich zufriedenstellend beantwortet.

Dieses Buch ist der zweite Teil einer Reihe, aber auch allein gut lesbar. Den ersten Teil kenne ich (noch) nicht. Ich werde ihn wohl nachholen. Bestimmt werden noch weitere Teile folgen, auf die ich mich schon freue.

Wer spannende Krimis mit ein wenig Grusel mag, sollte diesen lesen.

Bewertung vom 25.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Zeitreisen in fremde Kultur

Mit diesem Buch habe ich eine Reise nach Kamerun gemacht. Besser gesagt waren es mehrere Reisen, vor allem Zeitreisen. Die gingen zum Teil rund 100 Jahre zurück.

Das Buch beginnt mit der schwangeren Issa, der Hauptheldin, die zu ihren Wurzeln nach Kamerun zurückreist, um sich dort magischen Ritualen zu unterziehen, damit ihr Kind gesund zur Welt kommt. Eigentlich glaubt sie nicht wirklich an so etwas, aber auf Drängen ihrer Mutter hat sie nachgegeben und die Reise angetreten.

Issas Erlebnisse bilden die Rahmenhandlung für diesen Roman, der zwischendurch immer wieder zurück zu ihren weiblich Vorfahren reicht, so dass beim Lesen ein sehr komplexes und lebendiges Bild von jener Kultur und deren Wandel entsteht.

Die Autorin schreibt sehr lebendig und einfühlsam. Ich habe alles direkt vor mir gesehen und auch emotional nachvollziehen können.

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass diese Reise Issa vor allem eines bringt: Klarheit über sich selbst und was sie möchte.

Dieses Buch ist eine sehr gelungene Kombination aus für mich ungewöhnlichem Handlungsraum und eindrucksvoller Erzählkunst mit einem sehr sympathischen Sinn für Humor.

Wer so etwas wie ich sehr gerne mag, für den ist dieses Buch zu empfehlen.

Bewertung vom 14.03.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


sehr gut

Ehrlich und anrührend

Der ehrliche Finder ist eine unheimlich ehrliche Geschichte. Sie wird aus der Sicht eines vielleicht Achtjährigen erzählt und Kinder sind nun einmal ehrlich.

Der Hauptheld Jimmy hat in Tristan einen Freund gefunden. Tristan ist ein Flüchtlingsjunge aus dem Jugoslawien-Krieg, der mit seiner Familie nach Belgien geflohen ist. Jimmy soll Tristan in der Schule helfen und das macht er sehr gut. So werden die beiden Freunde.

Tristan ist älter als Jimmy und unter normalen Umständen wären die beiden wahrscheinlich keine Freunde geworden. Aber Tristan ist Jimmy sehr dankbar und weiß dessen Hilfe zu schätzen. Deshalb ist er ihm auch freundschaftlich verbunden.

Auch wenn die beiden irgendwie eine gemeinsame Sprache und eine kleine gemeinsame Welt gefunden haben, so sind ihre Welten ansonsten dennoch sehr verschieden. Das sehe ich in der Sache mit der Flippo-Sammlung symbolisiert. Jimmy ist leidenschaftlicher Sammler von diesen runden Bildern aus Chipstüten und würde so gern Tristan damit anstecken…

Jimmy ist ein sehr einsamer Junge und ich sehe sein Klammern an die Freundschaft zu Tristan ein wenig als Kompensation seines eigenen fehlenden Familienlebens: Sein Vater ist weg und seine Mutter scheint auch nicht allzu führsorglich zu sein.

Trotz allem ist das Buch keinesfalls schwermütig. Oftmals ist es sogar ein wenig zum Schmunzeln, wie naiv Jimmy von seinen Beobachtungen erzählt.

Fazit:

Ich war beim Lesen sehr gerührt. Außerdem wird die Geschichte sehr spannend und hat ein unerwartetes Ende.

Sie hätte etwas länger sein können, vielleicht wäre es auch schön gewesen, das Ganze zwischendurch aus Tristans Perspektive zu erfahren. Aber wahrscheinlich hätte dann alles noch etwas anders gewirkt.

Insgesamt ein sehr schönes Leseerlebnis!

Bewertung vom 07.03.2024
Das Gras auf unserer Seite
Velasco, Stefanie de

Das Gras auf unserer Seite


ausgezeichnet

Frisch und frech

Die drei Protagonistinnen verfolgen zwar recht ungewöhnliche und unkonventionelle Lebensmodelle, aber dennoch habe ich mich von Anfang an mit ihnen verbunden gefühlt und konnte mich in sie hineinversetzen.

Das liegt wohl am Schreibstil der Autorin. So frisch und frech, dass ich das Buch am liebsten in einem Rutsch durchgelesen hätte.

Der Chat zwischen den Abschnitten ist sehr locker und witzig und ich sehe ihn als gelungenen Übergang zwischen den einzelnen Szenen. So sind irgendwie irgendwie immer alle dabei, obwohl sie zum Teil an unterschiedlichen Orten sind.

Überhaupt kommen mir die Figuren so vor, als hätten sie etwas Autobiografisches. Ich wette, in jeder von ihnen steckt irgendetwas aus der Realität der Autorin.

Den Titel finde ich ebenfalls äußerst gelungen. Zunächst hat er meine Aufmerksamkeit erregt, denn normalerweise ist es doch das Gras auf der anderen Seite, das immer in den Fokus der Begierde rückt, weil man da nicht so ohne weiteres herankommt.

Dieses Buch heißt jedoch „Das Gras auf unserer Seite“ und das trifft es genau. Denn schließlich geht es hier nicht darum, dass sich die Protagonistinnen groß verändern oder verbessern wollen, geschweige denn „nach Höherem streben“. Trotzdem entwickeln sie sich weiter – auf eine sehr sympathische Art und Weise.

Fazit: Ich hätte am liebsten noch weiter gelesen, aber das Buch war leider zu Ende.

Diese Autorin werde ich mir merken.

Bewertung vom 07.03.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Toller Romanstoff und großartige Umsetzung!

Wer will das nicht, sich verjüngen lassen? Das wäre wie ein Bonusleben. Das Tolle dabei ist: Die Erfahrungen und das Wissen bleiben erhalten. Aber ansonsten ist es mit unerwarteten Problemen verbunden.

Maxim Leo hat es geschafft, diesen Gedanken auf gelungene Art und Weise auf den Grund zu gehen.

Zunächst einmal war ich begeistert von der Idee, was für ein Romanstoff! Dessen Umsetzung wurde dem absolut gerecht. Der Autor hat sehr glaubwürdige Charaktere erschaffen und jeden aus ganz eigener Perspektive erlebbar gemacht.

Die Protagonisten sind so verschieden, wie es nur geht. Da sind die Patienten: Jakob, der Teenager, Verena, die ehemalige Leistungsschwimmerin, Jenny, die lange einem unerfüllten Kinderwunsch nachgehangen hat, und Wenger, der erfolgreiche und nun alte und kranke Immobilienunternehmer.

Dazu kommt noch Martin Mosländer. Das ist der Leiter der Studie um das Medikament, welches eigentlich Herzdefekte beheben sollte. Er hat sich selbst das Medikament ebenfalls verabreicht.

Abgerundet wird die „Truppe“ dann noch durch Miriam Holstein, die ebenfalls Medizinerin ist, aber in der Politik als eine Art Beraterin arbeitet. Schließlich würde eine Möglichkeit, Menschen zu verjüngen, ziemlich großen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft haben, es wären sowohl organisatorische als auch ethische Fragen zu klären.

Es ist genial, wie der Autor das alles äußerst unterhaltsam unter einen Hut bringt und dabei auch noch einen feinen Humor einbringt. Ich musste an manchen Stellen grinsen, z. B. bei der Vorstellung, dass Martin beim Niesen einen Hexenschuss bekommt. Eigentlich nicht lustig, aber irgendwie doch.

Überhaupt zeigt er alle Figuren sehr nahe und intim, so dass es mir beim Lesen vorgekommen ist, als würde ich sie alle sehr genau kennen.

Insgesamt bin ich begeistert von diesem Buch und zähle es schon jetzt zu meinen Lesehighlights 2024. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.02.2024
Vierzehn Tage

Vierzehn Tage


gut

Ganz OK, aber zu mystisch-übernatürlich

Dieser Roman ist aus vielen Geschichten zusammengefügt. Das Gesamtgefüge ich als recht gut gelungen. Es wirkt wie ein großes Ganzes und die Rahmenhandlung um die junge Hausmeisterin hält alles wie eine Klammer zusammen.

Von den einzelnen Geschichten fand ich viele wirklich unterhaltsam, einige langweilig und einige mochte ich überhaupt nicht. Aber bei der Vielfalt war das zu erwarten. Die meisten Geschichten waren spannend und hatten eine Pointe oder irgendetwas Besonderes. Andere fand ich überflüssig, insbesondere dann, wenn sie sachbuchmäßig daherkamen, wie z. B. die über Shakespeare. Einige waren mir zu mystisch bis übernatürlich. Aber am Ende hatte alles seine Begründung.

Der Roman ist in die vierzehn Tage unterteilt. Leider nahm mein Interesse im Laufe dieser Tage ab. Das lag wahrscheinlich daran, dass die ersten Geschichten meinen Geschmack noch am besten trafen und dann für mich immer weniger interessante folgten.

Bleibe ich beim Ende, das ich natürlich nicht verraten werde. Meine Meinung dazu: Es passte zwar zum Ganzen aber es gefiel mir nicht, sondern entlockte mir, obwohl es überraschend war, ein etwas enttäuschtes: Naja, hätt‘ ich mir ja denken können!

Fazit: Ich hätte nach etwa der Hälfte abbrechen sollen, so wäre mein Gesamteindruck vielleicht noch etwas besser. So kann ich nur drei von fünf Sternen vergeben, aber das ist noch ganz OK.

Bewertung vom 04.01.2024
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Trotz schwieriger Gesamtsituation kein Trübsinn, sondern Spannung

Ich bin beeindruckt und begeistert von diesem Buch. Ich empfinde es als etwas Besonderes und weiß schon jetzt, dass es zu meinen Lesehighlights im gerade begonnenen Jahr 2024 gehören wird.

Eigentlich ist die gesamte Situation, in der sich Tilda und ihre kleine Schwester Ida befinden – mit ihrer alkoholkranken Mutter – ziemlich bedrückend. Dennoch habe ich das Buch keineswegs als traurig oder trübsinnig empfunden.

Schon den Anfang finde ich stark. Da wird ein Spiel beschrieben, welches Tilda bei ihrem stupiden Job an der Supermarkt-Kasse immer spielt: Sie schaut nur auf die Waren, die jemand kauft und versucht zu erraten, was das für eine Person ist, ob männlich oder weiblich, wie alt, wie sie aussieht usw. Dieses Spiel zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Roman.

Überhaupt hat Tilda eine Menge Routinen, wie z. B. die 22 Bahnen, die sie im Freibad immer schwimmt. Nur durch diese Routinen (auch das Spiel am Kassenband) kann sie ihren verantwortungsvollen Alltag meistern. Schnell wird klar, dass die Bürde, die sie trägt, eigentlich viel zu schwer für sie ist.

Ich frage mich die ganze Zeit, wie sie das alles schafft, denn eigentlich studiert sie Mathematik und das sogar sehr erfolgreich, denn sie bekommt eine Promotionsstelle angeboten. Allerdings in Berlin, so dass sie Angst hat, was dann aus ihrer kleinen Schwester Ida wird, wenn sie sie mit der alkoholkranken Mutter allein zurücklässt.

Aber Tilda beklagt sich nie, sondern sucht immer nach Lösungen. Das macht sie mir besonders sympathisch.

Auch die kleine Ida muss man einfach lieb haben. Sie ist für eine Zehnjährige schon sehr weit. Es bleibt auch ihr ja nichts anderes übrig. Ida ist eher künstlerisch veranlagt und introvertiert. Sie zeichnet gerne und geht nur ins Schwimmbad mit Tilda mit, wenn es regnet, damit nicht so viele andere Leute da sind.

Besonders gut gefällt mir die Interaktion zwischen Tilda und Ida. Tilda ist niemals mit Ida böse und „befiehlt“ auch nichts, sondern macht Vorschläge. Besser könnte eine „funktionierende“ Mutter auch nicht handeln.

Auch die anderen Personen, wie z. B. Viktor, aber auch Nebenfiguren, wie Ursula, die ältere Dame im Schwimmbad, werden durch den anschaulichen Schreibstil der Autoren gefühlt real. Die Mutter von Tilda und Ida macht mich zum Teil wütend, aber manchmal tut sie mir auch leid.

Die Geschichte ist sehr spannend. Ich konnte mich kaum davon lösen und habe sie fast in einem Rutsch durchgelesen.

Fazit: Ein absolut fesselnder und stimmiger Roman, trotz der zum Teil traurigen Zustände keineswegs düster. Manche Passagen haben mich sogar schmunzeln lassen.

Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.12.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

Alles anders als es scheint

Von Anfang an war ich durch den mitreißenden Schreibstil in die Geschichte hineingezogen. Gleich der erste Satz hatte eine Sogwirkung auf mich:

„Lange bevor Walter aus Versehen Gott wurde, suchte seine Chefin bereits nach Wegen, ihn loszuwerden.“

Es wird die Vorgeschichte erzählt, wie es dazu kam, dass der Protagonist Walter, Postbote, in die Christkindfiliale strafversetzt wurde: Ein Kleinkrieg mit einem Nachbarn, ziemlich absurd und mit Augenzwinkern erzählt. Ich war dabei voll auf Walters Seite.

Er scheint irgendwie fertig mit der Welt zu sein, aber dennoch ist mir gleich vom Anfang an klar, dass er einen großen Gerechtigkeitssinn hat.

Wie ist Walter so geworden? Das wird durch Rückblenden erzählt und manches davon ist ziemlich erschütternd. An manchen Stellen habe ich auch nur den Kopf geschüttelt, und zwar über die Gutmütigkeit des jungen Walter, die ihn letzten Endes in schlimme Situationen gebracht und ihn fast ruiniert hat, zumindest mental.

Als er dann beginnt, durch einen Briefwechsel, in dem er den lieben Gott spielt, dem kleinen Ben zu helfen, bin ich gerührt darüber, was Walter auf die Beine stellt. Mir kam es fast so vor, als sähe er in Ben einen Teil seines jüngeren Ichs.

Das Ende war für mich sehr überraschend, zwar recht traurig, aber zum Teil auch tröstend. Mehr kann ich nicht verraten, ohne zu spoilern. Ich fand es jedenfalls sehr passend.

Fazit: Großartig erzählte Geschichte mit ungewöhnlichem und unterschätztem Protagonisten. Obwohl insgesamt eher traurig, gibt es auch Stellen zum Schmunzeln.